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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. Robert Briem, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. Jänner 1995, Zl. N 817/I/5-IV/4/94, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 48 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist ein in den Niederlanden ansässiger Reiseveranstalter. Am 6. September 1994 stellte sie bei der belangten Behörde den Antrag, gemäß § 48 BAO ihre in Österreich grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Umsätze aus Reiseleistungen von der Umsatzsteuerpflicht auszunehmen. Begründend legte sie dar, in Österreich ansässige Reiseveranstalter, die Reiseleistungen in den Niederlanden erbringen, unterlägen mit diesen Leistungen nicht der niederländischen Umsatzsteuer. Die Gegenseitigkeit im Sinne des § 48 BAO ergebe sich somit aus dem niederländischen Umsatzsteuerrecht.
Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin vor, die Befreiung von der Umsatzsteuer könne frühestens ab 1992 gewährt werden, weil ein formelles Gegenseitigkeitsverhältnis in bezug auf Reiseveranstalter auf Grund eines Notenwechsels erst ab 1992 vereinbart worden sei.
Die Beschwerdeführerin erwiderte u.a., es sei international, insbesondere nach der 6.
EG-Mehrwertsteuer-Richtlinie, üblich, daß Reisebüros, die keine Betriebsstätte im jeweiligen Leistungsstaat hätten, umsatzsteuerlich mit ihren Leistungen am Sitz oder Ort der Geschäftsleitung erfaßt würden. § 3 Abs. 13 UStG (1972) bewirke hingegen eine Steuerpflicht ausländischer Reisebüros in Österreich, die an den internationalen Maßstäben gemessen eine unübliche Reichweite beinhalte und zwangsläufig zu einer Doppelbesteuerung führe. Die Gegenseitigkeit - in dem Sinne, daß in den Niederlanden erbrachte Reiseleistungen österreichischer Reiseveranstalter nach dem niederländischen Umsatzsteuerrecht nicht der niederländischen Umsatzsteuer unterlägen - sei schon seit 1979 gegeben. Der Abgabenverzicht der österreichischen Seite sei geboten, um die zusätzliche Kostenbelastung des Verkaufes von Österreichurlauben durch niederländische Reisebüros und damit einen Wettbewerbsnachteil der österreichischen Tourismuswirtschaft hintanzuhalten. Es sei aber auch das Tatbestandsmerkmal "Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" verwirklicht, weil es zu einer zweifachen Besteuerung ein- und desselben Umsatzes käme. Dies resultiere aus einer Besonderheit des österreichischen Umsatzsteuerrechtes für Leistungen von Reisebüros, die international unüblich und auch im österreichischen UStG 1994 nicht mehr enthalten sei. § 3 Abs. 13 UStG 1972 führe zu einer österreichischen Umsatzsteuerpflicht, obwohl die Beschwerdeführerin auf österreichischem Staatsgebiet keine Tätigkeit setze und dieselbe Leistung bereits der Umsatzbesteuerung in den Niederlanden, wo sie ihren Sitz habe, unterliege.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, es werde gemäß § 48 BAO zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung angeordnet, daß jene Umsätze, die gemäß § 3 Abs. 13 UStG 1972 als in Österreich ausgeführt gelten, insoweit von der österreichischen Umsatzsteuer befreit sind, als sie nicht einer österreichischen Betriebsstätte des Unternehmens der Beschwerdeführerin zuzurechnen sind. Diese Befreiung bewirke nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 UStG 1972 den Ausschluß vom Vorsteuerabzug. Die Steuerbefreiung gelte für Umsätze der Jahre 1992 bis einschließlich 1994. Das Mehrbegehren, diese Entlastungsmaßnahme auch für die Zeiträume 1988 bis 1991 zu gewähren, wurde abgewiesen. Begründend wurde nach Zitat des § 48 BAO dargelegt, auf Grund der unterschiedlichen innerstaatlichen Umsatzsteuerregelungen der Besteuerung von Reisebüroleistungen trete insoweit eine Doppelbesteuerung ein, als diese sowohl in Österreich als auch in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterworfen würden. Da es aber nach herrschender Auffassung die Aufgabe des Wohnsitzstaates sei, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den gebietsansässigen Abgabepflichtigen zu sorgen, erscheine eine positive Ermessensentscheidung zugunsten eines in den Niederlanden ansässigen Abgabepflichtigen nicht sachgerecht. Diese Auffassung werde von der Rechtsprechung geteilt (vgl. Verwaltungsgerichtshof 14. März 1990, Zl. 89/13/0115). Das Argument, die