TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/14 L524 2138907-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2019
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Entscheidungsdatum

14.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2138907-1/24E

schriftliche Ausfertigung des am 18.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zl. 1071461104-150587403/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 31.05.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei ledig, Moslem und Araber. Er habe in Bagdad sieben Jahre die Grundschulde besucht und zuletzt in der Bäckerei seines Vaters gearbeitet. Im Irak würden noch seine Eltern, vier Brüder und zwei Schwestern leben. Am 16.05.2015 sei er legal aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er beim irakischen Sicherheitsdienst gearbeitet habe. Seine Eltern hätten mehrere Bäckereien betrieben und den amerikanischen Soldaten geholfen. Seit dieser Zeit würden seine Angehörigen und er ständig bedroht werden. Zwei seiner Brüder seien getötet worden.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 23.05.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er im bisherigen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, diese rückübersetzt und richtig protokolliert worden seien. Er sei ledig, kinderlos und sunnitischer Moslem. In Bagdad, im Stadtteil XXXX , würden noch seine Eltern, vier Brüder, eine Schwester und eine Halbschwester leben, zu denen er auch in Kontakt stehe. Der Beschwerdeführer habe im Haus seines Vaters in XXXX gelebt. In diesem Bezirk habe er auch sechs Jahre die Grundschule besucht. Er habe bei der Armee gearbeitet. Zudem habe er aushilfsweise in der Bäckerei seines Vaters gearbeitet. Er habe monatlich ca. 1.500 USD verdient. Anfang 2015 habe er seinen Ausreiseentschluss gefasst. Wann er aus dem Irak genau ausgereist sei, wisse er nicht mehr.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass ihn seine Kameraden bedroht hätten, weil sie kein Vertrauen mehr in ihn hätten, da er Sunnit sei und sie Schiiten seien. Über weiteres Befragen brachte er außerdem vor, dass zwei seiner Brüder von ihm unbekannten Personen erschossen worden seien. Er vermute die Milizen als Täter, weil es so viele Milizen gebe und diese so viele Leute töten würden. Zu den Bedrohungen durch seine Kameraden führte er weiter aus, dass er von einigen Kameraden erfahren habe, dass ihn einige andere Kameraden umbringen würden, wenn er weiter arbeiten würde. Auch seine ganze Familie sei bedroht worden, er wisse jedoch nicht von wem. Er vermute, dass er wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst verurteilt worden sei. Er würde daher in Haft kommen. Die Milizen würden ihn auch umbringen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 17.10.2016, Zl. 1071461104-150587403/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der im Wesentlichen das Fluchtvorbringen wiederholt wurde.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 18.03.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Dem Beschwerdeführer wurden Berichte zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht, zu denen er in der mündlichen Verhandlung Stellung nahm. Schließlich wurde das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

6. Am 29.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem. Der Beschwerdeführer hat vier Brüder, eine Schwester und eine Halbschwester. Der Beschwerdeführer lebte bis zur Ausreise aus dem Irak gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern im Haus seines Vaters in XXXX in Bagdad.

Der Beschwerdeführer besuchte zumindest sechs Jahre die Grundschule. Der Beschwerdeführer arbeitete als Bäcker in der Bäckerei seines Vaters. Seine Freizeit verbrachte der Beschwerdeführer mit seiner Familie und Freunden.

Die Mutter des Beschwerdeführers lebt bei einem Bruder und einer Schwester des Beschwerdeführers in Bagdad. Der Bruder des Beschwerdeführers ist Hilfsarbeiter und sorgt für die Mutter. Alle anderen Geschwister des Beschwerdeführers sind verheiratet und leben mit ihren Familien in Bagdad. Zwei seiner Brüder arbeiten als Bäcker. Auch eine Tante und ein Onkel des Beschwerdeführers leben in Bagdad. Nicht festgestellt werden kann, dass der Vater des Beschwerdeführers Ende 2016 verstorben ist.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im Mai 2015 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 30.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, wonach er von Kameraden bei der Armee bedroht worden sei, weil er Sunnit sei, er wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst verurteilt worden sei, ein Festnahmebefehl gegen ihn bestehe und er eine Verfolgung durch Milizen zu befürchten habe, werden der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine Verwandte. Der Beschwerdeführer besuchte einen Werte- und Orientierungskurs. Er geht ins Fitnessstudio, spielt Fußball und verbringt seine Zeit mit Freunden. Er hat bislang keinen Deutschkurs besucht. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 02.05.2018 gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB sowie § 125 StGB und §§ 15 iVm 269 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.

