TE Bvwg Erkenntnis 2017/3/22 L525 2137090-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.03.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L525 2137090-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX, StA. Bangladesch, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.02.2017, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein bengalischer Staatsbürger, stellte am 1.9.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde der Beschwerdeführer am 2.9.2015 einer Erstbefragung unterzogen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er und seine Familie seien Anhänger der BNP, Anhänger der A.L. (gemeint wohl: Awami League) hätten seinen Cousin umgebracht, er habe Angst, dass er auch umgebracht werde.

Am 20.9.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Lebensverhältnissen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei in Bangladesch im Dorf XXXX geboren und habe sich auch immer dort aufgehalten. Er habe gemeinsam mit seinen Eltern und mit seinem Bruder im Elternhaus gelebt. Er hätte zwei Jahre die Schule besucht, habe nie einen Beruf ausgeübt und hätte im Haushalt geholfen. Er habe von der finanziellen Unterstützung seiner Eltern gelebt. Am 10.5.2010 habe er Bangladesch nach Indien verlassen. In weiterer Folge hätte der sich ca. sechs Monate in Indien aufgehalten, dann sechs Monate in Bangladesch und weitere vier Monate im Iran. Danach sei er für einen Monat in der Türkei gewesen und anschließend für drei Jahre in Griechenland. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus sein Vater, Cousin väterlicherseits und Bruder hätte einen Streit mit dem Bürgermeister der Ortschaft gehabt, dabei sei der Neffe des Bürgermeisters getötet worden. Daraufhin seien der Vater, der Bruder und der Beschwerdeführer in einen anderen Distrikt gezogen. Sie hätten immer wieder umziehen müssen.

Mit Bescheid vom 23.9.2016 wies das BFA mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA zum vorgebrachten Fluchtgrund aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers gänzlich die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, zumal das Vorbringen äußerst vage, nicht plausibel und durch Widersprüche geprägt gewesen sei. So habe der Beschwerdeführer während der Einvernahme vor dem BFA nicht mehr ausgeführt, dass er BNP Mitglied sei, der Beschwerdeführer habe zu Beginn der Befragung ausgeführt, dass er sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise in seinem Dorf gelebt habe, jedoch später ausgeführt, dass er nach dem Vorfall mit seinem Onkel in mehreren Distrikten gelebt hätte. Auch habe der Beschwerdeführer nicht sagen können, wann dieser Streit zwischen seiner Familie und dem Bürgermeister gewesen sein solle bzw. wann sein Cousin umgebracht geworden wäre. Ebenso hätte der Beschwerdeführer den Umstand, dass sein eigener Vater den Neffen des Bürgermeisters umgebracht hätte, bis zum Ende der Befragung unerwähnt gelassen. Ebenso habe der Beschwerdeführer seine Aussagen, ob er nun beim Streit anwesend gewesen sei, im Zuge der Befragung geändert. Zusammenfassend sei somit nicht von einer nachvollziehbaren und glaubhaften Aussage auszugehen, darüber hinaus stehe dem Beschwerdeführer ohnehin eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei Verwandtschaft in Österreich, es werde somit nicht in sein Familienleben eingegriffen. Der Beschwerdeführer verfüge über äußerst geringe Deutschkenntnisse und gehe keiner Arbeit nach. Sonstige private Bindungen bestünden nicht in Österreich. Er befinde sich erst seit kurzer Zeit in Österreich. Ein besonderes Maß an Integration sei nicht zu erkennen. Dem gegenüber stehe das Interesse der Republik Österreich an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens, wogegen der Beschwerdeführer bereits mit seiner illegalen Einreise verstoßen habe.

Mit Schriftsatz vom 7.10.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte begründend aus, er wolle nicht zurück in seine Heimat, da seine Familie einen Streit mit dem Bürgermeister seines Dorfes gehabt hätte, bei dem der Neffe des Bürgermeisters umgebracht worden sei. Der Bruder des Beschwerdeführers sei von den Männern des Bürgermeisters entführt worden und seien zwei seiner Cousins ermordet worden. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nach Indien, Pakistan und den Iran geflohen, eher er nach Österreich gekommen sei. Der Konflikt sei entstanden, weil die gesamte Familie Mitglieder der BNP seien, der Bürgermeister aber von der Awami League.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.1.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch an welcher der Beschwerdeführer in Begleitung seiner Rechtsberaterin teilgenommen hat; die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer die folgenden Länderinformationsdokumente zu Bangladesch ausgehändigt und wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen drei Wochen eingeräumt.

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Bangladesch vom 4.3.2016

Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. 1. Feststellungen zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist bengalischer Staatsbürger und ledig. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum sunnitischen Islam und gehört der Volksgruppe der Bengalen an. Der Beschwerdeführer verfügt über Familie in Bangladesch und er ist gesund.

Der Beschwerdeführer spricht verfügt über fortgeschrittene Anfängerkenntnisse der deutschen Sprache und kann einfache Sätze zu seinen Hobbies und seiner Lebenssituation beantworten. Der Beschwerdeführer konnte seinen Anreiseweg zur mündlichen Verhandlung auf Deutsch beantworten. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich und befindet sich in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer verfügt über österreichische Freunde, darunter seine Deutschlehrer bzw. die Töchter seines Quartiergebers. Er spielt mit Österreichern Fußball. Er ist in keinem Verein tätig. Der Beschwerdeführer betätigte sich als Hilfsarbeiter in seiner Wohnsitzgemeinde und hilft freiwillig bei anfallenden Arbeiten.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten, lebt von der Grundversorgung

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Bangladesch einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

1. 2. Länderfeststellungen:

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 2.2016).

Das Parlament hat bei nur einer Gegenstimme, jedoch ohne Beteiligung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und ihrer Verbündeten an der Parlamentssitzung, am 30.7.2011 die 15. Verfassungsänderung verabschiedet. Im Mittelpunkt der Änderung steht die Abschaffung der Übergangsregierung, wie sie 1996 von der Awami League (AL) verlangt und durchgesetzt wurde und die sich nach Meinung von Wahlbeobachtern bei den folgenden Parlamentswahlen auch bewährte. Mit Überraschung wurde von Teilen der Zivilgesellschaft die Bestätigung des Islam als Staatsreligion aufgenommen, da angenommen worden war, dass die AL beabsichtige, möglichst nah an die ursprüngliche Verfassung von 1972 zu rücken. Allerdings wurde der Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteiischen Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 2.2016; vgl. AA 8.2015a).

