TE Bvwg Beschluss 2019/6/13 L507 2214201-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
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Entscheidungsdatum

13.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L507 2214185-1/6E

L507 2214203-1/5E

L507 2214190-1/5E

L507 2214201-1/5E

L507 2214198-1/5E

L507 2214194-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX , 2.) der XXXX , geb. XXXX ,

3.) des XXXX , geb. XXXX , 4.) der XXXX , geb. XXXX , 5.) der XXXX , geb. XXXX und 6.) der XXXX , geb. XXXX , alle StA. ungeklärt, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018, Zlen. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten; die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer sind die Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Nach illegaler Einreise in Österreich stellten die Beschwerdeführer am 28.08.2018 Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.08.2018 sowie bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 29.10.2018 bzw. 30.10.2018 brachten die Erst- bis Viertbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sie Staatsangehöriger des Libanon seien. Die Erst- bis Fünftbeschwerdeführer hätten im Jahr 2006 den Libanon verlassen und seien nach Venezuela gereist, wo sie bis 2018 in Caracas gelebt hätten. Die Sechstbeschwerdeführerin sei in Venezuela bzw. in Caracas geboren. Die Beschwerdeführer seien in Venezuela illegal aufhältig gewesen und würden keinerlei Personaldokumente besitzen. Sie hätten in meinen Zähler mit gefälschten Ausweisen gelebt. Ende August 2018 hätten die Beschwerdeführer mit gefälschten Reisepässen meine Zähler verlassen und seien über die Türkei nach Österreich gereist.

Die Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA erfolgte in arabischer Sprache; die Einvernahme des Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin erfolgte in spanischer Sprache.

Zum Beweis seines Vorbringens brachte der Erstbeschwerdeführer ein Konvolut von Schriftstücken in spanischer Sprache in Vorlage (AS 131 bis 145 Akt des Erstbeschwerdeführers).

Eine Anordnung betreffend eine Übersetzung der vom Beschwerdeführer in spanischer Sprache vorgelegten Schreiben bzw. Übersetzungen dieser Schreiben in die deutsche Sprache finden sich im Akt des BFA nicht.

2. Mit Bescheiden des BFA vom 21.12.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß

§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

In den angefochtenen Bescheiden traf das BFA die Feststellungen, dass die Identität der Beschwerdeführer nicht feststehe und die Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Libanon seien.

Beweiswürdigend führte das BFA dazu aus, dass aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführer keinerlei Identitätsdokumente in Vorlage gebracht haben, die Identität nicht zweifelsfrei habe festgestellt werden können.

Betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurde vom BFA in den angefochtenen Bescheiden beweiswürdigend ausgeführt, dass das Vorbringen hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion und der Volksgruppenzugehörigkeit, ob der Verwendung des Idioms der Sprache Arabisch und ihrer spezifischen Kenntnisse der Herkunftsregion, sowie der diesbezüglich gleichbleibenden und an unbestrittenen Angaben glaubhaft sei.

Betreffend den Drittbeschwerdeführer wurde dazu beweiswürdigend ausgeführt, dass das Vorbringen hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion und der Volksgruppenzugehörigkeit aufgrund der diesbezüglich gleichbleibenden und unbestrittenen Angaben und der Angaben seiner Eltern im Verfahren glaubwürdig sei. Dass der Beschwerdeführer neben spanisch auch arabisch spreche, könne aufgrund seines Aufenthaltes während seiner ersten sieben Lebensjahre im Libanon festgestellt werden, da davon auszugehen sei, dass er im Libanon die Muttersprache seiner Eltern erlernt habe. Auch habe er in der Einvernahme beim Bundesamt angegeben, dass er zumindest ein "bisschen" arabisch spreche.

Betreffend die Viertbeschwerdeführerin wurde dazu beweiswürdigend ausgeführt, dass das Vorbringen hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion und der Volksgruppenzugehörigkeit aufgrund der diesbezüglich gleichbleibenden und unbestrittenen Angaben und der Angaben ihrer Eltern im Verfahren glaubwürdig sei. Dass die Beschwerdeführerin neben spanisch auch arabisch spreche, könne aufgrund ihres Aufenthaltes während ihrer ersten Lebensjahre im Libanon festgestellt werden, da davon auszugehen sei, dass sie im Libanon die Muttersprache ihrer Eltern erlernt habe. Auch habe sie in ihrer Einvernahme beim Bundesamt angegeben, dass sie zumindest ein "bisschen" arabisch spreche.

Die in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer wurden nicht gewürdigt bzw. finden sich keine Hinweise dahingehend, worauf die belangte Behörde ihre Feststellungen stützt.

