Entscheidungsdatum
18.06.2019Norm
AVG §69 Abs1 Z1Spruch
L519 2217822-1/3E
L519 2217826-1/3E
L519 2217831-1/3E
L519 2217830-1/3E
L519 2217832-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. 1095081110, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH (ohne Zustellvollmacht), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. 1095082401 - 151770281, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ungeklärt, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH (ohne Zustellvollmacht), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. 1095086106 - 151770855, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
4. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ungeklärt, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH (ohne Zustellvollmacht), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. 1095086607-151770869, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ungeklärt, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , StA: Syrien, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH (ohne Zustellvollmacht), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2019, Zl. 1129980208-161270405, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 1 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die BF 1 - BF 4 reisten gemeinsam illegal in Österreich ein und stellten am 13.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Die BF 1 und 2 sind die leiblichen Eltern der minderjährigen BF 3 bis 5. Für die in Österreich geborene BF 5 wurde am XXXX ein Antrag im Familienverfahren unter Vorlage der österreichischen Geburtsurkunde gestellt.
Bei der Erstbefragung am 13.11.2015 gaben die BF 1 und 2 u.a. an, sie stammten beide aus Syrien und hätten Syrien auf Grund des Kriegszustandes verlassen. Die BF gaben an, Muslime zu sein.
Der BF 1 legte ein syrisches Identitätsdokument, ausgestellt auf den Namen XXXX vor. Auch die BF 2 legte einen Personalausweis vor.
2. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 19.07.2016 gab der BF 1 zwar vorerst an, dass seine Angaben bis jetzt richtig gewesen wären. Über entsprechenden Vorhalt führte er jedoch an, er sei Christ und habe sowieso schon zum Heimleiter gesagt, dass es falsche Einträge gäbe, welche sie berichtigen lassen wollten. Er legte die Identitätsbescheinigung vor und gab an, dass er als Maktumin kein Recht auf eine Staatbürgerschaft in Syrien gehabt habe. Zu den Bedenken des BFA, dass der BF 1 eine andere Staatsangehörigkeit habe führte dieser an: "Ich schwöre bei Gott, sogar meine Eltern und Großeltern sind in Syrien zur Welt gekommen."
Die BF 2 führte im Wesentlichen unter Tränen aus, dass sie ihren in Syrien verschollenen Sohn vermisse. Nach Österreich seien sie gekommen, da hier seit Jahren ein Bruder der BF 2 lebe. Der Ehegatte sei staatenlos. Vorgelegt wurde von ihr ein Schreiben der Erwachsenenpsychiatrie eines Krankenhauses, wonach die BF 2 an einer leicht depressiven Episode leide.
3. Das BFA hat mit Bescheiden vom 25.08.2016 den Anträgen der BF 1 bis 4 sowie vom 10.11.2016 (BF 5) auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 (BF 1) bzw. § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG (BF 2 bis 5) stattgegeben und festgestellt, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4. Am 30.11.2017 langte eine Verständigung vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG hinsichtlich dem BF 1 ein.
5. Mit Schreiben vom 09.12.2017 wurde von der zuständigen PI mitgeteilt, dass gegen den BF 1 wegen des Verdachts der schweren Nötigung (Bedrohung des Bruders der BF 2 mit dem Umbringen, falls er sie weiter bei der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den BF 1 unterstützt) ermittelt wird. Im Zuge der Einvernahmen haben die BF 2 und ihr Bruder angegeben, dass es sich beim BF 1 nicht um einen syrischen Staatsangehörigen handelt. Am 22.02.2018 wurde eine Beschuldigtenvernehmung durch das LKA mit dem BF 1 durchgeführt. Dort gaben er an, dass die Ehegattin nur Lügen verbreiten würde und der BF 1 selbst die Wahrheit gesagt hätte.
Am 04.01.2018 langte der entsprechende Abschlussbericht der Polizei ein, aus welchem auch Ermittlungen gegen den BF 1 wegen Mordes in der Türkei hervorgehen.
