TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 W108 2206059-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2206059-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration u. Globalen Erfahrungsaustausch und Rechtsanwalt Dr. Alois EICHINGER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2018, Zl. 1168326601-171074751/BMI-BFA_NOE_RD, wegen Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, begehrte mit Antrag vom 18.09.2017, ihm internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) zu gewähren.

Zu diesem Antrag gab der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung an, er sei syrischer Staatsangehöriger, Kurde und stamme aus dem Ort XXXX (im Folgenden: K.)/ XXXX kurdischen Gebiet Nordsyriens. Er sei im Jahr 2013 von K. aus mit seiner Familie vor dem "Islamischen Staat", IS, der alle Kurden umbringen wolle, geflüchtet. Er wolle seiner Familie ein sicheres und besseres Leben ermöglichen.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) erstattete er folgendes Vorbringen:

Seine letzte Adresse sei K. gewesen, zuvor habe er 10 Jahre in XXXX (im Folgenden Z.) bei XXXX gelebt. Als der Krieg begonnen habe, habe er Angst gehabt, dass er zwangsrekrutiert werde, weswegen er zurück nach K. gegangen sei. Er hätte als Reservist einrücken müssen, er sei dem aber nicht gefolgt. Er habe nicht in den Krieg gewollt. In Z. habe er diesbezüglich ein Schreiben bekommen, dann habe er Anfang des Jahres 2014 Z. verlassen. Er habe ein Haus in Z. gehabt, das sei bombardiert worden und jetzt nicht mehr existent. In K. hätte er auch ein kleines Haus gehabt, das sei auch zerstört worden. Als der IS K. im Jahr 2014 eingenommen habe, sei er mit seiner Frau und den Kindern in die Türkei geflüchtet. Seine Ehefrau befinde sich mit den gemeinsamen Kindern in der Türkei. Er habe den Wehrdienst im Jahr 2001 abgeschlossen. Der Militärdienst habe mit Trainingseinheiten begonnen und er habe eine Ausbildung als Fahrer und Schweißer gehabt. Er habe den Einberufungsbefehl Anfang 2014 erhalten. Ein Polizist in Zivil habe den Einberufungsbefehl nach Hause gebracht, zu diesem Zeitpunkt sei er nicht zu Hause gewesen, man habe den Einberufungsbefehl seinem Vater gegeben. Nach dem Inhalt des Einberufungsbefehls hätte er sich nach einem Monat in der Kaserne in XXXX , wo er den Wehrdienst abgeleistet gehabt hätte, melden müssen. Ca. 3 Wochen bzw. 1 Woche bis 10 Tage später habe er Z. verlassen. Er sei an den Checkpoints vorbeigekommen, da er einen Ausweis gehabt hätte. Wenn er zugewartet hätte, wäre er sicher mitgenommen worden. Er sei nicht an Checkpoints angehalten worden, da er versucht hätte, diese zu überqueren. Außerdem sei sein Name noch nicht an den Checkpoints aufgelegen gewesen. In K. hätte es keine Kontrollposten gegeben. Sein Wehrdienstbuch sei in K. geblieben, das Haus sei zerstört worden. In der Erstbefragung sei er zur Einberufung nicht befragt worden. Zum Militär sei er nicht detailliert gefragt worden. Über Vorhalt, dass er in der Erstbefragung gesagt habe, dass er im Sommer 2013 in die Türkei gegangen sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe dieses Datum nicht angegeben, er habe nur gesagt, dass er, als der IS K. angegriffen habe, weggegangen sei. Alle aus K. seien geflüchtet, als der IS gekommen sei. Ein Teil sei zurückgegangenen, ein Teil nicht. Er habe gesagt, er sei im Jahre 2014 in der Türkei gewesen. Er sei damals illegal ausgereist. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Tod und der Regierung. Er sei Sunnite, aber nicht religiös.

2. Mit dem nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Der Bescheid enthält weiters Aussprüche über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG und über die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG (Spruchpunkte II. und III.).

