TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 W184 2211045-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W184 2211045-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2018, Zl. 1209607300/180979915, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Armeniens, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.10.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die beschwerdeführende Partei bereits am 11.10.2010 in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

Bei der Erstbefragung am 15.10.2018 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, dass sie von Moskau aus mit einem kleinen Bus in die Schweiz eingereist sei und sich dort vom 10.10.2010 bis zum 14.10.2018 aufgehalten und auch um Asyl angesucht habe. Nach etwa sechs Monaten habe sie einen negativen Bescheid erhalten, und aufgrund mangelnder Beschwerdemöglichkeiten in der Schweiz stelle sie nunmehr in Österreich einen Asylantrag. In der Schweiz sei ihre Tochter mit deren Ehemann aufhältig, einer Rückkehr in die Schweiz stehe jedoch ihre drohende Abschiebung in den Heimatstaat entgegen. Die beschwerdeführende Partei wolle nunmehr in Österreich bleiben, weil es ein gutes Land sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 17.10.2018 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung an die Schweiz, welchem die schweizerische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 18.10.2018 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 08.11.2018 gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie an Gastritis leide und dass in der Schweiz ein Tumor in ihrem Kopf diagnostiziert worden sei. Sie stehe diesbezüglich zwar noch nicht in ärztlicher Behandlung, nehme jedoch Medikamente ein. In der Schweiz seien zwar ihre Tochter und deren Ehemann aufhältig, sie wolle jedoch nicht in dieses Land rücküberstellt worden, weil ihr dort die Abschiebung in den Herkunftsstaat drohe. Insgesamt sei sie acht Jahre in der Schweiz aufhältig gewesen. Laut Befund einer neurologischen Klinik eines schweizerischen Spitals vom 06.09.2018 in französischer Sprache leidet die beschwerdeführende Partei an einem Meningeom und es wurde ein Kontrolltermin angeordnet. Dem Schreiben eines Zentrums für Endoskopie vom 19.07.2018 zufolge leidet die beschwerdeführende Partei zudem an Gastritis und es wurde eine medikamentöse Therapie vorgeschlagen. Einem weiteren Befund einer Universitätsklinik vom 08.10.2018 ist zu entnehmen, dass die beschwerdeführende Partei unter einem zerebralen Meningeom sowie an Gastropathie bzw. Ösophagitis leidet, eine medikamentöse Therapie wurde angeordnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Schweiz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Schweiz gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat dar. Demnach sind grundsätzlich der Zugang zum Asylverfahren sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung für Asylwerber gewährleistet. Auch Kritikpunkte am Asylwesen werden näher dargestellt. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

"Allgemeines zum Asylverfahren

Die für das erstinstanzliche Asylverfahren in der Schweiz verantwortliche Behörde ist das Staatssekretariat für Migration (SEM). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

Dublin-Rückkehrer

Die Dublin III Verordnung wird seit 1 Jänner 2014 umgesetzt. Es konnten keine Zugangshindernisse für Dublin-Rückkehrer in der Schweiz festgestellt werden (AIDA 2.2017).

Bei Übernahme einer Person im Rahmen des Dublin-Verfahrens wird diese zu einer Aufnahmeeinrichtung geschickt, wo dann die Verfahrensschritte für eine Prüfung des Asylantrags eingeleitet werden. Sofern bereits zuvor ein Verfahren in der Schweiz anhängig war, wird dieses fortgesetzt. In den meisten Fällen kann ein Verfahren unabhängig von seinem früheren Status (vorherige Ablehnung, Rücknahme oder Entlassung) entweder von den Behörden oder durch einen Antrag auf erneute Überprüfung wieder aufgenommen oder fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail.

Non-Refoulement

Die Verfassung verbietet die Abschiebung von Flüchtlingen, die in ihren Herkunftsländern Verfolgung ausgesetzt sind, und stellt auch fest, dass niemand in ein Land geschickt werden darf, in dem ihm Folter oder andere entwürdigende und grausame Behandlung drohen. Die Regierung zwingt generell keine Asylwerber zur Rückkehr in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnten. Seit Juli 2016 werden - abhängig von Einzelfallbewertungen - Abschiebungen in alle Teile Sri Lankas zugelassen. Diese Praxis wird von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe als voreilig kritisiert, da der Norden Sri Lankas für Regierungsdissidenten immer noch unsicher sei (USDOS 3.3.2017).