In der Folge konnte der nunmehr im Spruch genannte tatsächliche Name des BF 1 ermittelt werden. Im Bericht vom 06.06.2018 ist festgehalten, dass es sich beim vom BF 1 vorgelegten Identitätsdokument um eine Totalfälschung handelt.
Die BF2 zeigte mehrfach die BF 1 wegen Übergriffen an bzw. wurden Betretungsverbote erlassen, wobei die BF 2 dem BF 1 mehrfach wieder verzieh und versuchte, Anzeigen zurückzuziehen.
6. Mit Schreiben vom 27.07.2018 wurde mitgeteilt, dass der BF 1 aufgrund eines Krankenhausaufenthalts nicht zur Einvernahme am 30.07.2018 erscheinen kann. Hinsichtlich der BF 2 wurde ebenfalls unter Vorlage eines ärztlichen Attestes mitgeteilt, dass sie nicht zur Einvernahme erscheinen kann.
7. Der BF 1 erschien am 20.09.2018 vor dem BFA. Er gab an, irgendwann ja erscheinen zu müssen und legte diverse Medikamente vor, bei welchen zB in der Packung Mirtabene noch keine Tabletten fehlten. Es wurden diverse Unterlagen zum Aufenthalt in Österreich vorgelegt.
8. Am 29.10.2018 wurde die BF 2 als Zeugin einvernommen.
Sie gab an, den BF 1 zwar in Syrien geheiratete zu haben, im Anschluss jedoch in der Türkei gelebt zu haben. Der Ehegatte sei Moslem und türkischer Staatsangehöriger. Die Kinder hätten nur türkische Geburtsurkunden erhalten. Sie gestand ein, dass die Angaben, die Eltern des BF 1 und der gemeinsame Sohn seien auf der Flucht verschwunden, eine Lüge gewesen ist. Zudem hätten die gesamten Angaben des BF 1 nicht der Wahrheit entsprochen.
Der BF 1 würde sie oft schlagen, bedrohen und führte die BF 2 dies auf dessen Haschischkonsum zurück.
Vorgelegt wurden von ihr diverse polizeiliche und gerichtliche Unterlagen sowie insbesondere Unterlagen zum Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zwecks Scheidung. Weiters wurde die Verständigung über die Einstellung des Verfahrens gegen die BF 2 wegen versuchter Bestimmung ihres Bruders zum Mord vorgelegt.
9. Am 07.11.2018 wurde der BF 1 als Opfer betreffend des Verdachtes einer Körperverletzung durch den Bruder der BF 2 vor der Polizei einvernommen.
10. Es wurde eine Vollmacht eines Rechtsanwalts für den BF 1 vorgelegt. Am 11.12.2018 erfolgte eine Akteneinsicht in den Akt des BF 1. Die Vollmacht wurde im Dezember 2018 gekündigt.
11. Am 20.12.2018 wurde der BF 1 vor dem BFA einvernommen. Wieder legte der BF 1 diverse Medikamente vor. Trotz Belehrung über die Mitwirkungspflicht und Konsequenzen bei Angabe einer falschen Identität blieb der BF 1 vorerst vehement bei seinen Angaben, dass er syrischer Staatsangehöriger ist. Über Vorhalt, dass die Überprüfung des Identitätsdokuments ergab, dass es sich dabei um eine Fälschung handelt, führte der BF 1 aus, dass seine Angaben stimmen würden, es sich um ein richtiges Dokument handle und dieses die Verwandten der Ehegattin ausstellen hätten lassen.
Erst in weiterer Folge gestand der BF 1 ein, dass er türkischer Staatsangehöriger ist und dort auch gelebt hat und bestätigte er schließlich, XXXX (gezeigt wurde Handyfoto vom Reisepass) zu sein. Dann vermeinte er, dass er nunmehr Angst vor der mafiösen Familie seiner Ehegattin habe. Der Schwager habe nicht nur die gefälschte Unterlag beschafft, sondern den BF auch bedroht, dass er einen falschen Namen angeben muss und hätte der Schwager die Fluchtgeschichte erfunden. Schließlich führte er am Ende der Einvernahme an, dass er wolle, dass wenn eine negative Entscheidung erfolgt, dann die gesamte Familie (Ehegattin und Kinder) gemeinsam in dasselbe Land zurückgeschickt werden.