Die belangte Behörde ging von der vom Beschwerdeführer angegebenen Identität und von seinem Vorbringen zu seinen persönlichen/familiären Verhältnissen aus. Weiters legte sie zu Grunde, dass der Beschwerdeführer Syrien 2013 auf illegaler Basis verlassen habe. Er habe seinen verpflichtenden Wehrdienst 2001 abgeschlossen. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise habe keine nachgewiesene, feststellbare Einberufungsbeabsichtigung seitens des syrischen Militärs gegenüber dem Beschwerdeführer vorgelegen. Weiter habe es bzw. gebe es seitens des syrischen Regimes keine Generalmobilmachung. Die allgemeine Bedrohungssituation durch den IS zum Zeitpunkt seiner Ausreise sei als glaubhaft zu werten. Eine anderswertige Gefährdung, welche einzig auf personenbezogener Merkmale abziele, wie etwa aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit, sei den gegenständlichen Verfahrenszusammenhängen nicht zu entnehmen. Der IS sei weitestgehend aus den kurdischen Gebieten Nordsyriens vertrieben und befinde sich landesweit in der Defensive und auf dem Rückzug, wobei die Stadt K. selbst, mit Februar 2015 als befreit gelte. Die originären Fluchtgründe des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2013 seien somit weggefallen. In der Einvernahme habe der Beschwerdeführer ein weiteres fluchtauslösendes Ereignis, dass er vom syrischen Regime als Reservist eingezogen werden würde, angeführt. Die Behörde sei überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers keine Beabsichtigung einer Einberufung als Reservist angestanden sei und er sich dementsprechend nicht dem Wehrdienst entzogen habe. Die Schilderung bezüglich der angeblichen Einberufung sei nicht glaubwürdig. Es werde davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers keine Rekrutierungsabsicht bestanden habe und der Beschwerdeführer Syrien mit seiner Familie aufgrund der Kriegssituation und allgemeinen prekären Sicherheitslage verlassen habe.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher den behördlichen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen substantiiert entgegengetreten wurde und insbesondere auf den Erhalt eines Einberufungsbefehls in Z. dem der Beschwerdeführer nicht Folge geleistet habe, hingewiesen wurde.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte und Beweis erhoben wurde durch Einvernahme des Beschwerdeführers und Erörterung von Unterlagen/Länderberichten zur Situation in Syrien, insbesondere auch zur Situation im Ort Z.. Der Beschwerdeführer sagte aus, er sei vor dem Einberufungsbefehl des syrischen Regimes geflüchtet. Falls er zurückkehren würde, würde der Staat ihn verhaften und ihn als Verräter inhaftieren, weil er dem staatlichen Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet habe. Außerdem lebten in Z. Araber und die würden nicht zulassen, dass er wieder dort lebe. Das Regime würde ihn nicht wieder nach Z. zurückkehren lassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Hinsichtlich der Lage in Syrien:

1.1.1. Wehrdienst/Rekrutierung

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen.

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht.

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden.

Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein.

Wehrdienstpflichtige Männer werden bei Hausdurchsuchungen, Razzien, an Checkpoints oder an der Grenze verhaftet und in den Militärdienst eingezogen. Bei Behördengängen, wie zum Beispiel der Registrierung einer Heirat, soll es auch zu Verhaftungen kommen. Gemäß den vom Finnish Immigration Service befragten Quellen werden Männer auf der Straße, an Universitäten und an Checkpoints eingezogen. Busse werden angehalten, um Männer im wehrdienstpflichtigen Alter zu suchen. Im privaten Sektor werden Firmen unter Druck gesetzt, ihre Arbeiter in den Militärdienst zu schicken. Das US Department of State weist darauf hin, dass an den Checkpoints der Regierung Männer allein aufgrund ihres wehrdienstpflichtigen Alters verhaftet werden. Viele verschwinden nach den Verhaftungen an Checkpoints. Auch die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien geht von zehntausenden Männern im wehrdienstpflichtigen Alter aus, die verschwunden sind.

Bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt das Regime, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. Zudem werden Häftlinge unter Druck gesetzt, entweder in Haft zu bleiben oder in die Armee einzutreten.

Gemäß Berichten werden Anwohner unter Druck gesetzt, sich den lokalen Milizen anzuschließen, obwohl der Beitritt zu den Verteidigungsmilizen freiwillig ist. Im Februar 2016 wurde auf einer Webseite der Opposition berichtet, dass in Deir al-Zur, einer Stadt im Osten Syriens, welche vom sogenannten "Islamischen Staat" belagert wurde, der zuständige General die Schaffung einer Selbstverteidigungsmiliz verkündete, und dass die syrischen Sicherheitsdienste alle Männer zwischen 15 und 60 Jahren verhaftet und eingezogen haben.

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt. Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist.

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert.

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird.

Die Regierung strebt eine Stärkung der Berichten zufolge angespannten personellen Kapazitäten ihrer Streitkräfte an und hat daher, wie aus Berichten hervorgeht, ihre Bemühungen um Einziehung und Mobilisierung von Reservisten in Gebieten unter ihrer Kontrolle intensiviert, einschließlich an mobilen und fest installierten Kontrollstellen, bei Angriffen und Durchsuchungen von Häusern und öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch Jungen im Teenageralter, die das Aussehen von 18-Jährigen hatten, wurden Berichten zufolge an Kontrollstellen festgenommen. Zahlreiche Männer im Wehrdienst- oder Reservistenalter vermeiden es Berichten zufolge, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, halten sich versteckt oder sind aus Angst vor Drangsalierung an Kontrollstellen und vor Einziehung außer Landes geflohen. Es stellt Berichten zufolge eine gängige Praxis dar, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. In von Regierungskräften von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen zurückeroberten Gebieten wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter in großer Zahl festgenommen und zwangsrekrutiert. Männer im wehrfähigen Alter können das Land nur mit Genehmigung des Rekrutierungsbüros verlassen. Auch um zu heiraten oder in den Staatsdienst einzutreten brauchen sie eine Genehmigung. Der Pflichtwehrdienst wurde Berichten zufolge in vielen Fällen über die vorgesehenen Monate hinaus verlängert. Nach einer eventuellen Entlassung aus dem Pflichtwehrdienst folgt, wie berichtet wird, in der Regel eine automatische Aufnahme in die Reservistenliste. Angesichts des anhaltenden Konflikts und des steigenden Bedarfs an Rekruten werden Berichten zufolge Regeln und Rechtsvorschriften für den Militärdienst zunehmend willkürlich angewandt, insbesondere in Bezug auf Aufschub- und Ausnahmeverfahren. Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein.