Die großen Parteien, insbesondere AL und BNP, werden von zwei quasi-dynastischen Persönlichkeiten geführt: Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia. Beide Frauen sind Erben des politischen Vermächtnis' ihrer ermordeten Männer und genießen dank dieser Position eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei. Sie nehmen nicht nur großen Einfluss auf den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter, sondern geben insgesamt den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) mächtigen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 2.2016).

Am 5.1.2014 fanden die 10. Parlamentswahlen ohne Beteiligung der größten Oppositionspartei, die BNP, statt. Die AL konnte so ungefährdet eine komfortable Mehrheit erreichen. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Die Presse berichtete auch über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 2.2016; vgl. AA 8.2015a).

Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet; über 130 Wahllokale wurden in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks. In vielen Distrikten wurden über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 2.2016, vgl. AA 8.2015a). Trotz massiver Sicherheitsvorkehrungen - landesweit waren 270.000 Sicherheitskräften im Einsatz - kam es bei den Wahlen zu schweren Ausschreitungen, bei denen 18 Menschen starben. Anhänger der Opposition versuchten bis zuletzt, die Abstimmung mit Brandsätzen und Gewaltakten zu verhindern. Nach Angaben der Behörden zündeten Demonstranten mindestens 127 Wahllokale an und stürmten weitere. In 390 der mehr als 18.000 Wahllokale wurde die Abstimmung wegen der Gewaltausbrüche abgebrochen. Die Polizei setzte auch scharfe Munition ein. Viele der Getöteten waren Aktivisten der Jamaat-e-Islami. Diese islamistische Partei, Bündnispartner der BNP, durfte bei der Wahl nicht antreten, nachdem ein Gericht ihre Registrierung vor einigen Monaten für ungültig erklärt hatte (Zeitonline 5.1.2014).

Insgesamt wurden bei gewaltsamen Angriffen rund um die Wahlen im Jänner 2014 Hunderte verletzt und getötet. Sowohl die Regierungspartei von Bangladesch, als auch Oppositionsparteien waren für die Gewalt verantwortlich. Anhänger der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party und der Jamaat-e-Islami Partei (JI) warfen Benzinbomben, um Streiks und Wirtschaftsblockaden zu erzwingen. Vor und nach der Wahl verwüsteten Angreifer auch Häuser und Geschäfte von Mitgliedern der hinduistischen und christlichen Gemeinschaften. Als Reaktion griff die Regierung hart gegen Mitglieder der Opposition durch und Hunderte wurden verdächtigt, gewalttätige Übergriffe begangen zu haben (HRW 27.1.2016). Es wurden Personen verhaftet und TV Stationen geschlossen (WSJ 13.1.2014). Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden führten außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen und rechtswidrigen Zerstörung von Privateigentum durch und ließen Personen verschwinden (HRW 27.1.2016). Berichte von Gewalt durch die Opposition halten indes auch nach den Wahlen an, ebenso die harte Linie der Regierung - mit Verhaftungen von Führungspersonen der Opposition und tausenden Anzeigen unter dem Vorwurf der Teilnahme an Gewalt (NYT 11.1.2014). Bereits das Vorfeld der Wahlen war durch Gewaltausbrüche gezeichnet. Insgesamt sollen um die 100 Menschen im Zuge der Wahl getötet worden sein (NYT 11.1.2014). Am Wahltag führte die BNP außerdem einen 48 stündigen landesweiten Streik an (BBC 12.1.2014).

Die wichtigste Oppositionspartei, die Bangladesh Nationalist Party (BNP) unter Führung von Begum Khaleda Zia, verlangt unterdessen Neuwahlen (WSJ 13.1.2014). Die BNP hatte die

Parlamentswahlen am 5.1.2014 boykottiert, nachdem ihrer Forderung, diese von einer neutralen Übergangsregierung durchführen zu lassen, nicht nachgekommen wurde (Zeitonline 5.1.2014). Insgesamt boykottierte eine Allianz von 18 Oppositionsparteien die Wahl (UPI 14.1.2014). Durch den Boykott stand weniger als die Hälfte der Parlamentssitze zur Wahl (BBC 6.1.2014). In 153 Wahlkreisen hatte es keine Gegenkandidaten gegeben, wodurch in nur 147 Wahlkreisen Wahlen durchgeführt werden mussten (Bangladesh Chronicle 12.1.2014). Mit einem Parlament, das sich nun ausschließlich aus der Awami League und ihren Koalitionspartner zusammensetzt, ist dies das erste Mal seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1991, dass keine Opposition im Parlament vertreten ist (WSJ 13.1.2014).

Premierministerin Sheikh Hasina, Parteiführerin der Awami League, und ihr Kabinett wurden am 12.1.2014 für eine weitere Amtszeit angelobt (BBC 12.1.2014). Es ist dies die insgesamt dritte Amtszeit Hasinas bzw. die zweite in Folge (Bangladesh Chronicle 12.1.2014).

Die aufgrund des Wahlboykottes der BNP fehlende wirksame parlamentarische Opposition führt dazu, dass die BNP statt im Parlament zu diskutieren auf den Straßen agiert und die Regierung unter Sheikh Hasina gegen freie Meinungsäußerung und die Zivilgesellschaft vorgeht. Die Regierung reagiert dagegen mit der Aufstellung von Truppen, um die Gewalt auf den Straßen zu bändigen sowie mit der Inhaftierung tausender Mitglieder der Opposition, beschränkte vor geplanten Protesten den Zugang der Führerin der BNP, Khaleda Zai zu ihrem Büro. Wichtige Oppositionsführer wurden unter dem Vorwand schwerer Vergehen verhaftet. Aus Angst vor Verhaftungen blieben viele untergetaucht (HRW 27.1.2016).

