TE Vfgh Erkenntnis 1996/3/6 A16/95

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art137 / Allg
FAG 1993 §8 Abs2 Z3
FAG 1993 §10 Abs1, Abs2
VfGG §41
ZPO §54 Abs1
ZPO §226

Leitsatz

Abweisung einer Klage der Marktgemeinde Velden gegen das Land Kärnten auf Bezahlung von zu wenig überwiesenen Ertragsanteilen an gemeinschaftlichen Bundesabgaben, nämlich an Grunderwerbsteuer und Bodenwertabgabe für die Jahre 1993 bis 1995 gemäß dem FAG 1993; Verteilung der Ertragsanteile auf die einzelnen Gemeinden des Landes nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel, nicht nach dem örtlichen Aufkommen zu berechnen

Spruch

Das Klagebegehren wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit der vorliegenden, vom Gemeinderat am 1. Juni 1995 beschlossenen, auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt die Gemeinde Velden am Wörther See vom Land Kärnten - offenbar gestützt auf §8 Abs2 Z3 lita des Finanzausgleichsgesetzes 1993 (FAG 1993) in der Stammfassung sowie §8 Abs2 Z3 FAG 1993 i. d.F. BGBl. 297/1995 - für die Jahre 1993 bis 1995 die Auszahlung von zu wenig überwiesenen Ertragsanteilen an gemeinschaftlichen Bundesabgaben, nämlich an Grunderwerbsteuer und Bodenwertabgabe (Näheres s. I.2.).

Das Land Kärnten lehnt die Forderung ab und beruft sich vornehmlich auf §10 Abs2 FAG 1993 (Näheres s. I.3.).

b) Das FAG 1993, BGBl. 30, wurde mehrfach novelliert, u.a. dessen §8 durch ArtXXXII des Bundesgesetzes BGBl. 297/1995. Inhaltlich blieb diese Bestimmung in ihrem hier maßgebenden Teil jedoch unverändert (vgl. §8 Abs2 Z3 lita in der Stammfassung und (den in der Folge zitierten) §8 Abs2 Z3 i.d.F. BGBl. 297/1995); in den Gesetzestexten scheinen nur jeweils verschiedene Haushaltsjahre auf, für welche die Regelung gilt.

Die einschlägigen Normen lauten:

"§8. (1) Die Erträge der im §7 Abs1 angeführten gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit Ausnahme des Kulturgroschens, der Energieverbrauchsabgabe und der Spielbankabgabe werden (...) zwischen dem Bund, den Ländern (Wien als Land) und den Gemeinden (Wien als Gemeinde) in folgendem Hundertsatzverhältnis geteilt:

                   Bund             Länder          Gemeinden

.......            .....            .....             .....

Grunderwerbsteuer  4,000              -             96,000

Bodenwertabgabe    4,000              -             96,000

.......            .....            .....             .....

(2) Die Teile der Erträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben, die gemäß Abs1 (...) auf die Länder und Gemeinden entfallen, werden (...) auf die Länder und länderweise auf die Gemeinden nach den folgenden Schlüsseln aufgeteilt:

1. .....

3. ..... bei der Grunderwerbsteuer und der Bodenwertabgabe auf die Gemeinden nach dem örtlichen Aufkommen;

              4.              ....."

"§10. (1) Zum Zwecke der Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit Ausnahme der Spielbankabgabe und der im §8 Abs1a geregelten Bedarfszuweisungen an die Gemeinden werden zunächst die Ertragsanteile auf die Gemeinden länderweise unter Beachtung der im §8 Abs2 angeführten Schlüssel rechnungsmäßig aufgeteilt.

Von den so länderweise errechneten Beträgen sind 13,5 vH auszuscheiden und den Ländern (Wien als Land) zu überweisen; sie sind - außer in Wien - für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt (zweckgebundene Landesmittel).

(2) Die restlichen 86,5 vH sind vorerst länderweise nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel insgesamt um einen jährlichen Betrag in Höhe von 102,30 S vervielfacht mit der Volkszahl zu kürzen und länderweise nach dem Verhältnis der Volkszahl insgesamt um diesen Betrag wiederum zu erhöhen. Diese Mittel sind an die Länder zu überweisen und - außer in Wien - von diesen als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben an die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen:

Jene Gemeinden, deren Finanzkraft im Vorjahr den Finanzbedarf nicht erreicht hat, erhalten 30 vH des Unterschiedsbetrages zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft. Von den verbleibenden Ertragsanteilen erhält zuerst jede Gemeinde jährlich 102,30 S je Einwohner, die restlichen Ertragsanteile sind nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs4 dritter und vierter Satz) auf alle Gemeinden des Landes zu verteilen.

(3) ....."

2.a) Die Klägerin beantragt die Fällung nachstehenden Urteils:

"Das Land Kärnten ist schuldig der Marktgemeinde Velden die Ertragsanteile an Grunderwerbssteuer und Bodenwertabgabe für die Jahre 1993 bis 1995 gemäß FAG 1993 nach Ausscheiden von 13,5 % von den länderweisen Quoten sohin von 86,5 % unter Zugrundelegung des örtlichen Aufkommens der Gemeinden zu berechnen und den nach Abzug der überwiesenen Ertragsanteile verbleibenden Restbetrag der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

b) Das Klagebegehren wird wie folgt begründet:

"Mit der gegenständlichen Klage begehrt die Klägerin vom Land Kärnten Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben und zwar an Grunderwerbssteuer und Bodenwertabgabe. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ist nach Art137 B-VG gegeben, weil dieser Anspruch nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen ist und weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten läßt. Ein Streit über Einbehaltung von Steuern und Ertragsanteilen ist keine bürgerliche Rechtssache im Sinne des §1 JN (Slg. Nr. 2531/53). Der Anspruch der klagenden Partei ist auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, es besteht keine gesetzliche Bestimmung, die in Fällen dieser Art eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung berechtigt.