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Da es sich bei den Möglichkeiten zum Freikauf um "Kann-Bestimmungen" handelt, ist eine Befreiung in Krisenzeiten unwahrscheinlich.

Verschiedene Beobachter berichteten dem Danish Immigration Service, dass Freistellungen manchmal nicht mehr akzeptiert werden. Zudem sei die Freistellung vom Militärdienst auch gegen Bestechung schwieriger geworden. Gemäß dem Syrian Observer und Noah Bonsey von der International Crisis Group befürchten auch Männer, die vom Militärdienst befreit sind, eingezogen zu werden. Die Willkür hat vor allem in den Gebieten zugenommen, die von Milizen kontrolliert werden. Quellen des Finnish Immigration Service ist zu entnehmen, dass die Umsetzung der Freistellungen willkürlich ist. Die Freistellungsdokumente sind zwar vorzeigbar, können jedoch an einem Checkpoint zerrissen werden.

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Wehrdienstentziehung

Gemäß den Informationen des UK Home Office ist in Artikel 68 festgehalten, dass Personen, die sich der Einberufung entziehen, in Friedenszeiten zwischen ein bis sechs Monate und in Kriegszeiten bis zu fünf Jahre inhaftiert werden. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Gemäß Artikel 101 wird Desertion mit fünf Jahren Haft oder mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft, wenn der Deserteur das Land verlässt. Deserteure, die militärisches Material mitgenommen haben und die in Kriegszeiten oder während des Kampfs desertierten oder bereits früher desertiert sind, werden mit 15 Jahren Haft bestraft. In Artikel 102 ist festgehalten, dass ein Deserteur, der im Angesicht des Feindes desertiert, mit lebenslanger Haft bestraft wird. Exekution ist entsprechend Artikel 102 bei Überlaufen zum Feind und gemäß Artikel 105 bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen. UNHCR erstellte eine inoffizielle Übersetzung ausgewählter Paragraphen des Military Penal Law, Legislative Decree No. 61/1950. Diese stimmen inhaltlich, jedoch bezüglich der Nummerierung nur teilweise mit den oben erwähnten Artikel überein. In der Übersetzung von UNHCR wird Wehrdienstentzug gemäß Artikel 98 und 99 bestraft. Gemäß UNHCR ist die Bestrafung von Desertion in Friedenszeiten im Artikel 100 geregelt und in Artikel 101 ist die Bestrafung bei Desertion in Kriegszeiten festgelegt. In den Artikeln 102 und 103 steht, dass das Überlaufen zum Feind und eine zusätzliche Verschwörung mit dem Feind mit dem Tod bestraft wird.

Bei der Umsetzung der Bestrafung herrscht Willkür. Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht. Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ?desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Gemäß einer Quelle des Finnish Immigration Service hängt die Bestrafung von der Position und dem Rang des Deserteurs wie auch vom Bedarf an der Front ab. Auch im Bericht des Danish Immigration Service weist eine befragte Person darauf hin, dass die Bestrafung vom Profil, von der Herkunftsregion oder vom Beziehungsnetz der betroffenen Person abhängen kann. Komme der Verdacht auf, dass Kontakte zur Opposition bestehen, würden die Untersuchungen und die Folter intensiviert. Bei Wehrdienstentzug droht je nach Profil und Umständen sofortiger Einzug in den Militärdienst, Einzug an die Front oder Haft und Folter. Desertion wird mit Haft, Verschwinden-Lassen, Verfahren vor Militärgerichten, lebenslanger Haft, Todesstrafe oder Exekution bestraft. Häuser, Läden und Besitz von Deserteuren werden vom Regime geplündert, angezündet und zerstört. Es kann auch vorkommen, dass aufgegriffene Deserteure direkt an die Front geschickt werden.

Bereits 2011 wurden Dutzende syrische Deserteure exekutiert, da sie sich den Aufständischen anschließen wollten. Human Rights Watch berichtete 2012, dass syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen oder inhaftiert werden, wenn sie Befehle nicht befolgen. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind. Regierungstruppen zerstörten die Häuser, Höfe und Geschäfte von verdächtigen Regierungsgegnern. Dieses willkürliche Vorgehen gegen Deserteure und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, wird auch in neueren Berichten bestätigt. Das Immigration and Refugee Board of Canada ging aufgrund verschiedener Quellen im August 2014 davon aus, dass Personen, die sich dem Militärdienst entziehen, verhaftet oder zwangsrekrutiert werden. Ein Aktivist meint, dass insbesondere hochrangige Offiziere, die desertiert sind, als Verräter gesehen werden, ihnen droht Haft und Folter.

Im Bericht des Finnish Immigration Service vom August 2016 wird darauf hingewiesen, dass Deserteuren die Todesstrafe droht. Ein europäischer Diplomat ist zwar nicht sicher, ob die Todesstrafe umgesetzt wird, er berichtet jedoch, dass es als Abschreckungsmaßnahme zu Massenexekutionen von Deserteuren gekommen ist. Gemäß einer anderen Quelle werden Deserteure inhaftiert und gefoltert, einige würden auch an die Front geschickt.

