TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W139 2175313-2

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Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W139 2175313-2/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Thomas Klein, Sackstraße 21, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2009 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gemäß Art 16 Abs 1 lit. c. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates für die Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers zuständig sei (Spruchpunkt I.). Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn sei gemäß § 10 Abs 4 AsylG zulässig (Spruchpunkt II.).

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß §§ 5 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Am 25.02.2010 wurde der Beschwerdeführer nach Ungarn überstellt und hielt sich in der Folge in Ungarn, Pakistan und Afghanistan auf.

3. Am 14.12.2010 stellte der Beschwerdeführer nach erneuter Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.03.2012 erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde (Verfahren zu W148 1411270-2).

6. Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers wurde durch das Bundesasylamt zweimal verlängert.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig mit 22.11.2013, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, aus der er am 08.02.2014, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, bedingt entlassen wurde.

8. Am 10.02.2014 beantragte der Beschwerdeführer die erneute Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) ein Aberkennungsverfahren betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet (§ 9 Abs 2 AsylG 2005). Der Beschwerdeführer wurde dazu am 30.04.2014 niederschriftlich einvernommen und es wurde ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.03.2011 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm wurde die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig sei (Spruchpunkt III.). Am Ende des Bescheides wies die Behörde darauf hin, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG geduldet sei.

10. Gegen die Spruchpunkte I. und II. erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde (Verfahren zu W148 1411270-3).

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2015, Zl. W148 1411270-2, wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2014 die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 28.03.2011 gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

12. Mit einem weiteren Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2015, Zl. W148 1411270-3, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2014 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides vom 09.05.2014 gemäß § 9 Abs 2 Z 3 und Abs 4 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und es wurde ausgesprochen, dass der Fremde nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzuerstatten habe (Spruchpunkt I.). Gemäß § 9 Abs 2 Z 3 letzter Satz AsylG 2005 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

13. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig mit 11.12.2015, wurde der Beschwerdeführer wegen § 83 Abs 1, §§ 15, 87 Abs 1 sowie § 299 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Vom Widerruf der dem Beschwerdeführer gewährten bedingten Entlassung aus Anlass dieser Verurteilung wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Der Beschwerdeführer wurde am 23.06.2017 aus der Strafhaft entlassen.

14. Mit Schreiben vom 27.06.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte.

15. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.08.2017 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem schengenweiten befristeten Einreiseverbot zu erlassen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, ihm wurde das Länderinformationsblatt übermittelt und ihm wurde die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme binnen zehn Tagen ab Zustellung eingeräumt.

16. Mit Schreiben vom 01.09.2017 nahm der Beschwerdeführer Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass er sich seit Ende 2010 durchgehend in Österreich aufhalte. Aufgrund jugendlicher Gedankenlosigkeit, wegen fehlender Tagesstruktur und weil ihn der Mord an seiner Schwester in Afghanistan sehr belastet habe, habe er sich mit den falschen Leuten abgegeben und schließlich Marihuana verkauft. Nach seiner bedingten Entlassung aus der Haft im Februar 2014 habe er sich bemüht, ein geordnetes Leben zu führen und auch Bewährungshilfe erhalten. Damals seien seine Eltern nach Österreich gekommen. Er habe in einer Produktionsschule begonnen, was eine Vorbereitung auf eine verkürzte Lehre gewesen wäre. Nach dem Suizid seiner Lebensgefährtin im Jahr 2014 habe er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden und es sei dann zu dem neuerlichen Delikt gekommen. Während der Haft habe er eine Psychotherapie gemacht, sei medikamentös eingestellt worden und habe ein Anti-Aggressionstraining besucht. Er wolle die Produktionsschule fortsetzen und eine Lehre abschließen. Seine gesamte Familie sei in Europa (bis auf einen Bruder in den USA). Derzeit wohne er bei seiner Schwester und besuche täglich seine Eltern. Er werde intensiv von Neustart betreut und suche eine ehrenamtliche Tätigkeit.

17. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX , wurde gemäß § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

18. Mit Schreiben vom 25.10.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den letztgenannten Bescheid in vollem Umfang.

19. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.11.2017, Zl. W139 2175313-1/3E, wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

20. Der Beschwerdeführer wurde am 22.03.2018 und am 12.02.2019 persönlich vor der belangten Behörde einvernommen.

21. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diesen bescheid wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

22. Gegen den zuletzt genannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 09.04.2019, in welcher der Bescheid im vollen Umfang angefochten wurde.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem gesamten Umfang, in eventu, den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde stütze sich in ihrer neuerlichen Beweiswürdigung im Wesentlichen auf dieselben pauschalen Erwägungen wie in dem vom Bundesverwaltungsgericht bereits behobenen Bescheid vom XXXX . Es würden eindeutige Hinweise und Nachweise vorliegen, die eine Abschiebung aufgrund der Verletzung von Artikel 2 und 3 EMRK unzulässig machen. XXXX habe die Verantwortung für den Angriff auf die der Schwester des Beschwerdeführers, der Menschenrechtsanwältin XXXX , übernommen und er habe in diesem Zusammenhang in einem Interview im Jänner 2018 gesagt, Selbstmordattentate auf bestimmte Menschen seien gottgewollt. Gegenüber dem Onkel des Beschwerdeführers seien in der Folge Todesdrohungen betreffend den Beschwerdeführer und seinen Vater geäußert worden. Im Übrigen stelle die Rückkehrentscheidung und Verweigerung des Aufenthaltstitels einen unverhältnismäßigen Eingriff in Artikel 8 EMRK dar. Die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers habe aufgrund des gleichen Fluchtvorbringens einen sicheren Aufenthaltsstatus und lebe, ebenso wie der Beschwerdeführer, in Graz. Seine Eltern und die Schwester würden den Beschwerdeführer schon seit Jahren finanziell unterstützen. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner österreichischen Ehefrau, die er nach langjähriger Beziehung traditionell geheiratet habe, in einem gemeinsamen Haushalt. Sie würden ein Kind erwarten. Der Beschwerdeführer habe überdurchschnittliche Deutschkenntnisse. Er habe mittlerweile die Aussicht auf eine Vollzeitstelle. In Afghanistan bestehe keine Wohnmöglichkeit, für die gesamte Familie bestehe akute Verfolgungs- und Lebensgefahr. Bezüglich des straffälligen Verhaltens des Beschwerdeführers gehe die belangte Behörde pauschal von einer negativen Prognosetendenz aus und berücksichtige weder das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers noch die Tatumstände. Der Beschwerdeführer habe sich nach dem Tod der Schwester wie auch nach dem Selbstmord seiner Lebensgefährtin in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Bei der Beurteilung der Gefährdungsprognose sei auch das Verhalten während der Haft zu berücksichtigen, sein Haftverhalten sei von Reue und Offenheit geprägt. Er habe dort am psychotherapeutischen Kurzzeit-Behandlungsprogramm und an einem Anti-Aggressionstraining teilgenommen und sei seit dieser Zeit strafrechtlich unbescholten. Das Familienleben zu seinen Eltern und seiner Schwester habe schon zu einem Zeitpunkt bestanden, in dem der Beschwerdeführer einen sicheren Aufenthaltstitel innegehabt habe. In einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände sei das private Interesse an der Fortführung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Die verfahrensgegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 15.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 BFA-VG bzw gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides ist mit Erkenntnis abzusprechen (ua VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278).

Zu A)

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG in den Fällen der Abs 1 bis 6 nicht anwendbar.

Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, "dass ein Rechtsbehelf jedenfalls dann notwendigerweise aufschiebende Wirkung haben muss, wenn er gegen eine Rückkehrentscheidung gerichtet ist, deren Vollzug geeignet ist, den betroffenen Drittstaatsangehörigen einer ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe auszusetzen, so dass auf diese Weise im Hinblick auf diesen Drittstaatsangehörigen die Einhaltung der Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta gewährleistet ist" (vgl. das Urteil des EuGH vom 17.12.2015, C-239/14, Abdoulaye Amadou Tall, Rn. 58). Vor diesem Hintergrund muss im Falle eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 BFA-VG sichergestellt sein, dass diese Entscheidung durch ein Gericht überprüft wird, um ein wirksames Rechtsmittel iSd Art 13 MRK darzustellen. Eine solche Überprüfung ist durch § 18 Abs 5 BFA-VG sichergestellt (VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung (Teilerkenntnis), die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan aufgrund der besonderen Gegebenheiten im konkreten Fall angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer machte ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen - sowohl des Artikel 8 als auch der Artikel 2 und 3 EMRK - geltend. Es kann insofern nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass es sich um "vertretbare Behauptungen" handelt, dies auch vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Feststellung der Unzulässigkeit (insbesondere) der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan (siehe BVwG 29.065.2015, W148 1411270-3/16E).

Aus diesem Grund ist gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vorzugehen.

Gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG kann das Bundesverwaltungsgericht unbeschadet des Abs 7 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetz wegen nicht zukommt (§ 17) oder der diese vom Bundesamt aberkannt wurde (§ 18), und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Abgesehen davon liegt dann keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (siehe ua VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2175313.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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