Politisches Machtzentrum in Bangladesch ist die Exekutive und hier v.a. das Kabinett unter Vorsitz des Premierministers. Es ist üblich, dass der Führer der stärksten Partei vom Präsidenten zum Premierminister ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Dem Premierminister kommt nicht nur die Leitung der Kabinettsitzungen zu, er hat das Recht zur Regierungsumbildung und ihm obliegt die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten. Demgegenüber ist die Rolle des Präsidenten - wiewohl Staatsoberhaupt und formal Kopf der Exekutive - im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt. Er wird vom Parlament für fünf Jahre und maximal zwei Amtsperioden gewählt. Das Parteiensystem wird durch die Konkurrenz der beiden großen Parteien AL und BNP geprägt. Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit nur die JP (Jatiya Party - Ershad) und - bis zu den vorletzten Wahlen - die JI erzielt. Aufgrund des im Land geltenden Mehrheitswahlrechts spiegelt die Sitzverteilung im Parlament nicht die realen Stimmenanteile wider. Das Mehrheitswahlrecht verhindert zwar die politische Fragmentierung innerhalb der Jatiya Sangsad (= Parlament), begünstigt dadurch aber auch die Bipolarität zwischen AL und BNP. Zwar entscheidet das Parlament de jure über den Haushalt, beschließt zu erhebende Steuern, ratifiziert Verträge oder initiiert Verfassungsänderungen, infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 2.2016).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen, teilweise bereits verabschiedeten, Gesetzen zu Medien, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NRO aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, die Gräueltaten des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure. Viele von ihnen sind heute in führenden Positionen der islamischen Partei Jamaat-al-Islami aktiv. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 8.2015a).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende Awami League (AL) als Siegerin hervorgegangen (NETZ 1.2.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

- The Bangladesh Chronicle (12.1.2014): Hasina embarks on her third string promising good governance, http://bangladeshchronicle.net/2014/01/hasina-embarks-on-her-third-string-promising-good-governance/, Zugriff 4.3.2016

- BBC - British Broadcasting Corporation (12.1.2014): Sheikh Hasina sworn in as Bangladesh PM, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-25705834, Zugriff 29.2.2016

- BBC - British Broadcasting Corporation (6.1.2014): Bangladesh's ruling Awami League wins boycotted poll, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-25618108, Zugriff 29.2.2016

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/318374/457377_de.html, Zugriff 29.2.2016

- NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (1.2.2016): Bangladesch Aktuell,http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 2.3.2016

- NYT - The New York Times (11.1.2014): Matriarchs' Duel for Power Threatens to Tilt Bangladesh Off Balance, http://www.nytimes.com/2014/01/12/world/asia/matriarchs-duel-for-power-threatens-to-tilt-bangladesh-off-balance.html?_r=0, Zugriff 29.2.2016

- UPI - United Press International (14.1.2014): Bangladesh's re-elected prime minister starts new term, http://www.upi.com/Top_News/Special/2014/01/14/Bangladeshs-re-elected-prime-minister-starts-new-term/UPI-77731389697260/, 29.2.2016

- WSJ - The Wall Street Journal (13.1.2014): Bangladesh's Largest Opposition Party Rejects New Cabinet http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702304549504579318363501145346, Zugriff 29.2.2016

- Zeitonline (5.1.2014): Wahl in Bangladesch endet im Chaos, http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/bangladesch-wahl-gewalt-tote-boykott, Zugriff 29.2.2016

Sicherheitslage

Die jeweiligen Oppositionsparteien versuchen, die dominierende Struktur der Regierungspartei durch vielfältige Protestmaßnahmen zu unterminieren, namentlich durch gewaltsame Demonstrationen auf der Straße. Die Grundform des Protestes heisst "hartal" und ist ein Generalstreik mit Blockierung der Verkehrswege, Fahrverbot für Motorfahrzeuge, Schließen von Geschäften usw.; Diese Maßnahmen werden von Aktivisten der jeweiligen Opposition angeordnet und arten oft in gewaltsame Straßenkämpfe mit Aktivisten der Regierungspartei aus, die von der Polizei unterstützt werden. Beide großen Parteien greifen mit demselben Eifer auf "hartal" zurück und sind unfähig, die Debatten im Parlament auszutragen. Zusätzlich breiten sich terroristische islamistische Parteien aus. Vor 2001 hatten 3 geheime islamistische Organisationen existiert, darunter die "Bewegung des islamischen Jihad" (Harkat-ul-Jihad-al-Islam, HUJI). Ende 2005 stieg ihre Zahl bereits auf 87 Gruppen an mit Tausenden von Kämpfern und vielen Ausbildungslagern. Bekannt sind etwa die "Organisation der Mujaheddin Bangladeschs" (Jama'atul Mujahideen Bangladesh, JMB), die den Taliban nahe stehende "Erwachten Muslimischen Massen von Bangladesch" (Jagrata Muslim Janata Bangladesh, JMJB) und die "Partei der Einheit Gottes" (Hizbut Tawhid). Seit 2007 werden die Gruppen islamistischer Terroristen stark unterdrückt. Sie profitieren aber weiterhin von einem weiten Netzwerk von Unterstützern in islamischen NGOs und Koranschulen sowie von Geldüberweisungen aus der Arabischen Halbinsel (DACH 3.2013).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien des Landes "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Politische Auseinandersetzungen werden häufig auf der Straße ausgetragen. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen. Aufgrund der Schwäche

staatlicher Institutionen spielen Nichtregierungsorganisationen im sozialen Bereich (Bildung, Gesundheit, etc.) eine große Rolle. Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 8.2015a).

