TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/31 L525 2193749-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2019
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Entscheidungsdatum

31.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs4

Spruch

L525 2193752-3/4E

L525 2193749-2/4E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , StA: Armenien alias Russische Föderation (prot. zu L525 2193752-3) und 2. mj XXXX , geb. XXXX , StA: Armenien (prot. zu L525 2193749-2), 2. vertreten durch 1., beide vertreten durch Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 18.4.2019, Zl. XXXX (prot. zu L525 2193752-3) bzw. XXXX (prot. zu L525 2193749-2), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des bisherigen Verfahrensganges auf die hg Erkenntnisse vom jeweils 14.5.2018, Zl. L524 2193752-1/8E (betreffend Erstbeschwerdeführerin) bzw. Zl. L524 2193749-1/8E (betreffend Zweitbeschwerdeführer) verwiesen. Mit diesen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Erteilung von internationalem Schutz ab und Rückkehrentscheidung nach Armenien ab. Soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Beschwerdeführer armenische Staatsbürger seien. Die Erstbeschwerdeführerin habe neun Jahre die Grundschule besucht und sei illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der Zweitbeschwerdeführer sei in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer würden mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers im gemeinsamen Haushalt in Österreich wohnen. Der Vater des Zweibeschwerdeführers verfüge über einen Aufenthaltstitel (Daueraufenthalt - EU). Die Erstbeschwerdeführerin habe in Österreich, außer ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn, keine Verwandten und verfüge über keinen Freundeskreis. Die Beschwerdeführer seien gesund und unbescholten und beziehe die Erstbeschwerdeführerin Leistungen aus der Grundversorgung. Hinsichtlich der vorgebrachten Verfolgung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, die Erstbeschwerdeführerin habe eine konkrete Gefährdung nicht glaubhaft vorgebracht und sei der vorgebrachte Ausreisegrund schon mangels konkreter, individueller und ungerechtfertigter Eingriffe von erheblicher Intensität aus der in der GFK genannten Gründen nicht asylrelevant. Aber auch aufgrund der Länderberichte könne nicht davon ausgegangen werden, dass die armenischen Behörden generell bei Übergriffen und Bedrohungen durch Privatpersonen schutzunfähig oder schutzunwillig wären. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, es sei nicht erkennbar, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr Folter, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder Strafe drohen würde bzw. ausgesetzt wäre. Es könne auch nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Armenien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen sei und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Es bestehe auch kein Hinweis auf außergewöhnliche Umstände, die eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Armenien unzulässig machen könnten. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung hielt das Bundesverwaltungsgericht zu den beiden Beschwerdeführern fest, die Beschwerdeführer hätten ihr Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet, als der Aufenthalt ausschließlich durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz vorübergehend legalisiert gewesen sei. Der Aufenthalt sei ungewiss und nicht auf Dauer, sondern auf die Dauer des Verfahrens beschränkt. Der Erstbeschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte habe bereits zu Beginn der Beziehung klar sein müssen, dass der gemeinsame Verbleib in Österreich unsicher gewesen sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei ohnehin erst 21 Monate alt und befinde sich in einem anpassungsfähigen Alter. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers sei armenischer Staatsbürger und wäre eine Niederlassung in Armenien zulässig. Von einer besonders fortgeschrittenen Integration der Erstbeschwerdeführerin könne nicht gesprochen werden. Die Erstbeschwerdeführerin befinde sich seit 2015 in Österreich und hätten keine zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin sprechende Integrationsschritte festgestellt werden können. Weder spreche die Beschwerdeführerin Deutsch noch sei sie erwerbstätig. Der Zweitbeschwerdeführer sei ein nicht einmal zweijähriges Kind, welches sich seit der Geburt in Österreich befinde. Vor allem in Anbetracht seines Alters sei das Erlernen der deutschen Sprache und der österreichischen Kultur bisher nicht möglich gewesen, weswegen die Eingewöhnung in Armenien ohne größere Probleme möglich sein werde.

Die Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

Mit hg Erkenntnis vom 8.6.2018, Zl. L515 2193752-2/3E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 24.3.2018, mit welchem das BFA gegen die Erstbeschwerdeführerin eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in der Höhe von ? 726,- verhängt wurde, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die zu verhängende Mutwillensstrafe ? 500,- beträgt. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es sei erwiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin versucht habe die belangte Behörde hinsichtlich ihrer Staatsbürgerschaft zu täuschen und nahm die Tätigkeit der belangten Behörde mutwillig in Anspruch. Auch hier wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dort angeführten Erwägungen verwiesen.

Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer kamen in weiterer Folge dem Ausreiseauftrag nicht nach und verblieben weiterhin im Bundesgebiet.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 10.4.2019 abermals durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Die Beschwerdeführerin legte ein Zertifikat über die Teilnahme an einem A1 Kurs vom 12.10.2018, ein Zertifikat über die Prüfung A1 vom 17.1.2019, einen Mutter-Kind-Pass und eine ärztliche Bestätigung vom 9.4.2019 vor. Die Beschwerdeführerin gab an, sie sei schwanger und ihr sei oft schwindelig. Sie halte ihre bisher getätigten Angaben vor dem Bundesamt aufrecht, es habe sich nichts geändert. Sie sei damals mit ihrem russischen Pass eingereist, dieser würde sich bei ihrer Mutter befinden. Es gäbe bezüglich ihres Privat- und Familienlebens keine Änderungen. Sie besuche einen Deutschkurs, sie sei noch nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Sie lebe von den Einkünften ihres Mannes, sie beziehe keine Sozialleistungen. Ihr Mann zahle die Miete. Sie habe in Russland die Schule besucht. Sie sei kein Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. Gründe, die für ihre Integration in Österreich sprechen würden, könne sie nicht namhaft machen. Sie verfüge in Österreich über ihren Mann, ihr Kind und die Eltern ihres Mannes. Sie lebe mit ihrem Mann seit drei Jahren im gemeinsamen Haushalt. Sie habe in Armenien keine Angehörigen, ihre Familie sei hier und sie sei schwanger. Sie habe nie in Armenien gelebt und habe dort auch keine Verwandten. Sie sei nicht standesamtlich aber nach dem jesidischen Gesetz verheiratet.

Mit den nunmehr gegenständlichen Bescheiden wurde den Beschwerdeführern kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.). Begründend führte das BFA bei beiden Beschwerdeführern im Wesentlichen aus, die Erstbeschwerdeführerin sei bezüglich ihrer Identität nicht als glaubwürdig anzusehen, dass sie armenische Staatsbürgerin sei, ergebe sich aus der Sprachanalyse und den Angaben der Beschwerdeführerin in ihrem Asylverfahren. Die Verfahren der beiden Beschwerdeführer werde als Familienverfahren geführt, wobei die Außerlandesbringung der beiden Beschwerdeführer ein Eingriff in das Familienleben mit dem Lebensgefährten. Das Familienleben zum Lebensgefährten entstand allerdings zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthaltsstatus unsicher gewesen sei und seien sich alle dieses unsicheren Status auch bewusst gewesen. Es sei darüber hinaus nicht ersichtlich, dass es dem Lebensgefährten nicht zumutbar sei das Familienleben in Armenien aufrecht zu erhalten. Auch sonst führte die Erstbeschwerdeführerin keinerlei Integrationsschritte an, die für einen Verbleib in Österreich sprechen würden. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers stellte die belangte Behörde zwar fest, dass dieser mit seinen Eltern in Österreich ein Familienleben führen würde, es aber auch hier nicht ersichtlich sei, weswegen der Zweitbeschwerdeführer nicht auch in Armenien ein Privatleben mit seinem Vater führen könnte. Hinsichtlich der Verhängung des Einreiseverbotes führte die belangte Behörde aus, die beiden Beschwerdeführer hätten gezeigt, dass sie eben nicht gewillt sind sich den österreichischen Gesetzen zu fügen und diese zu befolgen, was sich bereits daraus zeigt, dass die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung eben nicht nachkamen.

Die Beschwerdeführer erhoben wortgleiche und fristgerechte Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht.

Die belangte Behörde legte die Beschwerden vor und wurde mit Mail vom 27.5.2019 seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mitgeteilt, dass die Beschwerdevorlage am 27.5.2019 vollständig in der Außenstelle Linz einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am im Erkenntniskopf angeführten Datum geboren und trägt den dort angeführten Namen. Die Erstbeschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige. Ihre Identität steht nicht fest. Die Beschwerdeführerin lebt mit einem armenischen Staatsbürger, ihrem Lebensgefährten, und dem Zweitbeschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt. Die Erstbeschwerdeführerin hat eine gewisse Schulbildung genossen, arbeitet nicht und bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers und wieder schwanger. Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund. Der Lebensgefährte verfügt über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU und ist armenischer Staatsbürger. Die Erstbeschwerdeführerin hat einen Deutschkurs A1 abgeschlossen.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde am im Erkenntniskopf angeführten Datum geboren und trägt den dort angeführten Namen. Der Zweitbeschwerdeführer ist armenischer Staatsbürger. Der Zweitbeschwerdeführer lebt mit seiner Mutter und seinem Vater, ein armenischer Staatsangehöriger, im gemeinsamen Haushalt.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Zur Lage in Armenien werden folgende Feststellungen getroffen (diese wurden bereits im angefochtenen Bescheid herangezogen).

Sicherheitslage

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg (1992-94) um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach, halten armenische Verbände etwa 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt. Im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen mussten ca. eine Million Menschen ihre angestammte Heimat verlassen, überwiegend Aserbaidschaner, aber auch bis zu 200.000 Armenier. An der Waffenstillstandslinie kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Trotz der seit 1994 laufenden Vermittlungsbemühungen der Ko-Vorsitzstaaten (USA, Russland, Frankreich) der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und regelmäßiger Treffen der Außenminister Armeniens und Aserbaidschans bzw. der beiden Staatspräsidenten ist eine Lösung des Konflikts um Nagorny Karabach weiterhin nicht in Sicht (AA 3.2017a).