12. Am 23.01.2019 langte eine Verständigung vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 35 Abs. 9 SMG hinsichtlich dem BF 1 ein.
13. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 20.03.2019 wurden gemäß § 69 Abs. 1 AVG die Asylverfahren aller BF von Amts wegen wiederaufgenommen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF 1 stets angegeben habe, syrischer Staatsangehöriger zu sein. Nach Asylgewährung an den BF 1 und davon abgeleitet im Rahmen des Familienverfahren für die BF 2 bis 5 hätte unter anderem die BF 2 angegeben, dass der BF 1 tatsächlich türkischer Staatsangehöriger sei. Das vorgelegte Identitätsdokument hätte sich als Totalfälschung erwiesen. Der BF 1 habe seine wahre Staatsangehörigkeit irreführend verschwiegen, um Asyl für sich und die Familie in Österreich zu erlangen. Die Asylanerkennung sei durch falsches Zeugnis, nämlich durch Verschleierung der wahren Staatsbürgerschaft - erschlichen worden, weshalb § 69 Abs. 1 Z 1 zur Anwendung käme.
Konkret wurde im Bescheid der BF 2 festgehalten, dass aufgrund der falschen Angaben ihres Mannes auch ihr Verfahren und das der Kinder wiederaufgenommen werden müsse, da sie den Asylstatus lediglich aufgrund der wahrheitswidrigen Angaben des BF 1 erhalten hätten.
14. Gegen diese Bescheide erhob die Rechtsvertretung der BF 2 bis 5 (ARGE Rechtsberatung) fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass Verfahrensvorschriften durch die Nichtbestellung eines Rechtsberaters verletzt worden wären. Weiter wurde der Antrag gestellt, die Verfahren der BF 2 bis 5 gesondert vom Verfahren des BF 1 zu führen, da die Voraussetzungen für ein Familienverfahren weggefallen wären (zitiert wurde hierzu aus einem Erkenntnis des BVwG). Die Gewaltübergriffe des BF 1 auf seine Familienmitglieder hätte entsprechende Berücksichtigung finden müssen.
Für den BF 1 wurde keine Beschwerde eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Angaben des BF 1 zu seiner syrischen Staatsangehörigkeit vor Zuerkennung von Asyl durch das BFA entsprachen nicht der Wahrheit. Zudem hat er sich mit einem gefälschten Identitätsdokument ausgewiesen. Der Untersuchungsbericht vom 06.06.2018 ergab, dass es sich beim vom BF 1 vorgelegten syrischen Identitätsdokument um eine Totalfälschung handelt.
Die BF 2 wusste von den nicht wahrheitsgemäßen Angaben ihres Ehegatten, gestand letztlich jedoch ein, dass es sich dabei nicht um die wahren Tatsachen handelt. Es handelt sich beim BF 1 vielmehr um einen türkischen Staatsangehörigen, welcher in Irreführungsabsicht seine Identität verschleiern wollte, um Asyl in Österreich zu erlangen.
Das Bundesamt kam zur Feststellung der syrischen Staatsangehörigkeit aller BF und hat aufgrund des Vorbringens dem BF 1 Asyl gewährt und die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Aufgrund des Familienverfahrens wurde den BF 2 bis 5 abgeleitet vom BF 1 der gleiche Schutz gewährt.
Die BF 2 lebt mit den Kindern in einem Frauenhaus getrennt vom BF 1.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
Der oben dargestellte Verfahrensgang ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu den Ausführungen in der Beschwerde hinsichtlich der fehlenden Bestellung eines Rechtsberaters
§ 52 BFA-VG in seiner aktuellen Fassung lautet:
Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht
§ 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG und §§ 76 bis 78 AVG, oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.