Zum ersten Jahrestag der Parlamentswahlen am 5.1.2015 rief die Opposition zu Straßenblockaden auf, die zu einer wochenlangen Gewalt mit Dutzenden von Todesopfern und unzähligen Verletzten und zu einer Vertiefung der politischen Krise im Land geführt hat. Bürger, sowie die Wirtschaft leiden weiter unter den Blockaden. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 2.2016). Sowohl AL, als auch BNP haben zum zweiten Jahrestag der Parlamteswahlen Kundgebungen vor ihren Parteizentralen abgehalten, wobei die BNP erneut Neuwahlen forderte. Befürchtungen, dass es, wie beim ersten Jahrestag, erneut zu massiven Ausschreitungen kommt, haben sich nicht bestätigt (NETZ 7.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

- D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013): D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

- NETZ - Partenerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (7.1.2016): Bangladesch - Aktuell - Zweiter Jahrestag der Parlamentswahlen, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/zweiter-jahrestag-der-parlamentswahlen/cHash/c967223bcb83a8cdc94fb22a83f47899.html, Zugriff 3.3.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Justizsystem in Bangladesch ist wie die übrige Verwaltung stark vom Erbe der britischen Kolonialverwaltung geprägt, hat aber zunehmend lokalen sozialen und religiösen Bedürfnissen Rechnung getragen. Gesetze und Urteile der höchsten Instanzen sind via Internet relativ gut zugänglich. Richter werden durch die Regierung ernannt und können nicht als unabhängig betrachtet werden. Auch die Polizei ist während juristischer Verfahren von der politischen Partei abhängig, die gerade an der Macht ist (D-A-CH 3.2013). Korruption und ein erheblicher Rückstand bei den Fällen behindern das Gerichtssystem und

Gerichtsverfahren sind geprägt durch eine überlange Verfahrensdauer, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommen Zeugenbeeinflussung, Einschüchterung von Opfern und fehlende Beweise vor. Während die politische Zugehörigkeit in der Verhaftung und Strafverfolgung von Mitgliedern der Opposition eine Rolle spielt, wurde gegen keine Person nur aufgrund von politischen Gründen eine Strafverfolgung eingeleitet (USDOS 25.6.2015). Fälle erfundener und gefälschter Verfahren sind häufig. Beispielsweise wird ohne Basis Klage gegen jemanden erhoben, um einer Person Schaden zuzufügen oder sie zu zwingen, sich in ein teures Gerichtsverfahren zu begeben, was bis zur Aufgabe von Besitz gehen kann. Meistens geht es dabei um Grundbesitz. Manchmal sind aber auch Mitglieder einer Oppositionspartei betroffen. Dabei reicht es, dass der Name auf einem First Information Report der Polizei erscheint. Sobald die Oppositionspartei an die Macht kommt, stoppt sie alle Gerichtsverfahren gegen ihre Aktivisten (D-A-CH 3.2013).

Das Gesetz sieht das Recht auf ein faires Verfahren vor, aber infolge von Korruption und schwache personellen und institutionellen Kapazitäten kann die Justiz dieses Recht nicht immer gewährleisten. Für Beklagte gilt die Unschuldsvermutung, sie haben das Recht auf Berufung und unverzüglich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert zu werden. Das Gesetz gewährt Angeklagten das Recht auf einen Anwalt, das Belastungsmaterial zu begutachten, Zeugen namhaft zu machen und zu befragen sowie Berufung gegen Urteile einzulegen, jedoch werden diese Rechte von der Regierung häufig nicht respektiert. Einzelpersonen und Organisationen haben das Recht, zivile Rechtsmittel im Falle von Menschenrechtsverletzungen heranzuziehen, das Zivilrechtssystem ist aber langsam und schwerfällig, was viele davon abhielt, diesen Weg zu beschreiten. Korruption und Einflussnahme von außen sind Probleme im zivilen Rechtssystem. Es gibt alternative Verfahren zur Streitbeilegung wie z.B. Mediation. Laut Regierungsquellen beschleunigt die breitere Anwendung der Mediation in Zivilsachen die Rechtspflege, aber es gibt keine Bewertung der Fairness oder Unparteilichkeit (USDOS 25.6.2015). Die Justiz ist bürokratisch, überlastet und hat einen großen Rückstau an anhängigen Verfahren, eine geringe Anzahl an ausgebildeten Richtern und Anwälten, ist kostspielig und unterliegt der Korruption, Störungen und politischem Druck, vor allem auf unteren Ebenen (UK Home Office 2.2015).

Quellen:

- D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013): D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 29.2.2016

- UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance, Bangladesh: Opposition to the government,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1424680865_bgd-cig-political-opponents-2015-02-20-v1-0.pdf, Zugriff 29.2.2016

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch bei einer Vielzahl von innerstaatlichen Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 25.6.2015). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln zur Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können. Die Verfassung verbietet willkürliche Verhaftung und Inhaftierung, aber das Gesetz erlaubt Behörden, Personen aufgrund eines Verdachts einer strafbaren Handlung ohne gerichtliche Anordnung oder Haftbefehl festzunehmen (USDOS 25.6.2015).

Die Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren. Das Rapid Action Batallion (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14). Diese Eliteeinheit ist u.a. für Terrorabwehr und Drogendelikte und andere schwere Verbrechen zuständig. Ihr werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 14.1.2016).

Machtpolitisch bedeutsam ist auch das Militär, das aufgrund der Korruption und Ineffektivität der Polizei immer wieder Aufgaben im Rahmen der Sicherung oder (Wieder-) Herstellung der inneren Sicherheit übernehmen muss (GIZ 2.2106).

Trotz des Versprechens der regierenden Awami League, schwere Menschenrechtsverletzung nicht zu tolerieren, dauern derartige Missbräuche unvermindert an und haben in einigen Bereichen zugenommen. Sicherheitskräfte begehen ernste Missbräuche einschließlich willkürlicher Verhaftungen, Folter, zwangsweiser Verschleppungen und Mord. Nur in wenigen Fällen kam es deswegen zu Untersuchungen oder wurden verantwortliche Personen zur Verantwortung gezogen (HRW 27.1.2016). Betroffene, die gerade in Strafverfahren mit extrem langer Untersuchungshaft rechnen müssen, sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/295469/430500_de.html, Zugriff 29.2.2016

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh,

http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 29.1.2016

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung und die Gesetze Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung verbieten, gibt es Vorwürfe der Folter, körperlicher und psychischer Misshandlungen während Verhaftungen und Verhören durch Sicherheitskräfte, inklusive RAB und der Polizei. Die Sicherheitskräfte gingen mit Drohungen, Schlägen und Elektroschock vor. Gemäß der lokalen NGO Odhikar haben Sicherheitskräfte während der ersten neun Monate des Jahres 2014 10 Personen zu Tode gefoltert. Es kommt selten zu Anzeigen, Bestrafungen oder Verurteilungen der Verantwortlichen durch die Regierung (USDOS 25.6.2015).