Bei heftigen Gefechten vom 2.4 bis 5.4.2016, den schwersten seit 22 Jahren zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan an der Frontlinie zu Nagorny Karabach, kam es zu Opfern unter den militärischen Einheiten. Laut aserbaidschanischen Angaben starben auch Zivilisten (Standard 3.4.2016, RFL/RL 4.4.2016). Das Verteidigungsministerium der de facto Republik Nagorny Karabach berichtete ebenfalls von zivilen Opfern (CN 2.4.2016). Am 5.4.2016 vereinbarten Aserbaidschan und Nagorny Karabach einen Waffenstillstand. Im Zuge der viertägigen Kampfhandlungen starben mehr als 64 Menschen (Standard 5.4.2016).

Am 25.2.2017 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen armenischen und Truppen von Nagorny Karabach einerseits und der aserbaidschanischen Armee andererseits, bei denen mindestens fünf aserbaidschanische Armeeangehörige den Tod fanden. Am 1.3.2017 wurde bei einem aserbaidschanischen Artillerieangriff u.a. eine armenische Kaserne zerstört und tagsdrauf griff Armenien aserbaidschanische Stellungen an (EurasiaNet 10.3.2017).

Mitglieder der außerparlamentarischen Oppositionsgruppe "Gründungsparlament" besetzten am 17.7.2016 in Jerewan eine Polizeistation und nahmen zeitweise mehrere Geiseln. Ein Polizist starb dabei (RFE/RL 17.7.2016). Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Schirajr Sefiljan, eines inhaftierten Oppositionsführers, und den Rücktritt des Staatspräsidenten. Kriegsveteran Sefiljan kritisierte vor allem das Verhalten der Regierung im Konflikt um die Region Nagorny Karabach (DW 17.7.2016). In der darauf folgenden Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstranten verlangten eine Versorgung der Geiselnehmer mit Lebensmitteln, was die Polizei jedoch ablehnte. Nach offiziellen Angaben wurden 51 Personen verletzt und 136 verhaftet (NZZ 21.7.2016). Bei erneuten Zusammenstößen am 29.7.2016 zwischen Sympathisanten der Besetzer der Polizeistation und Sicherheitskräften wurden 75 Personen verletzt und 20 verhaftet (RFE/RL 30.7.2016). Nach zwei Wochen endete der Konflikt um die besetzte Polizeistation mit der Kapitulation der bewaffneten Gruppe (RFE/RL 1.8.2016, vgl. Spiegel online 31.7.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html#doc339304bodyText3, Zugriff 4.5.2017

- CN - Caucasus Knot (2.4.2016): One child killed and two wounded in shelling in the Karabakh conflict zone, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/35119/, Zugriff 4.5.2017

- Der Standard (3.4.2016): Bergkarabach: Militärische Eskalation im Kaukasus, http://derstandard.at/2000034103285/Bergkarabach-Militaerische-Eskalation-am-Kaukasus, Zugriff 4.5.2017

- Der Standard (5.4.2016): Waffenruhe nach vier Tagen Krieg im Kaukasus, http://derstandard.at/2000034245475/Waffenruhe-nach-vier-Tagen-Krieg-im-Kaukasus, Zugriff 4.5.2017

- DW - Deutsche Welle (17.7.2016): Blutige Geiselnahme in Armeniens Hauptstadt, http://www.dw.com/de/blutige-geiselnahme-in-armeniens-hauptstadt/a-19406245, Zugriff 4.5.2017

- EurasiaNet.org (10.3.2017): Karabakh: Diplomatic Attention Needed to Address Growing Risks, http://www.eurasianet.org/node/82771, Zugriff 4.5.2017

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (21.7.2016): Blutiges Patt in Armenien, http://www.nzz.ch/international/europa/proteste-und-geiselnahme-blutiges-patt-in-armenien-ld.106951, Zugriff 4.5.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.4.2016): Baku Announces Cease-Fire Amid Continued Karabakh Fighting, http://www.rferl.org/content/azerbaijan-armenia-nagorno-karabakh-violence-erupts/27651414.html, Zugriff 4.5.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.8.2016): Remaining Gunmen In Armenia Standoff Surrender, http://www.rferl.org/content/armenia-yerevan-standoff-police-killed/27890220.html, Zugriff 4.5.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (17.7.2016): Armed Attackers Storm Yerevan Police Headquarters, http://www.rferl.org/media/video/armenia-police-hq/27863342.html, Zugriff 4.5.2017

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (30.7.2016): Dozens Injured In Police Clashes With Protesters In Yerevan, http://www.rferl.org/content/dozens-injured-police-protester-clashes-yerevan-/27889053.html, Zugriff 4.5.2017

- Spiegel online (31.7.2016): Armenien: Geiselnahme in Eriwan nach zwei Wochen beendet, http://www.spiegel.de/politik/ausland/armenien-bewaffnete-regierungsgegner-ergeben-sich-a-1105565.html, Zugriff 4.5.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Es ist bekannt, dass einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz keine juristische Ausbildung haben. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 22.3.2016).

