TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/5 LVwG-2020/22/0773-3

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §113 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des Herrn AA, geb. xx.xx.xxxx, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Stadtmagistrates Z vom 24.2.2020, Zl. *** wegen Vorverlegung der Sperrstunde und Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde betreffend den Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart „Bar“ mit der Bezeichnung „BB“ im Anwesen Adresse 2, Z, nach öffentlicher, mündlicher Verhandlung

zu Recht:

1.  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.  Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Gewerbeinhaber, Herrn AA, gestützt auf § 113 Abs 5 GewO 1994 iVm mit der Sperrstundenverordnung 1995, für den von ihm betriebene Gastgewerbebetrieb Bar „BB“ im Anwesen Adresse 2, Z, aufgrund von sicherheitspolizeilichen Bedenken abweichend von der mit 06:00 Uhr festgesetzten Sperrstunde eine frühere Sperrstunde, nämlich 03:00 Uhr sowie abweichend von der mit 06:00 Uhr festgesetzten Aufsperrstunde eine spätere Aufsperrstunde, nämlich 12:00 Uhr vorgeschrieben. In der Begründung verweist die belangte Behörde zunächst auf einen Bericht des Stadtpolizeikommandos Z vom 2.4.2019, in dem zahlreiche, im unmittelbaren Zusammenhang mit dem gegenständlichen Lokal stehende Vorfälle, beginnend mit Delikten aus dem Jahre 2017, aufgelistet wurden. Ergänzt wurde diese Aufzählung noch durch eine weitere Sachverhaltsdarstellung, beginnend mit 6.3.2019 bis 24.8.2019. Mit der beim Stadtmagistrat Z am 23.10.2019 eingelangten Eingabe nahm die Landespolizeidirektion Tirol im Sinne des § 113 Abs 5 GewO 1994 zur gegenständlichen Problematik Stellung.

Auf den Seiten 8 und 9 des angefochtenen Bescheides zählt die belangte Behörde jene Vorfälle auf, die aus ihrer Sicht sicherheitspolizeilich relevant sind. In weiterer Folge legt die Behörde detailliert und gut nachvollziehbar dar, aufgrund welcher Erwägungen sie davon ausgeht, dass hier sicherheitspolizeiliche Bedenken vorliegen und diese in unmittelbaren Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gastgewerbebetrieb stehen. Weiters erläutert sie unter Bezugnahme auf den Zeitraum, innerhalb dessen die überwiegende Anzahl der aufgelisteten Vorfälle stattfanden, warum die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Änderung der Sperr-/bzw. Aufsperrstunde ein geeignetes Mittel darstellt, um die beschriebenen Missstände abzustellen.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde bringt Herr AA vor, dass sich die vorgeworfenen Anzeigen großteils von abgewiesenen Personen vor dem Lokal abgespielt hätten und die meisten davon hergehenden Anzeigen großteils Diebstähle an unachtsamen Gästen betroffen hätten, die deswegen verwiesen und mit Hausverbot belegt worden seien. Die Situation habe sich auch durch die Übergabe von Videos aus der eigenen Kamera an die Polizei verbessert. Auch sei die Polizei öfters gebeten worden, Kontrollen durchzuführen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 26.5.2020 wurde der Beschwerdeführer einvernommen und gab der Vertreter der Landespolizeidirektion Tirol eine Stellungnahme ab. Dabei übergab er dem Gericht eine mit 20.5.2020 datierte Stellungnahme des Stadtpolizeikommandos Z, in der, beginnend mit 10.8.2019, wiederum zahlreiche Vorfälle aufgelistet wurden, die in unmittelbaren Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gastgewerbebetrieb stehen, vorgelegt.

II.      Rechtsgrundlagen

Die hier maßgebliche Bestimmung der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 2017/96 lautet wie folgt (Hervorhebungen durch den Gefertigten):

„Sperrstunde und Aufsperrstunde

§ 113. (1) Der Landeshauptmann hat den Zeitpunkt, zu dem gastgewerbliche Betriebe geschlossen werden müssen (Sperrstunde), und den Zeitpunkt, zu dem sie geöffnet werden dürfen (Aufsperrstunde), für die einzelnen Betriebsarten der Gastgewerbe durch Verordnung festzulegen; er hat hiebei auf die Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung und der Touristen Bedacht zu nehmen und erforderlichenfalls von der Festlegung einer Sperrzeit abzusehen. Bei den in Bahnhöfen, auf Flugplätzen und an Schiffslandeplätzen gelegenen Gastgewerbebetrieben hat der Landeshauptmann insbesondere den Verpflegungsbedarf der Reisenden zu berücksichtigen; zu dieser Frage sind auch die in Betracht kommenden Verkehrsunternehmen zu hören.