Die verbleibenden IS- und andere extremistische Kämpfer sowie der zunehmende Einfluss der PMF sind die akutesten Probleme, die die gegenwärtige Sicherheitslage im gesamten Irak beeinflussen. Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Ethnische Minderheiten haben im Irak eine politische Vertretung und nehmen am öffentlichen Leben teil. Die Verfassung erkennt sowohl Arabisch als auch Kurdisch als Amtssprachen an und verankert das Recht des Einzelnen, seine Kinder in Minderheitensprachen wie turkmenisch, syrisch und armenisch zu erziehen. Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung werden Schiiten kaum oder gar nicht diskriminiert.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich und beträgt im Oktober 2018 nun 1.802.832 Personen (300.472 Familien). Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an und betrug im Dezember 2018 4.165.320 Personen (694.220 Familien). Die Gesamtzahl der 2018 registrierten Rückkehrer betrug 944.958 und jene der IDPs lag bei 150.222. Zum 15. Dezember 2018 kamen IDPs aus 51 Distrikten in acht Gouvernements: Anbar (8 Distrikte), Babylon (4 Distrikte), Bagdad (10 Distrikte), Erbil (1 Distrikt), Diyala (6 Distrikte), Kirkuk (4 Distrikte), Ninewa (9 Distrikte) and Salah al-Din (9 Distrikte). Nahezu alle Familien (95%, 3.960.636 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.910) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (132.774) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 43 Prozent sind in Ninewa (57.054), 23 Prozent sind in Salah al-Din (30.108) und 19 Prozent sind in Diyala (25.878). Die meisten Rückkehrer wurden in den Gouvernements Ninewa (1,6 Millionen), Anbar (1,3 Millionen), Salah ad-Din (590.000), Kirkuk (319.000), Diyala (223.000) und Bagdad (85.000) verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 107, December 2018)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellung betreffend die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs ergibt sich aus der diesbezüglichen Bestätigung. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ein Fitnessstudio besucht, Fußball spielt und sich mit Freunden trifft, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 17.01.2019. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Leistungen der staatlichen Grundversorgung bezieht ergibt sich aus dem eingeholten GVS-Auszug vom 18.03.2019.

Gegen eine persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht, dass er zum Verbleib seines Reisepasses unterschiedliche Angaben machte. In der Erstbefragung erklärte er, dass der Reisepass beim Schlepper in der Türkei sei (Seite 3 des Protokolls der Erstbefragung). Auch in der Einvernahme vor dem BFA gab er noch an, dass ihm der Schlepper in der Türkei den Reisepass abgenommen habe. Konkret gab der Beschwerdeführer an (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme):

"LA: Haben Sie einen Reisepass? Wenn ja, wo befindet er sich?

AW: Ja. Der Schlepper in der Türkei hat ihn mir weggenommen.

LA: Warum hat er Ihnen den Reisepass abgenommen?

AW: Sie haben das einfach eingesammelt und weggenommen."

Demgegenüber erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er seinen Reisepass im Meer verloren habe und behauptete dies auch noch nach Vorhalt seiner Angaben in der Einvernahme vor dem BFA (Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Wo ist Ihr Reisepass?

BF: Verloren im Meer.

R: In der Erstbefragung haben Sie gesagt, Ihr Reisepass ist beim Schlepper in der Türkei.

BF: Ich habe ihn verloren, ich weiß es nicht mehr, auch mein Handy und meinen Rucksack habe ich verloren.

R: Bei der Befragung vor dem BFA haben Sie gesagt, der Schlepper hat Ihnen den Reisepass weggenommen.

BF: Ich weiß es nicht mehr, wie gesagt, der Rucksack, die Handys, alles ist weg. Ich möchte, dass die Information richtig ankommt bei der Richterin."

Auf Grund dieser eklatanten Widersprüche zum Verbleib seines Reisepasses, die der Beschwerdeführer auch nicht aufklären konnte oder wollte, zumal er auf seinen zuletzt getätigten Angaben beharrte, sind erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers entstanden. Diese verstärkten sich auch durch seine weiteren widersprüchlichen Angaben zu seinem Schulbesuch und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, wie im Folgenden gezeigt wird.

Hinsichtlich seines Schulbesuchs machte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren gänzlich widersprüchliche Angaben. In der Erstbefragung gab er an, die Grundschule sieben Jahre besucht zu haben (Seite 1 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA brachte er vor, dass er die Grundschule sechs Jahre besucht habe, ihm aber der genaue Zeitraum unbekannt sei (Seite 5 des Protokolls der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er, dass er insgesamt neun Jahre in die Schule gegangen sei und er auch die Mittelschule besucht habe. Er glaube, dass er 2012 die Schule abgeschlossen habe, könne sich aber nicht genau erinnern (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer nicht einmal zu seinem Schulbesuch gleichbleibende und konkrete Angaben hinsichtlich des Zeitraums, wann er die Schule besucht habe, machen kann, lässt den Beschwerdeführer nicht glaubwürdig erscheinen. Es konnte daher auch nur festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zumindest sechs Jahre die Schule besucht hat.