Die Gerichte hören weiterhin zu den Institutionen, denen seitens der Bevölkerung ein geringes Vertrauen entgegengebracht wird. Die Verfassungsreform sieht die Schaffung des Obersten Justizrates vor, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu gewährleisten. 2016 gab es jedoch keine Entwürfe oder Konzepte im Justizbereich, die mit der Öffentlichkeit geteilt oder diskutiert wurden. Positiv war 2016 die Reform des Bewährungssystems, das einen alternativen Strafvollzug vorsah, was angesichts der oft inadäquaten Verhältnisse in den Haftanstalten wichtig ist (FH 29.3.2017).

Die Gerichtsbarkeit zeigt keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Berichten zufolge nimmt das Kassationsgericht eine dominante Stellung ein. Es diktiert den Ausgang aller wichtigen Fälle der niederen Gerichtsbarkeit. Diese Kontrolle seitens des Kassationsgerichts bleibt das dominante Problem, das die Unabhängigkeit der Justiz beeinflusst. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt in einem Urteil vom 27.10.2016 fest, dass es dem Vorsitzenden des Kassationsgerichts an der notwendigen Distanz gemäß des richterlichen Neutralitätsgebotes mangelte (USDOS 3.3.2017).

Richter unterliegen weiterhin des politischen Drucks von allen Ebenen der Exekutive, speziell seitens der Rechtsvollzugsorgane sowie der Hierarchie innerhalb der Justiz. Richter haben keine lebenslange Amtszeit, wodurch sie der Kündigung ausgesetzt sind und keine wirksamen Rechtsmittel besitzen, falls die Exekutive, die Legislative oder hochrangige Vertreter der Gerichtsbarkeit entscheiden, sie zu bestrafen. Vormalige Entlassungen von Richtern wegen ihrer unabhängigen Entscheidungen haben immer noch eine einschüchternde Wirkung auf die Justiz als Ganzes (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/338542/481545_de.html, Zugriff 3.5.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. . Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).

Am 17.7.2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der bewaffneten Gruppe "Sasna Tsrer", die eine Polizeistation besetzte, und Sicherheitsorganen. In jenen Tagen kam es zu Versammlungen von Demonstranten am Freiheitsplatz in Jerewan, welche laut der "Foundation Against the Violation of Law" (FAVL) unrechtmäßig verhaftet wurden. Zahlreiche Berichte zeigten, dass die Protestierenden Schlägen, Erniedrigungen und grausamen Behandlungen in Gewahrsam der Polizei ausgesetzt waren. Den Rechtsanwälten wurde der Zugang zu den verhafteten Demonstranten für mehrere Stunden verwehrt. Demonstranten wurden bis zu 32 Stunden statt der vorgesehenen maximal drei Stunden festgehalten und zwar ohne Wasser und Nahrung (FAVL 7.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- FAVL - Foundation Against the Violation of Law" (7.2016): Statement And Call For Action, http://www.favl.am/blog/2016/07/23/statement-and-call-for-action/, Zugriff 3.5.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 22.3.2016).

Das US Department of State sah die signifikantesten Menschenrechtsprobleme in der Straffreiheit der Gesetzesvollzugsorgane. Andere Probleme waren unerklärliche Todesfälle in der Armee ohne Kampfeinwirkung, Misshandlungen von Rekruten durch Offiziere, Vorwürfe von Polizeiübergriffen während des Verhörs und des Arrestes, der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Gründe für die Festnahmen und unklare Kriterien für die Freilassung. Gerichtsprozesse waren oft langwierig und die Gerichte waren nicht fähig, die Gesetze im Sinne der Gewährung eines fairen Verfahrens anzuwenden. Die Polizei hatte Journalisten im Visier. Im Bereich der Medien waren der Mangel an Diversität und die Selbstzensur ein Problem. Die Achtung der Versammlungsfreiheit verschlechterte sich, und die Autoritäten schränkten die Freiheit zur Teilhabe am politischen Prozess sowie den politischen Pluralismus ein. Mitgliedern religiöser Minderheiten widerfuhr gesellschaftliche Stigmatisierung und LGBTI-Personen sahen sich mit Diskriminierung von offizieller Seite sowie gesellschaftlicher Gewalt konfrontiert. Die Regierung schränkte ArbeitnehmerInnenrechte ein und setzte Bestimmungen des Arbeitsrechtes kaum um (USDOS 3.3.2017).

Laut Human Rights Watch wandten die Autoritäten exzessive und unverhältnismäßige Gewalt gegen friedliche Demonstranten an, attackierten Journalisten und erwirkten ungerechtfertigte Strafanzeigen gegen Demonstrationsanführer und -teilnehmer. Misshandlungen während der Haft blieb ein stetes Problem und Untersuchungen hierzu blieben ineffektiv (HRW 12.1.2017).

