TE Bvwg Beschluss 2019/5/21 L508 2163822-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L508 2163822-1/23E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Manuel DIETRICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2017, Zl: XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein Staatsangehöriger aus dem Iran, stellte, nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, am 19.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der verschiedenen Befragungen gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er den Iran deswegen verlassen habe, da er illegal Schnaps produziert und verkauft habe. Da der Konsum von Alkohol im Iran verboten sei, sei er deswegen von den iranischen Behörden verfolgt worden. Befragt nach weiteren asylrelevanten Sachverhalten oder Vorfällen brachte der BF im Rahmen der Einvernahme am 15.02.2016 vor, dass er in Österreich regelmäßig in die Kirche gehe und einen entsprechenden Kurs besuchen würde. Die belangte Behörde beließ es bzgl. dieses Vorbringens bei der Nachfrage, ob der BF getauft sei, was dieser mit "Nein" beantwortet. Weitere Nachfragen durch die belangte Behörde erfolgten nicht.

Nach der Einvernahme am 15.02.2016 brachte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen zu seiner Integration sowie insbesondere ein Bestätigungsschreiben von Vertretern des XXXX betreffend seines Interesses für das Christentum und seiner diesbzgl. Aktivitäten in Vorlage. In der Folge wurde auch ein Schreiben einer Privatperson vom 05.06.2017 in Vorlage gebracht, in welchem Ausführungen zur Abwendung des BF vom Islam sowie dessen Interesse für das Christentum getätigt werden.

In der Folge erging seitens der belangten Behörde, ohne weitere Einvernahme, der mit 21.06.2017 datierte und nunmehr angefochtene Bescheid.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit. Zu Spruchpunkt I wurde ausgeführt, dass selbst bei tatsächlicher Konvertierung des Beschwerdeführers nicht davon auszugehen sei, dass diese aus innerer Überzeugung erfolgt sei, sondern lediglich deswegen um Asyl zu erlange; eine Begründung hierfür lässt der angefochtene Bescheid jedoch vermissen.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

5. In der Folge wurden zahlreiche Unterlagen des Beschwerdeführers zu seiner Integration sowie ein Taufschein der XXXX in Vorlage gebracht, aus welchem sich ergibt, dass der BF am 31.03.2018 getauft wurde.

6. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat:

2.2.1.1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Bundesamt nicht gefolgt werden kann, wenn es im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich in knapper Weise ausführt, dass sich das Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Gefährdung wegen der illegalen Produktion und dem Verkauf von Alkohol als unglaubwürdig darstelle, zumal der BF den Iran legal verlassen habe. Ferner kann dem BF nicht beigetreten wenn es dahingehend argumentiert, dass es völlig unplausibel sei, dass die iranischen Behörden lediglich den Spitznamen des BF gekannt hätten. Lediglich allein aus diesen Argumentationen in der Beweiswürdigung des BFA ergibt sich nicht schlüssig, warum dem Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt werden soll.

Die erfolgte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erweist sich sohin als qualifiziert unschlüssig.

Bei den Ausführungen des Bundesamtes zur Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens hinsichtlich der Gefährdung wegen der Produktion und dem Verkauf von Alkohol (was sich ausschließlich auf die legale Ausreise aus dem Iran sowie die Vorgehensweise der Sicherheitsbehörden stützt) handelt es sich um reine Mutmaßungen, welche einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand halten. Es handelt sich dabei um bloße Spekulationen, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. So baut das BFA die Beweiswürdigung ausschließlich auf der legalen Ausreise aus dem Iran sowie auf mangelnde Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Fluchtvorbringens hinsichtlich der Kenntnis der Sicherheitsbehörden über den Aliasnamen des BF auf, was jedoch keiner schlüssigen Beweiswürdigung entspricht; dies umsomehr auch unter Berücksichtigung der durchwegs nachvollziehbaren Angaben des BF nach Vorhalt durch die belangte Behörde in der Einvernahme am 15.02.2016 zu dessen Möglichkeit der legalen Ausreise sowie der Frage, ob die Behörden den richtigen Namen des BF kennen würden (vgl. Bescheid Seite 13). Selbiges gilt für die Ausführungen im Zusammenhang hinsichtlich der Vorgehensweise der iranischen Sicherheitsbehörden.

Die belangte Behörde hat auch keine Widersprüche in den durchaus detaillierten und konsistenten Angaben des Beschwerdeführers aufzuzeigen vermocht, sodass das BVwG nicht davon ausgehen kann, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde; dies vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers grundsätzlich Asylrelevanz (vgl. die seitens des BFA getroffenen Länderfeststellungen) beizumessen wäre.

2.2.1.2. Darüberhinaus leidet der angefochtene Bescheid unter dem schweren Mangel, dass sich die belangte Behörde nicht hinreichend mit dem geltend gemachten Flucht- respektive Asylgrund der Konversion zum Christentum auseinandergesetzt hat und diesen nur ansatzweise ermittelt hat.