Widersprüchlich waren die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner beruflichen Tätigkeit im Irak. In der Erstbefragung erklärte er, dass er in der Bäckerei des Vaters gearbeitet habe (Seite 2 des Protokolls der Erstbefragung). Vor dem BFA meinte er, dass er nicht gearbeitet hätte, sondern bei der Armee gewesen sei. Erst auf den Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung, wo er erklärte, selbständig gewesen zu sein und in der Bäckerei des Vaters gearbeitet zu haben, meinte er nun, dass er in der Bäckerei nur ausgeholfen habe. Er habe das Geschäft aufgesperrt, gereinigt und dann sei er wieder nach Hause gegangen (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme). Schon dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, erst nach Vorhalt von früheren Aussagen eine entsprechende Tätigkeit einzuräumen, lässt den Beschwerdeführer nicht glaubwürdig erscheinen. Die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung waren darüber hinaus widersprüchlich zu seinen Angaben vor dem BFA. Hier brachte er nicht nur vor, dass er von 2012 bis 2013 als Bäcker gearbeitet habe, sondern auch, dass er den Beruf des Bäckers erlernt habe. Dass er das Geschäft nur aufgesperrt und gereinigt hätte, behauptete er hier nun nicht mehr (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer kehrte damit in der mündlichen Verhandlung zu seinen ursprünglichen Angaben in der Erstbefragung zurück, wo er erklärte, selbständig in der Bäckerei des Vaters gearbeitet zu haben. Diesen noch unbefangen gemachten ersten Angaben in der Erstbefragung wird mehr Glaubwürdigkeit zugestanden als den Angaben in der Einvernahme vor dem BFA. Da der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung wieder, wie in der Erstbefragung, angab, als Bäcker gearbeitet zu haben, konnte auch festgestellt werden, dass er als Bäcker gearbeitet hat.

Es war dem Beschwerdeführer nicht möglich glaubhaft zu machen, dass er sunnitischer Moslem ist. Er konnte kein Dokument vorlegen, aus dem hervorginge, dass er sunnitischer Moslem sei. Zudem war es ihm auch nicht möglich, jene konkrete sunnitische Glaubensrichtung anzugeben, der er angehören würde. Auch wenn man, wie der Beschwerdeführer behauptet, nicht so gut über Religion informiert sei, entspricht es doch der Lebenserfahrung, dass zumindest die Angabe möglich ist, welcher sunnitischen Glaubensrichtung man angehört (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). In anderen Beschwerdeverfahren zeigte sich auch, dass Beschwerdeführer sehr wohl in der Lage sind, zumindest ihre konkrete sunnitische Glaubensrichtung anzugeben. Da der Beschwerdeführer dazu nicht im Stande war, ist es nicht glaubhaft, dass er sunnitischer Moslem ist. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Beschwerdeführer schiitischer Moslem ist, zumal einer der Brüder des Beschwerdeführers einen schiitischen Vornamen hat und der Beschwerdeführer in einer Gegend in Bagdad lebte, in der, wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, die Mehrheitsbevölkerung Schiiten sind. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem ist.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, sein Fluchtvorbringen in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass er beim irakischen Sicherheitsdienst gearbeitet habe und seine Eltern mehrere Bäckereien betrieben und den amerikanischen Soldaten geholfen hätten. Seit dieser Zeit seien er und seine Angehörigen ständig bedroht worden. Zwei seiner Brüder seien auch getötet worden (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund ab und brachte vor, dass er von Kameraden beim Militär erfahren hätte, dass ihn andere Kameraden bedroht hätten. Sie hätten kein Vertrauen mehr zu ihm, da er Sunnit sei und sie Schiiten seien (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Dieser Eindruck wird auch dadurch vestärkt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, seinen vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend zu schildern und führt letztlich dazu, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seinen vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft zu machen.

