Entscheidungsdatum
07.11.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W184 2187531-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Mazedonien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2018, Zl. 1178293106/180023565, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG und § 21 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Mazedoniens, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.01.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die beschwerdeführende Partei bereits am 04.05.2015 in Deutschland und am 08.05.2017 in Belgien jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Bei seiner Erstbefragung am 08.01.2018 gab die beschwerdeführende Partei an, er sei zuletzt im August 2016 von Mazedonien über Serbien, Ungarn sowie Italien in die Schweiz gereist, wo er sich etwa sechs Monate aufgehalten habe. In weiterer Folge habe er sich nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in Belgien nach Österreich begeben. In Deutschland habe er bereits 2015 einen Asylantrag gestellt, er wisse jedoch den Stand seines Verfahrens nicht, weil er vorzeitig wieder nach Mazedonien zurückgereist sei. In Belgien habe die beschwerdeführende Partei im April 2017 einen negativen Bescheid erhalten und für rund ein halbes Jahr illegal gearbeitet. Bezüglich seines Asylverfahrens könne er jedoch keine Unterlagen vorlegen. Zu seinem Gesundheitszustand befragt, gab die beschwerdeführende Partei zu Protokoll, an Depressionen und Schizophrenie zu leiden. In Belgien habe er diesbezüglich eine Diagnose und Medikamente erhalten und er könne auch medizinische Unterlagen vorweisen. Er habe in keinem anderem Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erhalten und wolle nunmehr in Österreich bleiben.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 09.01.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer und den erwähnten negativen Bescheid an Belgien, und mit Schreiben vom 12.01.2018 stimmte Belgien diesem Gesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 24.01.2018 gab die beschwerdeführende Partei an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen zu beantworten, und dass er in Österreich bereits eine Erstuntersuchung gehabt habe. Er habe seit 2014 Depressionen, nehme deswegen Medikamente ein und könne diesbezügliche medizinische Befunde sowohl aus Österreich als auch aus Belgien vorweisen. Nach Belgien wolle er nicht zurückkehren, weil er sich dort zwar insgesamt 14 Monate aufgehalten habe, aber nicht untergebracht worden sei und keine Einvernahme gehabt habe. Über seinen ersten Asylantrag sei bereits negativ entschieden worden. Es habe in Belgien keine die beschwerdeführende Partei betreffenden konkreten Vorfälle gegeben. Neben einem in Deutschland aufhältigen Onkel habe er im Bereich der EU keine familiären Anknüpfungspunkte. Die beschwerdeführende Partei legte als Beweismittel mehrere medizinische Dokumente, die Kopie einer Medikamentenpackung Trittico sowie eine Teilnahmebescheinigung über einen absolvierten Deutschkurs vom 17.12.2015 vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Belgien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrags zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Belgien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung im Wesentlichen unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
"Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 12.2015; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles ...
Dublin-Rückkehrer
Dublin-Rückkehrer haben in Belgien vollen Zugang zum Asylsystem. Ihre Verfahren werden inhaltlich behandelt und sie haben das Recht, einen Folgeantrag zu stellen. Außerdem haben Dublin-Rückkehrer das Recht auf Versorgung wie normale Asylwerber (CGRS 17.2.2015).
Quellen:
CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (17.2.2015): Auskunft des CGRS, per E-Mail.
Non-Refoulement
Es gibt keine veröffentlichten Berichte über Refoulement an den Grenzen Belgiens. Die Gesetzesänderung von 2014 führte für CGRS die Verpflichtung ein, bei Umsetzung einer Rückkehrentscheidung das Vorliegen eines direkten oder indirekten Refoulement-Risikos zu prüfen, wenn es entscheidet, einen Folgeantrag nicht zuzulassen (AIDA 12.2015).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles ...