(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.
(3) Der Bundeskanzler verordnet die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht betraut, verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Fremden oder Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren.
In der Entscheidung des VfGH vom 09.03.2016, G 447/2015 wird letztlich festgehalten, dass die Vorgängerbestimmungen des § 52 BFA-VG bzw. die durch diese begründete gesetzliche Beschränkung des Anspruchs auf Vertretung durch einen Rechtsberater auf bestimmte fremdenrechtliche Verfahren gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Fremden untereinander verstößt.
Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass seit dem Inkrafttreten des aktuellen § 52 BFA-VG mit 1. Oktober 2016 in allen Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des BFA- mit Ausnahme von Kostenentscheidungen oder der Aktenvorlage im Rahmen einer Säumnisbeschwerde- von Amts wegen eine Rechtsberatung vorgesehen ist.
Aus der Entwicklung der die Rechtsberatung im Beschwerdeverfahren regelnden Bestimmungen ist ersichtlich, dass gem § 66 Abs 2 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, Rechtsberater Asylwerber in ihrem Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof allgemein "unterstützen und beraten" mussten. Die Regelung, dass Rechtsberater Fremde in Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gegen Rückkehrentscheidungen "auf deren Ersuchen auch zu vertreten" hatten, wurde mit § 52 Abs 2 BFA-VG in der Stammfassung, BGBl I 87/2012, geschaffen. Sie wurde mit BGBl I 70/2015 auf Verfahren betreffend Anordnungen zur Außerlandesbringung und Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug von Grundversorgungsleistungen erstreckt und liegt nunmehr aktuell eine sehr weitgreifende Bestimmung vor.
Grundsätzlich dient die Rechtsberatung in erster Linie der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Denn es soll dadurch ein Beitrag geleistet werden, um Asylverfahren "mit entsprechender Effektivität und Geschwindigkeit" durchzuführen (RV 120 BlgNR 22.GP 10). Rechtsberater haben "an der Führung des Verfahrens so mitzuwirken, dass es zu keiner unnötigen Verzögerung kommt" (vgl. § 51 Abs. 2 BFA-VG und RV 1078 BlgNR 24. GP 38f). Diese vorrangige Ausrichtung auf öffentliche Interessen unterscheidet die Rechtsberatung von der herkömmlichen Parteienvertretung durch einen Rechtsanwalt. Denn dieser ist verpflichtet, "die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten" und seine "[v]ornehmste Berufspflicht [...] ist die Treue zu seiner Partei".
Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die Beschwerde durch die Diakonie, ARGE Rechtsberatung eingebracht wurde, und ist daher nicht zu erkennen, dass durch die fehlende Rechtsberaterbestellung durch das BFA eine Beschwer der BF gegeben wäre. Es wurde auch in der Beschwerde nicht dargelegt, welche negativen Auswirkungen sich durch die fehlende Bestellung ergeben hätten. Zwar wird in bestimmten Fällen auch das BVwG zuständig dafür Sorge zu tragen, dass Beschwerdeführer ihr Recht auf Rechtsberatung auch tatsächlich wahrnehmen können (VwGH vom 05.04.2018, Zl. Ra 2017/19/0515). Im gegenständlichen Fall haben die BF, welche als Familieneinheit zu sehen sind, dieses Recht jedoch bereits vor Beschwerdeeinbringung mit Vollmacht an die Diakonie tatsächlich wahrgenommen, weshalb kein relevanter Verfahrensfehler vorliegt.
3.3. § 34 AsylG und § 16 BFA-VG
§ 34 AsylG 2005 steht unter der Überschrift "Familienverfahren im Inland" und lautet:
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
----------
1.-einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2.-einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3.-einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
----------
1.-dieser nicht straffällig geworden ist und
-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
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1.-dieser nicht straffällig geworden ist;
-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.-gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4.-dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
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1.-auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2.-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3.-im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
§ 34 AsylG knüpft mit dem Ausdruck "Familienangehörige" an § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 an, in dem der "Familienangehörige" definiert wird.