Am 1. Oktober 2016 traten Änderungen des Ausländergesetzes und des Strafgesetzbuchs in Kraft, wonach Ausländer, die Straftaten begehen (nicht nur schwere Straftaten, sondern beispielsweise auch Sozialhilfebetrug), leichter ausgewiesen werden können. Im Falle von Flüchtlingen oder Personen, die nach Artikel 3 EMRK behandelt werden, wird der Grundsatz des Nichtzurückweisens allerdings weiterhin eingehalten (AIDA 2.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland ...

Versorgung

Die materielle Versorgung der Asylwerber besteht aus Unterbringung und Verpflegung, medizinischer Versorgung und finanzieller Unterstützung, sofern der Antragsteller bedürftig ist und Anspruch auf Sozialhilfe hat. Die Unterbringung in einem Zentrum steht aus organisatorischen Gründen hingegen allen Asylwerbern, unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen, offen. Es ist zu beachten, dass soziale Unterstützungsleistungen sowie u. a. auch Kosten des Berufungsverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt bei Vorhandensein entsprechender finanzieller Mittel zu refundieren sind. Im Rahmen der Erstaufnahme auf Bundesebene ist die Versorgung überall gleich. Diese dauert in der Regel bis zu 90 Tage. Das Recht auf Versorgung - schließlich auf kantonaler Ebene - besteht insgesamt bis zum Ende des Verfahrens, d. h. bis zum Ende der Beschwerdefrist gegen erstinstanzliche Entscheidung bzw. bis zu einer negativen Entscheidung der Beschwerdeinstanz. Momentan findet in Zürich ein Testlauf bezüglich einer Beschleunigung des Verfahrens statt. Auch wenn die Versorgung dort etwas anders geregelt ist, besteht in jedem Fall ein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversorgung und Bildung für Kinder unter 16 Jahren. Asylwerber dieser Testphase sind nicht berechtigt zu arbeiten (AIDA 2.2017).

Die Kantone sind für die Gewährleistung der Sozialhilfe an Asylwerber zuständig. Jeder Kanton erhält hierbei pro Asylwerber einen Pauschalbetrag, mit dem dann die gesamten Ausgaben für die Unterbringung, die Unterstützung, die obligatorische Krankenversicherung und allfällige weitere medizinische Versorgung finanziert werden. Die Unterstützungsleistungen erfolgen durch die Kantone oder Gemeinden selbst bzw. durch beauftragte Dritte. Für Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen ist die Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten. Die Höhe der Sozialhilfe liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung. Anerkannte Flüchtlinge sind der einheimischen Bevölkerung vollkommen gleichgestellt (SEM 21.4.2017).

Mitte 2016 betrug die monatliche Zuwendung durchschnittlich CHF 1.119 / ? 1.041, abhängig von der Bedürftigkeit des Empfängers. In den föderalen Zentren, wo die meiste Unterstützung in Sachleistungen geschieht, liegt die übrige Unterstützung bei lediglich 3 CHF täglich. Die Höhe der Zuwendungen richtet sich nach dem Grad der Bedürftigkeit. Mitte 2015 erhielten 94,3% aller Asylwerber in der Schweiz Sozialhilfe, wovon wiederum 94% keine weitere Einkommensquelle hatten. Dieser hohe Prozentsatz spiegelt das Arbeitsverbot während der ersten drei (auf föderaler Ebene) bis sechs Monate (je nach Kanton) des Asylverfahrens wider. Zum Teil sind aber auch arbeitende Personen aufgrund des zu geringen Verdienstes weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn ein Asylwerber das Land verlassen muss, kann er keine herkömmliche Versorgung mehr erhalten, sondern nur noch Unterstützung im Rahmen des Notfallschemas. Dieses umfasst kantonale Leistungen für Personen, die sich andernfalls nicht erhalten könnten, und wird daher auch von den Kantonen festgelegt, ist also Schwankungen unterworfen. In manchen Kantonen ist diese Aufgabe an Gemeinden oder Hilfsorganisationen ausgelagert. Die Nothilfe besteht, wann immer möglich, aus Sachleistungen, inklusive Unterbringung in Notfallzentren, die für ihre eher unbequemen, minimalistischen Bedingungen bekannt sind. Die Finanzierung der Nothilfe ist pro Person mit ca. CHF 8 pro Tag festgesetzt, womit die Kosten für Essen, Transport, Haushaltsgegenstände und andere Bedürfnisse abgedeckt werden müssen. Dieser Betrag ist im Vergleich zu den hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz sehr niedrig und wird zudem in Sachleistungen bzw. Gutscheinen ausgegeben, die nur in bestimmten Supermärkten angenommen werden. Nothilfe muss immer gewährt werden, sie kann folglich auch nicht aberkannt werden (AIDA 2.2017).

