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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der 1959 geborenen KL in Wien, vertreten durch Dr. Michael Datzik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 16/2/20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1996, Zl. 120.319/4-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 25. Juli 1996 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Aus einer Bescheinigung des Bundesasylamtes ging hervor, daß sie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung aufgrund eines anhängigen Asylverfahrens mit Geltungsdauer bis 24. August 1996 verfügte.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Asylverfahren der Beschwerdeführerin sei rechtskräftig negativ entschieden worden. Aus diesem Grund sei der Antrag vom 25. Juli 1996 als Erstantrag zu werten. Die Beschwerdeführerin hätte ihn vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen gehabt. Eine ausnahmsweise Berechtigung zur Inlandsantragstellung liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe sich jedoch im Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Dies habe sie durch ihre Antragsangaben selbst beurkundet. Damit sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Die Erteilung einer Bewilligung sei zu versagen gewesen. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 MRK.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. November 1996) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgebend.
§ 6 Abs. 2 AufG lautete (auszugsweise):
"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
§ 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin tritt der Annahme der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Sie bringt ausdrücklich vor, sie habe den gegenständlichen Antrag nach Abweisung ihres Asylantrages gestellt. Auf Basis ihres Beschwerdevorbringens galt für sie der Grundsatz, daß der abgewiesene Asylwerber gemäß § 6 Abs. 2 AufG den Antrag vor einer weiteren Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0666).
Selbst wenn der Beschwerdeführerin - worauf die Bestätigung des Bundesasylamtes an sich hindeutete - im Zeitpunkt ihrer Antragstellung eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen wäre, wäre für sie nichts gewonnen. Die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG scheiterte schon deshalb, weil - wie aus § 13 Abs. 2 AufG klar hervorgeht - diese Bestimmung auf die in § 1 Abs. 3 AufG genannten Fremden, also auch auf solche, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, keine Anwendung fände.
Insoweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, sie sei zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt, ist ihr zu entgegnen, daß eine solche in § 6 Abs. 2 AufG nur für den Fall des Verlustes des Asyls vorgesehen ist. Dieser Fall liegt bei der Beschwerdeführerin, der niemals Asyl zuerkannt wurde, nicht vor. Ebensowenig kann sie sich auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, stützen, weil sie nie eine Aufenthaltsbewilligung hatte. § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 kommt nur solchen Personen zugute, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1997, Zlen. 96/19/2291, 2790).
Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ist die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im AufG "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der genannten Verordnung bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in ihrem § 4 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 4 leg. cit. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung während der Dauer eines Asylverfahrens zählt nicht dazu (vgl. hiezu das bereits zitierte
hg. Erkenntnis vom 28. November 1997 mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Auch der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand, sie sei mangels entsprechender Ausweisdokumente nicht in der Lage, das Bundesgebiet zu verlassen, hätte nicht zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trotz Vorliegens des Versagungsgrundes des § 6 Abs. 2 AufG zu führen gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1997, Zlen. 96/19/1860 bis 1862).
Aus diesen Erwägungen kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde annahm, die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Antragstellung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/0843, m.w.N.). Das dort normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung dort auszuwarten, ist nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010).
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der angefochtene Bescheid verletze sie in ihrem durch Art. 8 MRK geschützten Recht auf Privat- und Familienleben. Sie sei gemeinsam mit ihrem Mann aus der damaligen CSSR über Ungarn nach Österreich geflohen. Infolge der ihr erteilten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung und einer erteilten Beschäftigungsbewilligung sei es ihr gelungen, sich ohne staatliche Zuwendung eine bescheidene Existenz aufzubauen. Der Asylantrag sei im guten Glauben gestellt worden, Asyl zuerkannt zu erhalten.
Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bereits auf die privaten und familiären Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).
Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung nur auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:
Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Dieser Grundsatz kommt auch bei Fremden zum Tragen, die - wie die Beschwerdeführerin von sich behauptet - ihren Asylantrag nicht in der Absicht gestellt haben, damit Einwanderungsvorschriften zu umgehen. Entscheidend ist, daß im Falle der gedachten Zulässigkeit der Inlandsantragstellung während eines Asylverfahrens oder nach dessen negativem Abschluß der sonst für Einwanderungswillige geltende Grundsatz, wonach die Entscheidung vom Ausland aus abzuwarten ist, im Ergebnis durchbrochen wäre. Eine Einschränkung eines gedachten durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung privater und familiärer Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593).
Wenn die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die erstinstanzliche Behörde hätte den gegenständlichen Antrag nicht entgegennehmen dürfen, sondern sie darüber belehren müssen, daß sie den Antrag vom Ausland aus zu stellen habe, ist sie zunächst auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach das Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus und des Zuwartens bis zur Entscheidung im Ausland eine materiellrechtliche Erfolgsvoraussetzung darstellt. Eine Beratung von Verfahrensparteien in materiellrechtlicher Hinsicht ist aber von der Manuduktionspflicht des § 13a AVG nicht umfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1989, Zl. 89/03/0241).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996193585.X00Im RIS seit
02.05.2001