TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/22 L525 2189635-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2019
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Entscheidungsdatum

22.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L525 2189635-1/7E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch Mag. Manuel DIETRICH, Rechtsanwalt in 6971 Hard, In der Wirke 3, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.2.2018, Zl. 1159618101/170831279, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8.5.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte nach illegaler Einreise am 14.7.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 16.7.2017 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei ein Ahmadi. Ahmadis würden von der Gesellschaft in Pakistan nicht akzeptiert werden. Erst vor kurzem seien zwei Ahmadi-Moscheen in Brand gesetzt worden. Ahmadis würden in Pakistan ausgeschlossen. Ihre Religionsgemeinschaft würde nicht akzeptiert, sie könnten ihre Religion nicht frei ausüben und ein freies Leben führen. Wenn sie Arbeit suchen würden, lehne man sie sofort ab, da sie Ahmadis seien. Wenn sie geschlagen würden, unternehme die Polizei nichts dagegen. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat befürchte der Beschwerdeführer, dass die Leute ihn umbringen könnten, wenn sie wüssten, dass er Ahmadi sei.

Der Beschwerdeführer wurde am 16.10.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, psychisch und physisch in der Lage zu sein, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen und den Dolmetscher zu verstehen. Zu seinen Flucht- und Asylgründen befragt führte er aus, dass die Ahmadis seit 1974 in Pakistan verboten seien und dort nicht bleiben könnten. Es gebe keine Freiheit in Pakistan, man könne dort nicht leben. Seit 1984 sei es für Ahmadis bei einer Strafdrohung von drei bis fünf Jahren verboten, sich mit "Salam Aleikum" zu begrüßen. Man könne nicht angeben, dass man ein Ahmadi sei, anderenfalls werde man bestraft. Man könne nicht einmal in der eigenen Moschee laut beten, ansonsten würde die Moschee gesperrt. Ahmadis würden in der Schule bzw. Hochschule vernachlässigt und bestraft. Manche seien umgebracht worden. Vor kurzem seien drei Ahmadis zum Tode verurteilt und aufgehängt worden. Ein Mitglied des Parlaments habe gesagt, dass alle Ahmadis verboten werden sollten. Sie dürften nicht mehr in Pakistan sein und müssten von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In Faislabad seien 25 Leute festgenommen worden, viele Moscheen seien verbrannt. Noch einer habe gesagt, dass alle Ahmadis umgebracht werden sollten und keinen Zugang zu medizinischen Universitäten haben sollten. Es gebe einen Nobelpreisträger, der Ahmadi sei. Weil er Ahmadi gewesen sei, habe alles nicht gegolten. In Lahore sei ein Arzt immer nur geschlagen worden, weil er Ahmadi gewesen sei. In einem Dorf seien die Leute aus ihren Häusern herausgeholt und geschlagen worden, die Häuser und Moscheen seien verbrannt. In Rabwah sei ein Ahmadi-Arzt zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ebenfalls in Rabwah sei ein Mann zur Polizeistation mitgenommen und dort umgebracht worden. In den Jahren von 1974 bis 1984 seien alle Nicht-Gläubigen umgebracht worden. Zum Beweis seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer Kopien von Zeitungsberichten sowie Fotos vor. Nach erfolgter Rückübersetzung gab der Beschwerdeführer an, dass seine Einvernahme richtig protokolliert worden sei und er nichts berichtigen oder ergänzen wolle.

Mit Bescheid vom 12.2.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, es hätte zwar festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya Muslim Jamaat angehöre, eine persönliche Verfolgung habe er aber nicht dargetan. Die bloße Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft begründe aber noch keine asylrelevante Verfolgung. Eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Ahmadis gebe es in Pakistan nicht. Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz würden nicht vorliegen. Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.3.2018 rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerde im Wesentlich aus, der Beschwerdeführer sei aus Pakistan geflüchtet, weil er der Religionsgruppe der Ahmadis angehöre, die wegen ihrer Religionsangehörigkeit in Pakstian gefoltert und getötet würden. Die Ahmadis seien eine Sekte, welche von der übrigen Bevölkerung Pakistans nicht akzeptiert werde. Der Beschwerdeführer habe aus wohlbegründeter Furcht vor eingriffsintensiven, unmittelbaren und bevorstehenden Verfolgungsaktionen nicht länger in seinem Heimatort bleiben, sondern flüchten müssen. Die Schwelle der asylrelevanten Eingriffsintensität werde erreicht, weshalb dem Beschwerdeführer internationaler Schutz zu gewähren sei. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers müsse auch anhand der Berichtslage gemessen werden, eine hinreichende und sorgfältige amtswegige Ermittlung der Verfolgungsgrundlagen der Ahmadi in Pakistan sei aber unterblieben. Die belangte Behörde habe sich in weiterer Folge auch zu wenig mit dem Individualvorbringen des Beschwerdeführers beschäftigt. Ahmadis würde in Pakistan Verfolgung drohen. Es würden auch Todesdrohungen gegen Ahmadis ausgesprochen, öffentlich gegen sie aufgehetzt und auch Morde verübt, wofür es zahlreiche Beispiele gebe.

