TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/28 L509 1421575-4

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Entscheidungsdatum

28.05.2019

Norm

AsylG 2005 §56
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
FPG §61
VwGVG §32

Spruch

L509 1421575-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 12.09.2017 des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Dr. Herbert POCHIESER, zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 16.07.2010 brachte der (nunmehrige) Wiederaufnahmewerber (Ww) einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2011, Zl. 1006.242-BAW, abgewiesen und dem Ww weder der Status eines Asylberechtigten noch der eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Gleichzeitig wurde der Ww aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Der dagegen eingebrachten Beschwerde an den Asylgerichtshof (AsylGH) wurde nicht Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung mit Erkenntnis des AsylGH vom 22.11.2012, GZ E10 421575-1/2011/33E, vollinhaltlich bestätigt. Die Behandlung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem mit 14.06.2014 abgelehnt.

2. Der Ww hat am 15.09.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG 2005 gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.10.2016 gemäß § 56 AsylG abgewiesen und gegen den Ww gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunk I.). Mit Spruchpunkt II. wurde die Abschiebung des Ww in die Türkei gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt und gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt III.). Mit Spruchpunkt IV. wurde der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Begründung wurde zusammengefasst festgestellt, dass der Ww die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 nicht erfülle.

3. Das BVwG hat der Beschwerde gegen den unter 2. genannten Bescheid mit Erkenntnis vom 01.03.2017, GZ W268 1421575-3/4E, teilweise nicht Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung in den Spruchpunkten I. und II. bestätigt. Damit wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen und die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung und Feststellung, dass die Abschiebung des Ww in die Türkei zulässig ist, als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde hingegen ersatzlos behoben und gemäß § 61 Abs. 3 FPG die Durchführung der Abschiebung des Ww bis zur rechtskräftigen Erledigung des in Österreich zu AZ 311 HR 3/14w anhängigen Auslieferungsverfahrens gemäß § 13 ARHG aufgeschoben. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Es wurde in der Begründung des Erkenntnisses als erwiesen angesehen, dass der Ww das gemäß § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erforderliche Tatbestandsmerkmal eines mindestens dreijährigen rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich nicht erfüllte und festgestellt, dass durch die Rückkehrentscheidung kein Eingriff in das Recht des Ww auf Privat- und Familienleben vorliegt. Dabei wurde erhebliches fremdenrechtliches Fehlverhalten konstatiert, das durch die integrativen Leistungen des Ww - der Ww verfügte durch die Ehefrau in Österreich über familiäre Interessen, hatte keine staatlichen Leistungen in Anspruch genommen und beherrscht Grundkenntnisse in der deutschen Sprache - nicht aufgewogen werden konnte. Der Ww sei trotz einer rechtskräftigen Ausweisung bewusst über vier Jahre widerrechtlich in Österreich verblieben. Seit der Erlassung des Erkenntnisses des AsylGH vom 22.11.2012 hätten sich keine relevanten Änderungen in der allgemeinen Lage im Herkunftsland oder im Hinblick auf die persönliche Situation des Ww ergeben, so dass die Abschiebung in die Türkei als zulässig erkannt wurde. Inwieweit die Tatsache der Verurteilung des Ww in der Türkei zu berücksichtigen ist, sei Gegenstand des laufenden Auslieferungsverfahrens, welches bei den Justizbehörden behängt und dem jedenfalls Vorrang gegenüber anderen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach dem Asylgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz zukäme. Aus diesem Grunde sei auch Durchführungsaufschub zu gewähren.

Das Erkenntnis W268 1421575-3/4E vom 01.03.2017 wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Ww am 07.03.2017 im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt und ist damit rechtskräftig.

4. Mit Schriftsatz vom 12.09.2017 stellte der Ww durch seinen bevollmächtigten anwaltlichen Vertreter den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG. Der Antrag wurde damit begründet, dass die von der Republik Türkei mit Auslieferungsersuchen der Leitenden Staatsanwaltschaft XXXX vom 09.10.2013 begehrte Auslieferung des Ww zur Strafvollstreckung wegen der mit Urteil des dritten Schwurgerichts XXXX erfolgten Verurteilung für nicht zulässig erklärt und seine Auslieferung abgelehnt worden sei. Grund für die Ablehnung sei gewesen, dass dem Ww bei Auslieferung eine Art. 3 EMRK widersprechende Haft droht. Es wurde beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Antrag vom 15.09.2016 zu bewilligen, den Bescheid vom 01.03.2017 (gemeint: Erkenntnis vom 01.03.2017), GZ W268 1421575-3/4E zu beheben und dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen Folge zu geben.

4. Die Rechtssache wurde beim BVwG zunächst der Gerichtsabteilung W268 zugewiesen, dieser jedoch nach Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20.10.2017 abgenommen und der Gerichtsabteilung L513 zugewiesen. Dieser wurde die gegenständliche Rechtssache nach neuerlicher Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 07.08.2018 abgenommen und der Gerichtsabteilung L509 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Gegenstand des Verfahrens ist die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unbestrittenen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

3.2. Zum Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen ist in § 56 AsylG 2005 festgelegt:

"Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand."

3.3. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 mangels Voraussetzungen im erstinstanzlichen Verfahren abgewiesen. Die Ablehnung eines Auslieferungsbegehrens gemäß § 19 ARHG ist keine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005. Der Ww hat zwar eine neue Tatsache geltend macht, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG noch nicht vorgelegen war bzw. konnte er diese auch nicht geltend machen. Jedoch kann diese Tatsache nicht zur Wiederaufnahme dieses Verfahrens führen, da sie keine Voraussetzung für ein Erteilungsverfahren nach § 56 ASylG 2005 bildet, worauf auch schon im Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017 hingewiesen wurde. Bei Berücksichtigung dieser Tatsache wäre in Ansehung des § 56 AsylG 2005 somit keine anderslautende Entscheidung zu treffen. Durch die mit Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017, GZ W268 1421575-3/4E, verfügte Aufschiebung der Durchführung der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 3 FPG wurde der Aufenthalt des Ww nicht rechtmäßig. Die vom Ww geltend gemachte neue Tatsache stellt allenfalls einen Grund dar, der im Rahmen eines Antrags auf internationalen Schutz zu prüfen ist. Der Wiederaufnahmewerber hat am 01.12.2017 einen solchen (Folge-)Antrag gestellt (GZ: L509 1421575-5). Somit wäre im Hauptinhalt des Spruches im hier maßgeblichen Erkenntnis des BVwG vom 01.03.2017, GZ W268 1421575-3/4E keine anderslautende Entscheidung zu erwarten. Der Antrag war daher abzuweisen.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

4.1. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, da kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde und die Aktenlage klar und unstrittig ist, sodass die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L509.1421575.4.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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