TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/30 96/19/0631

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Veröffentlicht am 30.01.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 idF 1995/351 §3;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der S F in Wien, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Ungargasse 58, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Dezember 1995, Zl. 304.331/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte durch ihre Rechtsvertreterin auf dem Postweg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 25. August 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk, als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" und zwar mit "Vater/Mutter" an. Als Person, mit der Familiengemeinschaft angestrebt wird, war die Mutter der Beschwerdeführerin, als Ort der Antragstellung weiters "Wien" angeführt. Mit Bescheid vom 25. September 1995 wurde der Antrag vom Landeshauptmann von Wien gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Da die Antragstellerin bisher noch nie einen österreichischen Sichtvermerk besessen habe, komme zur Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG nur eine Erstantragstellung vom Ausland aus in Betracht. Da die Antragstellerin ihren Erstantrag auf Bewilligung nach dem AufG vom Inland aus gestellt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. In dieser gab sie als Adresse eine Anschrift im

16. Wiener Gemeindebezirk an und brachte vor, sich mit ihrer Mutter, die über eine aufrechte Aufenthaltsbewilligung verfüge, seit 1988 in Österreich aufzuhalten. Durch das Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus, ohne die Möglichkeit einer Rückkehr nach Österreich, würde die Beschwerdeführerin unweigerlich in eine Notlage gestürzt werden.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 1995 wurde die Berufung vom Bundesminister für Inneres gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG nicht vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet eingebracht habe. Dieser Sachverhalt sei von ihr auch nicht bestritten worden. Es sei zwar nicht jeder im Inland gestellte Antrag unzulässig, da es einerseits Fälle gebe, bei denen eine Erstantragstellung im Inland - durch Gesetz vorgesehen - möglich sei, es andererseits Fälle gebe, bei denen die Antragstellung im Inland "in Ausnahmefällen durch Judikatur ermöglicht" werde. Beides treffe im Falle der Beschwerdeführerin nicht zu. Laut Auskunft der Fremdenpolizei der Bundespolizeidirektion Wien habe sie zuletzt im Reisepaß der Mutter einen Sichtvermerk bis zum 10. Jänner 1993 gehabt. Auch sei sie bereits volljährig und falle deshalb nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 3 Z. 3 der Verordnung

BGBl. Nr. 408/1995, da dies nur auf Familienangehörige des § 3 AufG zutreffe und in ihrem Fall keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorlägen.

Es stehe weiters fest, daß sich die Beschwerdeführerin seit Ablauf ihrer Aufenthaltsberechtigung unterlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Diese Tatsache stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, da ihr Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könne. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde somit durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung.

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt ihrer Mutter im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Es müsse aber betont werden, daß sie trotz der Unterhaltsleistung ihrer Mutter bereits nach Meinung der Berufungsbehörde selbsterhaltungsfähig und daher nicht wirtschaftlich abhängig sei, zumal sie in ihrem Antrag angegeben habe, bereits als Arbeiterin beschäftigt gewesen zu sein. Gemäß § 3 Abs. 1 AufG sei nur minderjährigen Kindern von Fremden eine Bewilligung zu erteilen, und auch das nur, soweit kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorliege. Die Beschwerdeführerin sei jedoch nicht minderjährig, überdies liege ein Ausschließungsgrund vor, weil sie sich illegal in Österreich aufhalte. Gemäß § 3 Abs. 4 AufG könne zur Vermeidung von Härten auch volljährigen Kindern eine Bewilligung erteilt werden. Dies treffe aber nur auf Schwerstkranke oder Entmündigte zu. Da der Beschwerdeführerin aber die Selbsterhaltung möglich sei, falle sie nicht unter diese Ausnahme.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei der § 6 Abs. 2 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor dem Hintergrund des Art. 8 MRK verfassungskonform auszulegen. Lediglich eine kurzfristige Versäumung der Frist zur rechtszeitigen Antragstellung gemäß § 6 Abs. 2