Zunächst ist aber darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, als er aufgefordert wurde, seinen Fluchtgrund zu schildern, weder jenen Fluchtgrund schilderte, den er in der Erstbefragung vorbrachte, noch jenen Fluchtgrund präsentierte, den er in der Einvernahme vor dem BFA angab. Der Beschwerdeführer bezog sich anlässlich der Schilderung seines Fluchtgrundes bloß auf die allgemeine Lage im Irak. Es würden dort Menschen getötet werde, die Regierung sei schlecht, es gebe keine Menschenrechte, der IS sei im Irak und habe Menschen getötet. Als einzige Übereinstimmung zu seinen Angaben vor dem BFA und in der Erstbefragung gab er an, dass zwei seiner Brüder getötet worden seien (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch nachdem der Beschwerdeführer nach der Schilderung dieser Gründe befragt wurde, ob dies alle seine Fluchtgründe seien, bejahte er diese Frage und führte wörtlich sogar aus: "Noch einmal, die Lage im Irak ist schlecht. Im Irak haben wir 87 Parteien und Milizen, die meisten davon sind Terroristen, welche auch gleichzeigt mit der Regierung kooperieren." (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Die vor dem BFA und in der Erstbefragung genannten Gründe brachte er auch auf diese Nachfrage nicht vor. Es überraschte sehr und war der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers insgesamt abträglich, dass er seinen Antrag nunmehr primär auf die schlechte Lage im Irak stützte. Es ist daher schon auf Grund dieser neuerlichen Auswechslung des Fluchtgrundes nicht glaubhaft, dass sich die vor dem BFA und in der Erstbefragung genannten Fluchtgründe tatsächlich ereignet haben.

In der Einvernahme vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seinen Fluchtgrund zu schildern. Darauf gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "Meine Kameraden haben mich bedroht. Sie haben gesagt, sie haben kein Vertrauen mehr in mich, da ich Sunnit und sie Schiiten sind.". Wie sich aus einer folgenden Anmerkung im Protokoll ergibt, machte der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung keine weiteren Angaben zu seinem Fluchtgrund (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme). Dies erweckt den Eindruck, als habe sich das von ihm Behauptete nicht tatsächlich ereignet. Selbst auf die gestellten Nachfragen wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht konkreter (Seiten 8 und 9 des Protokolls der Einvernahme; Schreibfehler im Original):

"LA: Erzählen Sie mir die konkreten Bedrohungen gegen Ihre Person.

AW: Ich habe das von meinen Kameraden in der Arbeit gehört. Einige haben mir verraten, dass wenn ich weiter arbeite mich einige andere umbringen werden.

LA: Wer hat Ihnen das verraten, wie heißen die Personen?

AW: Weiß es nicht.

LA: Sie kennen also nicht einmal die Namen Ihrer Kollegen bei der Flughafenwache?

AW: Kenne Ich schon.

LA: Wer hat Ihnen das dann gesagt?

AW: Er heißt XXXX .

LA: Wo war das genau?

AW: Wir waren gemeinsam eingeteilt. Es war am XXXX . Nachgefragt, wo genau: Am XXXX ."

Anhand dieses Auszugs aus dem Einvernahmeprotokoll zeigt sich, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, konkret und lebensnah zu schildern, wie sich die behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse zugetragen hätten. Zudem fällt auf, dass der Beschwerdeführer, obwohl er zunächst behauptete, er habe es von Kameraden in der Arbeit gehört, dann doch nur eine Person und nicht mehrere nannte, die ihm das gesagt habe. Diese vagen Angaben lassen es nicht glaubhaft erscheinen, dass sich diese Bedrohung tatsächlich zugetragen hat. Die Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen Vorbringens unterminierte der Beschwerdeführer auch dadurch, dass er später in der Einvernahme verneinte, jemals auf Grund seiner Religionsgruppenzugehörigkeit verfolgt worden zu sein (Seite 11 des Protokolls der Einvernahme). Dies erstaunt insofern, da er doch angab, seine schiitischen Kameraden würden ihm als Sunniten nicht mehr vertrauen, weshalb sie ihm mit dem Umbringen gedroht hätten (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme).

Gegen die Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Fluchtgründe spricht auch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, befragt nach dem konkreten Anlass für seine Ausreise im Mai 2015 äußerte, es hätte keinen konkreten Vorfall gegeben, auf Grund dessen er den Irak gerade zu diesem Zeitpunkt verlassen habe, vielmehr sei nur die Lage im Irak schlechter geworden (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dies untermauert die Annahme, dass es sich bei den präsentierten Fluchtgründen um ein gedankliches Konstrukt des Beschwerdeführers handelt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte der Beschwerdeführer - wie oben dargestellt - anlässlich der freien Schilderung seines Fluchtgrundes nur die allgemeine Lage im Irak, nicht jedoch, dass er von Kameraden erfahren hätte, dass andere Kameraden kein Vertrauen mehr in ihn hätten, weil er Sunnit sei. Auch auf die nach der freien Schilderung gestellte Nachfrage, ob er alle seine Fluchtgründe genannt habe, brachte er diesen in der Einvernahme vor dem BFA zentral in den Mittelpunkt gestellten Fluchtgrund nicht vor. Das Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung erforderte es, mehrfach nachzufragen. Auf die Nachfrage, ob es einen konkreten Anlass für seine Ausreise aus dem Irak im Mai 2015 gegeben habe, meinte der Beschwerdeführer, es hätte keinen konkreten Vorfall gegeben, "nur die Lage ist im Irak schlechter geworden". Danach behauptete er, als er das Militär verlassen habe, sei ihm vorgeworfen worden, dass er Waffen gestohlen habe, was er aber weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA angab. Zudem behauptete er, es gebe auch einen Festnahmebefehl gegen ihn, was er ebenso wenig vor dem BFA und in der Erstbefragung vorbrachte. Erst als der Beschwerdeführer explizit mit seinem vor dem BFA geschilderten Fluchtgrund hinsichtlich einer Bedrohung durch seine Kameraden konfrontiert wurde, äußerte sich der Beschwerdeführer dazu (Seiten 9 bis 12 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Vor dem BFA haben Sie gesagt zu Ihrem Fluchtgrund: "Meine Kameraden haben mich bedroht. Sie haben gesagt, sie haben kein Vertrauen mehr in mich, da ich Sunnit und sie Schiiten sind." Was sagen Sie dazu?

