Entscheidungsdatum
13.07.2020Index
83 Naturschutz UmweltschutzNorm
AWG 2002 §37 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, geb am xx.xx.xxxx, Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 18.03.2019, Zl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem AWG 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
2. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren und Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten Folgendes zur Last gelegt:
„Sie, Herr AA, geb. xx.xx.xxxx in W, wohnhaft in Adresse 1, Z, Inhaber der Fa. CC e.U. mit Sitz in Z, Adresse 3, haben es zu verantworten, auf der Gp. **1, KG V, am 11.04.2018 (Zeitpunkt des Lokalaugenscheines) eine Behandlungsanlage (zumindest teilweise) errichtet und betrieben zu haben, ohne im Besitz der nach § 37 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein.
Mit Eingabe vom 18.04.2018, ha. eingelangt am 04.05.2018, wurde seitens der Fa. CC e.U. mit Sitz in Z, Adresse 3, vertreten Ihrerseits, um die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Abfallzwischenlagers inkl. Abfallbehandlung auf Gp. **1, KG V, angesucht.“
Dadurch habe er gegen § 79 Abs 1 Z 9 iVm § 37 AWG 2002 verstoßen und sei mit einer Geldstrafe in Höhe von € 4.200,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 10 Stunden) zu bestrafen.
Dagegen hat der Beschuldigte mit Schreiben vom 12.04.2019, bei der Behörde eingelangt am 15.04.2019, fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und sich darauf berufen, dass der alleinige Tatvorwurf, wonach er zumindest teilweise eine Behandlungsanlage iSd § 37 AWG 2002 betrieben habe, nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG entspreche.
Mit Schreiben vom 10.09.2019 hat der Beschwerdeführer ergänzt, dass er am 11.04.2018 auf dem Gst Nr **1, KG V, nicht gefährliche Abfälle gelagert und einen nach § 52 AWG 2002 bewilligten mobilen Brecher betrieben habe. Es habe sich um keine ortsfeste Behandlungsanlage gehandelt; es habe keine Bewilligungspflicht nach § 37 AWG 2002 bestanden. Erst am 18.04.2018 habe er einen Antrag für eine ortsfeste Behandlungsanlage nach § 37 AWG 2002 gestellt, um den Brecher länger als die im Bescheid nach § 52 AWG 2002 vorgeschriebenen 100 Stunden/Jahr an diesem Standort zu betreiben.
Am 11.09.2019 hat das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer eingeräumt hat, zur Tatzeit am Tatort Natursteine und Betonbruch gelagert zu haben. Es habe sich auch ein Radlader, ein mobiler Brecher, eine mobile Siebanlage und ein Container am Tatort befunden. Der mobile Brecher sei am Tatort bis zum Tatzeitpunkt lediglich 20 bis 25 Stunden und die mobile Siebanlage 30 bis 40 Stunden im Einsatz gewesen.
II. Rechtslage:
Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise wie folgt:
„Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen
§ 37.
(1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.
(2) Der Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 unterliegen nicht
1. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,
2. Behandlungsanlagen zur Vorbehandlung (Vorbereitung für die stoffliche Verwertung) von nicht gefährlichen Abfällen, sofern diese Behandlungsanlagen im unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit einer in Z 1 genannten Behandlungsanlage stehen und der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen,
(…)
Genehmigung von mobilen Behandlungsanlagen
§ 52.
(1) Eine mobile Behandlungsanlage, die in einer Verordnung gemäß § 65 Abs. 3 genannt ist, oder eine wesentliche Änderung einer solchen mobilen Behandlungsanlage ist von der Behörde zu genehmigen.
(…)
Strafhöhe
§ 79.
(1) Wer
(…)
9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,
(…)
begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.“
III. Erwägungen:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat ein Schuldspruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um dieses Erfordernis zu erfüllen, hat ein Schuldspruch nach § 37 iVm § 79 Abs 1 Z 9 AWG 2002 all jene Tatumstände zu enthalten, die eine Beurteilung zulassen, ob überhaupt eine Betriebsanlage vorliegt und ob diese Betriebsanlage gemäß § 37 Abs 1 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist (vgl etwa VwGH 19.12.1995, 93/04/0239).
