TE Bvwg Beschluss 2019/5/15 L509 1421575-5

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L509 1421575-5/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2019, Zl. 800624210-171342659, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) hat mit Bescheid vom 02.04.2019, Zl. 800624210-171342659, den Antrag des Beschwerdeführers (BF) auf internationalen Schutz vom 01.12.2017 im Spruchpunkt I. hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 FPG für die freiwillige Ausreise eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung erteilt (Spruchpunkt VI.)

Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den Bescheid zu beheben und die belangte Behörde mit neuerlicher inhaltlicher Entscheidung über den Asylantrag zu beauftragen, sowie festzustellen, dass die Abschiebung in die Türkei auf Dauer unzulässig ist und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der für diesen Beschluss maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage.

1. Feststellungen:

Der BF hat am 16.07.2010 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde in II. Instanz mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.11.2012, Zl. E10 421575-12011/33E, rechtskräftig seit 07.12.2012, abgewiesen und die Ausweisung des BF in die Türkei verfügt.

Am 15.09.2016 stellte der BF beim Bundesamt einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005. Dieser Antrag wurde - nach negativer Entscheidung durch das Bundesamt vom 17.10.2016, Zl. 80062410-16125677 - in II. Instanz mit Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017, Zl. W268 1421575-3/4E als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt. Die Abschiebung wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein den BF betreffendes Auslieferungsverfahren aufgeschoben.

Mit Schriftsatz vom 12.09.2017 stellte der BF durch seine bevollmächtigten Vertreter einen Antrag auf Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Behebung des Erkenntnisses vom 01.03.2017 mit der Zahl W268 1421575-3/4E und Erteilung des Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Als Begründung machte er geltend, dass aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 07.08.2017, GZ 311 HR 3/14w, die Auslieferung des BF in die Türkei zur Strafvollstreckung der mit Urteil des dritten Schwurgerichtes XXXX vom 11.06.2008, AZ 2007/142, Urteils-Nr. 2008/112 erfolgten Verurteilung für nicht zulässig erklärt worden sei.

Dieser Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG behängt beim Bundesverwaltungsgericht unter der Zahl L509 1421575-4 und wurde bis dato nicht entschieden.

Der BF stellte mit 01.12.2017 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt - wie einleitend ausgeführt - mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 02.04.2019 im ersten Spruchpunkt gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat. Gemäß § 16 Abs. 2 BFA-VG kommt dieser Entscheidung die aufschiebende Wirkung nicht zu, während für die mit gleichem Bescheid des Bundesamtes ergangenen weiteren Spruchpunkte die aufschiebende Wirkung nicht (gesondert) ausgeschlossen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der hierfür maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

"Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und

1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder

2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht

sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Das Bundesamt ging in dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten von einer entschiedenen Sache aus und vertrat nicht die Ansicht, dass durch die jüngere politische Entwicklung im Herkunftsstaat Türkei eine Änderung in Bezug auf die vorliegende Sache eingetreten ist.

Der BF bringt jedoch zusammengefasst ins Treffen, dass durch die politische Entwicklung in der Türkei, insbesondere im Zuge der Maßnahmen aufgrund des Putschversuches ein (objektiver) Nachfluchtgrund dergestalt eingetreten sei, dass ihm wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden und zur Religion der Aleviten im Falle der Rückkehr in die Türkei (asyl-)relevante Nachteile drohen, zumal staatliche Maßnahmen nicht nur gegen die Mitglieder und Sympathisanten der sogenannten "Gülen-Bewegung", die für die Drahtzieher des Putschversuches gehalten werden, sondern auch gegen Unterstützer der kurdischen Bewegung und Mitglieder von kurdischen Organisationen (wie z.B. PKK) verstärkt wurden. Da der BF wegen Unterstützung der terroristischen Organisation PKK in der Türkei rechtskräftig verurteilt wurde und er noch eine (Rest-)Strafe zu verbüßen hat, befürchte er in diesem Zusammenhang relevante Verfolgungshandlungen durch türkische Staatsorgane.

Zur Untermauerung seines Vorbringens stützt sich der BF auf den erwähnten Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , wonach dem BF "Auslieferungsasyl" gemäß § 19 Abs. 3 ARHG gewährt wird. Das Oberlandesgericht XXXX hat mit Beschluss vom 22.02.2017 den Beschwerden der Staatsanwaltschaft XXXX und des BF gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 19.12.2016, GZ 311 HR 3/14w-41, Folge gegeben und den do. angefochtenen Beschluss aufgehoben, die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt und den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 20.01.2015, GZ 311 HR 3/14w-17 (mit dem die Auslieferung des BF an die Türkei seinerzeit für zulässig erklärt wurde) aufgehoben. Somit wird die Auslieferung des BF in die Türkei zur Strafvollstreckung seitens der Republik Österreich abgelehnt. Dies gründet sich unter Hinweis auf die Stellungnahme des BMEIA vom 17.11.2016, wonach die seit längerer Zeit angespannte Menschenrechtssituation in der Türkei durch die nach dem Putschversuch vom 15.07.2016 ergangene Notstandsgesetzgebung, die u. a. eine Suspendierung der Anwendung der EMRK gemäß Art. 15 EMRK vorsehe, weiter verschärft worden sei. Die aus dem Länderbericht der Europäischen Kommission zur Türkei vom 09.11.2016 hervorgehenden Maßnahmen der Sicherheitskräfte nach dem gescheiterten Putschversuch seien nicht auf die Gülen-Bewegung beschränkt, sondern würden auf pro-kurdische und Oppositionskräfte ausgedehnt und gegen diese Personen besonders hart vorgehen.

Nach dem vom Bundesamt im gegenständlichen Verfahren eingeführten, aktuellen Länderberichten habe sich die deutliche Zunahme von Folter und anderen Formen der Misshandlung in amtlichen Haftanstalten während des Ausnahmezustandes auch 2017 fortgesetzt, wenn auch in deutlich geringerem Maße als in den Wochen nach dem Putschversuch im Juli 2016. Dieser Befund geht auf Berichte von Insan Haklari Derekli (in der Türkei ansässiger Menschenrechtsverein) vom 06.04.2018, von Amnesty International vom 22.02.2018 und von Human Rights Watch vom 18.01.2018 zurück.

Eine Entscheidung über den vom BF gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim BvWG zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 vom 12.09.2017 konnte bis dato nicht getroffen werden.

Im vorliegenden Fall kann daher nach derzeitiger Aktenlage innerhalb der gesetzlichen Frist nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den in Aussicht genommenen Zielstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L509.1421575.5.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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