BF: Das haben die Kameraden mir einmal gesagt, aber ich habe es als Spaß genommen, aber später sagte meine Familie, dass so etwas auch ernst sein kann. Es gibt kranke Menschen und auch normale Menschen, die nichts mit der Sache zu tun haben.

R: Wann haben Ihre Kameraden das zu Ihnen gesagt?

BF: Eine Weile bevor ich den Dienst oder das Militär verließ.

R: Können Sie das genauer angeben, wann die Kameraden das gesagt haben?

BF: Nein. Bevor ich den Dienst verließ."

Die nunmehrige Behauptung des Beschwerdeführers, dass sich diese Drohung zwar zugetragen hätte, er diese aber "als Spaß genommen" habe und auch über Befragen außer Stande war, näher zu konkretisieren, wann die angebliche Drohung durch seine Kameraden erfolgt sei ("eine Weile bevor ich den Dienst oder das Militär verließ" und "bevor ich den Dienst verließ"), konterkarierte er die Glaubhaftigkeit seiner vor dem BFA zentral behaupteten Verfolgungsgründe vollends.

Der Beschwerdeführer brachte sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er dem Militär angehört habe (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme und Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Demgegenüber sprach er aber in der Erstbefragung nicht davon, sondern behauptete dort, er sei beim irakischen Sicherheitsdienst gewesen (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). Obwohl der Beschwerdeführer einen Militärausweis vorlegte, aus dem hervorgeht, dass dieser am XXXX .2013 ausgestellt worden sei, war es dem Beschwerdeführer nicht möglich anzugeben, seit wann er beim Militär sei. Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung gab er an, er "glaube", von 2012 bis 2013 Bäcker gewesen zu sein "und ab 2013 oder 2014 habe ich mit dem Militär begonnen" (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dennoch war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, den Namen des Verteidigungsministers anzugeben, der diese Tätigkeit ausgeübt habe, als der Beschwerdeführer für das Militär zu arbeiten begonnen habe. Bis Oktober 2014 war Saadoun al-Dulaimi und danach bis August 2016 Khaled al Obaidi Verteidigungsminister. Der Beschwerdeführer gab auf die Frage nach dem Verteidigungsminister an: "Lassen Sie mich nachdenken... Mohammed Altimimi. Danach kamen weitere drei Verteidigungsminister." (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Trotz Vorlage eines Militärausweises und Bildern, die den Beschwerdeführer in militärischer Kleidung zeigen, ist es auf Grund des Unvermögens des Beschwerdeführers anzugeben, wann er beim Militär zu arbeiten begonnen habe und wer damals der Verteidigungsminister gewesen sei, zweifelhaft, ob er tatsächlich beim Militär tätig war. Vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht konnte er zwar übereinstimmend angeben, in welcher Einheit er gewesen sei und den Namen des Vorgesetzten angeben, doch war es ihm nicht möglich anzugeben, wie sein Dienstgrad auf Englisch bezeichnet wird (er behauptete "mister"), welche anderen Firmen den XXXX noch bewacht hätten (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme), obwohl er auch bei der XXXX tätig gewesen sein will (Seite 6 des Protokolls der Einvernahme). Es sind daher weiter Zweifel ob der Richtigkeit der behaupteten Tätigkeit für das Militär geblieben, was aber insofern nicht von wesentlicher Bedeutung ist, da es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass er wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst beim Militär verurteilt worden sei und dass es einen Festnahmebefehl gegen ihn gebe.