Auch Amnesty International sah vor allem das Agieren der Polizei als problematisch. Neben der exzessiven Polizeigewalt gegen Demonstranten, den willkürlichen Verhaftungen, nahmen Vorwürfe wegen Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam den Großteil des Berichtes 2016/17 ein (AI 22.2.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/336439/466050_en.html, 26.4.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/334725/463172_en.html, Zugriff 26.4.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 26.4.2017

Todesstrafe

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 22.3.2016, vgl. Standard 19.4.2003).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- Der Standard (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab, Zugriff 25.4.2017

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Nach Art. 17 der Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5 % aus. Die Armenische Apostolische Kirche hat quasi den Status einer Staatskirche und nimmt eine faktisch privilegierte Stellung ein. Vertreter religiöser Minderheiten beklagen, dass sie kaum Zugang zu den meist staatlich kontrollierten Medien erhalten, weshalb sie kaum eine Chance haben, gegen weit verbreitete Vorurteile und gelegentliche Hetzkampagnen durch private Organisationen anzugehen (AA 22.3.2016).

Die Verfassung schreibt die Trennung von Kirche und Staat vor. Es ist beispielsweise Polizisten, Armeeangehörigen und Personen anderer Gesetzesvollzugsorganen verboten, Mitglied einer religiösen Organisation zu sein. Die "Mitgliedschaft" ist allerdings nicht näher definiert. Personen der genannten Organe, aber auch Staatsanwälten, ist es verboten ihre Stellung zum Vorteil religiöser Vereinigungen zu nutzen oder in deren Sinne zu predigen. Trotz der Trennung von Kirche und Staat wird die exklusive Rolle der Armenischen Apostolischen Kirche als Nationalkirche im spirituellen Leben, in der Entwicklung der Nationalkultur sowie im Erhalt der nationalen Identität des armenischen Volkes anerkannt. Die Verfassung verbietet die Anstiftung zum religiösen Hass und erlaubt es Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen einen alternativen Zivildienst abzuleisten (USDOS 10.8.2016).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- USDOS - US Department of State (10.8.2016): International Religious Freedom Report 2015 - Armenia,http://www.ecoi.net/local_link/328351/455627_en.html, Zugriff 25.4.2017

Religiöse Gruppen

Ungefähr 93% der Bevölkerung gehören der Armenisch-Apostolischen Kirche an. Die größte religiöse Minderheit sind die Jesiden. Als gleichzeitig ethnische Gruppe zählte die Gemeinschaft laut dem Zensus von 2011 35.300 Personen. Allerdings scheinen sich nicht mehr alle Jesiden über ihre Religion als solche zu definieren, sodass deren Anzahl in der Religionsstatistik geringer ausfällt als bei der Aufschlüsselung der Ethnien. Nebst den rund 29.000 evangelischen Christen (ca. 1%) und rund 14.000 Katholiken gibt es eine Vielzahl kleinerer Religionsgemeinschaften, unter anderem Zeugen Jehovas (8.700) und Orthodoxe Christen (7.500). Über 110.000 haben kein Religionsbekenntnis bzw. gaben keines an (NSS-RA 2013).

Die Jesiden leben vor allem in landwirtschaftlichen Gebieten rund um den Berg Aragats, nordwestlich von Jerewan. Armenische Katholiken leben vorwiegend im Norden, die meisten Juden, Mormonen und orthodoxen Christen leben in Jerewan, ebenso wie kleine Gemeinden von überwiegend schiitischen Muslimen (USDOS 10.8.2016).

Religiöse Minderheiten sind mit Hindernissen konfrontiert, wenn es um Baugenehmigungen für Religionsstätten geht. Ihnen widerfahren auch Diskriminierungen im Erziehungssystem, der Armee, dem Rechtsvollzug und bei der Beschäftigung im öffentlichen Sektor. Vertreter von religiösen Minderheiten, die gleichzeitig auch mit ethnischen Minderheiten in Verbindungen stehen, berichten von einem besseren Verhältnis zu Regierungsstellen, als ethnische Armenier, die einer religiösen Minderheit angehören. Laut mehreren Vertretern von religiösen Minderheiten und NGOs sind die Medien weniger kritisch gegenüber religiösen Minderheiten als in den Jahren zuvor (USDOS 10.8.2016).

Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände mieten, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Das Gesetz verbietet zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Die wenigen Muslime leben vor allem in Jerewan. Sie können ihren Glauben frei ausüben (AA 22.3.2016).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- NSS-RA - National Statistical Service of the Republic of Armenia (2013): The Results of 2011 Population Census of the Republic of Armenia, Table.5.4: Population (urban, rural) by Ethnicity, Sex and Religious Belief, http://armstat.am/file/doc/99486278.pdf, Zugriff 24.4.2017

- USDOS - US Department of State (10.8.2016): International Religious Freedom Report 2015 - Armenia,http://www.ecoi.net/local_link/328351/455627_en.html, Zugriff 24.4.2017

Ethnische Minderheiten

Es gibt keine rassisch diskriminierende Gesetzgebung. Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96 % armenischen Volkszugehörigen und ca. 4% Angehörigen von Minderheiten (vor allem Jesiden, aber auch Russen, Kurden, Griechen, Juden, Georgier, Ukrainer, Assyrer sowie einige wenige Deutsche) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u.a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache (AA 22.3.2016).

Die Raten bei Anmeldung und beim Schulbesuch als solchen sind unter Kindern von ethnischen Minderheiten, besonders bei Jesiden, Kurden und Molokanen deutlich unter dem Durchschnitt, ebenso die Drop-Out-Rate nach der achten Schulstufe (USDOS 3.3.2017).