Die Wirkung der amtswegigen Wiederaufnahme eines Verfahrens und allfällige Auswirkungen eines Familienverfahrens auf die Familienmitglieder sind daher vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu sehen. Vorweg ist festzuhalten, dass die Ehe der BF gemäß ihren Angaben schon vor ihrer Einreise in Österreich bestand und die Kinder minderjährig und ledig sind. Es wurde daher vom BFA grundsätzlich zu Recht ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG geführt und aufgrund der Asylgewährung an den BF 1 den BF 2 bis 5 abgeleitetes Asyl gemäß § 3 iVm § 34 AsylG gewährt.
§ 16 Abs. 3 BFA-VG lautet:
"Wird gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren gemäß dem 4. Abschnitt des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt diese auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z 22 AsylG 2005) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Beschwerden gegen Entscheidungen im Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Beschwerde im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt."
§ 16 Abs. 3 BFA-VG bezieht sich ausdrücklich nur auf eine (zurückweisende oder abweisende) "Entscheidung" im Familienverfahren und regelt die Rechtsfolge einer Beschwerde gegen eine solche Entscheidung, dh einer Bescheidbeschwerde, damit einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG. Fraglich ist letztlich, ob eine Beschwerde gegen einen Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen dieselbe Wirkung hat, dass sie nämlich auch als Beschwerde in den Verfahren gilt, welche die anderen Familienangehörigen - im gegenständlichen Fall konkret den BF 1 - betreffen. Fakt ist, dass zwar hinsichtlich der BF 2 bis 5 Beschwerden eingebracht wurden, nicht aber hinsichtlich des BF 1.
Aufgrund der Durchführung eines Familienverfahrens, welches zur Asylgewährung für alle BF führte, kann nunmehr schon aus logischen Überlegungen heraus die Wiederaufnahme bzw. das nunmehrige Beschwerdeverfahren nur im Rahmen eines Familienverfahrens geführt und geprüft werden. Ansonsten käme es zu unbilligen Lösungen wie dem Umstand, dass das Verfahren des BF 1 mangels Beschwerde rechtskräftig wiederaufgenommen wäre, während die Verfahren der BF 2 bis 5 sich noch in Beschwerde befänden (wobei auch die BF 2 jedenfalls falsches Zeugnis zur Staatsangehörigkeit des BF 1 gab). Zudem wäre dadurch der Fall ermöglicht, dem der Gesetzgeber laut Judikatur entgegenwirken wollte, nämlich dass die Zuständigkeiten hinsichtlich einer Familie teilweise beim BFA und teilweise beim BVwG lägen. Dadurch wäre genau das vereitelt, was der Zweck des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 und die Absicht des Gesetzgebers war, dass über die Anträge aller Familienangehörigen von derselben Behörde entschieden werde. Ausnahmen davon sind nur für Fälle vorstellbar, in denen die zeitliche Lagerung von vornherein dazu führt, dass die Zuständigkeit nicht bei derselben Behörde zu liegen kommt.
Da die wiederaufzunehmenden Verfahren im Rahmen eines Familienverfahrens abgeschlossen wurden und den BF 2 bis 5 vom BF 1 abgeleitetes Asyl gemäß § 3 AsylG iVm § 34 AsylG zuerkannt wurde, liegt nach Ansicht des BVwG nunmehr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens jedenfalls ein Familienverfahren vor, welches zu einer Anwendung des § 16 Abs. 3 BFA-VG führt.
Dem Antrag in der Beschwerde, die Verfahren gesondert zu führen, war daher nicht zu folgen. Das BVwG verkennt auch nicht die gewaltsamen Übergriffe des BF 1 gegenüber der restlichen BF, im gegenständlichen Verfahren entfalten diese jedoch keine Relevanz. Soweit auf eine Entscheidung des BVwG verwiesen wird, ist dazu einerseits festzuhalten, dass keine Bindungswirkung zwischen Verfahren vor dem BVwG vorliegt und andererseits in diesem speziellen Einzelfall eine andere Konstellation vorlag, welche nicht mit gegenständlichem Fall vergleichbar ist. Zudem wird auch auf obige Ausführungen und darauf verwiesen, dass an sich § 34 AsylG objektive Kriterien festlegt, in welchen eine Prüfung eines tatsächlichen Familienlebens nicht vorkommt.