(…)

(5) Wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, kann die Gemeinde eine spätere Aufsperrstunde oder eine frühere Sperrstunde vorschreiben. Vor der Beurteilung, ob eine unzumutbare Belästigung im Sinne des ersten Satzes vorliegt, ist Beweis durch Sachverständige aufzunehmen. Diese Vorschreibung ist zu widerrufen, wenn angenommen werden kann, dass der für die Vorschreibung maßgebende Grund nicht mehr gegeben sein wird. In Gebieten von Gemeinden, für die Landespolizeidirektionen zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz sind, haben die Gemeinden vor einer Entscheidung diese Behörden zu hören. Nachbarn, die eine Verkürzung der Betriebszeit des Gastgewerbebetriebes bei der Gemeinde angeregt haben, sind Beteiligte im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991.

(…).“

Ebenfalls von Belang ist die Verordnung des Landeshauptmannes vom 11. Mai 1995 über die Regelung der Sperrzeiten in den Gastgewerbebetrieben (Sperrzeitenverordnung 1995), LGBl 46 idF LGBl 2000/39:

„§ 1

Sperrstunde

(1) Gastgewerbebetriebe sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, spätestens um 2 Uhr zu schließen.

(2) Abweichend von der Bestimmung des Abs. 1 sind Gastgewerbebetriebe

         (…)

         c)       in der Betriebsart „Bar“ oder „Diskothek“ spätestens um 06.00 Uhr.

zu schließen.

(3) Wenn in einem Gebäude ein Gastgewerbe in mehreren Betriebsarten, für die verschiedene Sperrstunden festgesetzt sind, ausgeübt wird und die den einzelnen Betriebsarten zugeordneten Gastlokale räumlich nicht völlig getrennt sind, gilt für den gesamten Gastgewerbebetrieb die zuerst eintretende Sperrstunde. Dies gilt auch dann, wenn ein Gastgewerbe in mehreren Betriebsarten zeitlich hintereinander ausgeübt wird.

§ 2

Gastgewerbebetriebe dürfen frühestens um 6.00 Uhr geöffnet werden.“

III.     Rechtliche Erwägungen

Wie schon die Behörde im angefochtenen Bescheid eingehend und rechtsrichtig angeführt hat, müssen zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales „sicherheitspolizeiliche Bedenken“ durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckte konkrete Bedenken bestehen (sinngemäß VwGH 28. 1. 1992, 88/04/0022), aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen wirksam durch die Vorschreibung einer – durch die jeweiligen Sachverhaltsumstände bestimmten – früheren Sperrstunde begegnet werden kann. Es ist nicht wesentlich, inwiefern durch derartige erforderliche Maßnahmen eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Gastgewerbetreibenden eintritt bzw dass die sicherheitspolizeilichen Bedenken jedenfalls auf Vorkommnisse in der gastgewerblichen Betriebsanlage selbst zurückzuführen sein müssen. Weiters ist es auch nicht entscheidungsrelevant, inwiefern dem Gastgewerbetreibenden etwa ein Verschulden am Eintritt von Sachverhaltsumständen anzulasten ist, welche die Annahme sicherheitsbehördlicher Bedenken rechtfertigen (VwGH 19. 5. 1992, 92/04/0036, 29. 6. 2005, 2003/04/0080, 20. 12. 2005, 2004/04/0187). Sowohl die Zahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen können sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken im Sinne des § 113 GewO eine ausreichende Grundlage geben (VwGH 12. 9. 2007, 2007/04/0138, 3. 9. 2008, 2008/04/0094). Sicherheitspolizeiliche Bedenken sind nicht erst dann gerechtfertigt, wenn es zu Verurteilungen oder Vorerhebungen gekommen ist (vgl. zu alledem Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 113 [Stand 1.10.2017, rdb.at] sowie Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 19943 (2011) § 113 Rz 32ff jeweils unter Hinweis auf die Judikatur des VwGH).

Die Feststellungen der belangten Behörde zu den hier maßgeblichen Vorfällen werden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Auch jene Auflistung, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol seitens der Landespolizeidirektion Tirol als Sicherheitsbehörde vorgelegt wurde, blieb vom Beschwerdeführer unbeeinsprucht. Insgesamt bringt er zur gegenständlichen Problematik lediglich – und zum Teil sehr vage - vor, er habe sich stets bemüht, die vorliegenden Missstände abzustellen und habe dazu mit der Polizei und der Stadt Z zusammengearbeitet. Es handle sich großteils um von ihm abgewiesene Personen vor dem Lokal und eine Änderung der Sperr-/Aufsperrstunde, wie im angefochtenen Bescheid angeordnet, bedeute für ihn den wirtschaftlichen Ruin.

