TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 L524 2190786-2

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Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

L524 2190786-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA Türkei, vertreten durch RA Mag. Doris EINWALLNER, Schönbrunner Straße 26/3, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2019, Zl. 1155942301/190156207, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG und § 70 Abs. 3 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 12.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 03.01.2018 gemäß § 3 und § 8 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist und eine 14tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2018, L521 2190786-1/18E, als unbegründet abgewiesen.

2. Am 13.02.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, es sei geplant, ihn in die Türkei abzuschieben. Der Beschwerdeführer gab an, dass er am XXXX eine bulgarische Staatsangehörige geheiratet habe. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Ausweisung gem. § 66 FPG zu erlassen, da seine Ehefrau keiner Beschäftigung mehr nachgehe.

3. Mit Bescheid des BFA vom 15.02.2019, Zl. 1155942301/190156207, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt 2.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers bulgarische Staatsangehörige sei. Sie gehe keiner Beschäftigung nach, weshalb die Ehegattin die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt nach dem Unionsrecht nicht mehr erfülle. Damit könne auch der Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht von seiner Ehegattin ableiten. Der Beschwerdeführer erfülle somit die Voraussetzungen gem. §§ 51 und 54 NAG nicht.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers seit 13.02.2019 als Bürohilfsarbeiterin beschäftigt sei und eine aufrechte Krankenversicherung bestehe, bei der der Beschwerdeführer mitversichert sei. Sie verfüge auch über eine Anmeldebescheinigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und seit XXXX mit XXXX geb. XXXX , einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt über eine Anmeldebescheinigung. Sie arbeitet seit XXXX als Bürohilfsarbeiterin. Die Ehefrau ist gesetzlich krankenversichert und der Beschwerdeführer ist bei ihr mitversichert.

Ein Verfahren zu Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde mit 15.03.2019 eingestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung über die Heirat des Beschwerdeführers mit einer bulgarischen Staatsangehörigen ergibt sich aus der Heiratsurkunde. Die Feststellung, dass die Ehefrau berufstätig ist, ergibt sich aus einer Lohnbestätigung des Arbeitgebers. Die Feststellung über die Krankenversicherung der Ehefrau und die Mitversicherung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 19.02.2019. Die Feststellung über die Einstellung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Mitteilung des BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten auszugsweise:

"Ausweisung

§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) ...

(3) ..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) lauten auszugsweise:

"Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) ...

(3) ...

Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern

§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. ...

5. ...

(2) ...

Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers

§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) - (7) ...

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) - (6) ..."

2. Der Beschwerdeführer ist mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet. Die Ehegattin des Beschwerdeführers ist damit EWR-Bürgerin und verfügt über eine Anmeldebescheinigung.

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung darauf, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers keiner Beschäftigung nachgehe, weshalb auch der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt nicht mehr erfülle.

Seine Ehegattin ist seit 13.02.2019 wieder Arbeitnehmerin, gesetzlich krankenversichert und der Beschwerdeführer ist bei ihr mitversichert. Die Ehegattin ist damit gem. § 51 Abs. 1 NAG zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ein gegen die Ehegattin des Beschwerdeführers eingeleitetes Verfahren zu Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde mit 15.03.2019 eingestellt.

Damit ist auch der Beschwerdeführer zum Aufenthalt für mehr als drei Monate gem. § 54 NAG berechtigt. Die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Beschwerdeführers gem. § 66 FPG liegen daher nicht vor, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90).

Schlagworte

Ausweisung Ausweisung aufgehoben Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2190786.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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