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418), dass grundsätzlich das Gesetz schon beim Status des Asylberechtigten nicht differenziert. Weder kennt das Gesetz einen ?originären' Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 (in Folge: AsylG), davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur ?abgeleiteter' Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass ?der' Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status des Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Im Übrigen lässt sich auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen (vgl. insbesondere deren Art. 13). Daher kann auf die Prüfung der eigenen Fluchtgründe einer Person verzichtet werden, wenn dieser Asyl im Familienverfahren zuerkannt werden kann (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Gemäß §§ 2 Abs. 1 Z 22 AsylG sind die BF 2 als Ehegattin sowie die minderjährigen Kinder jedenfalls als Familienangehörige zu sehen.
Gemäß §§ 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages von Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, den Familienangehörigen mit Bescheid den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn diese nicht straffällig geworden sind und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (BGBl I Nr. 84/2017, siehe Art. 3 Z 13) wurde die Z 2 des § 34 Abs. 2 AsylG aufgehoben. Diese lautete: "2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist ".
Es scheint sich darin der Wille des Gesetzgebers auszudrücken, dass nunmehr nur zu prüfen ist, ob die Familienangehörigen in Österreich nicht straffällig geworden sind und ob gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist. Ob zuvor ein Familienleben bestanden hat oder die Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat möglich ist, ist für die Zuerkennung im Regime des § 34 AsylG damit grundsätzlich seit 01.11.2017 nicht mehr maßgeblich. auf die Führung eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK käme es damit für die Führung eines Familienverfahrens nicht mehr an.
Die gegenteilige Rechtssprechung des VwGH (VwGH vom05.04.2018, Zl. Ra 2017/19/0333 und VwGH vom 22.11.2017, Zl. Ra 2017/19/0218) stützt sich noch auf die zuvor geltende Rechtslage und erscheint daher nicht mehr einschlägig.
Ob in weiterer Folge aufgrund des tatsächlich mangelnden Familienlebens zwischen dem BF 1 und den BF 2 bis 5 weiterhin im Rahmen eines Familienverfahrens im wiederaufgenommen Verfahren vorzugehen ist, stellt einen separaten Prüfungsschritt dar, auf welchen aktuell noch nicht einzugehen ist bzw. hinsichtlich dessen auch eine etwaige Scheidung Einfluss hat.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden der BF 2 bis 5 sich auch gegen den Bescheid in dem Verfahren des BF 1 richtet.
Zu A)
3.4. Abweisung der Beschwerden gegen die Wiederaufnahme:
3.4.1. § 69 Abs. 1 Z 1 AVG lautet
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
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1.-der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2.-neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3.-der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4.-nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
3.4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "Erschleichen" eines Bescheides vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (VwGH 29.1.2004, 2001/20/0346; 13.12.2005, 2003/01/0184; 8.6.2006, 2004/01/0470).
Mit Irreführungsabsicht hat die Partei dann gehandelt, wenn sie vorsätzlich, also wider besseren Wissens, falsche Angaben gemacht oder entscheidungsrelevante Umstände verschwiegen hat (VwGH 25.4.1995, 94/20/0779) und damit das Ziel verfolgte, daraus einen (vielleicht) sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (VwGH 10.9.2003, 2003/18/062; 29.1.2004, 2001/20/0346; 8.6.2006, 2004/01/0470). Die Behörde hat aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen in freier Beweiswürdigung auf das eventuelle Vorliegen einer solchen Absicht zu schließen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 14).