Am 24.10.2013 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Folter in Gewahrsam kriminalisiert und als Mindeststrafe lebenslange Haft sowie Geldstrafen für Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden, Sicherheitsbehörden oder Regierungsbeamte vorsieht, die Folter und unmenschliche Behandlung von Häftlingen in Gewahrsam begangen haben oder dafür oder für den Tod der Häftlinge verantwortlich sind. Das Gesetz sieht auch vor, dass die Täter der Familie des Opfers 200.000.- Taka ($ 2.500.-) an Entschädigung zahlen. Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass sich Beamte, die der Folter, unmenschlicher Behandlung oder des Todes in Gewahrsam für schuldig befunden wurden, sich nicht durch Berufung auf außergewöhnliche Umstände, insbesondere Krieg, innenpolitische Stabilität, Ausnahmezustand oder den Auftrag eines Vorgesetzten oder einer Behörde rechtfertigen können. Das Gesetz erlaubt einem Richter, einen Verdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen, während der die Befragung des Verdächtigen ohne einen Anwalt erfolgen kann

(USDOS 25.6.2015). Foltervorwürfe werden nicht mit der notwendigen Stringenz verfolgt, in Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 14.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/270654/400719_de.html, Zugriff 29.2.2016

Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 14.1.2016). Im Korruptionswahrnehmungsindex 2015 von Transparency International belegt Bangladesch den 139. von 168 Plätzen (je niedriger desto besser) - im Vergleich zu Platz 145 von 175 im Jahr 2014 (TI 27.1.2016). Über 60% aller bangladeschischen Haushalte haben Korruption selbst erfahren. Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf. Transparency International bezeichnet die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC) als "zahnlosen Tiger". Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Behördenbeschäftigte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 14.1.2016).

Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen. Aufgrund der Schwäche staatlicher Institutionen spielen Nichtregierungsorganisationen im sozialen Bereich (Bildung, Gesundheit, etc.) eine große Rolle. Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 8.2015a). Der Kauf öffentlicher Ämter und politischer Posten ist üblich. Die großen Parteien übertragen ihre interne Praxis auch auf die Verwaltung: ihre Mitglieder werden für die Mühen belohnt mit Beförderungen und lukrativen Posten, während die anderen ausgeschlossen werden (D-A-CH 3.2013).

Das Gesetz sieht Strafen für korrupte Beamte vor, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt. Menschenrechtsgruppen, die Medien, die ACC und andere Institutionen berichteten im Verlauf des Jahres über Regierungskorruption. Beamte, die in korrupte Praktiken involviert sind bleiben ungestraft. Laut eines Berichts der Weltbank aus dem Jahr 2010 untergräbt die Regierung die Arbeit der ACC und hat die Verfolgung von Korruption

behindert. Der Bericht stellt fest, dass die Regierung weit weniger Korruptionsfälle erfasste als die vorherige Übergangsregierung und dass eine Regierungskommission der ACC empfiehlt, tausende von Korruptionsfällen fallenzulassen. Stimmen aus der Zivilgesellschaft erklärten, dass die Regierung nicht ernsthaft gegen Korruption kämpft und sie die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung verwendet. Die Regierung unternahm Schritte der verbreiteten Korruption in der Polizei nachzugehen. Der Generalinspekteur der Polizei setzte die Antikorruptionsausbildung fort, um eine leistungsfähigere Polizei zu schaffen. Eine Beurteilung der Auswirkungen dieser Maßnahmen innerhalb der Polizei liegt nicht vor. Die Regierung setzte die Justiz politischem Druck aus und Fälle, in die Oppositionsführer verwickelt waren, wurden oft auf ordnungswidrige Art und Weise abgewickelt. In der Justiz bleibt Korruption ein ernstes Problem und ist ein Grund für langwierige Verzögerungen bei Verfahren, die Zeugenmanipulation und Einschüchterung der Opfer beinhalten. Mehrere Berichte von Menschenrechtsgruppierungen und Korruptionsüberwachungsgruppen haben auf die wachsende öffentliche Unzufriedenheit mit der wahrgenommenen Politisierung der Justiz hingewiesen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

- D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013): D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

- TI - Transparency International (27.1.2016): Corruption Perceptions Index 2015, http://www.transparency.org/cpi2015/#downloads, Zugriff 4.3.2016

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/270654/400719_de.html, Zugriff 29.2.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert. Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien sind festgeschrieben. Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Grund- und Menschenrechte ist nicht ausreichend. Grundsatzurteile des Obersten Gerichtshofs zu Menschenrechtsgarantien werden von Regierung und Behörden nicht ausreichend umgesetzt (AA 14.1.2016).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme sind außergerichtliche Tötungen, gewaltsames Verschwindenlassen von Personen, einige Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet und der Presse sowie schlechte Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte. Weitere Menschenrechtsprobleme betreffen Folter und andere Formen der Gewaltausübung durch Sicherheitskräfte, weitverbreitete Korruption, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen, geringe justizielle Kapazitäten, geringe Unabhängigkeit der Justiz sowie langwierige Untersuchungshaft. Die Behörden haben Persönlichkeitsrechte der Bürger verletzt. Politisch motivierte Gewalt und innerparteilich Gewalt bleiben ernste Probleme. Einige NGOs sind rechtlichen und informellen Einschränkungen ihrer Tätigkeiten ausgesetzt. Frauen leiden an Ungleichbehandlung, Kinder- und Zwangsheiraten sind ein Problem und viele Kinder sind gezwungen zu arbeiten, vor allem in der Schattenwirtschaft. Die Gründe dafür sind wirtschaftliche Not oder weil sie Opfer von Menschenhandel sind. Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bleibt ein Problem, vor allem für Kinder, die den Eintritt in eine öffentliche Schule anstreben. Fälle von gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten bestehen fort, obgleich viele Führer der Regierung und auch der Zivilgesellschaft behaupten, dass diese Akte politische oder wirtschaftliche Motive hatten und nicht gänzlich der religiösen Überzeugungen oder Einstellung zuzuschreiben sind. Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung besteht weiter. Die schwach ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit ermöglicht es nicht nur dem Einzelnen, darunter auch Regierungsbeamten, straflos Menschenrechtsverletzungen zu begehen, sie hält die Bürger auch davon ab, ihre Rechte einzufordern. Die Regierung unternahm nur wenig, um Fälle von Tötungen und Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und zu verfolgen. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen kann in der Regel unabhängig und ohne Einschränkungen der Regierung agieren, Untersuchungen durchführen und ihre Erkenntnisse über Menschenrechtsfälle veröffentlichen. Obwohl Menschenrechtsgruppen die Regierung oft scharf kritisieren, praktizieren sie auch teilweise Selbstzensur (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung erhöhte ihre Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen und Kritiker und legte einen Gesetzesentwurf vor, der die ausländische Finanzierung derartiger Gruppen einschränkt. Die Meinungsfreiheit wurde weiter eingerschränkt, regierungskritische Medien waren mit Schließungen, Redakteure mit Verhaftung und Anschuldigungen konfrontiert. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Journalisten waren Klagen von führenden Pareianhängern ausgesetzt, weil sie die Regierung kritisiert haben und Missbilligungen durch die Gerichte, weil sie unfaire Gerichtsverhandlungen kritisiert haben (HRW 27.1.2016).

