TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/21 L509 1420589-2

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Veröffentlicht am 21.06.2019
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Entscheidungsdatum

21.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L509 1420589-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, Zl. 810686309-1371678, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird und XXXX gemäß § 55 Abs. 1 ASylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 7.7.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 9.7.2011 wurde der Beschwerdeführer dazu von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Er gab an, sein Cousin sei in Kuwait Sekretär von der Partei "Pakistan Tehreek E. Insaf" gewesen. Dieser Cousin sei im Februar 2010 nach Pakistan gekommen und habe den Anführer dieser Partei in XXXX zu sich eingeladen. Der BF sei bei diesem Treffen dabei gewesen. Er habe diesen Parteiführer begleitet. Der BF sei aufgefordert worden, den Parteiführer umzubringen. Es sei ihm dafür viel Geld angeboten worden. Das Geld hätte er genommen, die Tat jedoch nicht ausgeführt. Der BF sei dann von unbekannten Männern entführt, misshandelt, eingesperrt und mit dem Umbringen bedroht worden. Dies habe Ende September 2010 stattgefunden. Anfang Oktober 2010 sei er wieder freigelassen worden.

2. Am 12.7.2011 wurde der Beschwerdeführer asylbehördlich einvernommen. Er wiederholte das Vorbringen, dass er von drei unbekannten Personen entführt worden sei. Er sei ca. 8 bis 10 Tage festgehalten worden. Die Leute, von denen er entführt wurde, hätten Kontakt zur Polizei. In einem anderen Landesteil seines Heimatlandes könne er nicht leben, da die Leute im ganzen Land ein starkes Netzwerk hätten, sie würden den BF überall finden.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 12.7.2011 wurde der Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.

4. Am 14.7.2011 wurde der Beschwerdeführer erneut asylbehördlich einvernommen. Dabei gab er an, er könne nicht nach Pakistan zurückgehen. Die Leute würden ihn "zerstückeln" und die Polizei würde ihn einsperren. Der Beschwerdeführer sei Mitglied bei einer Partei und diese Partei hätten bei den nächsten Wahlen an die Regierung kommen können. Die anderen Parteien hätten daher Rache gegen seine Partei geübt.

5. Mit Bescheid des BFA vom 22.7.2011 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ebenso wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Der Bescheid wurde am 23.07.2011 dem Beschwerdeführer zugestellt. Dagegen wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF mit Schriftsatz vom 05.08.2011 rechtzeitig Beschwerde eingebracht. Mit der Beschwerde wurde der bezeichnete Bescheid in seinem gesamten Umfang angefochten. Es wurde Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts behauptet.

6. Der BF wurde am 02.08.2011 in Salzburg von Organen des Landespolizeikommandos Salzburg bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung als Pizza-Zusteller betreten und zur Anzeige gebracht.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.10.2014, Zahl L508 1420589-1/13E, wurde der o. a. Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

8. Am 10.4.2017 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde. Dabei wiederholte er sein bisheriges Vorbringen und ergänzte er, dass er, nachdem er von zu Hause geflohen war, versucht habe, in mehreren Städten Pakistans unterzutauchen. Er habe dann jemanden kennengelernt, der bereit war, dem Beschwerdeführer zu helfen, Pakistan Richtung Europa zu verlassen.

9. Vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF wurde mit Schriftsatz vom 24.04.2017 eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend das Herkunftsland Pakistan vom 22.03.2017 abgegeben. Die Stellungnahme verweist darauf, dass die Schutzfähigkeit der pakistanischen Behörden bei Verfolgung durch private Akteure nicht gegeben sei. Die wirtschaftliche Lage sei durch eine hohe Armutsquote gekennzeichnet. Bei Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative würde der BF in eine ausweglose Lebenssituation geraten. Bei der neuerlichen Einvernahme sei nicht der gesamte Sachverhalt erhoben und den Ermittlungsaufträgen des Bundesverwaltungsgerichts nicht nachgekommen worden. Es liege beim BF eine gute wirtschaftliche und sprachliche Integration vor, der BF sei selbsterhaltungsfähig und die Verfahrensverzögerung liege nicht im Bereich des BF. Außerdem legte der BF anlässlich der Einvernahme Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012, 2013 und 2014 vor. Demnach habe der BF ein Einkommen aus einem Gewerbebetrieb im Jahr 2012 von 4.148 Euro, im Jahr 2013 von 8.570 Euro und im Jahr 2014 von 8.684 Euro erzielt. Der BF war als selbständiger Werbeprospektverteiler tätig.