Versorgung
Das System der Unterbringung wird von der Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (Fedasil) koordiniert. Jeder Asylwerber (AW) hat ab Einbringung des Asylantrags das Recht auf Versorgung, die ein Leben in Menschenwürde ermöglichen soll. Bei Antragstellung erhält der AW von der Asylbehörde eine Bestätigung, mit der er bei Fedasil eine Unterkunft beantragen kann. Belgien verfügt über Unterbringungsplätze in kollektiven (1. Stufe) und individuellen (2. Stufe) Unterbringungsstrukturen. Die 65 Zentren der 1. Stufe umfassen 18.437 Plätze. Die 1.476 local reception initiatives (LRI) der 2. Stufe umfassen 7.154 Plätze in privaten Strukturen. Unterbringungsengpässe im Sommer 2015 wurden durch die Einrichtung einer sogenannten "pre-reception accommodation" für 1.000 Personen überbrückt. Seit August 2015 sind auch 2 Gruppen von Antragstellern (ASt.) von der Unterbringung in kollektiven Strukturen ausgenommen: ASt. mit hoher Wahrscheinlichkeit, Asyl zu erhalten, kommen sofort in individuelle Unterbringung und besonders vulnerable Fälle kommen in spezielle NGO-Strukturen. Normalerweise können alle ASt. nach 4 Monaten individuelle Unterbringung beantragen, aber durch das hohe Antragsaufkommen im Sommer 2015 wurde individuelle Unterbringung auf die genannten 2 Gruppen beschränkt. Es gibt Sonderregeln für Antragsteller, die sich im Prozess der Rückkehr befinden. Folgeantragsteller, deren Antrag nicht für zulässig befunden wird, haben kein Recht auf Unterbringung (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o.D.a).
Die Versorgung von Asylwerbern in der 1. Stufe beinhaltet Unterkunft, Nahrung, Kleidung, medizinische, soziale und psychologische Hilfe, Zugang zu Übersetzung und zu juristischer Vertretung, Zugang zu Ausbildung, freiwilliger Rückkehr und einem Taggeld. In der 2. Stufe erhalten Antragsteller zusätzlich zum Taggeld noch einen Betrag oder Essensgutscheine (Höhe variierend nach Familiengröße), um sich eigenständig versorgen zu können. Die LRI haben bei der Ausgestaltung der Unterstützung eine gewisse Autonomie. Im theoretischen Fall, dass es gar keine Unterstützung geben sollte, kann ein AW sich direkt an das zuständige Sozialamt (Public Centre for Social Welfare, PCSW) wenden und Sozialhilfe erhalten wie belgische Staatsbürger (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o.D.b).
Die Unterbringung von AW ist an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Fedasil hat hierzu Zugang zur Datenbank Evibel, wo bei der Registrierung bemerkte Vulnerabilität registriert werden kann. Es gibt 1.375 Unterbringungsplätze speziell für unbegleitete minderjährige Asylwerber sowie 40 Unterbringungsplätze für minderjährige Mütter und ihre Kinder; 70 Plätze für alleinstehende Mütter und ihre Kinder; 40 Plätze für Personen mit psychologischen Probleme und 211 Plätze für Personen mit bestimmten medizinischen Bedürfnissen. In den Unterbringungszentren gelten gesetzlich festgelegte Mechanismen zur Prüfung spezifischer Bedürfnisse Vulnerabler, die zu deren Überstellung in geeignetere Einrichtungen führen können. Binnen 30 Tagen ab Zuweisung eines Unterbringungsplatzes sollte die individuelle Situation des AW geprüft werden, um zu bewerten, ob die Unterbringung geeignet ist. Es ist speziell auf Merkmale von Vulnerabilität zu achten, die nicht sofort bemerkbar sind. Dazu sind ein Interview mit einem Sozialarbeiter und ein Evaluierungsbericht vorgeschrieben, der laufend zu aktualisieren ist und nach maximal sechs Monaten zu einem Ergebnis bezüglich Angemessenheit der Unterkunft kommen und eventuelle Empfehlungen enthalten soll. Es gab bisher kein öffentliches Monitoring der Effektivität dieser Vorgangsweise. Es gibt Kritik am vorgesehenen Maximalzeitraum von sechs Monaten bis zum Vorliegen eines Ergebnisses (AIDA 12.2015).
Für Fremde, die vor der Rückkehr stehen, besitzt das Fremdenbüro spezielle offene Unterbringungsstrukturen mit 300 Plätzen (plus 105 Plätze für Familien) (AIDA 12.2015; vgl. Fedasil o.D.a).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles ...;
Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers ...;
Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.b): About the reception centres ...
Medizinische Versorgung
Bei der Aufnahme durch Fedasil wird jeder Antragsteller über 5 Jahren einem Lungenröntgen zur Tuberkuloseerkennung unterzogen (Fedasil o.D.a). Darüber hinaus hat jeder AW das Recht auf medizinische und psychologische Versorgung. In den Unterbringungsstrukturen sind immer Ärzte und Pflegepersonal anwesend. Der Arzt kann AW auch an spezialisierte Einrichtungen überweisen (Fedasil o.D.b).
AW haben das Recht auf medizinische Versorgung, die für ein Leben in Würde nötig ist. Das umfasst, mit wenigen Ausnahmen, im Wesentlichen alle Leistungen, welche die belgische Krankenkasse übernimmt (und ein paar Leistungen darüber hinaus). Kosten müssen, wie bei belgischen Staatsbürgern, zuerst vom AW vorgestreckt werden und werden dann refundiert. In den kollektiven Unterbringungszentren muss nichts bezahlt werden. Anders als Belgier müssen AW keine Patientengebühr bezahlen, solange sie kein Einkommen oder eine finanzielle Zuwendung erhalten. Es gibt eigene Stellen, die sich um die psychologische Betreuung von AW kümmern, aber die Nachfrage ist größer als das Angebot. Öffentliche Zentren für psychologische Betreuung stehen AW offen und verfügen über angepasste Tarife, aber oft fehlt ihnen die spezifische asylbezogene Erfahrung bzw., wenn sie über diese Expertise verfügen, müssen sie mit Wartelisten arbeiten. Wenn die Versorgung als Sanktionsmaßnahme reduziert oder ganz beendet wird, ist das Recht auf medizinische Versorgung ausgenommen. Nach negativ beendetem Verfahren und Auslaufen des Rechts auf Versorgung ist nur mehr medizinische Nothilfe möglich (AIDA 12.2015).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Belgium, provided by Belgian Refugee Council and Council on Refugees and Exiles ...;
Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers ...;
Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.b): About the reception centres ...
Schutzberechtigte
Antragsteller, die einen Schutztitel erhalten, bekommen damit eine Aufenthaltserlaubnis und dürfen noch für 2 Monate in der Unterbringungsstruktur bleiben, während sie sich eine eigene Wohnung suchen (Fedasil o.D.a).
Antragsteller, denen internationaler Schutz verweigert, aber subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, können dagegen ein Rechtsmittel einlegen, um internationalen Schutz zu erlangen (AIDA 12.2015).
Die Zuerkennung internationalen Schutzes berechtigt zum befristeten Aufenthalt in Belgien für 5 Jahre. Danach erhält der Flüchtling unbefristeten Aufenthalt. Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne weitere Genehmigung selbständig und unselbständig arbeiten und von Familienzusammenführung profitieren (CGRS 6.2016).
Wer die Bedingungen für internationalen Schutz nicht erfüllt, aber subsidiären Schutz erhalten hat, darf sich für 1 Jahr befristet in Belgien aufhalten. Verlängerungen sind möglich, und nach 5 Jahren erhält der Subschutzberechtigte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Subschutzberechtigte können eine befristete Arbeitsbewilligung beantragen. Sobald eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vorliegt, ist keine Arbeitserlaubnis mehr nötig. Bei der Familienzusammenführung gibt es Einschränkungen, vor allem während der ersten 5 Jahre (CGRS 11.2015).
Schutzberechtigte müssen sich im Fremdenregister der Gemeinde erfassen lassen, in der sie leben. Dort erhalten sie auch ein entsprechendes Ausweispapier. Informationen bezüglich Arbeit, Krankenversicherung und Sozialleistungen erhalten anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte im öffentlichen Sozialhilfezentrum (CPAS/OCMW) ihrer Wohnsitzgemeinde oder bei einer Gewerkschaft, NGO etc. (CGRS 11.2015 und 6.2016).
Quellen:
Fedasil - Federal Agency for the Reception of Asylum Seekers (o.D.a): Reception of asylum seekers ...;
CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (6.2016): You are recognised as a refugee in Belgium ...;
CGRS - Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (11.2015): You are eligible for subsidiary protection in Belgium ..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der belangten Behörde im konkreten Fall ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen sei. Nach der Judikatur des VfGH wäre eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob der beschwerdeführenden Partei eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Auch die Dublin III-Verordnung verlange eine individuelle Prüfung jedes Falles. Die beschwerdeführende Partei habe bei seiner Einvernahme am 24.01.2018 vorgebracht, dass sein Asylantrag in Belgien abgewiesen worden sei und er keine Möglichkeit gehabt habe, einen Folgeantrag zu stellen. Er sei weder untergebracht noch versorgt worden. Die beschwerdeführende Partei leide an Depressionen und psychischen Problemen, weswegen er in Österreich eine medizinische Behandlung erhalte. Auch aus dem angefochtenen Bescheid gehe hervor, dass Folgeantragsteller in Belgien kein Recht auf Unterbringung hätten. Aufgrund der unzureichenden Ermittlungen über die tatsächliche Situation in Belgien seien im gegenständlichen Fall sowohl die Beweiswürdigung als auch die daraus folgende rechtliche Beurteilung unrichtig. Vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, es sei wahrscheinlich, dass die beschwerdeführende Partei im Fall einer Überstellung nach Belgien weder über eine Unterkunft noch über eine angemessene Versorgung verfügen werde.
Die beschwerdeführende Partei wurde am 21.03.2018 nach Belgien abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei gelangte auf unbekanntem Weg illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten und stellte am 08.05.2017 in Belgien einen Antrag auf internationalen Schutz, der abgewiesen wurde. Zuletzt begab sich die beschwerdeführende Partei illegal nach Österreich und brachte am 08.01.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 09.01.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an Belgien, welchem dieser Mitgliedstaat mit einem am 12.01.2018 eingelangten Schreiben gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Belgiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Die beschwerdeführende Partei wurde am 21.03.2018 nach Belgien abgeschoben.
Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Belgien sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt, dass dieser an Depressionen und Schizophrenie leidet und dagegen Medikamente einnimmt.
Es bestehen keine beachtlichen familiären, beruflichen oder privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Insbesondere liegen noch keine konkreten Schritte der beschwerdeführenden Partei zur Integration in die österreichische Gesellschaft vor, wie etwa Sprachkenntnisse oder eine Erwerbstätigkeit.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.
Die beschwerdeführende Partei wies auf einzelne Missstände im zuständigen Mitgliedstaat hin. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Der Gesundheitszustand sowie das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus deren eigenen Angaben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:
Art. 3:
"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) ..."
Art. 7 Abs. 1 und 2:
"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."
Art. 13 Abs. 1:
"(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Art. 17 Abs. 1:
"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."
Art. 18 Abs. 1:
"(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen."
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Belgiens ergibt. Dies folgt aus den Bestimmungen der Art. 3 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung.
In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin III-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr primär zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Belgien keine Anhaltspunkte. Belgien führte nach der Einbringung des Asylantrages kein Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren mit einem anderen Mitgliedstaat durch.
Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0114; 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:
Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).
Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich ("St. Kitts"), EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 31; 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).
Der EGMR schloss nicht aus, dass es "andere ganz außergewöhnliche Fälle" geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07, und EuGH 16.02.2017, C-578/16, PPU, CK u. a./Slowenien).
Zu diesen "anderen ganz außergewöhnlichen Fällen" präzisierte der EGMR seine Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192), in dem es um die beabsichtigte Abschiebung eines an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, nämlich an chronischer lymphatischer Leukämie, leidenden Mannes von Belgien nach Georgien ging, folgendermaßen:
"183. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" im Sinn des Urteils N. gegen das Vereinigte Königreich, Rn. 43, die ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen können, derart verstanden werden sollten, dass es dabei um Situationen im Zusammenhang mit der Abschiebung eines schwer kranken Menschen geht, in denen gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser, auch wenn er sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hat, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren. Der Gerichtshof betont, dass diese Situationen im Einklang stehen mit der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK in Fällen der Abschiebung schwer kranker Ausländer.
184. Was die Frage betrifft, ob die genannten Bedingungen in einer bestimmten Situation erfüllt sind, hält der Gerichtshof fest, dass er in Fällen der Abschiebung von Ausländern nicht selbst die Asylanträge prüft oder die Art und Weise, wie Staaten die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung von Ausländern kontrollieren, überprüft. Nach Art. 1 EMRK liegt die Hauptverantwortung für die Umsetzung und Durchsetzung der verbürgten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die somit verpflichtet sind, im Lichte des Art. 3 EMRK die Befürchtungen der Beschwerdeführer zu prüfen und die Gefahren einzuschätzen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Zielstaat ausgesetzt wären. Der Mechanismus der Beschwerde an den Gerichtshof ist subsidiär zu den nationalen Systemen zur Wahrung der Menschenrechte. Dieser subsidiäre Charakter ist in Art. 13 und Art. 35 Abs. 1 EMRK geregelt (siehe EGMR, Große Kammer, 21.01.2011, 30696/09, M.S.S., Rn. 286 f; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117 f).
185. Folglich wird in derartigen Fällen die Verpflichtung der Behörden gemäß Art. 3 EMRK zum Schutz der Unversehrtheit der betroffenen Personen in erster Linie durch geeignete Verfahren, die eine derartige Prüfung ermöglichen, erfüllt (siehe sinngemäß EGMR, Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 182; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117).
186. Im Rahmen dieser Verfahren ist es Sache der Beschwerdeführer, geeignete Beweise dafür vorzulegen, dass es gewichtige Gründe für die Annahme gibt, sie wären im Fall der Umsetzung der in Beschwerde gezogenen Maßnahme der realen Gefahr einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein gewisses Maß an Spekulation dem vorbeugenden Zweck des Art. 3 EMRK innewohnt und dass es nicht darum geht, die Betroffenen dazu zu verpflichten, einen klaren Beweis für ihre Behauptung zu liefern, sie wären einer verbotenen Behandlung ausgesetzt (EGMR 04.09.2014, 140/10, Trabelsi, Rn. 130).
187. Werden solche Beweise erbracht, ist es Sache der Behörden des abschiebenden Staates, im Rahmen der innerstaatlichen Verfahren alle aufgeworfenen Zweifel zu beseitigen (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). Die behauptete Gefahr muss einer genauen Prüfung unterzogen werden (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 128; 28.06.2011, 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi, Rn. 214; Große Kammer, 23.02.2012, 27765/09, Hirsi Jamaa u. a., Rn. 116; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104), in deren Verlauf die Behörden des abschiebenden Staates die vorhersehbaren Folgen der Abschiebung für die betroffene Person im Zielstaat erwägen müssen im Lichte der dortigen allgemeinen Lage und der individuellen persönlichen Verhältnisse (EGMR 30.10.1991, 13163/87 u. a., Vilvarajah u. a., Rn. 108; Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 213; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 105). Die oben (Rn. 183-184) definierte Einschätzung der Gefahr muss daher allgemeine Quellen, z. B. Berichte der WHO oder von angesehenen nichtstaatlichen Organisationen, und die medizinischen Befunde über die betroffene Person berücksichtigen.
188. Wie der Gerichtshof oben (Rn. 173) festgestellt hat, geht es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen. Daraus folgt, dass die Auswirkungen der Abschiebung für die betroffene Person eingeschätzt werden müssen durch Vergleich des Gesundheitszustandes vor der Abschiebung und wie sich dieser nach der Abschiebung in den Zielstaat entwickeln würde.
189. Was die zu berücksichtigenden Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird (siehe oben, Rn. 183). Der Maßstab ist nicht das im abschiebenden Staat bestehende Behandlungsniveau; es geht nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung. Es ist auch nicht möglich, aus Art. 3 EMRK ein Recht abzuleiten, im Zielstaat eine bestimmte Heilbehandlung zu erhalten, die für den Rest der Bevölkerung nicht verfügbar ist.
190. Die Behörden müssen auch prüfen, inwieweit die betroffene Person tatsächlich Zugang zu dieser Heilbehandlung und zu diesen Behandlungseinrichtungen im Zielstaat haben wird. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass er bereits bisher die Zugänglichkeit der Heilbehandlung geprüft hat (EGMR 16.04.2013, 17299/12, Aswat, Rn. 55; 14.04.2015, 65692/12, Tatar, Rn. 47-49) und auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Kosten der Medikamente und der Heilbehandlung, das Vorhandensein eines sozialen und familiären Netzwerkes und die für den Zugang zu der erforderlichen Heilbehandlung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen (EGMR 15.11.2001, 47531/99, Karagoz; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 34-41, mwN; 10.05.2012, 34724/10, E.O.).
191. Wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung auf die betroffenen Personen bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, muss der abschiebende Staat - als Vorbedingung für die Abschiebung - vom Zielstaat individuelle und ausreichende Zusicherungen einholen, dass eine geeignete Heilbehandlung für die betroffenen Personen verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befinden (zum Thema individuelle Zusicherungen siehe EGMR, Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 120).
192. Der Gerichtshof betont, dass in Fällen betreffend die Abschiebung schwer kranker Menschen das Ereignis, welches die unmenschliche und erniedrigende Behandlung verursacht und die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach Art. 3 EMRK auslöst, nicht das Fehlen der medizinischen Infrastruktur im Zielstaat ist. Ebenso wenig geht es um irgendeine Verpflichtung des abschiebenden Staates, die Unterschiede zwischen seinem Gesundheitssystem und dem Behandlungsniveau im Zielstaat zu mildern durch die Bereitstellung einer kostenlosen und unbeschränkten Gesundheitsversorgung für alle Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach der EMRK besteht in derartigen Fällen aufgrund einer Handlung - in diesem Fall der Abschiebung -, die dazu führen würde, dass eine Person der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt würde."
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 30.04.2013, 75203/12, Kochieva u. a.; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).
Im vorliegenden Fall leidet die beschwerdeführende Partei an Depressionen und Schizophrenie und nimmt dagegen Medikamente ein.
Die gesundheitlichen Probleme der beschwerdeführenden Partei weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die beschwerdeführende Partei in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wird Asylwerbern und Schutzberechtigten im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.
Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen "ganz außergewöhnlichen Fall", in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind.
Die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Belgien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.
Der angefochtene Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum belgischen Asylwesen. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes, und zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.
Es ist vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 somit gänzlich unwahrscheinlich, dass in Belgien Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 17ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass etwa Belgien seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme. Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in Belgien insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber gewährleistet.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen kann letztlich nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-Verordnung nach Belgien rücküberstellt werden, aufgrund der belgischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, sodass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinn einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde. Wie aus den Länderfeststellungen zur Lage von Asylwerbern in Belgien vielmehr ersichtlich ist, herrschen in diesem Mitgliedstaat nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Einzelne beanstandete Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Asylrichtlinien in einem Mitgliedstaat stellen aber noch keine Grundlage dafür dar, die auf unionsrechtlicher Stufe stehenden Dublin III-Verordnung auf diesen Mitgliedstaat nicht mehr anzuwenden, etwa durch regelmäßige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes (vgl. EGMR 06.06.2013, 2293/12, Mohammed; EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).
Auch sonst konnte die beschwerdeführende Partei keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Jedenfalls hat die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Belgien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.
Ein nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC schützenswertes Privat- oder Familienleben der beschwerdeführenden Partei in Österreich wurde nicht dargelegt. Denn die beschwerdeführende Partei verbrachte den Großteil seines Lebens im Herkunftsstaat und reiste erst vor wenigen Monaten illegal in das Bundesgebiet ein. Er verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr nur auf den faktischen Abschiebeschutz aufgrund des gegenständlichen unzulässigen Antrages auf internationalen Schutz. Eine ins Gewicht fallende Integration der beschwerdeführenden Partei in die österreichische Gesellschaft, insbesondere durch eine ausreichende Erwerbstätigkeit oder durch ausreichende Sprachkenntnisse, ist nicht erkennbar.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.
§ 21 Abs. 6a BFA-VG lautet:
"Unbeschadet des Abs. 7 kann das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden."
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Außerlandesbringung medizinische Versorgung real risk Rechtsschutzstandard VersorgungslageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W184.2187531.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020