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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §299 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. M K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 26. Juni 1996, Zl. K 69/1-IV/7/96, betreffend Aufhebung nach § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der unverheiratete Beschwerdeführer war am Wohnsitz seiner Eltern im Bereich des Landes Salzburg polizeilich gemeldet. Er war im Land Salzburg berufstätig und wurde ab Oktober 1992 nach Wien dienstzugeteilt. Im Jahresausgleich für 1992 und 1993 machte er jeweils Fahrtkosten (Kilometergelder) für wöchentliche "Familienheimfahrten" zwischen Wien und Salzburg geltend. Er brachte im Verwaltungsverfahren vor: "Zum wöchentlichen Besuch meiner Eltern darf ich weiters ausführen, daß dies wegen z.B. staatsbürgerlicher Pflichten (Abholen von Postsendungen der Finanzämter, Einberufungsbefehle, sonstiger Behördenerledigungen etc.), Wahrnehmung sozialer Verpflichtungen und persönlicher Bedürfnisse (Nachfassen frischer Wäsche) unumgänglich ist. Darüber hinaus bin ich nicht alleinstehend, sondern lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Zu diesem Zweck habe ich einen zweiten Wohnsitz in Salzburg, ... begründet."
Mit Bescheid vom 29. Juni 1995, Zl. 16/94-GA3-MEd/93, entschied die Finanzlandesdirektion für Salzburg über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Jahresausgleichsbescheid für 1992 und anerkannte dabei die geltend gemachten Fahrtaufwendungen. Unter dem Begriff der Familienheimfahrten seien Fahrten zum Wohnsitz der Familie (Ehefrau, Kinder) zu verstehen. Fahrtkosten eines alleinstehenden ledigen Arbeitnehmers zum Besuch seiner Eltern seien keine Werbungskosten, sondern gehörten zu den Kosten der Lebensführung. Im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß seine Heimfahrten zwar auch dem Besuch der Eltern dienten, er aber nicht alleinstehend sei, sondern in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und deshalb einen weiteren Wohnsitz begründet habe. Nach Ansicht der belangten Behörde sei durch das EStG 1988 eine Gleichstellung der Lebensgemeinschaft mit der Ehe erfolgt, weshalb wöchentliche Familienheimfahrten anzuerkennen seien.
Mit Bescheid vom 3. August 1995, Zl. 56-GA7-DKo/95, führte die aufgrund eines Devolutionsantrages nach § 311 Abs. 1 BAO zuständig gewordene Finanzlandesdirektion für Salzburg den Jahresausgleich für 1993 durch. Sie anerkannte dabei unter Hinweis auf die Berufungsentscheidung betreffend Jahresausgleich für 1992 die Kosten wöchentlicher Familienheimfahrten als Werbungskosten.
Die genannten Bescheide der Finanzlandesdirektion für Salzburg wurden mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 299 Abs. 2 BAO in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufgehoben. Wenn die Finanzlandesdirektion wöchentliche Heimfahrten deshalb anerkannt habe, weil durch das EStG 1988 eine Gleichstellung der Lebensgemeinschaft mit der Ehe erfolgt sei, so sei sie im Hinblick auf den Wortlaut des § 106 EStG 1988 von einer falschen Voraussetzung ausgegangen sei. Eine Gleichstellung sei nur dann gegeben, wenn in der Lebensgemeinschaft ein Kind iSd § 106 EStG lebe. Das Finanzamt habe den Beschwerdeführer aufgefordert mitzuteilen, mit wem er mit mindestens einem Kind einen gemeinsamen Haushalt führe. Der Beschwerdeführer habe sodann als Nachweis für eine Lebensgemeinschaft ohne weitere Erklärung lediglich einen Lohnzettel der Frau Christine R. vorgelegt. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen, daß keine Lebensgemeinschaft im steuerlichen Sinn gegeben sei.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlaßt ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, daß derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlaßt gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehegatten; Unzumutbarkeit ist im übrigen auch bei weiteren Erwerbstätigkeiten des Steuerpflichtigen gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1996, 95/14/0124, mwN).
