TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/30 96/19/0821

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Veröffentlicht am 30.01.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/19/0530 E 8. Mai 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1954 geborenen FJ in N, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 1996, Zl. 110.771/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 26. April 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Zimmermann an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 17. August 1994 den Antrag gemäß § 9 Abs. 3 AufG wegen Erreichung der Höchstzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994 ab.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, geschäftsführender Gesellschafter einer Ges.m.b.H zu sein, wobei das Stammkapital der Gesellschaft S 500.000,--, seine Stammeinlage S 130.000,-- betrage. Zur Wahrnehmung seiner Tätigkeit für die Firma müsse er sich, ungeachtet seines in der Slowakei liegenden und auch verbleibenden Wohnsitzes, immer wieder in Österreich aufhalten. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 1995 brachte der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der näher bezeichneten Ges.m.b.H vor, daß diese in der Aquisition, der Planung und Durchführung von Zimmermannsarbeiten bestehe und der Tätigkeit der übrigen Gesellschafter entspreche.

Im Akt erliegt sodann eine Anzeige nach § 28 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), aus der hervorgeht, daß der Beschwerdeführer am 11. Jänner 1994 bei der Errichtung eines Dachstuhles betreten wurde, ohne eine gültige Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein zu besitzen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Jänner 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Beschwerdeführer am 11. Jänner 1994 auf einer Baustelle in Wien von Organen des Landesarbeitsamtes Wien bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten wurde. Aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers sei ersichtlich, daß dieser seinen erlernten Beruf eines Zimmermannes im Rahmen der näher bezeichneten Ges.m.b.H ausüben wolle. Unabhängig vom Vorbringen in der Berufung sei von entscheidender Bedeutung, wie die vom Beschwerdeführer angeführte Werktätigkeit zu beurteilen sei. Nach Wiedergabe der §§ 5 AufG sowie 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und § 2 Abs. 4 AuslBG meinte die belangte Behörde, es stehe somit fest, daß es sich im konkreten Fall um eine beschäftigungsbewilligungspflichtige Tätigkeit handle. Die Gründung der Gesellschaft stelle nach den vorliegenden Unterlagen ein Scheingeschäft dar, mit dem der Beschwerdeführer seinen weiteren Aufenthalt in Österreich ermöglichen wollte. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits erkannt, daß die Eingehung eines solchen Scheingeschäftes ein Aufenthaltsverbot rechtfertige. Sei sogar ein Aufenthaltsverbot zulässig, so sei davon auszugehen, daß umsomehr die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vorlägen. Es lägen daher keine Gründe vor, die die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtfertigen würden. Vielmehr gefährde die Vorgangsweise des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und sei den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

§ 2 Abs. 2 und 4 AuslBG lauten:

"§ 2.

...

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

a)

in einem Arbeitsverhältnis,

b)

in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

              c)              in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeit nach § 3 Abs. 5,

d)

nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)

überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

...

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 %

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."

Die belangte Behörde hat erstmals vom Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221).

Dieses Gebot, dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet. Dieser Verfahrensfehler wird in der Beschwerde zutreffend gerügt. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, die belangte Behörde habe bezüglich ihrer Ansicht, es handle sich um ein Scheingeschäft kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sie die Verpflichtung gehabt, den Beschwerdeführer mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu konfrontieren und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen. Die Ansicht, es handle sich um ein Scheingeschäft, sei völlig aus der Luft gegriffen. Der Beschwerdeführer bestritt die Umgehungsabsicht bei der Gesellschaftsgründung und wies darauf hin, für die Annahme der Behörde in diese Richtung würden keinerlei Anhaltspunkte bestehen.

Dieses Vorbringen zeigt die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in tauglicher Weise auf, weil sie unter Bedachtnahme auf das wiedergegebene Vorbringen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dem Bescheid ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Fakten die belangte Behörde zur Ansicht kommt, daß es sich bei der vom Beschwerdeführer geplanten Tätigkeit um eine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG handelt.

Sollte die belangte Behörde ihre Ansicht auf die "Feststellungen" im angefochtenen Bescheid stützen wollen, wonach der Beschwerdeführer auf einer Baustelle bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei, so ist dazu zu bemerken, daß diese Feststellungen nicht einmal dafür ausreichen, um die Vermutung des § 2 Abs. 4 Z. 2 AuslBG für das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. zu begründen. Dies deshalb, weil aus dieser Bescheidfeststellung nur ableitbar ist, daß der Beschwerdeführer bei irgendeiner "illegalen" Beschäftigung betreten wurde, nicht aber, welcher Art diese Beschäftigung war. Aus dieser unbestimmten Sachverhaltsannahme der belangten Behörde allein ist nicht ableitbar, daß vom Beschwerdeführer für die Gesellschaft Arbeitsleistungen erbracht werden, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden.

Selbst wenn aber die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 AuslBG gegeben wären und die (unwiderlegte) Vermutung nach dieser Gesetzesbestimmung für das Vorliegen einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gegeben wäre, rechtfertigte dieser Umstand für sich allein noch nicht die Annahme, der Beschwerdeführer sei das Gesellschaftsverhältnis zivilrechtlich nur zum Schein eingegangen. Das Vorliegen eines Scheingeschäftes würde vielmehr voraussetzen, daß der Beschwerdeführer entgegen seiner Erklärung im Gesellschaftsvertrag keine Gesellschaft, sondern in Wahrheit ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Vertragspartner eingehen wollte und dies dem anderen Vertragsteil auch bekannt war. Gesetzliche Vermutungen, die für einen solchen Sachverhalt sprächen, bestehen nicht. Nur die mit der Eingehung eines Scheingeschäftes verfolgte Absicht, Dritte (insbesondere Behörden) über das in Wahrheit Gewollte zu täuschen, rechtfertigte nach der von der belangten Behörde zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/1471).

Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den Ersatz von Stempelgebühren, da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996190821.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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