Der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat nach herrschender Ansicht absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470; vgl. auch VwGH 25.09.1990, 86/07/0071, VwGH 6.11.1972, 1915/70; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 27). Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hat die Bewilligung bzw. Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht allein die Zulässigkeit einer neuerlichen Entscheidung der schon einmal entschiedenen Sache zur Folge, sondern darüber hinaus auch die Aufhebung der seinerzeitigen Entscheidung (VwGH 21.11.2002, 2001/07/0027).
Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich. Richtig ist lediglich, dass den zu beurteilenden unrichtigen Angaben wesentliche Bedeutung zukommen muss (VwGH 09.08.2018,Ra 2018/22/0076). Das die Wiederaufnahme auslösende Verhalten der Partei muss auf die Erlassung eines konkreten Bescheides bzw. Erkenntnisses zielgerichtet sein bzw. das Verhalten denknotwendig der Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses vorangehen.
Der das vorangegangene, das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid tritt bereits im Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung) der Bewilligung (Verfügung) der Wiederaufnahme des Verfahrens außer Kraft (VwGH 23.03.1977, 1341/75 [verstärkter Senat]; 13.11.1986, 86/08/0163; 17.11.1995, 93/08/0114).
3.4.3. Im gegenständlichen Fall ist evident, dass der BF 1 im Verfahren vor dem BFA objektiv unrichtige Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit tätigte, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Er legte zudem ein gefälschtes Identitätsdokument vor.
Auch die BF 2 hat jedoch den Angaben des BF 1 zu seiner Staatsangehörigkeit erst nach Erlassung er Bescheide, mit welchen ihr und den Kindern Asyl gewährt wurde, widersprochen. Sie hat damit auch jedenfalls falsches Zeugnis über diesen Umstand abgelegt und die unrichtigen Angaben des BF 1 zu seiner syrischen Staatsangehörigkeit wissentlich bestätigt, um damit im Verfahren einen Vorteil zu erlangen.
Der objektive Umstand, dass der BF 1 während seines Verfahrens auf internationalen Schutz die türkische Staatsangehörigkeit besaß (und dies nach wie vor der Fall ist) ergibt sich insbesondere aus dem von ihm vor dem BFA gezeigten Bild von seinem türkischen Reisepass und den Ermittlungen des BFA sowie nicht zuletzt den Angaben der BF 2.
In Zusammenschau der neu hervorgekommenen unstrittigen Aspekte der türkischen Staatsangehörigkeit des BF 1 mit den Angaben der BF 1 und BF 2 im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz wird ersichtlich, dass BF 1 und BF 2 jene entscheidungsrelevanten Tatsachen im damaligen Verfahren bewusst verschwiegen und über die syrische Staatsangehörigkeit wissentlich täuschten.
Aufgrund der wie dargestellt objektiv (bewusst) unrichtigen Angaben bzw. des Verschweigens der türkischen Staatsangehörigkeit sowie der Vorlage eines gefälschten syrischen Identitätsdokuments kann von einer Irreführungsabsicht ausgegangen werden.
Diese Angaben waren im Übrigen von wesentlicher Bedeutung, da die Staatsangehörigkeit eines Fremden im Verfahren auf internationalen Schutz naturgemäß von zentraler Bedeutung ist und somit in unmittelbarem Kausalitätszusammenhang mit der Entscheidung des BFA über die Schutzgewährung für sämtliche BF stand, da die Gewährung von Asyl für den BF 1 auf Grund der individuellen Verfolgungsbehauptung als syrischer Staatsangehöriger in seinem Herkunftsstaat erfolgte.
Am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass letztlich aufgrund der Angaben der BF 2 die Staatsangehörigkeit der minderjährigen BF nicht festgestellt werden konnte.
3.4.4. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG konnte die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 vom BFA von Amts wegen verfügt werden.
Die belangte Behörde hat zu Recht mit Bescheiden vom 20.03.2019 die Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Da die Sachlage wie dargestellt auf Grund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung anlässlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
amtswegige Wiederaufnahme Familienverfahren gefälschtes Beweismittel Staatsangehörigkeit TäuschungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L519.2217832.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020