10. Mit neuerlichen Bescheid vom 13.9.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ebenso wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Mit Spruchpunkt IV. wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

11. Mit Verfahrensanordnung vom 13.09.2017 wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch innerhalb von 2 Wochen in Anspruch zu nehmen und mit weiterer Verfahrensanordnung vom 13.09.2017 wurde dem BF die ARGE-Rechtsberatung -Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt.

12. Gegen unter den I.10. angeführten Bescheid richtet sich die nunmehr gegenständliche rechtzeitig eingebrachte Beschwerde. Es wird Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Verletzung von Verfahrensvorschriften und mangelhafte Beweiswürdigung behauptet. Es seien Ermittlungen hinsichtlich der Entscheidungen Spruchpunkte I. und II. in einem wesentlichen Punkt als mangelhaft erschienen, weil der für die Entscheidung maßgebliche, beweiswürdigungsrelevante Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und dabei der Begründung des BVwG-Beschlusses vom 9.10.2014 nicht Rechnung getragen worden sei. Der Beschwerdeführer hätte zu den Verletzungen im Bereich des linken Unterarms und des linken Auges und ob diese Narben in irgendeinem Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers stehen, befragt werden sollen. Weiters sei nicht geklärt worden, ob der Tod des Vaters im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignissen stand bzw. der Vater deshalb ums Leben gekommen ist. Eine ergänzende und detaillierte Befragung des Beschwerdeführers zu den von ihm angeführten Verletzungen hätten ergeben, dass diese im Zuge seiner Entführung Ende September 2010 und seiner nachfolgenden, 8 bis 10-tägigen Gefangenhaltung von seinen Verfolgern zugefügt worden sind. Überdies hätte der Beschwerdeführer darlegen können, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen seiner Verfolgung und dem Tod seines Vaters besteht und der Vater wegen der Verfolgung des Sohnes aus psychischem Stress heraus oder wegen damit zusammenhängender physischer Erkrankung gestorben ist. Weiters hätte der Beschwerdeführer bei seiner neuerlichen Vernehmung am 10.4.2017 geschildert, dass er von den Entführern "einer Tortur" unterzogen worden sei. Er sei von den Entführern malträtiert und gefoltert worden. Eine nähere Befragung dazu sei nicht erfolgt. Hier handle sich um einen wesentlichen Ermittlungsfehler, da es bei der Würdigung des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers sehr wohl wesentlich sei, ob dem Beschwerdeführer die Verletzungen durch die geschilderten Folterungen zugefügt wurden. Im Einvernahmeprotokoll vom 10.4.2017 würden auch jegliche Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des Todes seines Vaters fehlen.