Das Gesetz verbietet es Asylsuchenden, in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft in dem Land zu arbeiten, und die Behörden können dieses Verbot um weitere drei Monate verlängern, wenn das SEM den Asylantrag innerhalb der ersten drei Monate ablehnt. Nach drei Monaten können Asylsuchende eine Beschäftigung in Branchen mit Arbeitskräftemangel suchen, etwa im Gastgewerbe, im Baugewerbe, im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

SEM - Staatssekretariat für Migration (21.4.2017): Subventionen des Bundes ...;

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland ...

Unterbringung

In den Zentren auf föderaler Ebene sind die Bedingungen für Familien, Frauen und Kinder eher hart. Es wird versucht, für diese Personen möglichst rasch eine geeignete kantonale Unterbringung zu finden, wo Familien nach Möglichkeit individuell untergebracht werden. Insbesondere die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen wird in den jeweiligen Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Nicht alle verfügen über spezialisierte Zentren, was auf Kritik von NGOs stößt. Kinder werden oft in Pflegefamilien oder Kinderheimen untergebracht. Da die Umsetzung der Bundesbestimmungen weitgehend den Kantonen obliegt, können sich die Bedingungen deutlich unterscheiden (AIDA 2.2017).

Während der Bearbeitungsphase übernehmen die Kantone die Hauptverantwortung für die Bereitstellung von Wohnraum sowie die allgemeine Unterstützung und Betreuung der Asylbewerber. Diese haben das Recht auf medizinische Grundversorgung, deren Kinder Anspruch auf Schulbesuch bis zur neunten Klasse und somit bis zum Ende der Pflichtschulzeit. NGOs und Freiwillige führten im allgemeinen Sprachkurse für Asylsuchende durch. Der Mangel an ausreichenden und angemessenen Unterkünften bleibt ein Problem; häufig werden Asylwerber in entlegenen ländlichen Gebieten oder ehemaligen - vielfach unterirdisch angelegten - Militäreinrichtungen untergebracht (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland ...

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben ein Recht auf medizinische Basisversorgung (USDOS 3.3.2017). Sie werden bei Ankunft einer medizinischen Untersuchung unterzogen und erhalten dann während des gesamten Verfahrens und bei negativer Entscheidung auch im Rahmen des Notfallschemas Zugang zu medizinischer Versorgung. Außerdem sind Asylwerber bei der nationalen Krankenversicherung versichert, die auch die Behandlung mentaler Probleme durch einen Psychiater abdeckt. Während des Aufenthalts in föderaler Unterbringung ist die medizinische Versorgung föderale Angelegenheit, danach geht sie auf den jeweiligen Kanton über. Spezialbehandlungen für Opfer von Folter und traumatisierte Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen werden zwar angeboten, spezialisierte Psychiater und geeignete Dolmetscher sind allerdings oftmals nicht im erforderlichen Ausmaß verfügbar (AIDA 2.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland ...;