unterschiedliche Behandlung der Umsätze vor und nach dem 1. Jänner 1992 sei durch nichts begründet, weil die Doppelbesteuerung vor und nach diesem Stichtag gleichermaßen bestanden habe, könne daher zu keiner anderslautenden Entscheidung führen. Insbesondere könne keine Begünstigung gegenüber allen anderen Reiseveranstaltern in Erwägung gezogen werden, die ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen in Österreich nachgekommen seien. Was die Herstellung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses betreffe, so könne diese im Gesetz vorgesehene Rechtsvoraussetzung nicht so verstanden werden, daß Österreich automatisch einen Steuerverzicht zugunsten ausländischer Abgabepflichtiger zu leisten habe, wenn in deren Ansässigkeitsstaat auf Grund innerstaatlicher Vorschriften keine Steuer von österreichischen Abgabepflichtigen erhoben werde. Ein Reziprozitätsverhältnis werde vielmehr durch einen Notenaustausch oder ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll hergestellt. Ein derartiger Notenwechsel sei zwischen dem österreichischen Finanzministerium und dem niederländischen Finanzministerium mit Schreiben vom 5. Juni bzw. 10. August 1992 erfolgt. In diesem Notenwechsel sei das Einvernehmen darüber hergestellt worden, daß auf dieser Grundlage niederländischen Reiseveranstaltern ab 1992 in Österreich eine Umsatzsteuerentlastung gewährt werde. Die zeitliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung sei mit Ablauf des Jahres 1994 begrenzt, weil mit Anpassung der österreichischen Umsatzsteuervorschriften an die EU-Regelung kein weiteres Erfordernis für Entlastungsmaßnahmen bestehe.
Die vorliegende Beschwerde beantragt, den angefochtenen Bescheid, soweit damit für die Jahre 1988 bis 1991 die Befreiung von der Umsatzsteuer abgelehnt werde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 48 BAO kann das Bundesministerium für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.
Die zitierte Vorschrift gestattet - unter der Voraussetzung, daß der Abgabepflichtige der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegt, die Anordnung bestimmter steuerlicher Entlastungsmaßnahmen, soweit dies
-
zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder
-
zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist.
Diese Kriterien stellen die Rechtsvoraussetzungen der Entsteuerung nach § 48 BAO dar; daneben vermitteln sie durch die Formulierung der mit der Regelung verfolgten Ziele die Leitlinien für die Ausübung des durch die Vorschrift eingeräumten Ermessens (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0115; Stoll, BAO-Kommentar 509 mwN).
Das Tatbestandsmerkmal "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" ist im Beschwerdefall nicht strittig.
Die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des "Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" wird von Lehre und Rechtsprechung bejaht, wenn "echte internationale Doppelbesteuerung" vorliegt; darunter wird die Erhebung gleicher oder gleichartiger Steuern von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum verstanden (vgl. z.B. Loukota, Vermeidung internationaler Doppelbesteuerungen gemäß § 48 BAO, FS Stoll, 407, 410; Jirousek, unilaterale Maßnahmen zur Steuerentlastung gemäß § 48 BAO, ÖStZ 1985, 44, 45; Urtz, § 48 BAO und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 359, jeweils mwN).
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides keine Feststellungen über die im vorliegenden Zusammenhang relevanten Regelungen des niederländischen Umsatzsteuerrechtes getroffen. Ihrem Bescheid ist aber auch nicht zu entnehmen, daß sie das Vorliegen der Rechtsvoraussetzung "Erfordernis der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" verneint hätte. Nach der Aktenlage, insbesondere den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auskünften der niederländischen Finanzverwaltung über das niederländische Umsatzsteuerrecht werden von niederländischen Reiseveranstaltern besorgte Leistungen, auch wenn diese im Ausland erbracht werden, am Sitz des Reiseveranstalters (in den Niederlanden) besteuert; hingegen erfolgt im Hinblick auf die Regelungen betreffend den Leistungsort keine Besteuerung der Leistungen ausländischer Reiseveranstalter, die in den Niederlanden keine Betriebsstätte haben, auch wenn die besorgte Reiseleistung in den Niederlanden erbracht wird.