Der Beschwerdeführer beantragte durch seinen Vertreter mit Schriftsatz vom 24.4.2019 dem erkennenden Gericht eine Frist zur Entscheidung zu setzen.

Das erkennende Gericht führte daraufhin am 8.5.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch. Im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer Länderinformationen zu Pakistan übermittelt.,

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine Kopie eines Schulzeugnisses von Juli 2014, ein Foto einer Geburtsurkunde, einen ärztlichen Befund vom 26.4.2019, ein Schreiben eines Arztes vom 13.4.2019 sowie ein Patientenblatt der VGKK vom 2.5.2019 vor. Weiters legte er Kursbestätigungen der Caritas vom 31.1.2018, 12.4.2018, 14.6.2018 und 30.7.2018, ein Konvolut an Fotos des BF, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 vom 8.8.2018, eine Teilnahmebestätigung des WIFI Dornbirn vom 12.11.2018, drei Rechnungen des WIFI Dornbirn, ein Deutschzertifikat A2 vom 6.12.2018 (nicht bestanden), eine Anmeldebestätigung für die Prüfung A2 für November 2018, eine Liste des AMS Vorarlberg mit Lehrlingsberufen, einen Lebenslauf des BF, eine Vormerkung des AMS Dornbirn vom 23.11.2018 sowie Kontaktinformationen eines Unternehmens vor. Ebenso vorgelegt wurden Nachweise von Spenden an die Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich, ein Schreiben der Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich, dass der BF ein aktives Mitglied der Ahmadi-Gemeinschaft sei, ein Konvolut an Fotos von Reinigungsarbeiten sowie ein Foto eines Grabsteines. Aus den ebenfalls vorgelegten Berichten in englischer Sprache über die allgemeine Lage von Ahmadis in Pakistan geht im Wesentlichen hervor, dass es immer wieder zu Übergriffen und Mordanschlägen auf Ahmadis komme. Drei Angehörige der Ahmadiyya-Religion seien wegen Verstoßes gegen die Blasphemiegesetze zum Tode verurteilt worden. Die United States Commission on International Religious Freedom bezeichne die Blasphemiegesetze als einen Angriff auf die Menschenrechte und Würde. Politiker würden öffentlich gegen Ahmadis auftreten. In Militär und Justiz würden Ahmadis benachteiligt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Ahmadi (Ahmadiyya Muslim Jamaat) und zur Volksgruppe der Punjabi. Seine Muttersprache ist Urdu. Der Beschwerdeführer wurde in Rabwah (Chenab Nagar) in der Provinz Punjab geboren und hat bis zu seiner Ausreise in Rabwah, zuletzt im Ortsteil XXXX , Dorf XXXX gelebt. Dort lebte er gemeinsam mit seinen Eltern und fünf Brüdern, die alle nach wie vor dort wohnen, in einem Eigentumshaus. Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre lang die Schule und arbeitete kurze Zeit als Elektriker. In der Ahmadi-Gemeinschaft in seinem Bezirk in Rabwah war der Beschwerdeführer für die Erfassung der personenbezogenen Daten der Jugendlichen zuständig. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet in einem privaten Büro als Hilfsarbeiter bzw. Hausmeister, seine Mutter arbeitet in einer Schule.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 15.7.2017 in Österreich. Er reiste illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer leidet an Hepatitis B sowie einer Anpassungsstörung mit vorherrschender Störung von anderen Gefühlen und zeigt Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich. Er lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft. Er hat österreichische Freunde, intensiver Kontakt zu Österreichern war nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie in Pakistan.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich mehrere Deutschkurse sowie einen Kurs des Österreichischen Integrationsfonds zu Sprachkompetenzen und Werte- und Orientierungswissen besucht. Er hat ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1 erworben. Weiters hat er einen Deutschkurs A2 besucht, die Prüfung jedoch nicht bestanden. Der Beschwerdeführer kann einfache Fragen auf Deutsch beantworten. Der Beschwerdeführer wurde vom AMS Dornbirn zur Arbeitssuche vorgemerkt und besuchte Seminare zu Lehrstellen. Mit einer Gruppe von weiteren Angehörigen der Ahmadiyya-Religion führte er Reinigungsarbeiten in Österreich durch. Er nahm an Veranstaltungen des Vereins Ahmadiyya Muslim Jamaat Österreich teil. Der Beschwerdeführer ist gerichtlich unbescholten und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist als Zeitungszusteller mit einem Einkommen von monatlich 800 - 900 Euro tätig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10.2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2017a).

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2017a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2017a).