Sicherheitskräfte verübten Entführungen, Morde und willkürliche Verhaftungen die insbesondere auf Führer und Unterstützer der Opposition abzielten. Eine positive Entwicklung, nach Jahren der Straflosigkeit für die Sicherheitskräfte, war die Verhaftung mehrerer Mitglieder des berüchtigten RAB nach der Entführung und offensichtlichen Verübung von Auftragsmorden an sieben Personen im Mai 2014 (HRW 29.1.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/295469/430500_de.html, Zugriff 1.3.2015

- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/318374/457377_de.html, Zugriff 1.3.2016

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 1.3.2016

Meinungs- und Pressefreiheit

Die laut Verfassung garantierte Meinungs- und Pressefreiheit wird von der Regierung nicht immer respektiert. Es gab einige Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Einige Journalisten zensurierten aus Angst vor Belästigung und Repressalien selbst ihre Kritik an der Regierung. Die Verfassung setzt Kritik der Verfassung mit Aufwiegelung gleich. Die Strafe wegen Volksverhetzung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft. Im Laufe des Jahres wurde niemand aufgrund dieser Bestimmung verurteilt. Das Gesetz beschränkt Hassrede aber definiert nicht klar, was darunter zu verstehen ist und räumt der Regierung weitreichende Interpretationsbefugnisse ein. Die Regierung kann die Redefreiheit einschränken, wenn sie als gegen die Sicherheit des Staates gerichtet erachtet wird, gegen freundschaftliche Beziehungen mit ausländischen Staaten, gegen die öffentliche Ordnung, Anstand oder Moral oder wegen Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Anstiftung zu einer Straftat. Die unabhängigen Medien waren aktiv und drückten eine Vielzahl von Ansichten aus, allerdings waren Medien, die die Regierung kritisierten negativen Druck durch die Regierung ausgesetzt. Die Regierung zensiert indirekt die Medien durch Bedrohungen und Belästigungen. Journalisten zufolge verlangten Regierungsbeamte bei mehreren Gelegenheiten von in Privatbesitz befindlichen Fernsehsendern keine Aktivitäten und Äußerungen der Opposition auszustrahlen. Einzelpersonen und Gruppen tauschen ihre Ansichten in der Regel über das Internet aus. Die Bangladesh Telocommunication Regultory Commission (BTRC) filtert Internetinhalte, die die Regierung als schädlich für die nationale Einheit und religiöse Überzeugung erachtet. Die Regierung blockierte auch einige Facebook-Seiten einschließlich Seiten, die den Propheten Mohammed darstellen und Seiten die sowohl dem Permierminister als auch der Opposition gegenüber kritisch sind (USDOS 25.6.2015). Im Lauf des Jahres 2015 wurden mehrere religionskritische (Online-)Aktivisten, Blogger und Medienschaffende in aller Öffentlichkeit ermordet. Die Morde werden einer mit Al Qaida sympathisierenden Terrorgruppe zugeordnet. Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, und der Innenminister warnte die Blogger zunächst, nicht zu weit zu gehen. Die Regierung scheint das Problem inzwischen ernster zu nehmen und gewährt in vielen Fällen Personenschutz (AA 14.1.2016).

In Bangladesch besteht eine vielfältige und lebendige Medienlandschaft, elektronische Medien werden, jedenfalls in den Städten, umfassend genutzt. Die Digitalisierung des Landes bis 2021, dem 50. Jahr der Staatsgründung, ist politisches Ziel. Schon jetzt sind weite Teile des Landes vernetzt und die Durchdringung mit Mobiltelefonen ist hoch. Trotz Übergriffen und Einschüchterungsversuche können Print- und Fernsehmedien verhältnismäßig unabhängig berichten, allerdings kommt es häufig zu Selbstzensur. Die Regierung legte im vergangenen Jahr einen Gesetzesentwurf zur verstärkten Regulierung der Fernsehsender vor. Bangladesch befindet sich auf dem Pressefreiheitsindex 2015, so wie schon 2014, auf dem 146. Rang von 180 (je niedriger desto besser) (RwB 12.2.2015). Die Anzahl gewaltsamer Übergriffe gegen Journalisten bleibt auf hohem Niveau (AA 14.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- RwB - Reporters without Borders (12.2.2015): World press freedom index 2015, http://en.rsf.org/world-press-freedom-index-2015-12-02-2015,47573.html, Zugriff 4.3.2016

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 1.3.2016

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit/Opposition

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Verfassung garantiert und von der Regierung im Allgemeinen auch respektiert. Allerdings kann es in Zeiten politischen Protests und politischer Unruhe zu Einschränkungen kommen (USDOS 25.6.2015). Die Regierung hat aber das Recht und macht davon Gebrauch, Ansammlungen von mehr als vier Menschen zu unterbinden (AA 14.1.2016).

Demonstrationen finden regelmäßig statt. Die Regierung respektiert die Versammlungs-freiheit aber nicht in jedem Fall. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen politischen Gruppen unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Straf-prozessgesetz die Versammlungsfreiheit aufgehoben wurde, nachdem die Regierungspartei selbst eine Versammlung für denselben Tag angesetzt hatte. Die Regierung beendete in ver-schiedenen Fällen solche verbotenen Versammlungen gewaltsam (AA 14.1.2016).