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 09.07.2018 als auch im angefochtenen Straferkenntnis vom 18.03.2019 zur Last gelegt, zumindest teilweise eine Behandlungsanlage errichtet und betrieben zu haben, ohne im Besitz der nach § 37 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung gewesen zu sein. Der Tatvorwurf erschöpft sich damit im Wesentlichen auf einer Wiedergabe der übertretenen Norm. Eine nähere Konkretisierung und Individualisierung der Tat findet sich nicht. Es fehlt jegliche Umschreibung um beurteilen zu können, um welche Art von Betriebsanlage es sich gehandelt hat und welchen Bewilligungstatbestand sie allenfalls erfüllt hat. Anhand des angefochtenen Straferkenntnisses kann nicht beurteilt werden, ob im Tatzeitpunkt am Tatort eine nach § 37 AWG 2002 bewilligungspflichtige Behandlungsanlage errichtet und betrieben wurde.
Um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG zu genügen, wäre es erforderlich gewesen, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtete und betriebene genehmigungspflichtige Betriebsanlage genau zu umschreiben (vgl VwGH 27.06.2007, 2006/04/0131). Dies wäre insbesondere deshalb von Bedeutung gewesen, weil nicht jede Lagerung nicht gefährlicher Abfälle und jeder Betrieb einer (mobilen) Brech- bzw Siebanlage eine gemäß § 37 Abs 1 AWG 2002 bewilligungspflichtige ortsfeste Behandlungsanlage darstellt. So stellt etwa das bloße Ablagern von Abfällen ohne besondere Behandlungsanlage keine Behandlungsanlage bzw keine Deponie iSd AWG 2002 dar (vgl VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0054). Brech- und Siebanlagen können auch als mobile Behandlungsanlagen nach § 52 AWG 2002 betrieben werden und stellen nicht zwingend eine ortsfeste Behandlungsanlage iSd § 37 Abs 1 AWG 2002 dar. Ohne nähere Konkretisierung der Tat kann auch nicht festgestellt werden, ob es sich allenfalls um eine gewerberechtliche Behandlungsanlage zur ausschließlichen stofflichen Verwertung bzw zur Vorbehandlung von nicht gefährlichen Abfällen gehandelt hat, die von der Bewilligungspflicht nach § 37 Abs 1 AWG 2002 ausgenommen ist. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nach dem Tatzeitpunkt für den Tatort einen Bewilligungsantrag für eine ortsfeste Behandlungsanlage gemäß § 37 Abs 1 AWG 2002 gestellt hat, kann nicht zwingend auf den Betrieb einer derartigen Anlage im Tatzeitpunkt geschlossen werden. Die Brech- und Siebanlage kann nämlich, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, zunächst noch als mobile Behandlungsanlage iSd § 52 AWG 2002 betrieben worden sein und erst später auf einen ortsfesten Betrieb iSd § 37 Abs 1 AWG 2002 umgestellt worden sein. Zusammengefasst kann aus den der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhaltselementen nicht auf eine nach § 37 Abs 1 AWG 2002 bewilligungspflichtige ortsfeste Behandlungsanlage im Tatzeitpunkt und somit auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden.
Das Landesverwaltungsgericht kann einen fehlerhaften Abspruch nur dann richtigstellen oder ergänzen, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0033). Als Verfolgungshandlung kommt im vorliegenden Beschwerdefall lediglich die mit dem Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses weitgehend gleichlautende Aufforderung zur Rechtfertigung vom 09.07.2018 in Betracht. Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde somit keine Verfolgungshandlung gesetzt, die die relevanten Sachverhaltselemente für eine Bestrafung nach § 37 iVm § 79 Abs 1 Z 9 AWG 2002 umfasst. Das angefochtene Straferkenntnis ist daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Konsenslose ortsfeste Behandlungsanlage;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.44.1152.6Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020