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland ..."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der belangten Behörde im konkreten Fall ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen sei. Nach der Judikatur des VfGH wäre eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob der beschwerdeführenden Partei in der Schweiz eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Auch die Dublin III-Verordnung verlange eine individuelle Prüfung jedes Falles. Eine derartige Einzelfallprüfung sei von der belangten Behörde aber weder in Bezug auf den Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei noch in Bezug auf eine drohende Kettenabschiebung durchgeführt worden. Die beschwerdeführende Partei leide unter einem zerebralen Meningeom und weiteren Erkrankungen, wie aus dem Arztbericht vom 08.10.2018 ersichtlich sei. Aufgrund des zerebralen Meningeoms werde die beschwerdeführende Partei immer wieder durch sehr starke Kopfschmerzen beeinträchtigt. Angesichts dieses komplexen Krankheitsbildes der beschwerdeführenden Partei hätte die erstinstanzliche Behörde unbedingt eine Einzelfallzusicherung betreffend eine entsprechende Unterkunft und weiterführende medizinische Versorgung einholen müssen. Die Feststellung der Behörde, dass eine medizinische Versorgung der beschwerdeführenden Partei in der Schweiz aufgrund der Vorlage von Arztberichten aus der Schweiz sichergestellt sei, könne nicht nachvollzogen werden, weil die Behörde diese Schriftstücke nicht einmal einer Übersetzung zugeführt habe, weshalb das erstinstanzliche Verfahren mit schwerwiegenden Verfahrensfehlern belastet sei. Die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen zur Situation in der Schweiz würden sich zu einem überwiegenden Anteil auf die Darstellung der rechtlichen Vorgaben und der vorgesehenen Strukturen beschränken, ohne jedoch auf die aktuelle tatsächliche Situation für Asylwerber Rücksicht zu nehmen. Die belangte Behörde sei trotz Anwendung der Dublin III-Verordnung verpflichtet gewesen zu untersuchen, ob im konkreten Einzelfall das Risiko einer Kettenabschiebung in ein Land bestanden habe, in dem Asylwerber dem Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK ausgesetzt seien. Die von der belangten Behörde durchgeführte Beweiswürdigung entspreche nicht den Erfordernissen einer schlüssigen Beweiswürdigung im Sinn der ständigen Judikatur des VwGH. Aufgrund der unzureichenden Ermittlungen über die tatsächliche Situation in der Schweiz seien sowohl die Beweiswürdigung als auch die daraus folgende rechtliche Beurteilung im gegenständlichen Fall unrichtig. Im Rahmen der Beschwerde wurde von der beschwerdeführenden Partei ein Arztbrief einer schweizerischen Klinik vom 08.10.2018 in französischer Sprache mit den Diagnosen zerebrales Meningeom sowie Gastropathie bzw. Ösophagitis (Entzündung der Schleimhaut bzw. Speiseröhre) mitsamt einer empfohlenen Medikation vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei gelangte aus Russland kommend auf unbekanntem Weg in die Schweiz und stellte dort am 11.10.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher abgewiesen wurde. Nach einem achtjährigen Aufenthalt in der Schweiz begab sich die beschwerdeführende Partei illegal nach Österreich, wo sie am 15.10.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 17.10.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an die Schweiz, welchem dieser Mitgliedstaat mit einem am 18.10.2018 eingelangten Schreiben gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit der Schweiz wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in der Schweiz sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt, dass diese unter einem gutartigen Hirntumor sowie einem Magenleiden und einer Entzündung der Schleimhaut leidet. Zur Behandlung der gesundheitlichen Beschwerden wurde eine medikamentöse Therapie angeordnet.

Es bestehen keine beachtlichen familiären, beruflichen oder privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.

Die beschwerdeführende Partei wies auf einzelne Missstände im zuständigen Mitgliedstaat hin. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Der Gesundheitszustand sowie das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus deren eigenen Angaben und den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Arztbericht einer schweizerischen Klinik vom 08.10.2018. Es kamen im Verfahren keine Anhaltspunkte hervor, dass sich die beschwerdeführende Partei in Österreich medizinischen Behandlungen unterzogen bzw. unaufschiebbare ärztliche Termine wahrgenommen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) ..."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 17 Abs. 1:

"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."

Art. 18 Abs. 1:

"(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit der Schweiz ergibt. Dies folgt aus den Bestimmungen der Art. 3 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung.

In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin III-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr primär zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Staates als der Schweiz keine Anhaltspunkte.

Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):

"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0114; 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich ("St. Kitts"), EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 31; 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es "andere ganz außergewöhnliche Fälle" geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07, und EuGH 16.02.2017, C-578/16, PPU, CK u. a./Slowenien).

Zu diesen "anderen ganz außergewöhnlichen Fällen" präzisierte der EGMR seine Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192), in dem es um die beabsichtigte Abschiebung eines an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, nämlich an chronischer lymphatischer Leukämie, leidenden Mannes von Belgien nach Georgien ging, folgendermaßen:

"183. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" im Sinn des Urteils N. gegen das Vereinigte Königreich, Rn. 43, die ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen können, derart verstanden werden sollten, dass es dabei um Situationen im Zusammenhang mit der Abschiebung eines schwer kranken Menschen geht, in denen gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser, auch wenn er sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hat, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren. Der Gerichtshof betont, dass diese Situationen im Einklang stehen mit der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK in Fällen der Abschiebung schwer kranker Ausländer.