Regierung und Opposition geben sich in Bangladesch traditionell unnachgiebig. Eine Kompromisskultur gibt es nicht. Bereits eine angedeutete Verhandlungsposition wird als Schwäche ausgelegt - von politischen Gegnern, den Wählern und selbst von Parteifreunden. Die jeweilige Opposition war und ist nicht bereit, im Parlament das Pro und Kontra einer

politischen Sachfrage zu diskutieren und am Ende durch die Regierungsmehrheit in Demokratie kompatibler Weise niedergerungen zu werden. Sie verlagert stattdessen die Diskussion auf die Straße, sucht die Konfrontation, mobilisiert ihre Anhänger und zwingt die Gesellschaft zur Immobilität, indem so genannte Hartals ausgerufen werden. Bei diesen Streiks blockieren die Anhänger der den Hartal ausrufenden Partei die Straßenverbindungen und legen so das öffentliche Leben lahm (GIZ 2.2016). Man zählt etwa 200 politische Parteien in Bangladesch. Obwohl Bangladesch sowohl ethnisch und religiös homogen ist, bleibt die politische Landschaft zersplittert. Korruption und der Einsatz von Schlägern (musclemen oder mastans) sind unter politischen Führern häufig, insbesondere wenn diese ein öffentliches Amt innehaben. Die Studentenorganisationen der großen Parteien versuchen die Universitäten zu kontrollieren (Unterkunft, Finanzen, Ausbildungsprogramme, Diplome etc.). Dabei kommt es zu besonders heftigen Auseinandersetzungen, sowohl gegenüber Studierenden als auch gegenüber Professoren. Die Sicherheitskräfte gehen hart gegen Regierungsgegner oder Personen vor, denen eine oppositionelle Haltung unterstellt wird. Auch führende Gewerkschafter sind Ziel der Unterdrückung. Einige Politiker sind verschwunden, nachdem sie von Sicherheitskräften entführt worden waren (D-A-CH 3.2013).

Das Mehrparteiensystem umfasst zahlreiche Parteien jeglicher politischer Ausrichtung, einschließlich islamistischer Orientierung. Die Anwendung des reinen Mehrheitswahlrechts hatte in der Vergangenheit die Herausbildung zweier dominierender und konkurrierender Parteien, "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) und "Awami League" (AL), begünstigt (AA 14.1.2016).

Die größte Oppositionspartei BNP, gegründet 1978, ist am Boden: notwendige Reformen nicht erkennbar, weite Teile der Führungsspitze (immer noch) im Gefängnis, eine Chance auf (wenigstens lokale) Regierungsverantwortung nicht in Sicht; ihre Mitglieder traten im Lauf des Jahres 2015 in Scharen aus und liefen zur AL über. Durch den Misserfolg ihres General-streiks über 3 Monate hinweg - im Verlauf desselben mehr als 120 Personen ums Leben kamen - hat die BNP Glaubwürdigkeit bei den Anhängern und Sympathie bei der Bevöl-kerung verspielt. Ziel der BNP ist nun, sich erneut zu sammeln (AA 14.1.2016).

Frontorganisationen der Parteien AL und BNP (Studentenvereinigungen, Bauern- und Arbeitervertretungen) sind teilweise militant. So sind etwa einige Studentenführer der Organisationen Chattra League (AL) und Chattro Dal (BNP) mit Klein- und anderen Waffen ausgestattet und kontrollieren - anstelle der Universitätsverwaltung - die Vergabe von Bau- und Instandhaltungsarbeiten an der Universität. Andere Frontorganisationen sind in kriminelle Machenschaften wie Erpressung oder die illegale Kontrolle von Aufträgen im öffentlichen Beschaffungswesen verwickelt. Teilweise weisen diese Frontorganisationen Strukturen auf, welche denen von kriminellen Banden oder Milizen ähneln. Madrassen werden oft als Instrument genutzt, um Ideologien zu verbreiten und um als Deckmantel für militante Aktionen zu dienen. Allein die in Kuwait ansässige RIHS (Revival of Islamic Heritage Society) kanalisierte Gelder nach Bangladesch, mit denen mehr als 1.000 Moscheen und Madrassen errichtet wurden, auch mit dem Ziel, Jihadis zu rekrutieren. Bombenattentate - z.B. die landesweiten Detonationen 2005 - und der Kauf von Waffen wurden ebenso von diesen Geldern finanziert. Dieses Beispiel verdeutlicht die internationale Vernetzung der islamistischen Bewegung in Bangladesch. Islamische NRO haben zunehmend weitere Geldquellen erschlossen, in dem sie wirtschaftlich aktiv geworden sind (Investitionen in Transportunternehmen, Pharmakonzernen, Finanzinstitutionen, Immobilien). Der Wirtschaftswissenschaftler Abul Barkat schätzt, dass das jährliche Nettoeinkommen allein der islamischen NRO etwa 1,8 Mio. USD beträgt. Knapp 70% der Einnahmen entspringen Geschäftstätigkeiten; 30% der Gelder stammen aus dem Ausland (GIZ 2.2106).