Das Bundesamt hielt im angefochtenen Bescheid zur Konversion fest, dass der BF eine Konversion zum Christentum nicht glaubhaft machen habe können. Begründet wird dies insbesondere dahingehend, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, seinen Entschluss zum Christentum zu konvertieren, ernsthaft zu begründen; dies mit dem Argument, dass der BF noch nicht die Taufe vollzogen habe und wurde vom BFA eine Scheinkonversion angenommen.

Grob mangelhaft stellt sich der Umstand dar, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht näher zu seinem Interesse für das Christentum befragt hat sowie dass das Befragungsprotokoll auch generell eine Befragung über seine Kenntnisse hinsichtlich des christlichen Glaubens vermissen lässt. Dem Beschwerdeführer wurde lediglich die Frage gestellt, ob er bereits getauft sei, welche dieser mit "Nein" beantwortete. Weitere Fragen respektive Ermittlungsschritte wurden von der belangten Behörde nicht getätigt, wozu die belangte Behörde aber aufgrund ihrer Ermittlungspflicht angehalten gewesen wäre. Ferner ist zu monieren, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einvernahme vor der belangten Behörde, folglich noch im anhängigen Verfahren, ein Bestätigungsschreiben von Vertretern des XXXX betreffend seines Interesses für das Christentum und seine diesbzgl. Aktivitäten sowie ein Schreiben einer Privatperson vom 05.06.2017 in Vorlage brachte, in welchem Ausführungen zur Abwendung des BF vom Islam sowie dessen Interesse für das Christentum getätigt werden. Eine Auseinandersetzung respektive Würdigung dieser lässt der angefochtene Bescheid jedoch zur Gänze vermissen. Der BF teilte sohin der belangten Behörde sein Interesse am christlichen Glauben und seine damit zusammenhängenden Konversionsbemühungen mit, jedoch wurden dem BF keinerlei Fragen zum Christentum gestellt und wurden keinerlei Ermittlungen getätigt. Dennoch kam die belangte Behörde in rechtswidriger Weise zu der Schlussfolgerung, dass tatsächlich keine ernstzunehmende Konversion bestünde.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich zweifelsfrei als nicht ausreichend und ist der belangte Behörde anzulasten, dass sie den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur mangelhaft ermittelt hat.

Dem Bundesamt ist insbesondere anzulasten, dass es den Beschwerdeführer - mit Ausnahme der Frage, ob er denn getauft sei, überhaupt nicht zu seinem Interesse für das Christentum befragt hat und auch keine nähere Erörterung seines Wissensstandes über das Christentum wie auch seine Tätigkeiten in der Kirche vorgenommen wurde. Dass der Übertritt zum Christentum nicht glaubhaft sei bzw. nicht aus innere Überzeugung erfolgt wäre, hat das Beweisverfahren des Bundesamtes nicht schlüssig ergeben. Der Beschwerdeführer wurde weder zu den näheren Umständen für sein Interesse für das Christentum befragt, noch über christliche Aktivitäten noch über Glaubensinhalte. Auch fehlt jegliche Erörterung dahingehend, ob und inwiefern der Beschwerdeführer den christlichen Glauben im Falle seiner Rückkehr in den Iran leben möchte.

Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die Konversion zum Christentum sei unglaubwürdig, wurde sohin nicht schlüssig begründet. Warum sich der BF dem christlichen Glauben zugewandt hat, wie sich der Taufprozess darstellt, wie er den christlichen Glauben in Österreich praktiziert, ob und inwiefern der christliche Glaube das nunmehrige Leben des Beschwerdeführers prägt, über welche Glaubensinhalte er verfügt, ob Zeugen Angaben zu seinem christlichen Leben machen können udgl, wurde nicht konkret ermittelt und folglich ebenso keiner Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen.

Dass der Übertritt zum Christentum nicht glaubhaft sei bzw. aus innere Überzeugung erfolgt wäre, hat das Beweisverfahren des Bundesamtes sohin nicht ergeben.

Zur Prüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion ist auf die ständige höchstgerichtliche Judikatur hinzuweisen.

Aus dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215, "Der VwGH verlangt zur Feststellung, ob ein Antragsteller tatsächlich oder nur zum Schein konvertiert ist, eine schlüssige Gesamtbeurteilung. Elemente für eine solche Gesamtbeurteilung können sein: eine nähere Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten und seinem religiösen Grundwissen sowie eine konkrete Auseinandersetzung mit Angaben etwaiger Zeugen. Mangelndes religiöses Grundwissen kann für das Vorliegen einer Scheinkonversion sprechen, ist aber nicht ausreichend." Auch die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung setzt diese Judikaturlinie fort, vgl. VfGH 27.02.2018, E2958/2017, VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076, VwGH vom 02.09.2015, Ra 2015/19/0091), haben sich Prüfkriterien zur Überprüfbarkeit der inneren Überzeugung einer Konversion entwickelt, welche stets in einer Gesamtschau zu beurteilen sind, und die es den Gerichten und Behörden ermöglichen können zu eruieren, ob ein Asylsuchender tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist bzw. das Christentum seine Identität nachhaltig geprägt hat.