letzter Satz AufG berechtige Fremde nach Ansicht der Berufungsbehörde trotzdem zur Inlandsantragstellung, wenn sie sich jahrelang bzw. seit ihrer Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Im Gegensatz dazu sei die Versäumung im Falle der Beschwerdeführerin, auch unter der Heranziehung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, als nicht kurzfristig anzusehen. Es stehe fest, daß die Beschwerdeführerin die Frist zur Stellung des Antrages auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung um ca. 24 Monate versäumt habe, weshalb eine analoge Heranziehung des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG ausgeschlossen sei. Dies sei auch mit Art. 8 MRK vereinbar. Im Hinblick darauf, daß im Falle der Beschwerdeführerin eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2

1. Satz AufG geboten sei und daß weiters aufgrund ihres illegalen Aufenthaltes § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zum Tragen komme, sei die Inlandsantragstellung am 25. August 1995 "ausgeschlossen". Auf diese Überlegungen bezogen sei die Ablehnung des Antrages im Hinblick auf Art. 8 MRK verfassungskonform, weil die öffentlichen Interessen die privaten Interessen überwögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Sie sei am 28. November 1975 in Österreich geboren worden. Im Jahr 1981 sei ihr Vater in Österreich verstorben, worauf sie zusammen mit ihrer Mutter nach Jugoslawien zurückgekehrt sei. Im Jahr 1988 sei sie gemeinsam mit ihrer Mutter wieder zurück nach Österreich gekehrt, weil im Heimatort ihrer Mutter keine Verwandten mehr gelebt hätten und sie auch zufolge dieses Umstandes nicht in Jugoslawien habe zurückgelassen werden können. Ihre Einreise sei aufgrund ihres Kindereinreisesichtvermerkes erfolgt. Seither halte sie sich aufrecht in Österreich auf und lebe mit ihrer Mutter in einem Familienverband. Ihre Mutter verfüge über aufrechte Sichtvermerke. Die belangte Behörde verkenne, daß es sich beim Antrag der Beschwerdeführerin um einen Verlängerungsantrag hinsichtlich des seinerzeit erteilten Sichtvermerkes handle, da es nicht entscheidungswesentlich sein könne, ob der Sichtvermerk in einem eigenen Paß oder im Paß der Kindesmutter eingetragen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe sich seit ihrer seinerzeitigen legalen Einreise in Österreich rechtmäßig im Inland aufgehalten und hätte lediglich der fristgerechteren Antragstellung bedurft, um den bis zum 10. Jänner 1933 geltenden Sichtvermerk zu verlängern. Die Antragstellung im Inland sei daher zu Recht erfolgt. Die Heranziehung der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 durch die belangte Behörde sei zu Unrecht erfolgt, weil diese Verordnung nur bei Erstanträgen von Bedeutung sein könne. Überdies lägen berücksichtigungswürdige Gründe vor, die gemäß § 3 Abs. 3 AufG einen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich rechtfertigen würden. Allerdings habe es die belangte Behörde unterlassen, diese Gründe "ordnungsgemäß zu erforschen". Bei Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens hätte sich herausgestellt, daß die Beschwerdeführerin seit langer Zeit ihre kranke Mutter gepflegt, verschiedene Spezialausbildungen und Abendkurse absolviert habe, um den von ihr angestrebten Sozialberuf ausüben zu können. In einem entsprechend geführten Ermittlungsverfahren wäre auch erwiesen worden, daß die Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Jugoslawien zum Zwecke einer Antragstellung oder auch Lebensführung für die noch sehr junge Beschwerdeführerin "eine völlige Härte und Notlage bedeuten würden", da sie ohne Geldvermögen und verwandtschaftliche Absicherung in ein Land abgeschoben würde, in dem sie über keine Wurzeln mehr verfüge.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. Jänner 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 AufG lauteten in der Fassung dieser Novelle:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

..."

