TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/31 L525 2219063-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2019
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Entscheidungsdatum

31.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L525 2219063-1/4E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.4.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsbürger, stellte am 12.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 14.11.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an er habe politische Gründe, Verfolgung durch die Partei MKM. Der Vater sei ebenfalls durch die MKM getötet worden. Im Falle seiner Rückkehr in die Heimat befürchte er, dass die MKM Partei ihn umbringen werde.

Der Beschwerdeführer wurde am 15.5.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Befragt wie er sich psychisch und physisch fühle führte der Beschwerdeführer aus, es gehe ihm sehr schlecht. Es gebe medizinische Befunde, die er vorliegen könne. Es sei ihm Blut abgenommen worden, er könne die Einvernahme heute nicht absolvieren. Der Beschwerdeführer legte diverse Befunde vor.

Mit Mail vom 12.9.2018 übermittelte der nunmehrige Vertreter des Beschwerdeführers einen Zwischenbefund, wonach der Beschwerdeführer an Hepatitis C leide.

Das BFA versuchte am 27.9.2018 abermals den Beschwerdeführer niederschriftlich einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer führte aus er sei am 17.9.2018 beim Arzt gewesen. Dieser habe gesagt, sie würden jetzt mit seiner Behandlung anfangen. Nachgefragt konnte der Beschwerdeführer nicht angeben um welche Behandlung es sich nunmehr handle. Die Einvernahme konnte abermals nicht durchgeführt werden, da der Beschwerdeführer angab, er habe große Schmerzen. Der Beschwerdeführer legte abermals ein Konvolut an Befunden vor wonach der Beschwerdeführer weiterhin an Hepatitis C, neuerdings auch an Hepatopathie und einer krankhaften Schwellung der Lymphknoten leide.

Mit Schriftsatz vom 7.11.2018 legte der Beschwerdeführer abermals medizinische Unterlagen vor, wonach nunmehr mit einer Hepatitis C Therapie begonnen werde, die Therapie gegen die bestehende Tuberkulose erst im Anschluss nach der erfolgreichen Therapie gegen die Hepatitis C.

Mit abermaligem Schriftsatz vom 26.12.2018 legte der Beschwerdeführer abermals verschiedene Unterlagen zu seiner gesundheitlichen Situation vor, darunter ein Schreiben eines Allgemeinmediziners, wonach der Beschwerdeführer am 14.11.2018 bei ihm in der Ordination gewesen sei und er aufgrund seiner Erkrankung körperliche Schonung empfohlen habe und eine Ladung der MA 15, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner behandlungsbedürftigen Tuberkulose zu einer Niederschrift komme müsse. Zusätzlich führte der Beschwerdeführer im Schriftsatz aus, er habe nicht lediglich aus gesundheitlichen Gründen den gegenständlichen Asylantrag gestellt, sondern sei sein Leben aufgrund der Änderung der politischen Situation in Pakistan gefährdet. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe hätten zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Erledigung des Vorverfahrens nicht bestanden. Außerdem sei die menschenrechtliche Situation in Pakistan äußerst besorgniserregend. Allenfalls wäre aufgrund des Fehlens eines sozialen bzw. familiären Auffangnetzes für den Antragsteller in seinem konkreten Einzelfall subsidiärer Schutz zu gewähren. Außerdem sei der Beschwerdeführer bereits ausgezeichnet integriert in Österreich, bemühe sich die deutsche Sprache zu erlernen und habe schon intensive soziale bzw. familiäre Kontakte geknüpft.