Seit den Parlamentswahlen Anfang April 2017 gibt es erstmals vier reservierte Sitze für die größten nationalen Minderheiten, nämlich für die Jesiden, Russen, Assyrer und Kurden (OSCE 3.4.2017).

Nach gewaltsamen Ausschreitungen gegen Armenier in Aserbaidschan im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bergkarabach-Konflikt und dem Zerfall der Sowjetunion, flüchtete bis Ende 1988 der überwiegende Teil der in Armenien lebenden Aserbaidschaner. Heute leben nur wenige aserbaidschanische Volkszugehörige in Armenien, meist Ehepartner von Armeniern oder Abkömmlinge gemischter Ehen. Diese besitzen die armenische Staatsangehörigkeit, die Mehrzahl hat auch armenische Familiennamen angenommen. Glaubhafte Berichte über staatliche Repressionen liegen nicht vor (AA 22.3.2016).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (3.4.2017): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/office-for-democratic-institutions-and-human-rights/elections/armenia/309156?download=true, Zugriff 24.4.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 24.4.2017

Frauen

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 22.3.2016).

Trotz der belegten Gewalt gegen Frauen und des Drucks von Frauenrechtsgruppen und Aktivistinnen hat Armenien kein Gesetz, das die häusliche Gewalt kriminalisiert. Zudem hat Armenien die Konvention des Europarates über die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt nicht ratifiziert. Laut der der NGO "Coalition to Stop Violence Against Women" werden Fälle häuslicher Gewalt unterdurchschnittlich zur Anzeige gebracht und enden meist ungestraft. Jährlich langen bei der NGO 2.000 Anrufe über häusliche Gewalt ein (HRW 12.1.2017).

Ein Gesetzesentwurf zur "Vermeidung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt" vom November 2016 wurde zurückgezogen, nachdem Gegner, wie das "Pan-Armenische Elternkomitee" und etliche Medien dies als Versuch der EU bezeichneten, die traditionellen armenischen Familienwerte zu untergraben. Das Gesetz würde laut Gegnern die Kindeswegnahme ermöglichen. Ein Berater des Justizministeriums wies letzteres als Desinformation zurück und ergänzte, dass es der Polizei aufgrund der fehlenden Gesetze an der Möglichkeit mangle, Präventivmaßnahmen gegen häusliche Gewalt zu ergreifen (EN 9.2.2017).

Vergewaltigung, Missbrauch durch den Ehemann und häusliche Gewalt werden infolge sozialer Stigmatisierung, der Abwesenheit von weiblichen Polizeibeamten und Ermittlerinnen und manchmal aufgrund der Weigerung seitens der Polizei zu handeln, unterdurchschnittlich zur Anzeige gebracht. Fälle häuslicher Gewalt werden nicht gemeldet, weil die Betroffenen Angst vor körperlichen Schäden oder Angst haben, dass die Polizei sie zu ihren Ehemännern zurückschickt. Zudem schämen sich die Frauen, ihre Familienprobleme zu offenbaren. Es gibt auch Berichte, dass die Polizei, vor allem außerhalb von Jerewan, zögerte, in solchen Fällen zu handeln und entmutigte Frauen Anzeige zu erstatten (USDOS 3.3.2017).

Laut offiziellen Daten der armenischen Polizei wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2016 563 Fälle von häuslicher Gewalt verzeichnet, darunter 370, bei denen der Ehemann oder Partner die Täter waren. 1.956 Frauen kontaktierten die Polizei und informierten diese über Gewalthandlungen unterschiedlicher Art. Im gleichen Zeitraum wurden zehn Frauen im Zuge häuslicher Gewalt getötet. Die faktischen Umstände bei Gewalttaten gegen Frauen sind oft schwer zu ermitteln, da die vorherrschende Ansicht der meisten Menschen ist, diese nicht Kund zu tun. Nicht selten werden Todesdrohungen und andere Warnsignale ignoriert, weil die Gesetzesorgane nicht über die relevanten Fähigkeiten verfügen oder das Risiko schlicht nicht einschätzen wollen. In der Justizpraxis überwiegt zumal eine nachsichtige Haltung gegenüber den Tätern und im Gegenteil, das Opfer für die Übergriffe verantwortlich zu machen (HCA 1.2017).

Im World Gender Gap Index 2016 nahm Armenien Rang 102 von 144 Ländern ein. Insbesondere in den Subkategorien Gesundheit (Rang 143) und politische Teilhabe (Rang 125) schnitt das Land besonders schlecht ab (WEF 2016).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- EN - EurasiaNet.org (9.2.2017): Armenia: Is Concern About Domestic Violence a Liberal Value? http://www.eurasianet.org/node/82331, Zugriff 14.4.2017

- HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2017): Ditord Observer #1, Human Rights in Armenia in 2016, http://www.civicsolidarity.org/sites/default/files/ditord-2017-01engweb-1.pdf, Zugriff 14.4.2017

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/334725/463172_en.html, Zugriff 14.4.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 14.4.2017

- WEF - World Economic Forum (2016): Gender Gap Index 2016 - Armenia, http://reports.weforum.org/feature-demonstration/files/2016/10/ARM.pdf, Zugriff 14.4.2017

Kinder

Physische und psychische Gewalt gegen Kinder sowie entwürdigende Strafen sind in Schulen, Internaten sowie Kinderheimen und Waisenhäusern weiterhin weit verbreitet (AA 22.3.2016).