Seit 2011 hat der syrische Präsident al-Assad für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstentzieher und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstentzieher und Reservisten eine Amnestie erhalten. Weder über die Umsetzung dieser Dekrete noch darüber, wie viele Wehrdienstentzieher seit 2011 in den Genuss dieser Amnestien kamen, liegen Informationen und genaue Zahlen vor. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen von ihnen. Bei Rückkehrern aus dem Ausland werden Berichten zufolge regelmäßig die Aufzeichnungen zu ihrem Militärdienst überprüft.

Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass - auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

Einwohner Syriens, die tatsächlich oder vermeintlich regierungskritische politische Ansichten im weitesten Sinne haben, sind als Personen anzusehen, die gefährdet sind durch die Regierung verfolgt zu werden. Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung, Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände, reagierten die Regierung und regierungsfreundliche Kräfte, wie aus Berichten hervorgeht, mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Die Regierung wendet, wie berichtet wird, bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an: jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber, wie auch immer ausgedrückt - friedlich oder gewalttätig, organisiert oder spontan, im Rahmen einer politischen Partei, bewaffneten Gruppe oder individuell, virtuell im Internet oder im bewaffneten Konflikt - führte Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden. Gegen zahlreiche Personen wurden Berichten zufolge Strafverfahren gemäß dem Terrorbekämpfungsgesetz (Gesetz Nr. 19 vom 2. Juli 2012) durchgeführt. Das Gesetz sieht schwere Strafen - von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe - für Personen vor, bei denen festgestellt wird, dass sie "terroristische" Handlungen begangen haben. "Terrorismus" ist vage und mit sehr weiten Begriffen in den Gesetzen definiert, die viel Raum für Strafverfolgung wegen zahlreicher unterschiedlicher Aktivitäten bieten, einschließlich Teilnahme an Protesten, Äußerungen in sozialen Medien, Bereitstellung humanitärer Hilfsdienste, Schmuggeln von Arzneimitteln und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Berichten ist zu entnehmen, dass die meisten Häftlinge nie förmlich angeklagt werden. Gegen tausende Zivilisten wurden Berichten zufolge von Strafgerichten, dem Antiterrorismus-Gericht in Damaskus und militärischen Feldgerichten Strafverfahren durchgeführt, die gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen. In der Regel gingen den Verfahren monatelange Untersuchungshaft in Einrichtungen der Sicherheitsdienste und erzwungene Geständnisse voraus. Es wird berichtet, dass die Strafen für jene Personen, die vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, auch dann hart sind, wenn die fraglichen Aktivitäten selbst friedlich waren. Wie aus Berichten hervorgeht, überwacht die Regierung Korrespondenz, Online-Aktivitäten und politische Zusammenkünfte. Die Regierung hört Berichten zufolge mit Hilfe von entsprechender Ausrüstung Gespräche ab, installiert Spysoftware auf den Computern von Aktivisten, blockiert Textnachrichten und ortet Mobil- und Satellitentelefone. Aus Berichten geht hervor, dass die Online-Überwachung zu willkürlichen Verhaftungen, incommunicado Haft, Folter und Tötungen von zahlreichen politischen Dissidenten, Aktivisten, Laienjournalisten und anderen Personen geführt hat. Zahllose Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert, nachdem sie über soziale Medien Fotos oder Videos, die regierungskritische Proteste oder Aufstände unterstützen, weitergeleitet, positiv bewertet oder kommentiert hatten. Wie berichtet wird, hackt die seit April 2011 bestehende so genannte Syrische Elektronische Armee mit stillschweigender Zustimmung der Regierung Websites und Seiten sozialer Medien von oppositionellen Gruppen, von bestimmten westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen und blockiert sie oder überflutet sie mit regierungsfreundlichen Inhalten. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden nach Ausbruch der regierungskritischen Proteste im März 2011 Syrer, die im Ausland an solchen Protesten teilnahmen, durch Mitarbeiter syrischer Botschaften und durch andere Personen, die mutmaßlich im Auftrag der syrischen Regierung handelten, kontrolliert, eingeschüchtert und teilweise körperlich angegriffen. Berichten zufolge wurden die in Syrien gebliebenen Angehörigen von syrischen Staatsangehörigen, die sich an Protesten oder damit verbundenen Aktivitäten im Ausland beteiligt hatten, Befragungen unterzogen, durch telefonische Anrufe, E-Mails und Facebook-Nachrichten bedroht, sie wurden verhaftet, misshandelt oder sogar getötet. In Deutschland wurden vier Mitarbeiter der syrischen Botschaft, die mutmaßlich Aktivitäten syrischer Oppositionsmitglieder überwachten, ausgewiesen. Wie berichtet wird, befürchten im Exil lebende Syrer von Landsleuten, die aus eigener Initiative oder als Informanten im Auftrag der syrischen Regierung handeln, überwacht, bedroht oder in sozialen Medien als "regierungsfeindlich" dargestellt zu werden.