Dieses Vorbringen kann die Argumente der Behörde (siehe insb. die Begründung im angefochtenen Bescheid Seite 9f), die für eine Änderung der Sperr-/Aufsperrstunde sprechen, nicht ansatzweise entkräften. Sowohl die Anzahl als auch die Schwere der aufgezeigten Vorfälle (allein lt. den – unbestrittenen – Feststellungen der belangten Behörde) um 22 (teilweise schwere) Körperverletzungen, 12 Diebstähle, 3 Suchtmittelvergehen, 3 gefährliche Drohungen, eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, eine Nötigung, eine Freiheitsentziehung und sexuelle Belästigung im Lokal, einen Hausfriedensbruch, einen Aufgriff einer gerichtlich gesuchten Person sowie eines unrechtmäßig aufhältigen Fremden und eines Raubes. Alle Vorfälle ereigneten sich im gegenständlichen Lokal bzw. stehen in direktem Zusammenhang mit diesem Lokal. Die Beschwichtigungsversuche des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Schwere der Delikte gegen Leib und Leben (insb. Körperverletzungen) gehen völlig ins Leere. Sie sind bloß laienhaft und völlig vage. Wie bereits oben angeführt, ist dazu im gegebenen Zusammenhang eine gerichtliche Verurteilung nicht erforderlich und zeigt ein Blick auf die vom Stadtpolizeikommando bekanntgegebenen Vorfälle, dass sich darunter sehr wohl und entgegen der Beschwichtigungen des Beschwerdeführers sehr schwere Körperverletzungen durch Faustschläge und auch durch Verwendung von Glasflaschen als Waffen befinden.

Dem Beschwerdeführer ist auch entgegenzuhalten, dass es eben nicht darauf ankommt, dass die Vorfälle allein im Inneren der Betriebsanlage stattfinden. Auch das Verschulden des Gastgewerbetreibenden ist nicht maßgeblich bzw. lassen auch Bemühungen seinerseits eine Änderung der Sperrstunde nicht als rechtswidrig erscheinen (vgl. etwa VwGH 28.6.2008, 2008/04/0012). Der mit 20.5.2020 datierte ergänzende Bericht des Stadtpolizeikommandos (Anlage A zur Verhandlungsniederschrift vom 26.5.2020) zeigt überdies, dass die vorgebrachten Bemühungen des Beschwerdeführers offenkundig ohne jede Wirkung sind. Diesem Bericht ist die Begehung zahlreicher Gerichtsdelikte im Zeitraum 10.8.2019 bis 29.2.2020 im und vor dem gegenständlichen Lokal, jeweils in der Zeit nach 03:00 Uhr und vor 12:00 Uhr zu entnehmen. Darunter finden sich etliche, z.T. schwere Körperverletzungen (14! Vorfälle), Raub, Diebstahl, etc.

Für das Gericht ist es durchaus nachvollziehbar, dass durch die angeordnete Änderung der Sperr-/Aufsperrstunde im Sinne der Aussagen des Verwaltungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 20.5.2010, 2009/04/0300 eine massive Verringerung der sicherheitspolizeilich relevanten Vorfälle (bzw. eine geringere Gefährdung öffentlicher Interessen durch die einzelnen Vorfälle) zu erwarten ist. Es liegt für das erkennende Gericht schlichtweg auf der Hand und wird durch die vorhandenen Berichte des Stadtpolizeikommandos dargelegt, dass die behördliche Prognose, eine nicht unwesentliche Anzahl ähnlicher Vorfälle werde sich durch eine frühere Sperrstunde und eine spätere Aufsperrstunde vermeiden lassen, gut nachvollziehbar ist.

Zusammenfassend hat sich auch im Beschwerdeverfahren gezeigt, dass die geforderten konkreten sicherheitspolizeilichen Bedenken gegeben sind. Mit Blick auf die Tatzeiten des Großteils der angezeigten Vorfälle wird deutlich, dass mit einer Vorverlegung der Sperrstunde auf 03.00 Uhr und der Vorschreibung einer späteren Aufsperrstunde auf 12.00 Uhr den sicherheitspolizeilichen Bedenken wirksam begegnet werden kann. Den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, denen sich das Gericht vollinhaltlich anschließt sowie auch dem ergänzend vorgelegten Bericht vom 20.5.2020 ist zu entnehmen, dass sich der überwiegende Anteil der Übertretungen (ca. 90 %) im Zeitraum nach 03:00 Uhr und in den späteren Vormittagsstunden ereignet hat. Es liegen daher sämtliche Voraussetzungen für die Einschränkung der Sperr-/bzw. Aufsperrstunde vor und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Sperrstunde;
Sicherheitspolizeiliche Bedenken;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.22.0773.3

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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