184. Was die Frage betrifft, ob die genannten Bedingungen in einer bestimmten Situation erfüllt sind, hält der Gerichtshof fest, dass er in Fällen der Abschiebung von Ausländern nicht selbst die Asylanträge prüft oder die Art und Weise, wie Staaten die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung von Ausländern kontrollieren, überprüft. Nach Art. 1 EMRK liegt die Hauptverantwortung für die Umsetzung und Durchsetzung der verbürgten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die somit verpflichtet sind, im Lichte des Art. 3 EMRK die Befürchtungen der Beschwerdeführer zu prüfen und die Gefahren einzuschätzen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Zielstaat ausgesetzt wären. Der Mechanismus der Beschwerde an den Gerichtshof ist subsidiär zu den nationalen Systemen zur Wahrung der Menschenrechte. Dieser subsidiäre Charakter ist in Art. 13 und Art. 35 Abs. 1 EMRK geregelt (siehe EGMR, Große Kammer, 21.01.2011, 30696/09, M.S.S., Rn. 286 f; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117 f).

185. Folglich wird in derartigen Fällen die Verpflichtung der Behörden gemäß Art. 3 EMRK zum Schutz der Unversehrtheit der betroffenen Personen in erster Linie durch geeignete Verfahren, die eine derartige Prüfung ermöglichen, erfüllt (siehe sinngemäß EGMR, Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 182; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 117).

186. Im Rahmen dieser Verfahren ist es Sache der Beschwerdeführer, geeignete Beweise dafür vorzulegen, dass es gewichtige Gründe für die Annahme gibt, sie wären im Fall der Umsetzung der in Beschwerde gezogenen Maßnahme der realen Gefahr einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein gewisses Maß an Spekulation dem vorbeugenden Zweck des Art. 3 EMRK innewohnt und dass es nicht darum geht, die Betroffenen dazu zu verpflichten, einen klaren Beweis für ihre Behauptung zu liefern, sie wären einer verbotenen Behandlung ausgesetzt (EGMR 04.09.2014, 140/10, Trabelsi, Rn. 130).

187. Werden solche Beweise erbracht, ist es Sache der Behörden des abschiebenden Staates, im Rahmen der innerstaatlichen Verfahren alle aufgeworfenen Zweifel zu beseitigen (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 129; Große Kammer, 23.03.2016, 43611/11, F.G., Rn. 120). Die behauptete Gefahr muss einer genauen Prüfung unterzogen werden (EGMR, Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 128; 28.06.2011, 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi, Rn. 214; Große Kammer, 23.02.2012, 27765/09, Hirsi Jamaa u. a., Rn. 116; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 104), in deren Verlauf die Behörden des abschiebenden Staates die vorhersehbaren Folgen der Abschiebung für die betroffene Person im Zielstaat erwägen müssen im Lichte der dortigen allgemeinen Lage und der individuellen persönlichen Verhältnisse (EGMR 30.10.1991, 13163/87 u. a., Vilvarajah u. a., Rn. 108; Große Kammer, 13.12.2012, 39630/09, El-Masri, Rn. 213; Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 105). Die oben (Rn. 183-184) definierte Einschätzung der Gefahr muss daher allgemeine Quellen, z. B. Berichte der WHO oder von angesehenen nichtstaatlichen Organisationen, und die medizinischen Befunde über die betroffene Person berücksichtigen.

188. Wie der Gerichtshof oben (Rn. 173) festgestellt hat, geht es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen. Daraus folgt, dass die Auswirkungen der Abschiebung für die betroffene Person eingeschätzt werden müssen durch Vergleich des Gesundheitszustandes vor der Abschiebung und wie sich dieser nach der Abschiebung in den Zielstaat entwickeln würde.

189. Was die zu berücksichtigenden Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird (siehe oben, Rn. 183). Der Maßstab ist nicht das im abschiebenden Staat bestehende Behandlungsniveau; es geht nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung. Es ist auch nicht möglich, aus Art. 3 EMRK ein Recht abzuleiten, im Zielstaat eine bestimmte Heilbehandlung zu erhalten, die für den Rest der Bevölkerung nicht verfügbar ist.