Am 29.1.2019 gelang es dem BFA nunmehr den Beschwerdeführer niederschriftlich einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer gab an seine Muttersprache sei Punjabi, er spreche aber auch Urdu. Er könne der Einvernahme folgen, aber er sei krank. Er habe Befunde aus dem Krankenhaus. Befragt, ob er derzeit in medizinischer Behandlung sei bzw. ob Untersuchungen ausständig seien, antwortete der Beschwerdeführer, dass er derzeit in Behandlung stehe. Er habe Tuberkulose. Am 4.2.2019 werde er wegen seiner Tuberkulose behandelt. Ihm sei gesagt worden, seine Tuberkulose sei nicht ansteckend, er habe auch Hepatitis C. Er lebe in keiner Lebensgemeinschaft und habe auch sonst keine Verwandten in Österreich. Er gehöre keinen Vereinen und keinen sonstigen Organisationen an. Er bleibe zuhause und mache nichts, er habe keine Bildung. Er bekommen Unterstützung von der Caritas. Er versuche die Sprache zu lernen aber er sei sehr ungebildet. Befragt wie er sich sein Leben in Österreich vorstelle, führte der Beschwerdeführer aus, es gefalle ihm in Österreich, die Leute seien sympathisch. Das Land gefalle ihm, deshalb habe er einen Asylantrag gestellt. Er habe in Pakistan als Arbeiter gearbeitet. Er habe drei Onkel in Pakistan, aber keinen Kontakt mit ihnen. Er stehe aber mit einem Freund in Verbindung. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, nach einem Streit seines Chefs mit anderen über Geld, sei der Chef und der Leibwächter erschossen worden. Die Leute der MQM Partei hätten dann zum Chef gesagt, dass der Beschwerdeführer nie wieder zu den Behörden gehen müsste um auszusagen. Der Chef habe dann gesagt es sei ein Fehler gewesen, dass der Beschwerdeführer ausgesagt habe. Nach einem Monat sei dann eine Ladung zu einer Gerichtsverhandlung gekommen. Der Chef habe ihm dann gesagt, er solle das Land verlassen.

Die belangte Behörde holte eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren ein, welches mit 15.2.2019 datiert ist. Die medizinische Gutachterin kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer über eine Anpassungsstörung F 43.21 leide, in physischer Hinsicht an Tuberkulose und Hepatitis C. Im Falle der Überstellung nach Pakistan müssten die Medikamente fortlaufend und ununterbrochen weitergegeben werden, um ein Wiederaufflammen und damit die Gefahr des ernsten bis lebensbedrohlichen Verlaufes der Tuberkulose zu minimieren. Am Zielort der Überstellung müssten folgende Medikamente niederschwellig erhältlich sein: Eremfat Filmtabletten, 1-0-0-0, Etibi (500) 2-0-0-0, Oleovit Tropfen und Neurobion Ftbl.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.4.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend stellte die belangte Behörde zunächst fest, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Der Beschwerdeführer leide an Hepatitis C und Tuberkulose, jedoch würden für diese Krankheiten in Pakistan ausreichend Behandlungsmöglichkeiten bestehen. Das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft und sei vom Beschwerdeführer äußerst vage und widersprüchlich gewesen. Vorbringen, das die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, sei nicht erstattet worden. Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen würden seien nicht hervorgekommen und habe kein schützenswertes Privat- und Familienleben festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer erhob durch seinen Vertreter Beschwerde und führte aus, der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Namen einer der getöteten Personen nicht nennen konnte und eine Verwechslung zwischen September 2015 und September 2014 widerlege noch nicht den Kern der Fluchtgeschichte, die Verfolgung aus politischen Gründen. Die Erkrankungen, nämlich Hepatitis C und die Tuberkulose, würden eine konsequente medizinische Betreuung erfordern, auf die der Beschwerdeführer in seinem Heimatland nicht rechnen könne.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde und die Akten des Verfahrens vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Erkenntniskopf angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsbürger, der Beschwerdeführer ist ledig und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Punjabi an. Der Beschwerdeführer verfügt über Verwandtschaft in Pakistan und hat bereits als Arbeiter und Reinigungskraft gearbeitet.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2015 in Österreich, der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten oder andere Angehörige. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine nennenswerten sozialen Kontakte, der Beschwerdeführer lebt mit anderen Landsleuten zusammen. Der Beschwerdeführer besucht in Österreich keinen Deutschkurs und spricht nicht Deutsch. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einer Organisation oder einem Verein. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer leidet an Lymphknotentuberkulose, Hepatitis C und einer Anpassungsstörung F 43.21.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Die seitens der belangten Behörde verwendeten Länderfeststellungen entstammen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Pakistan mit Stand vom 6.3.2019 und werden hier auszugsweise wiedergegeben:

1. Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Pakistan (S 261-265), https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf, Zugriff 8.5.2018

1.1. Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

1.2. Punjab und Islamabad

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 21.6.2018

- Dawn (28.11.2017): An overview of the crisis that forced the government to capitulate, https://www.dawn.com/news/1373200/an-overview-of-the-crisis-that-forced-the-government-to-capitulate, Zugriff 26.4.2018

- EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

- ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 8.5.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March 2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February 2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January 2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Reuters (14.3.2018): Suicide blast targeting police kills seven in eastern Pakistani city of Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/suicide-blast-targeting-police-kills-seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018

2. Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 20.10.2017).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst. In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) haben die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine Geltung (AA 10.2017a).

Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung Pakistan sich verpflichtet hat (AA 20.10.2017). Sicherheitskräfte waren im gesamten Land in erzwungenes Verschwinden und extralegale Tötungen verwickelt (HRW 18.1.2018).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen, Folter, fehlende Rechtsstaatlichkeit, schlechte Ausführung und Durchsetzung der Gesetze; häufige Mob-Gewalt und Selbstjustiz bleiben meist straffrei. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem willkürliche Haft, lange Untersuchungshaft, Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte unterer Instanzen, häufige Verletzung der privaten Bürgerrechte, Angriffe und Schikanen von Medienvertretern, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit von Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung blieben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, staatlich oder nicht-staatlich. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 10.1.2017).

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

Gemäß der Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIED) wurden im Zeitraum 2011 bis 30.4.2018 4.929 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.269 Fälle abgeschlossen; 1.822 Fälle sind noch offen (DPG 7.5.2018). Stand 30.12.2017 waren 4.608 Fälle angezeigt, davon 3.076 abgeschlossen und 1.532 offen (HRCP 4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), davon 867 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 4.2018). HRCP berichtet über 728 Personen, die 2016 als vermisst gemeldet wurden, die höchste Zahl seit mindestens sechs Jahren (HRCP 5.2017). Im Jahr 2017 gingen 868 neue Fälle vermisster Personen ein, während im selben Jahr 555 Fälle abgeschlossen wurden (HRCP 4.2018).

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Im März 2017 wurde vom Parlament ein Verfassungszusatz beschlossen, wonach geheime Militärgerichte zur Verhandlung gegen Terrorismusverdächtige für weitere zwei Jahre zugelassen sind (HRW 18.1.2018).

Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten "police encounters" vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Aufständischen oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" kamen 2016 landesweit hunderte Personen bei "police encounters" ums Leben. Demnach sprach die Polizei im Punjab von 340 Getöteten bei "encounters", die Polizei im Sindh zählte 248 Tote. Für die anderen Provinzen und territorialen Einheiten lagen die Zahlen bei 229 (Belutschistan), 315 (FATA - Federally Administered Tribal Areas), 40 (Khyber Pakhtunkhwa) und vier (Gilgit-Baltistan) Getöteten. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht. Die Familien der Opfer, die meist den ärmeren Bevölkerungsschichten angehören, wagen entweder nicht, die Version der Polizei in Frage zu stellen, oder haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, gerichtlich gegen die Beamten vorzugehen (AA 20.10.2017).

In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 20.10.2017).

Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 20.10.2017).

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Das Gesetz zur nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sah Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wieder eingerichtet (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html, Zugriff 19.4.2018

- DPG - Daily Pakistan Global (7.5.2018): 3,269 missing persons cases disposed off, confirms commission on enforced disappearances, https://en.dailypakistan.com.pk/headline/3269-missing-persons-cases-disposed-off-confirms-commission-on-enforced-disappearances/, Zugriff 8.5.2018

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf, Zugriff 22.3.2018

- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

- HRW - Human Rights Watch (10.1.2017): Pakistan: Bloggers Feared Abducted - Government Needs to Investigate, Protect Journalists and Activists, http://www.ecoi.net/local_link/334582/476326_de.html, Zugriff 19.4.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Pakistan, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/pakistan, Zugriff 15.3.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

3. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der [ehem.] FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde in den Jahren 2016 und 2017 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie militärische Operationen und Naturkatastrophen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von Frauen, Transgenderpersonen und bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. Der Zugang zu Gebieten in den [ehem.] FATA, wo die Armee Operationen gegen Aufständische durchführte, war eingeschränkt (HRCP 4.2018; vgl. HRCP 5.2017).

In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 20.10.2017).

In Anbetracht der tief in der Gesellschaft verwurzelten Aversion gegen die religiöse Minderheit der Ahmadis sei es unmöglich, dass diese einer Verfolgung durch einen Wohnortwechsel innerhalb Pakistans entkommen würden (ÖB 10.2017). Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie dort für ihre Gegner sichtbar sind. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 20.10.2017).

Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazara (ca. drei Millionen), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazara nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 20.10.2017).