§ 4 Z. 1 und 4 der am 22. Dezember 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lauteten:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden vom:

1.

in Österreich geborenen und seit Geburt aufhältigen minderjährigen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder gemäß § 1 Abs. 3 Z. 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,

...

4.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Da die Beschwerdeführerin weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde den Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag im Sinne des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt für die Beschwerdeführerin jedoch eine Anwendung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG, somit die Beantragung der Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften, nicht in Betracht: Nach den unbestrittenen Bescheidfeststellungen der belangten Behörde war der letzte Sichtvermerk der Beschwerdeführerin bereits am 10. Jänner 1993 abgelaufen. Sie hielt sich demnach zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (am 1. Juli 1993) nicht rechtmäßig im Bundegebiet auf. Dieser Umstand alleine würde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Anwendung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG in Ausnahmefällen nicht ausschließen, weil es zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Auslegungsergebnisses geboten sein kann, Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung mehr verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung den Bestimmungen über rechtzeitig gestellte Verlängerungsanträge zu unterstellen. Solche Bewilligungsanträge sind daher - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hielt sich diese seit ihrer Wiedereinreise nach Österreich im Jahre 1988 bis zum Ablauf ihres letztgültigen Sichtvermerkes am 10. Jänner 1993 längstens fünf Jahre rechtmäßig in Österreich auf. Selbst bei Zugrundelegung eines fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes erweist sich jedoch die Fristversäumung (gerechnet vom Ablauf des letztgültigen Sichtvermerkes) von mehr als

zweieinhalb Jahren nicht mehr als geringfügige Versäumung im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148) sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das oben erwähnte hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997 sowie das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1007).

Eine Antragstellung vom Inland aus wäre für die Beschwerdeführerin demnach nur dann zulässig gewesen, wenn sie zu dem Personenkreis zählte, der gemäß § 6 Abs. 2

dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage sind jedoch Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin zu diesem begünstigten Personenkreis zählt. Die Anwendung von § 4 Z. 1 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 854/1995 scheidet im Falle der Beschwerdeführerin aus, weil sie sich nach ihrem eigenen Vorbringen nicht seit ihrer Geburt in Österreich aufhält und überdies im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über einen vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerk verfügt, der sie zum Aufenthalt in Österreich berechtigte. Ebenso ist eine Anwendung von § 4 Z. 4 der erwähnten Verordnung ausgeschlossen, weil die Beschwerdeführerin nach dem bisher Gesagten noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Selbst wenn daher für die Mutter der Beschwerdeführerin eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt sein sollte, erfüllt die Beschwerdeführerin nicht sämtliche Voraussetzungen des § 4 Z. 4.

Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführerin daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen. Nach dieser Bestimmung ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin tritt der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellung, sie habe ihren Antrag nicht vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt, nicht entgegen, sie räumt vielmehr die Antragstellung im Inland ausdrücklich ein. Da das im § 6 Abs. 2

erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, nicht als bloße Formvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung zu werten ist, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895), kann die Abweisung des Antrages durch die belangte Behörde angesichts des unbestrittenen Inlandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Daran ändert auch nichts der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 3 AufG. Entgegen ihrer Auffassung besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur dann, wenn ein Antrag sämtliche Erfolgsvoraussetzungen, darunter auch die Antragstellung vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet, erfüllt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1997, Zl. 95/19/0804).

Die Abweisung des Antrags durch die belangte Behörde erfolgte demnach zu Recht.

Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin kann nach ihrem Beschwerdevorbringen zwar auf einen langjährigen Aufenthalt in Österreich verweisen. Der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 hat jedoch mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Eine weitere Bedachtnahme auf Art 8 MRK durch die Behörde kommt daher nicht in Betracht. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß die Umschreibung desjenigen Personenkreises, der ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt ist, Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß des Falles der Beschwerdeführerin nicht entstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu Recht herangezogen hatte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996190631.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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