3. Gegen diese Bescheide wurden am 25.01.2019 gleichlautende Beschwerden erhoben, wobei unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Von den Beschwerdeführern wurde im Verfahren vor dem BFA vorgebracht, dass sie Staatsangehöriger des Libanon seien und von 2006 und 2018 in Venezuela gelebt hätten, wobei die Sechstbeschwerdeführerin im Jahr 2011 in Venezuela geboren worden sei.

Der Erstbeschwerdeführer brachte zur Untermauerung seines Vorbringens ein Konvolut von Schreiben in spanischer Sprache in Vorlage. Diese Beweismittel wurden von der belangten Behörde keiner Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt und fanden auch bei der Entscheidungsfindung keinerlei Berücksichtigung, obwohl sich in diesen Schreiben möglicherweise Anhaltspunkte betreffend die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer finden könnten.

Insgesamt gesehen hattest das BFA gänzlich unterlassen Ermittlungen betreffend die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer zu tätigen.

Insbesondere findet auch der Umstand, dass die Sechstbeschwerdeführerin in Venezuela geboren wurde, keinen Niederschlag in der Entscheidung, obwohl in der Verfassung von Venezuela das ius soli verankert ist (Art. 32-36) und nach venezolanischen Recht jeder, der auf venezolanischen Gebiet geboren wird, venezolanischer Staatsangehöriger ist, was zumindest zu der Feststellung führen hätte müssen, dass es sich bei der Sechstbeschwerdeführerin um eine Staatsangehörige von Venezuela handelt.

Ohne dass die Beschwerdeführer Identitätsdokumente in Vorlage gebracht haben, oder zumindest von der belangten Behörde nachdrücklich aufgefordert worden seien, Identitätsdokumente in Vorlage zu bringen, und ohne irgendwelche Ermittlungen betreffend die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer zu tätigen, traf das BFA lapidar die Feststellungen, dass es sich bei den Beschwerdeführern um Staatsangehörige des Libanon handeln würde, und stützte dazu noch diese "Vermutung" im Rahmen der Beweiswürdigung auf einen - schon seit Jahren insbesondere von Referenten der Regionaldirektion Salzburg des BFA verwendeten - Stehsatz, dass das Vorbringen betreffend die Herkunftsregion ob der Verwendung des Idioms der Sprache Arabisch und der spezifischen Kenntnisse der Herkunftsregion sowie der diesbezüglichen gleichbleibenden unbestrittenen Angaben glaubhaft sei.

Infolge gänzlicher Unterlassung nachvollziehbarer Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer ging die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung der Anträge auf international Schutz einfach davon aus, dass es sich bei den Beschwerdeführern um Staatsangehörige des Libanon handelt, weshalb als Herkunftsstaat der Beschwerdeführer der Libanon angenommen und geprüft wurde.

Nach Ansicht des Bundeswartungsgerichtes sind aber vor dem Hintergrund des

§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz eingehende und umfangreiche Ermittlungen und darauf gestützte eindeutige und konkrete Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Antragsteller notwendig und unbedingt erforderlich, zumal nach § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG der Herkunftsstaat der Staat ist, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen. Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen.

Mangels Zugrundelegung von Identitätsdokumenten durch die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Umstand, dass es sich bei der Sechstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Geburt in Venezuela um eine Staatsangehörige von Venezuela handelt sowie vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführer von 2006 bis zu ihrer Asylantragsstellung im Jahr 2018 in Venezuela gelebt haben, wobei der Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin in Caracas eine Boutique betrieben und die Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin offenbar in Venezuela Schulen besucht haben und die spanische Sprache besser beherrschen als die arabische Sprache, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich bei den Beschwerdeführern um Staatsangehörige von Venezuela handelt. Schon aus diesem Grund wären umfangreiche Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer durchzuführen gewesen. Hätte sich dabei herausgestellt dass es sich bei den Beschwerdeführern tatsächlich um Staatsangehörige des Libanon handelt, wären auch Ermittlungen betreffend den Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführer in Venezuela - etwa Auskünfte im Wege der venezolanischen Vertretungsbehörde in Österreich - erforderlich gewesen, zumal diese dort insgesamt zwölf Jahre lang gelebt haben, weshalb auch das Vorbringen, dass die Beschwerdeführer dort illegal aufhältig gewesen seien, nicht nachvollzogen werden kann.

Zusammengefasst leiden die angefochtenen Bescheide unter diesen Gesichtspunkten unter massiven Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführer unter dem Aspekt der Gewährung des Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde vorzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc,

s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen der Beschwerdeverfahren erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen waren.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß

Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Asylverfahren Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Familienverfahren Herkunftsstaat Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen Staatsangehörigkeit Übersetzung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2214201.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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