190. Die Behörden müssen auch prüfen, inwieweit die betroffene Person tatsächlich Zugang zu dieser Heilbehandlung und zu diesen Behandlungseinrichtungen im Zielstaat haben wird. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass er bereits bisher die Zugänglichkeit der Heilbehandlung geprüft hat (EGMR 16.04.2013, 17299/12, Aswat, Rn. 55; 14.04.2015, 65692/12, Tatar, Rn. 47-49) und auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Kosten der Medikamente und der Heilbehandlung, das Vorhandensein eines sozialen und familiären Netzwerkes und die für den Zugang zu der erforderlichen Heilbehandlung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen (EGMR 15.11.2001, 47531/99, Karagoz; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 34-41, mwN; 10.05.2012, 34724/10, E.O.).

191. Wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung auf die betroffenen Personen bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, muss der abschiebende Staat - als Vorbedingung für die Abschiebung - vom Zielstaat individuelle und ausreichende Zusicherungen einholen, dass eine geeignete Heilbehandlung für die betroffenen Personen verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befinden (zum Thema individuelle Zusicherungen siehe EGMR, Große Kammer, 04.11.2014, 29217/12, Tarakhel, Rn. 120).

192. Der Gerichtshof betont, dass in Fällen betreffend die Abschiebung schwer kranker Menschen das Ereignis, welches die unmenschliche und erniedrigende Behandlung verursacht und die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach Art. 3 EMRK auslöst, nicht das Fehlen der medizinischen Infrastruktur im Zielstaat ist. Ebenso wenig geht es um irgendeine Verpflichtung des abschiebenden Staates, die Unterschiede zwischen seinem Gesundheitssystem und dem Behandlungsniveau im Zielstaat zu mildern durch die Bereitstellung einer kostenlosen und unbeschränkten Gesundheitsversorgung für alle Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Die Verantwortlichkeit des abschiebenden Staates nach der EMRK besteht in derartigen Fällen aufgrund einer Handlung - in diesem Fall der Abschiebung -, die dazu führen würde, dass eine Person der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung ausgesetzt würde."

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 30.04.2013, 75203/12, Kochieva u. a.; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).

Im vorliegenden Fall leidet die beschwerdeführende Partei an einem gutartigen Hirntumor, einem Magenleiden sowie einer Entzündung der Schleimhaut und war deswegen in der Schweiz in Behandlung, eine medikamentöse Therapie wurde empfohlen.

Die gesundheitlichen Probleme der beschwerdeführenden Partei weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die beschwerdeführende Partei in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wird Asylwerbern und Schutzberechtigten im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen "ganz außergewöhnlichen Fall", in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind.

Die allgemeinen Ausführungen der beschwerdeführenden Partei sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für in die Schweiz überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

Der angefochtene Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum schweizerischen Asylwesen. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes, und zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.

Es ist vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 somit gänzlich unwahrscheinlich, dass in der Schweiz Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 17ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass die Schweiz ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme. Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in der Schweiz insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber gewährleistet.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen kann letztlich nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-Verordnung in die Schweiz rücküberstellt werden, aufgrund der schweizerischen Rechtslage oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten nach der EMRK erfolgen würden, sodass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinn einer realen Gefahr für den Einzelnen bestehen würde. Wie aus den Länderfeststellungen zur Lage von Asylwerbern in der Schweiz vielmehr ersichtlich ist, herrschen in diesem Mitgliedstaat nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Einzelne beanstandete Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Asylrichtlinien in einem Mitgliedstaat stellen aber noch keine Grundlage dafür dar, die auf unionsrechtlicher Stufe stehenden Dublin III-Verordnung auf diesen Mitgliedstaat nicht mehr anzuwenden, etwa durch regelmäßige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes (vgl. EGMR 06.06.2013, 2293/12, Mohammed; EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).

Auch sonst konnte die beschwerdeführende Partei keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hat die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in der Schweiz und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Ein nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC schützenswertes Privat- oder Familienleben der beschwerdeführenden Partei in Österreich wurde nicht dargelegt. Denn die beschwerdeführende Partei verbrachte den Großteil des Lebens im Herkunftsstaat und reiste erst vor wenigen Monaten in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr nur auf den faktischen Abschiebeschutz aufgrund des gegenständlichen unzulässigen Antrages auf internationalen Schutz. Eine ins Gewicht fallende Integration der beschwerdeführenden Partei in die österreichische Gesellschaft, insbesondere durch eine ausreichende Erwerbstätigkeit oder durch ausreichende Sprachkenntnisse, ist nicht erkennbar.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

§ 21 Abs. 6a BFA-VG lautet:

"Unbeschadet des Abs. 7 kann das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden."

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Außerlandesbringung medizinische Versorgung real risk Rechtsschutzstandard Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W184.2211045.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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