(Arabische) Sunniten werden im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen, als regierungsfeindlich wahrgenommen. Aus diesem Grund waren ihre Wohngebiete von Beschießungen, Artilleriefeuer und Militärangriffen betroffen und von der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Grundbedarfsgütern abgeschnitten. Darüber hinaus wurden Sunniten von Streitkräften der Regierung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung mit sunnitischen Islamisten oder Salafisten bzw. ganz allgemein bewaffneten oppositionellen Gruppen willkürlich verhaftet, in Isolationshaft genommen, gefoltert und auf andere Weisen misshandelt sowie extralegal und standrechtlich hingerichtet. Der unabhängigen UN-Untersuchungskommission zufolge besteht "in von der Regierung kontrollierten Gebieten für sunnitische Männer aus Unruhegebieten das größte Risiko, an Kontrollstellen oder bei Hausdurchsuchungen inhaftiert zu werden, da sie als wahrscheinliche Sympathisanten oder Unterstützer von oppositionellen bewaffneten Gruppen gelten. Diese Gemeinschaft ist insbesondere in Hinblick auf Zwangsverschleppung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen während Inhaftierungen gefährdet.

Berichten ist zu entnehmen, dass Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppen in Erscheinung treten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, im Allgemeinen mit der Opposition in Verbindung gebracht werden und daher von der Regierung als regierungsfeindlich angesehen werden. Es gehört Berichten zufolge zu einer umfassenden Politik, Zivilisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ihrer Anwesenheit in einem Gebiet oder ihrer Herkunft aus einem Gebiet, das als regierungsfeindlich und/oder als Unterstützer oppositioneller bewaffneter Gruppen betrachtet wird, ins Visier zu nehmen. Der Herkunftsort kann einen Faktor darstellen, wie mit dessen Bewohnern umgegangen wird - besonders bei Gebieten, die vormals von Aufständischen gehalten wurden oder sich noch unter deren Kontrolle befinden.

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise - einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt - misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet. Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

Aus Angst, selbst inhaftiert und misshandelt zu werden, sehen Familienmitglieder, wie Berichten zu entnehmen ist, häufig davon ab, nach dem Aufenthaltsort von verhafteten Familienmitgliedern zu forschen oder sich über die Verhaftung zu beklagen. Wie aus Berichten hervorgeht, sehen sie sich stattdessen gezwungen, korrupten Staatsbediensteten Schmiergelder zu bezahlen, um Informationen über den Aufenthaltsort eines inhaftierten Angehörigen zu erhalten, seine Verlagerung von einer Haftanstalt des Sicherheitsdienstes in die zentrale Haftanstalt zu veranlassen oder für seine Freilassung zu sorgen - dabei besteht für sie keine Erfolgsgarantie. Amnestien durch den Präsidenten haben, wie berichtet wird, auch Richtern die Möglichkeit eröffnet, Bestechungsgelder von Familien entgegen zu nehmen, die die Freilassung eines inhaftierten Familienmitglieds erreichen möchten. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Berichten zufolge ganze Familien von Oppositionsmitgliedern oder Überläufern verhaftet oder extralegal hingerichtet, beispielsweise bei Hausdurchsuchungen.

Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung aus.

Den vorliegenden Quellen zufolge können Angehörige von gesuchten Personen, inklusive Wehrdienstentziehern, bei ihrer Rückkehr verhaftet werden, etwa um die gesuchten Personen unter Druck zu setzen, ihre Aktivitäten einzustellen oder sich den syrischen Behörden zu stellen.

Wehrdienstverweigerer, Deserteure und ihre Familienangehörigen

Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind.

Syrische Oppositionelle oder Deserteure sind im mit Syrien verbündeten Libanon ebenfalls von Verhaftung bedroht. Sogar Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sind im Ausland in Gefahr.

Zivilisten, die für die Armee gearbeitet haben und die Armee verlassen haben, gelten als Verräter und werden wie Deserteure bestraft. Personen, die nach einem bewilligten Aufenthalt im Ausland nicht nach Syrien zurückkehren, werden als Wehrdienstverweigerer oder Deserteur eingestuft und dementsprechend bestraft.

Wenn die Personen, die vom syrischen Regime einberufen wurden, nicht freiwillig erscheinen, werden sie als Wehrdienstverweigerer gelistet und werden von den Behörden gesucht. Die Truppen der Regierung sind ausgedünnt und es mangelt an Militärs.

Wehrdienstentzieher, die sich nicht innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der festgelegten Frist zum Militärdienst melden, werden (in Friedenszeiten) mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft. Die Wehrdienstpflicht besteht dabei weiterhin fort. Wenn Personen sich innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der Frist freiwillig melden, wird die Strafe um 50 Prozent herabgesetzt. In Kriegszeiten wird Wehrdienstentziehung je nach den Umständen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. Nach Verbüßung der Strafe muss der Wehrdienstentzieher weiterhin den regulären Militärdienst ableisten.

Es wird berichtet, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert werden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssen. Aus Berichten geht hervor, dass sie während der Haft dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Die Regierung inhaftiert Berichten zufolge außerdem gezielt Familienmitglieder von Wehrdienstentziehern, um Druck auf Männer im wehrfähigen Alter auszuüben, in den Militärdienst zu treten. Wie aus Berichten hervorgeht, ist es unklar, auf welche Weise Personen über die Verpflichtung informiert werden, sich zum Militärdienst zu melden. Ferner ist unklar, wie viel Zeit vergeht, bis der Name einer Person, die dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet, an das Militär und an Personenkontrollstellen mit der Anweisung gemeldet wird, die betreffende Person aufgrund von Wehrdienstentziehung festzunehmen. Einzelne Berichte legen außerdem nahe, dass zumindest in manchen Fällen Personen nach ihrer Festnahme an Kontrollstellen in die Armee eingezogen wurden, ohne zuvor einen Einberufungsbescheid erhalten zu haben. Ungeachtet des genauen Zeitpunkts, zu dem eine Person gemäß anwendbarem syrischem Recht als wehrdienstpflichtig betrachtet wird (und sich daher strafbar macht, wenn sie dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet), kann nach Beobachtungen von UNHCR "eine Wehrdienstentziehung auch präventiv erfolgen, indem die betreffende Person noch vor Eintreffen des eigentlichen Erfassungs- oder Einberufungsbefehls handelt", indem sie zum Beispiel das Land verlässt.

