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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1956 geborenen PC, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1996, Zl. 104.375/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Ungarn, vom 18. Oktober 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 sei dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung sei er seit Anfang 1992 durchgehend bei einem österreichischen Unternehmen beschäftigt. Aufgrund des Sichtvermerksabkommens zwischen Österreich und Ungarn, BGBl. Nr. 481/1978, seien ungarische Staatsangehörige berechtigt, sichtvermerksfrei einzureisen und sich für die Dauer von höchstens 30 Tagen sichtvermerksfrei zu touristischen Zwecken im Bundesgebiet aufzuhalten. Diese Berechtigung bestehe jedoch dann nicht, wenn der ungarische Staatsangehörige nach Österreich einreise, um dort ein Arbeitverhältnis einzugehen. Dies sei beim Beschwerdeführer der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich daher seit seiner Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 liege vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Die öffentlichen Interessen überwögen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Art. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, lautet auszugsweise:
"Artikel 1
(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, dürfen ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten.
...
(3) Die Berechtigung des Abs. 1 gilt nicht für Staatsbürger, die sich in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben wollen, um dort ein Arbeitsverhältnis einzugehen oder dauernden Aufenthalt zu nehmen."
§ 20b AuslBG lautet:
"§ 20b. (1) Wird dem Antragsteller die Entscheidung über den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung nicht innerhalb der in § 20a genannten Fristen zugestellt, kann der Arbeitgeber den Ausländer beschäftigen und hat Anspruch auf eine diesbezügliche Bescheinigung, es sei denn, daß diese Frist durch eine Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice an den Arbeitgeber wegen einer durch diesen verursachten Verzögerung gehemmt wird. Diese Berechtigung zur Beschäftigungsaufnahme endet mit der Zustellung der Entscheidung, frühestens jedoch vier Wochen nach diesem Zeitpunkt.
(2) Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice oder Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat dem Arbeitgeber zu bescheinigen, daß die Voraussetzungen für eine Arbeitsaufnahme nach Abs. 1 gegeben sind.
(3) Der Ausländer, dessen Arbeitsverhältnis wegen Ablehnung des Antrages auf Beschäftigungsbewilligung endet, hat Anspruch auf Schadenersatz wie aufgrund eines berechtigten vorzeitigen Austritts, sofern die Ablehnung aus Gründen erfolgte, die auf einem Verschulden des Arbeitgebers beruhen.
(4) Die Berechtigung gemäß Abs. 1 besteht nur, wenn der Ausländer die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 3 Z 7 erfüllt."
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, er sei in der Absicht in das Bundesgebiet eingereist, ein Arbeitsverhältnis einzugehen und habe in der Folge auch eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen, welcher er nach wie vor nachgehe, nicht entgegen. Er behauptet auch nicht, jemals einen Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt erhalten zu haben. Auch aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür. In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei "im Zeitpunkt der Berufung" aufgrund einer vorläufigen Beschäftigungsbewilligung gemäß § 20b AuslBG berechtigt gewesen, in Österreich zu arbeiten. Aus diesem Grund könne ihm die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wegen des Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes nicht verweigert werden. Hätte die belangte Behörde ihm in Entsprechung der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG rechtliches Gehör gewährt, hätte er dieses Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren erstatten können.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen:
Selbst wenn der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsrechtes zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen sein mochte, hätte ihn diese Berechtigung nicht davon entbunden, die für seine Einreise und seinen Aufenthalt maßgeblichen Bestimmungen des Aufenthalts- und Fremdenpolizeirechtes einzuhalten. Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer, welcher in der Absicht einreiste, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, sei aus dem Grunde des Art. 1 Abs. 3 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 481/1978, nicht zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt gewesen, kann daher ebensowenig als rechtswidrig erkannt werden, wie ihre Meinung, der folgende Aufenthalt zum Zweck der Ausübung einer Arbeitstätigkeit sei gemäß § 15 Abs. 1 FrG 1992 unrechtmäßig gewesen.
Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen aber die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Weder den Bestimmungen des AuslBG, noch jenen des FrG 1992 oder des AufG ist zu entnehmen, daß die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung bei Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 dann ausgeschlossen wäre, wenn ein Fremder nach der Bestimmung des § 20b AuslBG vorläufig zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt ist. Aus diesen Erwägungen fehlte es dem vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmangel - läge er tatsächlich vor - an Relevanz.
Insoweit sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt erachtet, ist ihm zu entgegnen, daß bei einer auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 gestützten Entscheidung im Falle einer unrechtmäßigen Einreise und eines daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthaltes eine Bedachtnahme auf die gemäß Art. 8 MRK geschützten Interessen des Fremden nicht geboten ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1993).
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996193485.X00Im RIS seit
02.05.2001