Personen unter 18 dürfen keine Überstunden, keine strapaziöse oder gefährliche Arbeit und keine Nacht- oder Feiertagsarbeit verrichten. Die Behörden wenden jedoch die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht an. Die Strafen sind unzureichend, um die Einhaltung der Bestimmungen zu erwirken. Laut einer Studie des Nationalen Statistikamtes und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahre 2015 waren 11,6% der Kinder zwischen fünf und 17 beschäftigt. Die meisten der arbeitenden Kinder waren in der Land- und Forstwirtschaft und der Fischerei tätig. Von 39.300 betroffenen Minderjährigen hatten 31.200 mit einer gefährlichen Arbeit zu tun (USDOS 3.3.2016).

Am 8.3.2016 äußerte sich Maud De Boer-Buquicchio, Sonderberichterstatterin für Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie, vor dem UN-Menschenrechtsrat über Armenien. Sie lobte hierbei die Verfassungszusätze, die eine Stärkung des Kinderschutzes vorsehen, betonte jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit, diese auch umzusetzen. Die Sonderberichterstatterin rief die armenischen Autoritäten auf, insbesondere das Gesetz gegen häuslicher Gewalt zu verabschieden sowie gleichermaßen Zusätze im Familienrecht, dem Strafrecht und dem Strafverfahrensrecht, die in der Ausweitung des Kinderschutzes münden sollten. Infolge eines mangelhaften Berichtswesens und eines unzulänglichen öffentlichen Bewusstseins besteht das Risiko, dass Fälle von Missbrauch, Gewalt und Ausbeutung von Kindern unentdeckt bleiben und kaum berichtet werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf den Zugang zu Betreuung und Genesung des Kindes, respektive resultiert in der Straflosigkeit der Täter, so die Sonderberichterstatterin (OHCHR 8.3.2016).

Quellen:

- Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- OHCHR - Office of the High Commissioner for Human Rights (8.3.2017): Statement by Ms. Maud DE BOER - BUQUICCHIO, Special Rapporteur on the sale of children, child prostitution and child pornography at the 31st session of the Human Rights Council, http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=19975&LangID=E, Zugriff 13.4.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 13.4.2017

Bewegungsfreiheit

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 22.3.2016).

Das Gesetz garantiert die individuelle Bewegungsfreiheit hinsichtlich der Wahl des Wohn-, Arbeits- und Schulortes (FH 27.1.2017).

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Allerdings müssen die BürgerInnen ein Ausreisevisum erlangen, um das Land vorübergehend oder auf Dauer zu verlassen. Das Ausreisevisum kann innerhalb eines Tages routinemäßig erhalten werden und kostet 1.000 Dram [ca. 1 Euro] für ein Jahr (USDOS 3.3.2017)

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/327654/454725_en.html, Zugriff 13.4.2017

- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 13.4.2017

Grundversorgung

Die Wirtschaft hat sich immer noch nicht zur Gänze von der tiefen Rezession, die durch die globale Wirtschaftskrise 2008 ausgelöst wurde, erholt. Damals fiel das Bruttonationalprodukt um 14,1%. Armenien hat zu wenig für die Bekämpfung der Armut und gegen die sich ausweitenden Wohlstands- und Einkommensgefälle unternommen. Rund 1,2 Millionen Armenier leben von circa 3 Euro pro Tag. Die sozioökonomische Kluft hat zudem einen regionalen Aspekt. Durch die überproportionale Wirtschaftsaktivität in den urbanen Zentren hat sich die Einkommensschere zwischen Stadt und Land verstärkt. Der Zugang etwa zum Gesundheitswesen und zur Bildung sowie deren Qualität divergiert stark zwischen urbanen und ländlichen Regionen. Zu den strukturellen Defiziten gehört nebst den abnehmenden Investitionen auch eine übermäßige Abhängigkeit von Überweisungen aus dem Ausland (BS 2016).

Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und private Kapitalzuflüsse sind ein bedeutender Faktor für die Wirtschaft: Die armenische Diaspora in Russland umfasst etwa 2 Millionen Menschen, darunter viele Arbeitsmigranten, die Geld an ihre Familien in Armenien überweisen. Nach Angaben der Zentralbank gingen die Geldtransfers der armenischen Diaspora im Jahr 2016 weiter auf 1,5 Mrd. USD zurück (2015: ca. 1,6 Mrd. USD). Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2015 offiziell bei 18,5%. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Sehr viele Menschen sind im informellen Sektor tätig. Einkommen werden oft nicht versteuert (AA 3.2017c).

Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2014 zufolge leben 32,3 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2008: 29,2 %). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt: 2015 wurde laut armenischer Zentralbank ein Betrag von etwa 1,209 Mrd. USD nach Armenien überwiesen, ein Rückgang von 30,1 % zum Vorjahr und das zweite Jahr in Folge. Davon flossen etwa 76 % aus der Russischen Föderation nach Armenien. Der starke Rückgang ist der wirtschaftlichen Lage, insbesondere der starken Abwertung des russischen Rubels geschuldet. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. 60.000 armenische Dram (derzeit ca. 116 Euro) im Monat, der offizielle Mindestlohn 55.000 AMD (ca. 105 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass der Migrationsdruck anhält. In den ersten drei Quartalen 2014 haben, wie sich aus den Zu- und Ausreisestatistiken ergibt, 105.000 Menschen Armenien dauerhaft verlassen. Die wenigsten davon dürften nicht-armenische Ausländer sein. Unter den Auswanderern sind auch viele Hochqualifizierte, wie etwa Ärzte oder IT-Spezialisten (AA 22.3.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- AA - Auswärtiges Amt (5.2015c): Wirtschaft, Armenien, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 12.4.2017

- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Armenia Country Report, https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Armenia.pdf, Zugriff 12.4.2017

Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Armenien umfasst derzeit: das staatliche Sozialhilfe-Programm, wie Unterstützung von Familien, einmaliger Geburtenzuschuss und Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren; das Sozialhilfeprogramme für Personen mit Handicap, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate sowie das staatliches Sozialversicherungsprogramm, bestehend aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft (IOM 8.2015).

Familienbeihilfen

Die monatliche Familienbeihilfe beträgt 17.000 Dram (Basiswert) plus 5.500 Dram bis 8.000 Dram monatlich für jedes Kind unter 18, abhängig von der Familiensituation, dem Familieneinkommen sowie der örtlichen Lage. Am ersten Schultag gibt es eine Einmalzahlung von 25.000 Dram (SSA 2016).

Einmalige Beihilfen

Diese können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft (IOM 8.2014).

Mutterschaftsgeld

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf das Spezialkonto. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 2016).

Ab dem 1.1.2016 erhalten auch Frauen, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen, die Geburtenbeihilfe in der Höhe von 50.000 Dram für das erste und zweite, bzw. eine Million für das dritte und vierte und 1,5 Millionen ab dem fünften Kind. Die monatliche Beihilfe von 18.000 Dram bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes sollte jedoch nach Aussagen des Arbeits- und Sozialministers weiterhin nur Frauen zukommen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (ARKA 11.11.2015).

Senioren und Behinderte

Die sozialen Unterstützungsprogramme für Senioren und Behinderte basieren auf den Anforderungen des Gesetzes über die soziale Absicherung behinderter Personen in Armenien. Hierzu zählen die Vorbeugung von Behinderungen, die medizinische und soziale Rehabilitation und Prothesen sowie insbesondere prothetische und orthopädische Unterstützung behinderter Personen, die Bereitstellung von Rehabilitationsmitteln und soziale Dienste für Senioren und Behinderte. Bereits personalisierte Pensionisten können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionisten über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" beantragen (IOM 8.2014).

Pensionen

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von 16.000 Dram monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht 500 Dram monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (SSA 2016).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (SSA 2016).

Quellen:

- ARKA News Agency (11.11.2015): Armenia to facilitate formalization of baby care benefit, http://arka.am/en/news/society/armenia_to_facilitate_formalization_of_baby_care_benefit_/, Zugriff 12.4.2017

- IOM - International Organization for Migration (8.2015): Länderinformationsblatt Armenien, http://germany.iom.int/sites/default/files/ZIRF_downloads/Armenien_CFS_2015_DE.pdf, Zugriff 12.4.2017

- IOM - International Organization for Migration (8.2014): Länderinformationsblatt Armenien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_armenien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 12.4.2017

- Repat Armenia (2016): Having Your Child In Armenia Maternity, http://repatarmenia.org/en/practical-info/education-healthcare/a/having-your-child-in-armenia, Zugriff 12.4.2017

- SSA - Social Security Administration (2016): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016 - Armenia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/armenia.html, Zugriff 12.4.2017

Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Die Leistungen werden in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre medizinische Versorgung. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem.

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die überbordende Korruption auf allen Ebenen, ein weiteres Problem die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals. Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung. Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen grundsätzlich kostenlos: Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. 50 USD pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Jerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet. Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden. Importierte Medikamente sind dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland. Für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich (AA 22.3.2016).

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten (IOM 8.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

- IOM - International Organization for Migration (8.2014): Länderinformationsblatt Armenien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_armenien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 11.4.2017

Rückkehr

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 22.3.2016).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Die Europäische Union startete am 31.1.2017 ein neues Projekt zur Unterstützung der Reintegration von armenischen Rückkehrern. Im Rahmen des Projekts sollen auch die Kapazitäten der Regierung und der NGOs im Bereich der Wiedereingliederung gestärkt werden. Das Projekt mit einem Budget von 493.000 Euro wird vollständig aus der Europäischen Union im Mobilität Partnership Facility-Programm finanziert, das vom Internationale Center for Migration Policy Development (ICMPD) implementiert wird (AN 31.1.2017).

Die Armenische Caritas implementiert das Projekt: "Migration and Development III", das bis Ende Februar 2019 läuft. Ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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