Die syrische Regierung betrachtet, wie Berichten zu entnehmen ist, Wehrdienstentziehung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

Die Familien und besonders die Väter von Militärdienstverweigerern und Deserteuren werden üblicherweise schikaniert, um die Söhne zu zwingen, sich zu stellen. Die Behörden treten auch an bestimmte Gemeinschaften heran und verlangen, dass die Familien die Mitglieder, die für den Militärdienst gesucht werden, übergeben. Obwohl die Soldaten streng beaufsichtigt werden und ihre Familien bei Fahnenflucht mit Repressalien rechnen müssen, gibt es immer wieder Deserteure. Die meisten von ihnen seien Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Das Regime verwendet weiterhin alle möglichen Druckmittel von bürokratischen Auflagen bis hin zu Gefängnis und Folter, um die syrischen Streitkräfte oder die paramilitärischen Verbände zu verstärken. Amnestien dienen im Endeffekt nicht dazu, den Wehrdienstverweigerern und Deserteuren eine Strafe zu ersparen, sondern ihrer habhaft zu werden, um sie zum Militärdienst und letztendlich zum Kampfeinsatz einziehen zu können. Auch Familienangehörige von Deserteuren, von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, oder von Zivilisten, die bei der Armee gearbeitet haben, werden bestraft. Geschwister, Brüder und Schwestern, wie auch Mütter und Väter werden verhaftet. Neben Plünderung ihrer Häuser und Verhaftungen werden Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, häufig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Maßnahmen gegen die Familien von Deserteuren variieren in den verschiedenen Regionen. Väter oder Brüder werden rekrutiert, um den Deserteur in der Armee zu ersetzen. Desertiert jemand mit der Waffe, werden die Familienangehörigen verhaftet. Wenn sie sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf eine der Suchlisten gesetzt.

Wie Berichte belegen, griffen Regierungskräfte zum Beispiel bei Verhaftungskampagnen in Gebieten, in denen ihrer Wahrnehmung nach die Opposition unterstützt wurde, gezielt Angehörige von Deserteuren heraus. Das Eigentum von Deserteuren wurde, wie berichtet wird, durch Plünderung und Brandstiftung zerstört.

Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien.

Ethnische/religiöse Minderheiten/Staatsangestellte

Auch unter den Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes. Auch (bzw. gerade auch) Kurden zählen zu den [auch exilpolitisch tätigen] Regimegegnern.

Menschenrechtsverletzungen

Die syrische Regierung, ihre Streitkräfte und regierungsfreundliche Kräfte begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wie Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung, Zwangsverschleppungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere unmenschliche Akte. Im Zuge mehrerer großer Militäroperationen von Regierungs- und regierungsfreundlichen Truppen verübten diese Massenmorde, auch an Frauen und Kindern. Der fortgesetzte Konflikt führte zu einigen der abscheulichsten Bedingungen für Menschenrechte und humanitäre Lage weltweit, darunter Ermordungen, Folter, willkürliche Haft, Verschwindenlassen, Verweigerung des Zugangs zu Justiz, schwere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Verfolgung von Frauen und Minderheiten. Kinder wurden ermordet, gefoltert und der Gewalt durch alle Parteien ausgesetzt. Es kommt auch zu frühen Zwangsheiraten von Mädchen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Gesetzes wurden systematisch von syrischen Regierungskräften und ihren verbündeten Gruppen begangen.

Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist Berichten zufolge weiterhin von weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, die in einem Klima der Straflosigkeit stattfinden. Die Unabhängige UN-Untersuchungskommission zu Syrien und Menschenrechtsorganisationen haben syrische Regierungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Willkürliche und direkte Angriffe auf Zivilisten, Belagerungen und Verwehrung des Zugangs von humanitärer Hilfe sowie Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Mitarbeiter haben sich Berichten zufolge als typisches Schema von Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der syrischen Regierungskräfte erwiesen. Wie aus Berichten hervorgeht, haben syrische Regierungskräfte Waffen auf willkürliche Weise eingesetzt, darunter Artillerie, Luftangriffe, Fassbomben, Brandwaffen, Streumunition und chemische Waffen.

Aus den Berichten der unabhängigen UN-Untersuchungskommission und von Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen Kriegsverbrechen in Form von Mord, Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren, Folter, Geiselnahme, Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für Kampfhandlungen und für andere Zwecke sowie Angriffe auf Mitarbeiter medizinischer und religiöser Einrichtungen, Journalisten und geschützte Objekte begehen. Von der Regierung kontrollierte Ortschaften, einschließlich solcher Gebiete, die von religiösen Minderheiten bewohnt werden, sind Berichten zufolge häufig Ziel willkürlicher Mörser-, Raketen- und USBV-Angriffe durch bewaffnete oppositionelle Gruppen. Diese bewaffneten oppositionellen Gruppen haben Berichten zufolge Zivilgebiete, die als regierungsnah angesehen werden, belagert oder zeitweise von der Wasser- und/oder Stromversorgung abgeschnitten.