Auszuschließen ist eine innerstaatliche Fluchtalternative für Personen, die von nicht-staatlichen Akteuren (vor allem terroristischen Gruppierungen) verfolgt werden und bei einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Blasphemiegesetze. Letzteres kann analog auch auf andere ähnliche Sachverhalte und Verfolgungsgründe wie z.B. sexuelle Orientierung angewandt werden (ÖB 10.2017). Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen innerstaatliche Fluchtalternativen in humanitären Notfällen und im Falle von Kampfhandlungen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, Khyber Pakhtunkhwa, und New Durrani, ehem. FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisationen zufolge als besorgniserregend dar (ÖB 10.2017).

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 20.10.2017). Grundsätzlich ist eine Einzelfallprüfung für die Feststellung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative notwendig (ÖB 10.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.

- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017, http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-2017.pdf, Zugriff 20.4.2018

- ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2017): Asylländerbericht - Pakistan 2017

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights Practices for 2017 - Pakistan, https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf, Zugriff 23.4.2018

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- Grundversorgung und Wirtschaft

Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23,8 Jahren angenommen und der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 14.3.2018).

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung (AA 10.2017c).

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 10.2017c).

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption. Die Sicherheitslage hat sich über die vergangenen Jahre verbessert und auch bei der Bekämpfung der Energiekrise kann die Regierung Erfolge vorweisen (AA 10.2017c).

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 10.2017c).

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund 5 bis 7 % des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa USD 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich USD 133 Millionen aufgrund von Korruption verliert (Dawn 1.4.2016).

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar wurden die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

Die Wirtschaftskammer Österreich gibt für das Jahr 2016 rund 60,6 % der pakistanischen Bevölkerung [im erwerbsfähigen] Alter zwischen 15 und 64 Jahren an. Ca. 68 Millionen Pakistani waren Erwerbspersonen (WKO 10.2017). Die Arbeitslosenquote wird von unterschiedlichen Quellen zwischen 6,0 und 6,2 % angegeben (WKO 10.2017, CIA 12.1.2017, Statista 2018). Lt. WKO lag im Jahr 2016 die Jugendarbeitslosigkeit (Altersgruppe 15-24 Jahre) bei 10,8 % (WKO 10.2017), CIA gibt diese für das Jahr 2014 mit 8,6 % an (8 % bei Männern, 10 % bei Frauen) (CIA 14.3.2018).

CIA hält fest, dass die Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 14.3.2018). Unter Nichtbetrachtung der Landwirtschaft sind 72,6 % der Beschäftigten im informellen Sektor tätig, wobei der Anteil des informellen Sektors in urbanen Gebieten (69,2 %) niedriger ist als im ländlichen Raum (76,1 %). Etwa 30 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem und hunderttausende Pakistani sind in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig, insbesondere in der Landwirtschaft im Sindh und in Ziegelöfen im Punjab und in Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 5.2017).

Unterstützt werden Arbeitssuchende vom Tameer-e-Pakistan Programm, einer Armutsbekämpfungsmaßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen; unter Anderem durch Unterstützung arbeitsintensiver Klein- und Mittelbetriebe (IOM 2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Pakistan, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 26.3.2018

- BMZ - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Pakistan Situation und Zusammenarbeit https://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/pakistan/zusammenarbeit/index.html , Zugriff 26.3.2018

- CIA - Central Intelligence Agency (14.3.2018): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.3.2018

- Dawn (1.4.2016): Pakistan losing $133 million daily to corruption, https://www.dawn.com/news/1249119, Zugriff 26.3.2018

- Dawn (11.11.2016): Institutions and development, https://www.dawn.com/news/1295551, Zugriff 26.3.2018

- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-2016.pdf, Zugriff 21.3.2018

- IOM - International Organization of Migration (2017): Country Fact Sheet Pakistan, https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/pakistan-2017, Zugriff 26.3.2018

- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS - 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 8.5.2018

- Statista (2018): Pakistan: Arbeitslosenquote von 2007 bis 2017, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323110/umfrage/arbeitslosenquote-in-pakistan/, Zugriff 26.3.2018

- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2017): Länderprofil Pakistan, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-pakistan.pdf, Zugriff 26.3.2018

21.3 Rückkehrhilfe und -projekte

Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 20.10.2017).

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten.(IOM 18.9.2017). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückk

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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