Die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung einer Oppositionspartei führen nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung. Allerdings hat die Regierung seit dem Wahlboykott Anfang 2014 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen. Allein im Januar 2015 sollen 7.000 Aktivisten verhaftet worden sein, wobei auch vor hochrangigen Politikern nicht Halt gemacht wurde. Verhaftungen und strafrechtliche Verfahren werden traditionell mit Vorwürfen wegen Korruption, Steuerhinterziehung oder Erpressung begründet, hinzu kommen nun auch Vorwürfe wegen Anstiftung zu bzw. Durchführung von Brandanschlägen (AA 14.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013): D-A-CH mit Frankreich Factsheet - Bangladesch

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 1.3.2016

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 1.3.2016

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen bleiben hart und manchmal lebensbedrohlich. Wegen Überbelegung der Zellen schlafen Gefangene in Schichten und verfügen nicht über angemessene Sanitäranlagen (USDOS 25.6.2015). Bis zu 200 Inhaftierte müssen auf ca. 40m² zusammen leben. Dies führt zu Gewaltakten zwischen den Inhaftierten und es besteht zudem die Gefahr religiöser Radikalisierung (AA 14.1.2016). Obwohl die Behörden weibliche Häftlinge routinemäßig getrennt von Männern unterbringen, werden Frauen in Schutzhaft (in der Regel Opfer von Vergewaltigung, Menschenhandel und häuslicher Gewalt) nicht immer separat von Kriminellen untergebracht. Das Gesetz verlangt zwar die separate Inhaftierung von Jugendlichen, jedoch werden viele zusammen mit den Erwachsenen eingesperrt. Obwohl Gesetze und Gerichtsentscheidungen die Inhaftierung Minderjähriger verbieten, wurden Kinder - gelegentlich zusammen mit ihren Müttern - eingesperrt. Das Gefängnispersonal erlaubt Gefangenen die Einbringung unzensierter Beschwerden und gelegentlich werden Beschwerden auch untersucht (USDOS 25.6.2015). Die Nahrung ist von schlechter Qualität, Medikamente und Ausbildung des Personals sind ungenügend (D-A-CH 3.2013), sodass sich Krankheiten ausbreiten (D-A-CH 3.2013; vgl. AA 14.1.2016). Die Regierung von Bangladesch erlaubt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) oder anderen unabhängigen Menschenrechtsorganisationen keine Besuche der Gefängnisse (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013): D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 1.3.2016

Todesstrafe

Für zahlreiche Straftatbestände ist die Todesstrafe vorgesehen, u.a. Mord, Vergewaltigung, Menschen- und Drogenhandel, Volksverhetzung und Hochverrat, aber auch Falschmünzerei und Schmuggel. Der Anti-Terrorism Act von 2009 stellt weiterhin jegliche terroristische Aktivität unter Todesstrafe, ein Zusatzgesetz von 2012 auch deren Finanzierung. Insbesondere aus einer weiten gesetzlichen Definition des Terrorismusbegriffs kann eine missbräuchliche Anwendung resultieren (AA 14.1.2016).

Bangladesch vollzieht weiterhin die Todesstrafe (HRW 29.1.2015). In jedem Einzelfall wird das Urteil in einem obligatorischen Bestätigungsverfahren vom Obersten Gerichtshof geprüft und in der Regel in lange Haftstrafen umgewandelt. Eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Verurteilungen in Abwesenheit sind zulässig und kommen vor. Unterinstanzlich verurteilte Todeskandidaten müssen grundsätzlich mit jahrelangen Warte-zeiten rechnen, bis ihr Fall endgültig entschieden ist, es sei denn, es besteht ein politisches bzw. öffentliches Interesse an einem schnellen Verfahren (AA 14.1.2016).

So wurde im Dezember 2013 Abdul Qader Mollah, ein Führer der Partei Jamaat-e-Islami gehängt, nachdem er während des Unabhängigkeitskrieges 1971 für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden wurde (HRW 29.1.2015). Ein

weiteres führendes Mitglied der Jamaat-e-Islami, Abdus Subhan, wurde wegen Verbrechen während des Unabhängigkeitskrieges mit Pakistan 1971 zum Tode verurteilt (BBC 18.2.2015). Am 13.11.2014 wurde der Bürgermeister der Stadt Nagarkanda, Zahid Hossain Khokon, von einem Sondergericht u.a. wegen Massenmord, Vergewaltigung und der Zwangskonvertierung von Hindus zum Islam während des Unabhängigkeitskrieges 1971 zum Tode verurteilt. Das Gericht hat bereits mehrere Todesurteile, auch gegen Politiker, ausgesprochen. Die meisten Verurteilten gehörten der islamischen Jamaat-e-Islami an (BAMF 17.11.2014).

Am 21.11.2015 wurden erneut zwei Personen hingerichtet und einige weitere Angeklagte warten auf das Urteil des Berufungsgerichtes (HRW 27.1.2016). Laut Amnesty International waren Ende 2014 1.235 Menschen zum Tode verurteilt (AA 14.1.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (17.11.2014): Briefing Notes, http://www.ecoi.net/file_upload/4232_1416238579_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-17-11-2014-deutsch.pdf, Zugriff 1.3.2016

- BBC - British Broadcasting Corporation (18.2.2015): Bangladesh Islamist sentenced to death for 1971 crimes,

http://www.bbc.com/news/world-asia-31515635#, Zugriff 1.3.2016

- HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/295469/430500_de.html, Zugriff 1.3.2016

- HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/318374/457377_de.html, Zugriff 1.3.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion, betont aber auch das säkulare Prinzip das in der Praxis die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Hinduisten, Buddhisten, Christen und anderen Religionen gewährleisten soll. Die Verfassung und andere Gesetze sowie Richtlinien schützen die Religionsfreiheit (USDOS 14.10.2015). Die regierende AL betont das säkulare Prinzip immer wieder öffentlich und setzt sich für den Schutz religiöser Minderheiten und die freie Religionsausübung ein (AA 14.1.2016), manche Regierungspraktiken schränken die Religionsfreiheit jedoch ein. Menschenrechtsorganisationen zufolge kann Gewalt gegen Angehörige religiöser Minderheiten oft nicht ausschließlich auf die Religionszugehörigkeit zurückgeführt werden. Führer religiöser Minderheiten beschwerten sich, dass sowohl den regierenden, als auch oppositionellen Parteien nahestehende Personen zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten angestiftet haben, um dies dann für politische Zwecke zu nützen. Regierungsbeamte und Polizei konnten den Schutz von Personen, darunter auch Angehöriger religiöser Minderheiten, manchmal nicht gewährleisten und haben gewalttätige Vorfälle oft nur

widerwillig untersucht. Die Regierung unternahm Schritte, Opfer zu unterstützen und religiöses und privates Eigentum, das im Zuge dieser Gewalt beschädigt wurde, wieder herzustellen (USDOS 14.10.2015).

Etwa 88% der Bevölkerung bekennen sich zum Islam, 10% zum Hinduismus und der geringe Restanteil entfällt auf Buddhisten, Christen und Animist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten