TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 I408 2200397-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2200394-1/17E

I408 2200390-1/16E

I408 2200397-1/16E

I408 2200387-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. XXXX, geb. XXXX, (BF1), und deren minderjährigen Kinder

2. XXXX, geb. XXXX (BF2),

3. XXXX (richtig: XXXX), geb. XXXX (BF3) und

4. XXXX, geb. XXXX (BF4),

diese vertreten durch ihre Mutter XXXX, alle StA. ÄGYPTEN, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BAT) vom 07.06.2018, Zl. 1163916300-170984695 (BF1), 1163916605-170984733 (BF2), 1163916409-170984717 (BF3) und 1163915401-170984709 (BF4) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.09.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren von BF1 und ihren minderjährigen Kindern BF2, BF3 und BF4, alle Staatsangehörige Ägyptens und koptischer Religionszugehörigkeit sind nach § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen. Der Familienvater ist am 06.04.2018 in Österreich verstorben und die drei minderjährigen Kinder weisen keine eigenen Fluchtgründe auf.

Die Familie reiste am 16.08.2017 aus Kuweit kommend, wo sie seit 2011 gelebt hatte, mit einem Touristenvisum in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als Fluchtgrund wurden telefonische Bedrohungen des Familienvaters und Belästigungen, denen die Familie als Angehörige der koptischen Minderheit in Ägypten ausgesetzt waren und die sie zur Ausreise nach Kuweitbewegt haben, angeführt. Kuweit haben sie dann verlassen, weil auch dort der verstorbene Familienvater Drohanrufe erhalten habe und in diesem Zusammenhang auch der jüngste Sohn und die älteste Tochter Opfer von Entführungsversuchen wurden.

In diesem Zusammenhang wurden BF1 und BF2 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Für die minderjährigen BF2, BF3 und BF4 wurden keinerlei eigene Fluchtgründe vorgebracht.

In der Folge wurden die Anträge der BF mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 07.06.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Es wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen alle ein Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zudem wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde sah das auf den verstorbenen Familienvater ausgerichtete Fluchtvorbringen nicht als glaubhaft an und eine Rückkehrentscheidung als zulässig an.

Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde am 04.07.2018 bekämpften die BF diese Entscheidungen in vollem Umfang.

Die 16.08.2018 sowie am 05.09.2018 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der alle BF teilnahmen. Die erste mündliche Verhandlung wurde nach dem Vorbringen von Verständigungsschwierigkeiten mit dem bestellten Dolmetscher auf den 05.09.2018 vertagt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu den persönlichen Verhältnissen

BF1 ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin von BF 2, BF3 und BF4.

Alle BF sind ägyptische Staatsbürger und koptischen Glaubens. Die Identität der BF steht fest.

Am 16.08.2017 reiste die Familie, die sich seit Juli 2011 in Kuweit aufhielt und dort lebte, mit einem von der ägyptischen Botschaft in Kuweit ausgestellten Touristenvisum, das für den Zeitraum 15.08.2017 bis 24.08.2017 gültig war in Österreich ein und stellte am letzten Tag ihres legalen Aufenthaltes gemeinsam einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Vater verstarb in Österreich am 06.04.2018.

Dieser war in Ägypten und ab 31.08.2010 in Kuweit als Lehrer tätig. Ein Jahr später holte er seine restliche Familie nach. Die Familie führte in Kuweit ein finanziell abgesichertes Leben und die Kinder besuchten die Schule.

In Ägypten leben Familienangehörige des verstorbenen Ehemannes und der BF1, die in Kairo gemeinsam mit ihrer Schwester ein Haus besitzt.

In Österreich lebt die Familie seit 11.09.2017 in der Stadtgemeinde Groß-Siegharts und bestreitet ihren Lebensunterhalt über die Grundversorgung. Die Familie hat sich in der kleinen Stadtgemeinde eingelebt, die Kinder besuchen die Schule, erlernen so die deutsche Sprache und haben Anschluss bei Mitschülern und in Sportvereinen gefunden. BF1 ist ebenfalls bemüht die deutsche Sprache zu erlernen und eine Arbeit zu finden.

1.2 Zu den Fluchtgründen

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Familie in Ägypten Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, insbesondere, dass der verstorbene Vater das Land aufgrund persönlicher Bedrohungen verlassen hatte. Die Drohanrufe von Unbekannten wegen der finanziellen Unterstützung eines Cousins nach dessen Rückkonversion vom Islam sind nicht glaubhaft.

Kopten sind als kleine, religiöse Minderheit gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt und es hat in den letzten Jahren auch terroristische Anschlägen auf kirchliche Einrichtungen gegeben. Der ägyptische Staat bekennt sich zur Glaubensfreiheit, schützt religiöse Einrichtungen der Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) und bekämpft terroristische Anschläge.

Die derzeitige Sicherheits- und Wirtschaftslage lassen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass die Familie bei einer Rückkehr in eine ausweglose oder lebensbedrohende Situation gerät. Es ist den Beschwerdeführern zumutbar, in ihre Heimat zurückzukehren. Sie sind gesund, sprechen arabisch und sind mit den Besonderheiten des ägyptisch/arabischen Kulturkreises vertraut. Bei einer Rückkehr können sie zudem auf den Rückhalt und die Unterstützung der Großfamilie bauen. BF1 ist überdies erwerbsfähig sowie gut ausgebildet und verfügt in Ägypten auch über Vermögenswerte.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in die Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakt, in die vorgelegten Unterlagen zur Integration der Beschwerdeführer sowie in das Länderinformationsblatt für Ägypten, sowie durch Befragung der BF1 unter Einbeziehung der minderjährigen BF2, BF3 und BF4 und Erörterung der Lage im Herkunftsstaat in der mündlichen Verhandlung am 05.09.2018.

2.1 Zu den persönlichen Verhältnissen

Die Feststellungen zu der Identität und Staatsbürgerschaft der BF ergeben sich zweifelsfrei aus den zur Einreise in Österreich verwendeten Reisedokumenten.

Die Feststellung zu ihren religiösen Bekenntnissen sowie der beruflichen Ausbildung der beiden Elternteile ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie den glaubhaften Aussagen der BF vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.09.2018.

Dass die Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Ägypten sind den Angaben von BF1 in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen. Daraus ergibt sie auch, dass sie gemeinsam mit ihrer Schwester in Kairo ein Haus besitzt.

Dass die Beschwerdeführer über Integrationsmerkmale in Österreich verfügen, und zwar in Form der Schulbesuche der minderjährigen BF2, BF3 und BF4 seit Herbst 2017 und den damit verbundenen Kontakten zu Österreichern sowie der Bemühungen von BF1 die deutsche Sprache zu erlernen und in weiterer Folge hier für sich und ihre Familie eine Existenz aufzubauen, sind für das Bundesverwaltungsgericht glaubhaft. Die Deutschkenntnisse der BF entsprechen dem kurzen Aufenthalt in Österreich seit August 2017.

2.2 Zu den Fluchtgründen

Zunächst kann auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde (vgl. Bescheid bez. BF1, Seite 32-33) verwiesen werden. Den BF ist auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, konkrete Verfolgungsgründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates glaubhaft darzulegen.

So ist der Befragung von BF1 in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, dass der verstorbene Familienvater Ägypten verlassen hatte, um sich zunächst alleine in Kuweit eine berufliche Existenz aufzubauen und ein Jahr später seine Familie nachzuholen.

Die Bedrohung des Familienvaters durch Unbekannte in Ägypten war der Familie nicht bekannt. Erst in Kuweit habe BF1 davon erfahren. Die Person und das Schicksal des Cousins, der durch seine Rückkonversion vom Islam wieder in die koptische Glaubensgemeinschaft der Auslöser für die Drohanrufe von angeblichen Islamisten gewesen sein sollte, bleiben völlig im Dunkeln. BF1 konnte dazu keine Angaben machen. Weder der unbekannte Cousin noch andere Verwandte sind in Ägypten wegen dieser Rückkonversion Verfolgungshandlungen ausgesetzt. Es ist auch nicht plausibel, dass Personen, die von Islamisten verfolgt werden, in ein Land auswandern, in welchem der Islam als Glaubensrichtung noch dominanter ist als in Ägypten. Jahrelang kam es dort zu keinen Vorfällen. Die versuchte Entführung von BF4 erwies sich als Schülerstreich und jene von BF2 bleibt als unbestätigte Geschichte im Raum, die, auch wenn dieser Entführungsversuch durch das Einschreiten von Passanten erfolglos blieb, auch zu keiner Meldung oder Anzeige bei den Behörden führte, sondern, wie die damalige Ausreise aus Ägypten, zu einer geplanten Einreise in Österreich.