Eine hinreichende Auseinandersetzung mit diesen Prüfkriterien, welche sich aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung manifestiert haben, wurde im Verfahren des BFA unterlassen, weshalb sich das Ermittlungsverfahren des BFA als grob mangelhaft erweist.

Das BFA hätte es hinsichtlich des seitens des BF vorgebrachten Interesses für das Christentum nicht bei der lediglich rudimentär gestellten Fragen nach einer bereits erfolgten Taufe belassen dürfen, sondern wäre es unabdingbar gewesen den BF zur erforderlichen Gesamtbeurteilung seines diesbezüglichen Vorbringens insbesondere zu konkreten Glaubensinhalten, zu seinen persönlichen Erfahrungen mit der neuen Religion, zu seinen Beweggründen für die Hinwendung zum christlichen Glauben, zu einem etwaigen Taufvorbereitungskurs, zu seinen religiösen Aktivitäten, zur Teilnahme an möglichen Glaubenskursen und vor allem zum Praktizieren seines Glaubens in Österreich zu befragen und gegebenenfalls zeugenschaftliche Einvernahmen von Personen, zu denen der BF in Verbindung mit dem behaupteten Interesse für das Christentum steht, vornehmen müssen, um einen Gesamteindruck hinsichtlich des diesbezüglichen Vorbringens der BF zu erhalten. Dies alles hat die belangte Behörde verabsäumt und wird dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein; dies nunmehr auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Taufe.

Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren auch zu erörtern haben, ob und inwiefern der Beschwerdeführer den christlichen Glauben im Falle seiner Rückkehr in den Iran leben möchte. Sämtliche Angaben des Beschwerdeführers wären anschließend auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen sowie entsprechend rechtlich zu würdigen gewesen bzw. wird dies im fortgesetzten Verfahren zu erfolgen haben.

Erst in Gesamtschau der zu erfragenden und beurteilenden Faktoren unter Einbeziehung der vorliegenden Bestätigung (Taufbescheinigung) ist eine schlüssige Beweiswürdigung und abschließende Beurteilung der vorgebrachten Konversion des BF möglich.

Nach Ansicht der erkennenden Richterin ist es für die umfassende und fundierte Beurteilung einer behaupteten Konversion - sei es eine solche zum Schein oder einer tatsächlichen - unumgänglich, alle zur Verfügung stehenden entscheidungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln, welche für oder gegen eine tatsächliche Konversion des Beschwerdeführers im Sinne einer Übernahme von neuen Glaubensgrundsätzen, religiösen Traditionen und Bräuchen sowie möglicherweise auch anderen Teilen der mit der fremden Religion verbundenen Kultur durch eine konvertierende Person sprechen.

Nach hg. Ansicht vermag die mangelnde Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des geltend gemachten Asylgrundes des Interesses für das Christentum, welches nunmehr zur Konversion führte, nicht zu tragen, da nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes der entscheidungsrelevante Sachverhalt für die umfassende Beurteilung der seitens des BF genannten Gründe für seine Antragstellung auf internationalen Schutz nicht hinreichend ermittelt wurde.

Sollte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erneut zu dem Schluss gelangen, dass die Konversion des BF nicht glaubhaft ist, wird es dies nachvollziehbar zu begründen haben und sich im Lichte der Rückkehrsituation des BF auch damit auseinanderzusetzen haben, ob der BF selbst bei der Annahme einer Scheinkonversion im Rückkehrfall mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen hat, wozu es einer konkreten Einschätzung des Verfolgungsrisikos dahingehend bedarf, inwieweit Behörden oder Personen im Iran die Praktiken des BF im Ausland bekanntgeworden sind und ob daran - trotz einer bloßen Scheinkonversion - mit ernst zu nehmender Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen, etwa durch Unterstellung einer echten Konversion geknüpft sind.

2.2.2. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in umfassender Weise auseinanderzusetzen zu haben. Im Rahmen einer ergänzenden detaillierten Befragung des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen, zur Ernsthaftigkeit seiner Konversion und nach ergänzenden aktuellen Länderfeststellungen wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die oben angesprochenen Punkte einer Klärung zuzuführen haben.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Bedrohung und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers in Hinblick auf den Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten, wie oben dargelegt als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.4. Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Christentum Ermittlungspflicht Kassation Konversion mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L508.2163822.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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