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10.2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10.2017a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2017a).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10.2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205010, Zugriff 8.3.2018

- AJ - Al Jazeera (13.4.2018): Pakistani court bans ex-PM Nawaz Sharif from parliament for life, https://www.aljazeera.com/news/2018/04/pakistani-court-bans-pm-nawaz-sharif-parliament-life-180413072707795.html, Zugriff 14.5.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (23.2.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 8.3.2017

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- Geo.tv (16.5.2018): KP Assembly seats to increase to 147 after FATA merger: draft bill, https://www.geo.tv/latest/195723-kp-assembly-seats-to-increase-to-147-after-fata-merger-reveals-draft-bill, Zugriff 1.6.2018

- Geo.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP, https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoon-signs, Zugriff 1.6.2018

- Nation, The (19.11.2017): Understanding the Faizabad sit-in, https://nation.com.pk/19-Nov-2017/understanding-the-faizabad-sit-in, Zugriff 16.5.2018

- Nation, the (27.5.2018): KP Assembly approves Fata merger bill, https://nation.com.pk/27-May-2018/kp-assembly-approves-fata-merger-bill, Zugriff 1.6.2018

- NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730, Zugriff 29.5.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

- Samaa (20.12.2017): Govt to complete its term; elections to be held in July 2018: PM, https://www.samaa.tv/pakistan/2017/12/govt-complete-term-elections-held-july-2018-pm/, Zugriff 26.4.2018

- TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting, https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-shows-new-census/, Zugriff 9.5.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Punjab und Islamabad

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 21.6.2018

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

- ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- Reuters (14.3.2018): Suicide blast targeting police kills seven in eastern Pakistani city of Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-blast-targeting-police-kills-seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 20.10.2017).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechts¬verletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst. In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) haben die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine Geltung (AA 10.2017a).

Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung Pakistan sich verpflichtet hat (AA 20.10.2017). Sicherheitskräfte waren im gesamten Land in erzwungenes Verschwinden und extralegale Tötungen verwickelt (HRW 18.1.2018).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen, Folter, fehlende Rechtsstaatlichkeit, schlechte Ausführung und Durchsetzung der Gesetze; häufige Mob-Gewalt und Selbstjustiz bleiben meist straffrei. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem willkürliche Haft, lange Untersuchungshaft, Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte unterer Instanzen, häufige Verletzung der privaten Bürgerrechte, Angriffe und Schikanen von Medienvertretern, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit von Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung blieben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, staatlich oder nicht-staatlich. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 10.1.2017).

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

Gemäß der Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIED) wurden im Zeitraum 2011 bis 30.4.2018 4.929 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.269 Fälle abgeschlossen; 1.822 Fälle sind noch offen (DPG 7.5.2018). Stand 30.12.2017 waren 4.608 Fälle angezeigt, davon 3.076 abgeschlossen und 1.532 offen (HRCP 4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), davon 867 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 4.2018). HRCP berichtet über 728 Personen, die 2016 als vermisst gemeldet wurden, die höchste Zahl seit mindestens sechs Jahren (HRCP 5.2017). Im Jahr 2017 gingen 868 neue Fälle vermisster Personen ein, während im selben Jahr 555 Fälle abgeschlossen wurden (HRCP 4.2018).

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Im März 2017 wurde vom Parlament ein Verfassungszusatz beschlossen, wonach geheime Militärgerichte zur Verhandlung gegen Terrorismusverdächtige für weitere zwei Jahre zugelassen sind (HRW 18.1.2018).

Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten "police encounters" vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Aufständischen oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" kamen 2016 landesweit hunderte Personen bei "police encounters" ums Leben. Demnach sprach die Polizei im Punjab von 340 Getöteten bei "encounters", die Polizei im Sindh zählte 248 Tote. Für die anderen Provinzen und territorialen Einheiten lagen die Zahlen bei 229 (Belutschistan), 315 (FATA - Federally Administered Tribal Areas), 40 (Khyber Pakhtunkhwa) und vier (Gilgit-Baltistan) Getöteten. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht. Die Familien der Opfer, die meist den ärmeren Bevölkerungsschichten angehören, wagen entweder nicht, die Version der Polizei in Frage zu stellen, oder haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, gerichtlich gegen die Beamten vorzugehen (AA 20.10.2017).

In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 20.10.2017).

Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 20.10.2017).

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Das Gesetz zur nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sah Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wieder eingerichtet (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html, Zugriff 19.4.2018

- DPG - Daily Pakistan Global (7.5.2018): 3,269 missing persons cases disposed off, confirms commission on enforced disappearances, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/3269-missing-persons-cases-disposed-off-confirms-commission-on-enforced-disappearances/, Zugriff 8.5.2018

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf, Zugriff 22.3.2018

- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

- HRW - Human Rights Watch (10.1.2017): Pakistan: Bloggers Feared Abducted - Government Needs to Investigate, Protect Journalists and Activists, http://www.ecoi.net/local_link/334582/476326_de.html, Zugriff 19.4.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/pakistan, Zugriff 15.3.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

Religionsfreiheit

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch [vgl. CIA 14.3.2018: 96,4 %; USDOS 15.8.2017: 95 %], 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 14.3.2018) und USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Anhänger (USDOS 15.8.2017).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 15.8.2017). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken für religiöse Minderheiten die Religionsfreiheit ein (USDOS 20.4.2018). Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent war und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien. Vertreter religiöser Minderheiten erklären, dass das neue Gesetz der Provinzversammlung von Sindh gegen Zwangskonvertierungen, das im November 2016 beschlossen wurde, Zwangskonvertierungen unterbindet und Minderjährige, die religiösen Minderheiten angehören, besser schützen könne. (USDOS 15.8.2017).

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus - sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime aner

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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