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er sich durch seine Flucht unerlaubt vom Dienst entfernt habe, an, "Ja, ich habe meine Waffe übergeben und dann bin ich geflüchtet." (Seite 9 des Protokolls der Einvernahme). Vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach er nicht mehr von einem unerlaubten Fernbleiben, sondern meinte, er habe das Militär selbst verlassen (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Die Behauptung vor dem BFA, er habe die Waffe übergeben und sei geflüchtet, lässt sich auch unter dem zeitlichen Aspekt mit dem Vorbringen vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht in Einklang bringen, wonach er Ende 2014 beim Militär aufgehört habe und erst im Mai 2015 aus dem Irak ausgereist sei. Der Beschwerdeführer erklärte dazu auch, dass er in der Zeit von Ende 2014 bis zur Ausreise "viel zu Hause" gewesen sei und seinen Brüdern in der Bäckerei geholfen habe (Seiten 8 bis 10 des Verhandlungsprotokolls). Von einer Flucht nach der Übergabe der Waffe kann bei einem weiteren fünfmonatigen Aufenthalt zu Hause nicht gesprochen werden. Der Beschwerdeführer behauptete vor dem BFA auch, er sei wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst zu zehn bis 13 Jahren Haft verurteilt worden, relativierte dieses Vorbringen jedoch auf die Nachfrage, woher er dies wisse, und meinte nun, er sei nie vor Gericht gewesen, aber er "vermute" dies "zu 1.000.000 %" (Seite 11 des Protokolls der Einvernahme). Einen Nachweis über eine tatsächliche Verurteilung hat der Beschwerdeführer nicht in Vorlage gebracht. Gegen einen Wahrheitsgehalt dieser Ausführungen spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer problemlos über eben jenen XXXX unter Verwendung seines irakischen Reisepasses ausreisen konnte, an dem seine Militäreinheit stationiert war (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme und Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Im Falle des Zutreffens seines unerlaubten Austrittes Ende 2014 hätte man ihn wohl bei der Ausreise am XXXX aufgegriffen und an der Ausreise gehindert, was somit vielmehr die Annahme stützt, dass der Beschwerdeführer nicht unerlaubt aus dem Militärdienst ausgetreten ist. Eine Verurteilung wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst brachte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht überdies nicht mehr vor. Auch dies spricht nicht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich unerlaubt den Dienst verlassen hat. Hier sprach er nur davon, dass er Ende 2014 das Militär verlassen habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls), eine unerlaubte Abwesenheit vom Dienst oder gar eine Verurteilung deswegen brachte er aber mit keinem Wort vor.

Erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm nach dem Austritt aus dem Militär vorgeworfen worden sei, dass er Waffen gestohlen habe und deswegen ein Festnahmebefehl gegen ihn ausgesprochen worden sei. Dieses gesteigerte Vorbringen entbehrte jeglicher Glaubhaftigkeit, zumal der Beschwerdeführer auch über Befragen nicht im Stande war, eine Erklärung dafür anzugeben, weshalb er diese Umstände nicht schon vor dem BFA darlegte. Er behauptete, dass seine Familie den Festnahmebefehl bekommen habe und einen Monat später sei er ausgereist. Der Beschwerdeführer hätte diesen Umstand somit schon vor dem BFA angeben können und müssen, hat dies jedoch unterlassen. Die Frage, weshalb er den Festnahmebefehl vor dem BFA noch nicht erwähnte, konnte er nicht plausibel beantworten. Er erklärte: "Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht mehr." (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Es erscheint zudem nicht plausibel, dass das Militär tatsächlich einen Festnahmebefehl gegen den Beschwerdeführer vor dessen Ausreise erlassen hat, zumal der Beschwerdeführer den Irak legal unter Verwendung seines Reisepasses über genau jenen XXXX verlassen konnte, an dem seine Einheit stationiert war. Hätte der behauptete Festnahmebefehl tatsächlich bestanden, hätte der Beschwerdeführer den Irak sicher nicht auf diese Weise verlassen können, sondern wäre spätestens am XXXX tatsächlich festgenommen worden. Außerdem brachte er keinen entsprechenden Nachweis des Festnahmebefehls in Vorlage, was ihm jedoch im Falle der Existenz des entsprechenden Schriftstückes sicherlich möglich gewesen wäre, zumal er selbst angab, täglich Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern im Irak zu haben (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls) und sein Bruder ihm am 30.09.2016 auch Lichtbilder aus seiner Zeit beim Militärdienst übermitteln konnte (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls).