Für die einkünftemindernde Berücksichtigung von Heimfahrtkosten muß sohin die Begründung des zweiten Haushaltes am Arbeitsort beruflich veranlaßt und die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes unzumutbar sein. Im Erkenntnis vom 30. Jänner 1991, 90/13/0030, hat der Verwaltungsgerichtshof im Falle einer ledigen Steuerpflichtigen ohne eigenen Haushalt Heimfahrtkosten nicht als Werbungskosten anerkannt; der Gerichtshof hat ua ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei nicht vor der Entscheidung gestanden, ihren Familienwohnsitz im Hinblick auf ihre Beschäftigung zu verlegen, sondern den elterlichen Haushalt zu verlassen und eine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsstätte zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die - vorübergehende oder ständige - Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung gegeben, wenn der Erwerbstätige verheiratet ist, mit seinem Ehepartner einen (Familien)Wohnsitz begründet hat und in der Folge aufgrund einer auswärtigen Berufstätigkeit einen weiteren Haushalt am Arbeitsort begründet (vgl. die bei Hofstätter/Reichel, § 16 Abs. 1 Z. 6 Tz 3 zitierte hg. Rechtsprechung). In einem solchen Fall erweisen sich idR wöchentliche Heimfahrten als erforderlich (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Familienheimfahrten").
Im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren legte der Beschwerdeführer zur Notwendigkeit wöchentlicher "Familienheimfahrten" dar, es sei schon im Hinblick auf familienrechtliche Bestimmungen unhaltbar, den Besuch der Eltern nicht als Familienheimfahrt zu werten. Zum wöchentlichen Besuch der Eltern sei weiters auszuführen, daß dies wegen z.B. staatsbürgerlicher Pflichten (Abholen von Postsendungen der Finanzämter, Einberufungsbefehle, sonstiger Behördenerledigungen etc.), Wahrnehmung sozialer Verpflichtungen und persönlicher Bedürfnisse (Nachfassen frischer Wäsche) unumgänglich sei. "Darüber hinaus" sei er nicht alleinstehend, sondern lebe in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Zu diesem Zweck habe er einen zweiten Wohnsitz in S., U-Straße 52 begründet. Nach den unbestritten gebliebenen Darlegungen wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, mitzuteilen, mit wem er "mit mindestens einem Kind" einen gemeinsamen Haushalt führe und wodurch sich die Notwendigkeit der wöchentlichen Heimfahrt ergebe. Der Beschwerdeführer legte darauf - ohne weitere Erklärung - einen Lohnzettel der Christine R. vor. Angesichts dieser Sachlage ist die Auffassung der belangten Behörde, daß der aufgehobene Bescheid nicht vom Bestehen einer Lebensgemeinschaft hätte ausgehen dürfen, nicht rechtswidrig. Dabei kann auf sich beruhen, ob sich der Begriff der Lebensgemeinschaft, wie die belangte Behörde andeutet, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus § 106 EStG ergibt. Die belangte Behörde konnte nämlich im Hinblick auf die fehlende Mitwirkung des Beschwerdeführers am Ermittlungsverfahren davon ausgehen, daß im Streitzeitraum - auch im Zusammenhang mit der behaupteten "eheähnlichen Beziehung" - kein Sachverhalt vorlag, der eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründet hätte. Schon davon ausgehend entsprach es dem Gesetz, daß die belangte Behörde die Bejahung der Voraussetzungen des Abzuges von Werbungskosten aus dem Titel wöchentlicher Familienheimfahrten durch die Berufungsbehörde als rechtswidrig ansah. Ob sie die im Abzug von Werbungskosten aus diesem Titel gelegene Rechtswidrigkeit dem Aufhebungsgrund nach § 299 Abs. 1 lit. b oder c BAO oder jenem nach § 299 Abs. 2 BAO zu unterstellen hatte, ist im Ergebnis ohne Bedeutung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2880f).
Gemäß § 299 Abs. 5 BAO tritt das Verfahren durch die Aufhebung eines Bescheides in Ausübung des Aufsichtsrechtes in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers tritt diese Rechtsfolge der Aufhebung ex lege ein und braucht nicht im Aufhebungsbescheid angeordnet zu werden.
Der Beschwerdeführer ist sohin durch den Bescheid der belangten Behörde nicht in subjektiven Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996150171.X00Im RIS seit
20.11.2000