Nach § 3 Abs. 13 UStG 1972 gelten die Besorgung von Beförderungs-, Umschlags- und Lagerleistungen sowie die im eigenen Namen und für fremde Rechnung erbrachten Leistungen der Reisebüros und Werbungsmittler insoweit als im Inland ausgeführt, als die besorgten Leistungen im Inland bewirkt werden. Nach dieser - bis zum Inkrafttreten des UStG 1994 und somit im gesamten Streitzeitraum geltenden - Regelung unterliegen somit Leistungen, die von einem in den Niederlanden ansässigen Reiseveranstalter besorgt und in Österreich erbracht werden, der Umsatzsteuerpflicht in Österreich, auch wenn der Reiseveranstalter keine Betriebsstätte in Österreich unterhält. Ebenso unterliegen diese Leistungen der niederländischen Umsatzbesteuerung.
Von den oben dargelegten Annahmen über die Rechtslage in den Niederlanden ausgehend wird somit ein- und dieselbe Leistung des niederländischen Reiseveranstalters in Österreich und in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterzogen; es liegt "echte internationale Doppelbesteuerung" und somit die Rechtsvoraussetzung "Erfordernis der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" im Sinne des § 48 BAO vor. Davon dürfte auch die belangte Behörde ausgehen, die sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit Fragen der Ermessensübung, die dem Ziel der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung zuzuordnen sind, auseinandersetzt. Sie vertritt - unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1990, Zl. 89/13/0115 - die Auffassung, es sei die Aufgabe des Wohnsitzstaates, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den gebietsansässigen Abgabepflichtigen zu sorgen. Eine positive Ermessensentscheidung zugunsten eines in den Niederlanden ansässigen Abgabepflichtigen wäre daher nicht sachgerecht.
Im vorzitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof - im Zusammenhang mit dem Antrag einer in Südafrika ansässigen Luftlinie, die in Wien eine Repräsentanz unterhielt, ihre in Österreich erzielten Einkünfte und ihr in Österreich gelegenes Vermögen aus der österreichischen Abgabepflicht auszuscheiden - die Auffassung der belangten Behörde gebilligt, einer positiven Ermessensentscheidung stehe der Umstand entgegen, daß es Aufgabe Südafrikas sei, für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung bei seinem eigenen Luftfahrunternehmen zu sorgen.
Diese (auch im Schrifttum; vgl. Jirousek, aaO 46; Loukota aaO 415, Philipp-Loukota-Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z. 00, Rz 20) auf eine Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen bezogene Aussage kann auf den vorliegenden, eine Doppelbesteuerung bei der Umsatzsteuer betreffenden Fall nicht ohne weiteres übertragen werden. Im Zusammenhang mit einer Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen erscheint es sachgerecht, die Ermessensübung bei Vornahme einer unilateralen Entlastungsmaßnahme an der Überlegung zu orientieren, daß nach der üblichen Staatenpraxis beim Abschluß von Doppelbesteuerungsabkommen im allgemeinen der Wohnsitzstaat Steuerfreistellung (gegebenenfalls unter Progressionsvorbehalt) bzw. Steueranrechnungen zu gewähren hat, wenn eine Zuteilungsregel dem anderen Vertragsstaat die Besteuerungsmöglichkeit einräumt (vgl. Art. 23A, 23B OECD-MA 1977 bzw. Art. 23 OECD-MA 1992).
Diese Überlegung kann in der Frage der Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei der die Steuerpflicht grundsätzlich an den Ort der Lieferung oder Leistung anknüpfenden Umsatzsteuer nicht in gleicher Weise die Ermessensübung tragen. Auch sonst wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides nichts dargelegt, was die Ermessensübung bei der Verweigerung einer Entsteuerungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des Zieles der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung tragen könnte.