Widersprüchlich gestaltete sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auch zum Ausreiseentschluss. Sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht war die Fragestellung dieselbe; er wurde gefragt, wann er beschlossen habe, den Irak zu verlassen. Während er vor dem BFA angab, "Anfang 2015" den Entschluss zur Ausreise gefasst zu haben (Seite 7 des Protokolls der Einvernahme), gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an: "Das war der Entschluss meiner Familie. Sie sagten, dass die Lage sehr kritisch ist im Irak. Öfter als ich aus dem Haus im Irak ging, rief meine Mutter mich an und sagte mir, ich solle schnell nach Hause kommen." (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer nicht übereinstimmend angeben kann, wer beschlossen hat, dass er den Irak verlassen solle, spricht nicht dafür, dass die behaupteten Fluchtgründe tatsächlich stattgefunden haben. Zudem spricht das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung dafür, dass der tatsächliche Ausreisegrund vielmehr die allgemeine Lage im Irak ist, nicht jedoch eine konkret drohende Verfolgung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass seine Brüder XXXX und XXXX getötet worden seien. Die näheren Angaben dazu gestalteten sich aber in der Einvernahme vor dem BFA als äußerst vage und stellten sich letztendlich als bloße Vermutungen des Beschwerdeführers heraus. Die Brüder seien von ihm unbekannten Personen, "wahrscheinlich" Milizen umgebracht worden. Er behauptete, einer seiner Brüder sei wegen seines Vornamens getötet worden und weil er Sunnit sei. Auch der zweite Bruder sei getötet worden. Einen Grund für die Ermordung des zweiten Bruders nannte er nicht. Auf Nachfrage konnte er jedoch nicht angeben, wer beide Brüder getötet habe. Auf die Frage, weshalb er dann Milizen vermute, meinte er, dass es viele Milizen gebe und diese so viele Leute töten würden (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme). Nicht nachvollziehbar ist, wie der Beschwerdeführer zur Annahme gelangt, dass einer der Brüder wegen seines Vornamens und seiner Religionszugehörigkeit getötet worden sei, wenn er nicht einmal weiß, von wem dieser Bruder getötet worden sei. Auch dass die Brüder von Milizen getötet worden wären, ist eine bloße Vermutung des Beschwerdeführers, die auf keinerlei Belegen beruht.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, dass zwei seiner Brüder getötet worden wären. Auch hier war das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers von vagen Angaben gekennzeichnet. Auf die Frage, von wem sie getötet worden wären, meinte er: "man weiß es nicht" (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Befragt nach dem Zeitpunkt der Tötung der Brüder gab er an, dass er sich daran nicht mehr erinnern würde, da er noch "klein" gewesen und dies im "Religionskrieg" gewesen sei. Dies steht jedoch in auffallendem Widerspruch zu den vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Sterbeurkunden, denen zufolge ein Bruder am XXXX .2015 und der zweite am XXXX .2014 getötet worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer weder "klein", sondern bereits 23 Jahre alt, noch hätte sich dies in der Zeit des "Religionskrieg[es]" ereignet. Zudem kann nicht nachvollzogen werden, dass sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht an die Sterbedaten erinnern kann, zumal seit der behaupteten Tötung der Brüder nur wenige Jahre vergangen sind. Weiters stellte der Beschwerdeführer die Tötung der beiden Brüder bloß unsubstantiiert in den Raum, ohne konkret einen Zusammenhang zu seiner Person herzustellen. Auch wenn aus den Sterbeurkunden hervorgeht, dass die Brüder erschossen worden seien, lässt sich daraus nicht ableiten, weshalb und von wem die Brüder getötet wurden. Weder stützen die Sterbeurkunde die Behauptung, dass ein Bruder wegen seines Vornamens und seiner Religionszugehörigkeit getötet wurde noch, dass Milizen dafür verantwortlich wären.

Schließlich steigerte der Beschwerdeführer auch sein Vorbringen und brachte erstmals im gesamten Verfahren vor, die Brüder hätten die Amerikaner und die irakische Nationalgarde mit Brot und Teigtaschen versorgt und die Brüder seien von "irgendwelchen Milizen" getötet worden, "vielleicht" von der Al Mahdi-Armee, weil diese gegen die Amerikaner gekämpft hätten (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Nicht nur, dass der Beschwerdeführer wieder bloß Vermutungen äußert, widerspricht dies auch seinen Angaben vor dem BFA. Dort meinte er nämlich, dass ein Bruder einen Transporter gehabt habe und bei einer Fahrt erschossen worden sei, weil er XXXX heiße und Sunnit sei. Hinsichtlich des anderen Bruders nannte er gar keine Gründe für dessen Ermordung (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme).