Mit den von BF1 vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung angeführten Beschimpfungen, Bedrohungen und Belästigungen, denen sie und ihre Kinder als Kopten in Ägypten ausgesetzt waren, geben nur gesellschaftliche Diskriminierungen wieder, denen jede Minderheit ausgesetzt sind, ohne dass daraus eine unmittelbare Verfolgungsgefahr abzuleiten ist. Auch der Griff eines vorbeifahrenden Motorradfahrers in die Haare von BF1 sind für sich allein nicht als Bedrohung durch eine islamitische Gruppierung anzusehen.

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, denen im Zuge des Beschwerdeverfahrens nicht substantiiert entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese (noch immer) aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Aus dem aktuellen Länderbericht zu Ägypten, die in der mündlichen Verhandlung mit BF1 erörtert worden sind, kann keine allgemeine Gefährdung von Rückkehrern entnommen werden. Die darin angeführten unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen stützen diese Feststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte eine unmittelbare, personenbezogene Verfolgungsgefahr weder aufgrund des religiösen Bekenntnisses noch aufgrund von Bedrohungen durch Dritte glaubhaft gemacht werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Den Beschwerdeführern droht in Ägypten - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass der Familie im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Die Erstbeschwerdeführerin ist volljährig, gut ausgebildet, gesund und arbeitsfähig. Den drei minderjährigen Kindern, die Schulerfahrungen in Kuweit und Österreich aufweisen, ist, auch im Hinblick auf die familiären und finanziellen Ressourcen, die in Ägypten vorhanden sind, eine Rückkehr zumutbar, zumal sie die arabische Sprache beherrschen.

Damit sind die Erstbeschwerdeführer durch die Abschiebung nach Ägypten nicht in ihrem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass die Erstbeschwerdeführerin allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation in Ägypten bessergestellt sind, genügt nicht für die Annahme, sie würden in Ägypten keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Ägypten derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Ägypten, die nahelegen würden, dass bezogen auf die Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Hinweise auf eine exzeptionelle Situation, die dazu führen würde, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Ägypten dort keine Lebensgrundlage vorfinden, wurden substantiiert vorgebracht. Dies ist angesichts der Fähigkeiten der BF1, und nicht zuletzt auch durch den in Ägypten typischen Zusammenhalt von Familien auch in diesem Fall nicht anzunehmen. Es mag sein, dass der Weg für die Beschwerdeführer zu einer neuen Existenz in Ägypten zunächst steinig sein wird, hieraus zu schließen, dass keine Lebensgrundlage existierte, ist jedoch nicht möglich.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklichen, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführer seit mindestens einem Jahr iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch sind die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Entscheidung die gesamte Familie (Mutter und die drei minderjährigen Kinder) trifft, sodass ein Eingriff in das Familienleben nicht gegeben ist.

Das vorliegende Asylverfahren erreicht, gerechnet von der Antragstellung am 24.08.2017 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidungen der belangten Behörde am 07.08.2018 eine Dauer von einem Jahr. Der kurze Aufenthalt beruht dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb die Familie während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich hier auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen könne. Daran können alle Integrationsbemühungen der BF, basierend auf dem Bestreben der Mutter (BF1) mit ihren Kindern in Österreich künftig auch wirtschaftlich auf eigenen zu stehen sowie dem regelmäßigen Schulbesuch der Kinder und die damit verbunden privaten Kontakte nichts ändern.

Diesem Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) steht das öffentliche Interesse gegenüber, das geltende Migrationsrecht zu vollziehen, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich.

Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit ihre persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Die Beschwerdeführer verfügen auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Betreffend die mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellenden Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat, ist auszuführen, dass keine Gründe vorliegen, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Betreffend die Festsetzung einer Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ist auszuführen, dass diese nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides beträgt, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden von den Beschwerdeführern nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde erweist sich damit auch hinsichtlich des Spruchpunktes III., IV., V. und VI. als unbegründet.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Bürgerkrieg bürgerkriegsähnliche Situation Familienverfahren Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Gesamtbetrachtung Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I408.2200397.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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