Ausreise aus Syrien

Die Informationen beschreiben die Situation gemäß geltenden syrischen Gesetzen. Im Kontext des Konflikts in Syrien werden Berichten zufolge Gesetze jedoch auf willkürliche und nicht vorhersehbare Weise umgesetzt. Hinzu kommt, dass Grenzbehörden interne Anweisungen erhalten können, zu denen Informationen nicht öffentlich verfügbar sind.

Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage von Gesetz Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt waren.

Personen der folgenden Kategorien benötigen eine Reiseerlaubnis, um das Land legal zu verlassen:

a) Staatsbedienstete

Staatsbedienstete genießen keine unbeschränkte Reisefreiheit, sondern brauchen eine Ausreisegenehmigung des jeweiligen Ministeriums. Je nach ihrer Position kann eine solche Genehmigung mit bestimmten Auflagen verknüpft sein, bis hin zu einer erforderlichen "Vor-Genehmigung" bei Anträgen auf Ausstellung eines Passes.

b) Berufssoldaten

Berufssoldaten brauchen vor jeder Auslandsreise eine Genehmigung. In den vergangenen Jahren wurde berichtet, dass derartige Genehmigungen jedoch nur solchen Personen bewilligt wurden, die das Land für offizielle Zwecke verlassen mussten. Berufssoldaten, die ohne Genehmigung außer Landes reisen, werden Berichten zufolge gemäß den für Deserteure geltenden Gesetzen behandelt.

c) Weitere Gruppen, die eine Reisegenehmigung brauchen:

Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen (selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden).

Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 42 benötigen für eine legale Ausreise eine Genehmigung des Rekrutierungsamts. Gemäß Informationen, die UNHCR zur Verfügung stehen, trifft dies in der Praxis auch auf Personen zu, die (etwa aus medizinischen Gründen) vom Militärdienst befreit wurden oder deren Militärdienst (wie etwa bei Studenten) aufgeschoben wurde. Nach Ende der Aufschubfrist wird erwartet, dass diese Personen zurückkehren, um Militärdienst zu leisten. Sofern sie nicht wie vorgesehen zurückkehren, gelten sie, wie aus Berichten hervorgeht, als Wehrdienstentzieher.

Männer, welche ihren Militärdienst geleistet haben, brauchen sowohl für die Ausstellung von Pässen, von Heiratsurkunden wie auch für die Arbeit im öffentlichen Dienst die Bewilligung der Armee. Ein syrischer Journalist bestätigt, dass alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren die Bewilligung ihres Rekrutierungsbüros brauchen, damit sie einen Pass beantragen können.

Gemäß einer Quelle das Finnish Immigration Service erhalten Jugendliche ab 16 Jahre selten Pässe, da die Behörden nicht wollen, dass sie das Land verlassen. Wenn ihnen ein Pass ausgestellt wird, ist dieser nur zwei Jahre gültig.

Seit März 2012 implementiert die syrische Regierung eine Quasi-Reisesperre für Männer zwischen 18 und 42 Jahren. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles Reiseverbot. Die Männer dürfen in der Theorie reisen, aber sie brauchen die Bewilligung der Armee. Im Herbst 2014 erließ das Regime weitere Maßnahmen, um die Ausreise wehrdienstpflichtiger Männer zu verhindern. In einer Regulierung vom Oktober 2014 ist festgehalten, dass alle, welche eine Ausreisebewilligung haben, ein Depot von 50'000 syrischen Pfund hinterlegen müssen, das erst bei der Rückkehr nach Syrien wieder ausgehändigt wird. Zusätzlich muss ein Sponsor, entweder ein Beamter oder ein Kaufmann, die Rückkehr des Ausreisewilligen garantieren.

Gemäß dem Bericht des Danish Immigration Service wurden im Dezember 2014 die syrischen Immigrations- und Grenzbehörden erneut darüber informiert, dass syrische Männer, welche den obligatorischen Militärdienst abgeschlossen haben und sich als Reservisten bereithalten müssen, nicht ausreisen dürfen, es sei denn sie haben die Bewilligung ihres Rekrutierungsbüros. Auch Reservisten, die bereits einen Pass haben, brauchen die Bewilligung des Rekrutierungsbüros, damit sie das Land verlassen können. Für die Ausreisebewilligung müssen Dokumente vorgelegt werden, welche die Dringlichkeit der Reise belegen. Gründe können benötigte medizinische Versorgung oder eine Weiterbildung sein.

Sogar Zivilisten, die bei der Armee oder im Staatsdienst arbeiten, brauchen eine Bewilligung, damit sie das Land verlassen dürfen. Diese Bewilligung ist sehr schwierig zu erhalten. Verlassen sie das Land trotzdem ohne Bewilligung, werden sie, da sie Informationen über die Armee haben, als Verräter eingestuft und dementsprechend bestraft.

Am 20. Oktober 2014 verbot die General Mobilisation Administration des Department of Defense allen Männern die Ausreise, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind. Die Washington Post berichtet, dass seither die Ausreise für Männer, die um die 20 bis 30 Jahre alt sind, praktisch unmöglich ist.