Der Beschwerdeführer konnte keinen Zusammenhang zwischen der Ermordung seiner Brüder und seiner Ausreise dartun. Dies auch deshalb, da er in der mündlichen Verhandlung angab, seine Familie habe deshalb beschlossen, dass der Beschwerdeführer den Irak verlassen sollte, weil die Lage im Irak sehr kritisch sei (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Im Falle der tatsächlichen Tötung zweier seiner Geschwister, wobei einer sogar nur wenige Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers getötet worden sei, wäre allerdings anzunehmen, dass dieser Umstand die Familie des Beschwerdeführers dazu motiviert, ihm zur Ausreise zu raten, nicht aber, dass die Lage "sehr kritisch" sei. Da der Beschwerdeführer aber die behauptete Ermordung seiner Brüder aber nicht als Grund für seine Ausreise aus dem Irak nennt, sondern diese vielmehr bloß beiläufig erwähnt, ist es nicht glaubhaft, dass diese in Zusammenhang mit seiner Ausreise steht. Der Beschwerdeführer behauptet selbst auch nicht einmal, er befürchte, ebenso wie seine Brüder, getötet zu werden.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, seine beiden getöteten Brüder hätten die Amerikaner und die irakische Nationalgarde mit Brot und Teigtaschen versorgt, widerspricht zudem den Angaben in der Erstbefragung, wo er behauptete, seine Eltern hätten mehrere Bäckereien betrieben und auch den amerikanischen Soldaten geholfen, weshalb seine Angehörigen und er seit dieser Zeit ständig bedroht würden (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). Von einer Hilfe für amerikanische Soldaten durch seine Eltern oder seine Brüder brachte er in der Einvernahme vor dem BFA nichts mehr vor. Vielmehr vermutete er dort, seine Brüder seien von Milizen umgebracht worden, weil es "so viele Milizen" gebe und diese "so viele Leute" töten würden (Seite 8 des Protokolls der Einvernahme). Von diesem Vorbringen ging er schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht neuerlich ab, indem er angab, seine Brüder hätten die Amerikaner und die irakische Nationalgarde unterstützt (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Da der Beschwerdeführer mit diesen widersprüchlichen Angaben neuerlich sein auffallendes Unvermögen, seine Fluchtgründe gleichbleibend und nachvollziehbar darzulegen demonstrierte, war auch eine Verfolgung seiner Person durch Milizen nicht glaubhaft.

Darüber hinaus behauptete der Beschwerdeführer, dass auch sein Vater durch einen Kopfschuss zunächst eine Lähmung erlitten und wenige Monate später, Ende 2016, daran verstorben sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auffallend war dabei schon der Umstand, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich war, das genaue Sterbedatum seines Vaters anzugeben, weil er sich daran nicht erinnern könne. Dass er sich nicht einmal an das Sterbedatum seines Vaters erinnern kann, ist nicht nachvollziehbar, zumal er selbst angab, dass ihn dies sehr getroffen habe. Es widerstreitet daher der Lebenserfahrung, dass er außer Stande war, ein konkretes Datum oder zumindest den Monat zu benennen, in dem sich dies zugetragen hätte. Die weitere Erklärung, wonach ihn dieser Vorfall "sehr traurig" gemacht habe und er deshalb einige Sachen vergessen habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls), vermochte mangels Plausibilität nicht zu überzeugen. Obwohl der Beschwerdeführer auch vorbrachte, er könne noch eine Sterbeurkunde nachbringen, erfolgte dies letztlich nicht. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich gestorben ist. Es wird auch davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit der Behauptung, der Tod seines Vaters habe ihn sehr traurig gemacht, weshalb er einige Sachen vergessen habe, bloß versucht, eine Erklärung für seine widersprüchlichen und unkonkreten Angaben zu finden. Dies überzeugt aber schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer auch in der Einvernahme vor dem BFA, die im Mai 2016 stattfand und somit vor dem Tod des Vaters, schon nicht in der Lage war, konkrete und nachvollziehbar Angaben zu machen.

Auffallend war im gesamten Verfahren, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe trotz Aufforderung nie gänzlich von sich aus darlegte, sondern sowohl bei der Einvernahme durch die belangte Behörde als auch bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nur über detailliertes Befragen nähere Auskunft erteilte, wobei anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer oftmals dennoch bloß unkonkrete Angaben machte. Auch dies ließ am Zutreffen seiner jeweils behaupteten Fluchtgründe zweifeln.

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen, den Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers sowie seines geschilderten Aussageverhaltens, geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Fact Sheet Irak Nr. 70

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

* DTM Round 107, Dezember 2018

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

* Musings on Iraq, 15.01.2019

* Musings on Iraq, 19.02.2019

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, 17.12.2018

* AB - Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019

* AB: Folgen einer Desertion von der irakischen Armee, 03.06.2016

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auf die in der Beschwerde auszugsweise zitierten Berichte war mangels Aktualität nicht näher einzugehen. Der Beschwerdeführer trat den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen. Er gab nur an, dass die Lage im Irak sehr schlecht sei, ohne diese Behauptung auf konkrete Berichte zu stützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der An

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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