Nach dem Bundesgesetz mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 1993 bis 1995 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 1993 - FAG) werden die Teile der Erträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben bei der Grunderwerbssteuer und der Bodenwertabgabe auf die Gemeinden nach dem örtlichen Aufkommen aufgeteilt (§8 Abs2 Z3 lita FAG 1993).

Die beklagte Partei teilt jedoch die Grunderwerbssteuer und die Bodenwertabgabe dadurch auf, daß von der länderweisen Quote 13,5 % ausgeschieden werden und der Rest von 86,5 % nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel insgesamt um einen jährlichen Betrag von S 102,30 vervielfacht mit der Volkszahl gekürzt und länderweise nach dem Verhältnis der Volkszahl insgesamt um diesen Betrag wiederum erhöht wird. Das Land Kärnten nimmt nicht darauf Rücksicht, daß die Grunderwerbssteuer und die Bodenwertabgabe auf die Gemeinden nach dem örtlichen Aufkommen aufgeteilt werden.

Dadurch erleidet die klagende Partei einen finanziellen Schaden von mindestens S 5,000.000,--. Dieser Betrag wird auch als Streitwert der Klage angenommen.

Beweis: die Akten des Bundeslandes Kärnten über die Aufteilung

der Grunderwerbssteuer und der Bodenwertabgabe auf die Gemeinden

Die beklagte Partei müßte für die Jahre 1993 bis 1995 gemäß dem Finanzausgleichgesetz FAG 1993 die Anteile der klagenden Partei an Grunderwerbssteuer und Bodenwertabgabe nach dem örtlichen Aufkommen berechnen und den nach Abzug der überwiesenen Ertragsanteile verbleibenden Restbetrag an die klagende Partei bezahlen.

Beweis: wie oben

Wir haben mit Schreiben vom 28.03.1995 an das Amt der Kärntner Landesregierung eine Aufforderung gerichtet, die Aufteilung der Grunderwerbssteuer nach dem örtlichen Aufkommen vorzunehmen, doch hat die beklagte Partei den Standpunkt aufrecht erhalten, daß die Grunderwerbssteuer und die Bodenwertabgabe nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel zu verteilen wäre.

Beweis: Schreiben vom 28.03.1995, Antwortschreiben vom 6.4.1995."

3. Das Land Kärnten erstattete eine Gegenschrift, in der begehrt wird, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Darin wird geltend gemacht, daß §8 Abs2 Z3 FAG 1993 die "Oberverteilung" vom Bund auf die Länder betreffe und hiebei auf das örtliche Aufkommen abstelle, während §10 Abs2 leg.cit. die "Unterverteilung" von den Ländern auf die Gemeinden regle und hiebei den abgestuften Bevölkerungsschlüssel als maßgebend erkläre.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Mit der vorliegenden Klage wird - unbestritten - ein derartiger, ausschließlich im öffentlichen Recht wurzelnder vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht (vgl. VfSlg. 11204/1987, 12667/1991).

Die Klägerin begehrt zwar nicht die Bezahlung eines ziffernmäßig bezeichneten Geldbetrages. Dennoch ist das Klagebegehren i.S. des §226 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG bestimmt genug, läßt sich doch der begehrte Geldbetrag durch eine Rechenoperation ermitteln.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2. Sie ist jedoch - wie das beklagte Land Kärnten zutreffend darlegt - nicht begründet:

Die Klägerin übersieht, daß der von ihr für die Begründung des Klagsanspruches vornehmlich herangezogene §8 Abs2 Z3 FAG 1993 nur die Oberverteilung regelt: Die Ertragsanteile, die auf die Gesamtheit der Gemeinden aller neun Länder entfallen, werden in diesem ersten Schritt auf die Gesamtheit der Gemeinden in den einzelnen Ländern nach dem gesamten örtlichen Aufkommen aller Gemeinden des jeweiligen Landes aufgeteilt.

Diese den Ländern zufließenden (neun) Teilsummen sind sodann in einem zweiten Schritt vom Land auf seine einzelnen Gemeinden unterzuverteilen. Erst auf die Anweisung dieser Beträge hat die Gemeinde einen Anspruch, und zwar gegen das Land. Die Höhe des Anspruches regelt §10 Abs1 und 2 FAG 1993, und zwar so, daß nach Abzug näher bezeichneter Beträge die (restlichen) Ertragsanteile nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel auf die einzelnen Gemeinden des Landes zu verteilen sind.

Die Klägerin irrt also, wenn sie meint, die Verteilung dieser Ertragsanteile auf die einzelnen Gemeinden des Landes sei nach dem örtlichen Aufkommen zu berechnen.

Das Klagebegehren war daher abzuweisen.

3. Der Kostenausspruch gründet sich auf §41 VerfGG. Die den Kostenersatz ansprechende beklagte Partei hat ihre Kosten nicht ziffernmäßig verzeichnet. Allein schon deshalb hat sie gemäß §54 Abs1 ZPO, der gemäß §35 VerfGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sinngemäß anzuwenden ist, keinen Ersatzanspruch (VfSlg. 3999/1961, 6980/1973, 9280/1981, 10889/1986, 11939/1988).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinde (Finanzausgleich), VfGH / Kosten, Bevölkerungsschlüssel abgestufter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:A16.1995

Dokumentnummer

JFT_10039694_95A00016_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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