Im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal "zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich" hat die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides schon die erwähnte Anwendungsvoraussetzung als nicht gegeben angesehen. Sie vertritt die Auffassung, diese dürfe nicht so verstanden werden, daß Österreich "automatisch" einen Steuerverzicht zugunsten ausländischer Abgabepflichtiger zu leisten habe, wenn in deren Ansässigkeitsstaat auf Grund innerstaatlicher Vorschriften keine Steuer von österreichischen Abgabepflichtigen erhoben werde. Ein Reziprozitätsverhältnis werde vielmehr durch einen Notenaustausch oder ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll hergestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung, daß sich aus § 48 BAO nicht die Verpflichtung Österreichs ergibt, unter den von der belangten Behörde genannten Voraussetzungen "automatisch" eine Steuerfreistellungsmaßnahme vorzunehmen. Dies folgt schon aus dem Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit", die anhand der im erwähnten Zusammenhang von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu beurteilen ist (vgl. z.B. Stoll, aaO, 511, mwN). Diese Überlegung bildet aber keine Grundlage für die Auffassung der belangten Behörde, eine Entlastungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der "Erforderlichkeit zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung" setze einen Notenaustausch oder ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll voraus. Das Gesetz knüpft an dieses formelle Erfordernis nicht an. Der soeben erwähnten Anwendungsvoraussetzung ist die Herstellung der allgemeinen Gegenseitigkeit durch formelles Verfahren nicht immanent. Das Gesetz bietet somit keinen Anhaltspunkt dafür, Gegenseitigkeit in dem in § 48 BAO gebrauchten Sinn nicht schon dann zu bejahen, wenn nach der Steuergesetzgebung des betreffenden Staates - wie in dem hier anzunehmenden Fall mangels einer dem österreichischen Steuertatbestand entsprechenden Regelung - und der Praxis der dortigen Finanzverwaltung sichergestellt ist, daß im "umgekehrten" Fall keine Besteuerung erfolgt.
Die Beschwerdeführerin hat behauptet und Bescheinigungsmittel dafür vorgelegt, daß im Streitzeitraum nach dem niederländischen Recht eine Besteuerung österreichischer Reiseveranstalter für in Österreich besorgte, in den Niederlanden erbrachte Reiseleistungen nicht erfolgte. Träfe dies zu, wäre eine entsprechende Erklärung der Niederlande bloß deklarativ; an ein bloßes Formerfordernis knüpft § 48 BAO nicht an. Ebensowenig setzt eine (Einzel)Entlastungsmaßnahme im Sinne des § 48 BAO die vorangehende Herstellung der allgemeinen Gegenseitigkeit durch die Erklärung der österreichischen Finanzverwaltung (und deren Annahme) voraus, ihrerseits die vom gegenbeteiligten Staat bei der Besteuerung in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger geübte Vorgangsweise einzuhalten. Die zitierte Vorschrift erlaubt, eine "den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechende Behandlung" durch Einzelentscheidung herbeizuführen; weder am Wortlaut noch am erkennbaren Zweck der Vorschrift orientierte Überlegungen lassen annehmen, daß die steuerliche Entlastung ein allgemeines durch Notenwechsel oder Verhandlungsprotokoll verbrieftes Gegenseitigkeitsverhältnis voraussetze.
Auf der Grundlage ihrer nicht begründeten Auffassung, daß die Rechtsvoraussetzung der "Erforderlichkeit zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung" einen Notenwechsel oder ein Verhandlungsprotokoll voraussetze, hat die belangte Behörde keine Feststellungen über die im Streitzeitraum geltende Rechtslage in den Niederlanden und die dort geübte Verwaltungspraxis bei der Umsatzbesteuerung von Leistungen der Reiseveranstalter getroffen; ihre Entscheidung beruht somit nicht auf vollständig ermittelter Sachverhaltsgrundlage. Treffen die dargelegten Annahmen über die Rechtslage und Verwaltungspraxis in den Niederlanden zu, wäre die belangte Behörde verpflichtet, eine an der Zielsetzung der Erforderlichkeit zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung orientierte Ermessensentscheidung zu treffen und die Ermessensübung entsprechend zu begründen.
Ergänzend wird bemerkt, daß der auf die Gesetzgebung und Verwaltungspraxis des betreffenden Staates gegründeten Annahme der vom gegenbeteiligten Staat beachteten Gegenseitigkeit im Sinne der zuletzt erwähnten Anwendungsvoraussetzung der (von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung hervorgehobene) Umstand nicht entgegensteht, daß im Zuge eines Notenwechsels die österreichische Finanzverwaltung eine zeitliche Einschränkung der von ihr zugesagten Entlastungsmaßnahme erklärte.
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995150043.X00Im RIS seit
19.02.2002