Der Finnish Immigration Service, der Danish Immigration Service wie auch ein syrischer Journalist weisen darauf hin, dass in Syrien Willkür vorherrscht. Es kommt vor, dass die Bewilligungen nicht akzeptiert werden. Andererseits können Bewilligungen von bestechlichen Beamten gekauft werden.

Die Art der Ausreise - ob offiziell oder inoffiziell -, für die Syrer sich entscheiden, hängt Berichten zufolge von verschiedenen Faktoren und Gründen ab, darunter vorhandene oder fehlende Papiere, Sicherheitserwägungen (einschließlich Sicherheit der Flugroute), finanzielle Lage der betroffenen Personen, Nähe eines bestimmten Grenzübergangs, usw. Da es für syrische Staatsbürger zunehmend schwierig wurde, offizielle Grenzübergänge der Nachbarstaaten zu benutzen, gab es Berichte, dass immer mehr Syrer gezwungen waren, Syrien auf gesetzeswidrige Weise zu verlassen. Wie berichtet wird, haben einige Männer aus Furcht vor Einziehung zum Wehrdienst Syrien innerhalb des knappen Zeitfensters ab Erhalt des Einberufungsbescheids bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Namen an Grenzkontrollstellen geleitet wurden, über offizielle Grenzübergänge verlassen, oder Staatsbedienstete bestochen, ihre Namen vorübergehend aus der an Grenzkontrollstellen vorliegenden Liste gesuchter Personen zu entfernen.

Behandlung bei Rückkehr nach Syrien aus dem Ausland

Es liegen kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vor. Quellen zufolge werden Personen an der Grenzübergangsstelle (Landgrenze, Flughafen) bei ihrer Einreise untersucht, um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, insbesondere aus den unter den Risikoprofilen unten beschriebenen Gründen, sind Berichten zufolge dem Risiko einer längeren incommunicado Haft und Folter ausgesetzt. Es wird berichtet, dass für Rückkehrer außerdem das Risiko besteht, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie aus einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden, wie berichtet wird, ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Syrer am Flughafen Damaskus oder an Landgrenzübergängen bei Ein- oder Ausreisen durch Sicherheitsdienste verhaftet und später gefoltert wurden und/oder gewaltsam verschwanden. Auch nach der ersten Einreise nach Syrien kann das Inhaftierungsrisiko weiterhin bestehen. Berichten der Unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien zufolge wurde ein Syrer, der zwangsweise aus Jordanien nach Syrien zurückgewiesen wurde, an einer Kontrollstelle in einem ländlichen Gebiet des Gouvernements Homs verhaftet.

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird. Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Den Berichten des UK Home Office ist zu entnehmen, dass die Asylantragstellung im Ausland als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gilt und dass bei (nach negativem Asylverfahren) nach Syrien zurückgeführten Personen die Gefahr der Inhaftierung/Misshandlung aufgrund einer ihnen unterstellten missliebigen politischen Gesinnung droht, sofern sie nicht (nach wie vor) als Unterstützer des Assad-Regimes betrachtet werden.

Quellen zufolge beinhaltet die Sicherheitsprüfung durch die Grenzbehörden am Flughafen Damaskus und an anderen Grenzübergangsstellen die Prüfung, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat.

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen.

Die nach Syrien einreisenden Personen werden vom syrischen Militärgeheimdienst überprüft.

Neben dem Flughafen Damaskus gibt es auch einen internationalen Flughafen in Lattakiah.

Derzeit sind die syrischen Grenzübergänge zum Libanon offen, wobei laut Schweizer Flüchtlingshilfe der Libanon mit mutmaßlichem Auftrag von Syrien nur bestimmte syrische BürgerInnen und palästinensische Flüchtlinge über den Internationalen Flughafen Beirut in den Libanon für ihre Weiterreise nach Syrien einreisen lässt. Die libanesische Botschaft in Berlin erwähnt, dass syrische StaatsbürgerInnen bei Vorweisen eines gültigen Reisepasses kein Visum benötigen, verweist aber auf die Notwendigkeit je nach Reisezweck Unterlagen vorzulegen: Es gibt eine Liste mit detaillierten Einreisebedingungen für den Libanon, welche die Frage offen lässt, ob/wie durchreisende Rückkehrer nach Syrien vom libanesischen Staat in dem Kategoriensystem eingeordnet würden - insbesondere in den Fällen, wo diese nie über den Libanon aus Syrien ausgereist waren, bzw. wo es keine legale Ausreise aus Syrien gab [Anm.: Das müsste im Einzelfall im Rahmen der Heimreisezertifikate geklärt werden.].

Der Grenzübergang Kessab an der türkischen Grenze wird nur fallweise von der Türkei geöffnet.

Alle anderen Grenzübergänge befinden sich nicht unter Regierungskontrolle.

Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehrt, verhaftet und misshandelt werden kann. In Istanbul kontaktierte syrische Aktivisten wiesen darauf hin, dass alles möglich ist. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen können. Ein syrischer Direktor einer NGO in Istanbul weist zudem darauf hin, dass abgewiesene Asylsuchende bei einer Einreise nach Syrien verhaftet und misshandelt werden. Sein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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