Weiters wird ausgeführt, die neuerliche Befragung des Beschwerdeführers bzw. das nunmehr durchgeführte, weitere Ermittlungsverfahren sei grob mangelhaft geblieben. Die ergänzende Befragung vor der belangten Behörde habe 2 1/2 Jahre nach der Rückverweisung durch das BVwG stattgefunden. Inzwischen sei seit den vom Beschwerdeführer im 1. Rechtsgang geschilderten Ereignissen ein Zeitraum von nahezu 7 Jahren verstrichen. Diese 7 Jahre seien durch das Leben des Beschwerdeführers in Österreich geprägt gewesen, darunter einem intensiven Bemühungen des Beschwerdeführers, sich in Österreich zu integrieren und durch selbstständige Erwerbstätigkeit als selbsterhaltungsfähiger Asylwerber seine Unterhaltsbedürfnisse abdecken und befriedigen zu können. Darüber hinaus sei diese Zeit durch eine ständige Unsicherheit des Beschwerdeführers über seinen zukünftigen Aufenthaltsstatus geprägt gewesen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung würde sich das auf die Fähigkeit auswirken, sich an die fluchtauslösenden Verfolgungsereignisse, welche sich im Jahr 2007 zugetragen haben, im Detail erinnern zu können. Die vom Beschwerdeführer im Einvernahmeprotokoll vom 10.4.2017 getätigten Angaben würden in allen relevanten Details mit seinen früheren Aussagen und Schilderungen übereinstimmen und würden sich daraus keine ins Gewicht fallenden Widersprüche, Vorbringensteigerungen o. ä. ergeben. Der Beschwerdeführer habe den Kern seines Vorbringens bereits anlässlich seiner Erstbefragung geschildert und diese Angaben auch bei den weiteren Befragungen inhaltsgleich aufrechterhalten. Er habe alle an ihn gestellten Fragen im Zuge der neuerlichen Einvernahme beantworten können. Wenn er in einigen bestimmten Fragen, keine so genauen Angaben mehr machen konnte, spreche das nicht gegen, sondern für seine Glaubwürdigkeit, da dies der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass nach annähernd 7 Jahren nicht mehr alle Details in Erinnerung sind. Insbesondere solche, die sich nicht auf das Kerngeschehen der Verfolgung beziehen. Wenn die belangte Behörde gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ins Treffen führt, dass er sich betreffend die Frage, ob eine Verbindung zwischen den Entführern und der Polizei bestünde, widersprochen hätte, so betreffe dieser Umstand nicht das Kernvorbringen, zudem müsse der Beschwerdeführer über die wirklichen Beziehungen der Entführer zur Polizei nicht Bescheid wissen. Es treffe auch nicht zu, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich des Grundes, warum er sich nicht an die Polizei gewendet hat, widersprüchliche Angaben gemacht hat. Er habe jedenfalls bei allen Befragungen ausgesagt, dass ihm die Entführer Übel angedroht haben, sollte er tatsächlich zur Polizei gehen. Ob dies eine Drohung mit dem Tode oder eine Drohung mit nochmaliger Entführung war, sei eine nebensächliche Detailfrage. Daraus könne jedenfalls keine Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens geschlossen werden. Die gesamte Beweiswürdigung sei daher unrichtig, fehlerhaft und unschlüssig. Die Beweiswürdigung sei auch aus dem Grund mangelhaft, dass die belangte Behörde länderkundliche Feststellungen aus dem Jahr 2013 verwendete, die keinen Bezug zu den Vorfällen des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2010 haben.

Dazu legte der Beschwerdeführervertreter einen Auszug aus der Zeitschrift XXXX vom 21.8.2013 sowie einen Internet-Artikel vom 12.1.2014 und einen Internet Artikel der Zeitschrift XXXX vom 21.9.2013 der Beschwerde bei. Es sei auch rechtswidrig anzunehmen, die pakistanische Polizei und Sicherheitsbehörden seien in der Lage und willens, den Beschwerdeführer vor den von ihm geschilderten Verfolgungen durch private Verfolgungsakteure zu schützen. In den landeskundlichen Feststellungen sei von einer extrem hohen Korruptionsanfälligkeit der Polizei die Rede, von unzureichender Ausstattung, von Missständen betreffend Entgegennahme von Strafanzeigen und der Durchführung von Ermittlungen sowie von der Einbindung der Polizeikräfte in lokale Machtstrukturen. Die von der belangten Behörde angeführte Hilfsbegründung erweise sich daher als aktenwidrig, unrichtig und stehe in Widerspruch zu den im angefochtenen Bescheid ausdrücklich enthaltenen, landeskundlichen Feststellungen.

Bei den Ausführungen der belangten Behörde im Rahmen einer sogenannten Wahrunterstellung, dass in diesem Fall von einer inländischen Fluchtalternative des Beschwerdeführers auszugehen sei, beachte die belangte Behörde die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht. Es hätte fiktiv festgestellt werden müssen, welcher konkreten Verfolgung der Beschwerdeführer bei Wahrunterstellung seines Vorbringens in Pakistan tatsächlich ausgesetzt gewesen ist. Ohne eine derartige explizite Feststellung lasse sich nicht beurteilen, ob tatsächlich eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand. Darüber hinaus müsse die belangte Behörde beweisen, dass dem Beschwerdeführer eine Verlegung seines Aufenthaltes an einem anderen Ort in Pakistan zumutbar ist und dazu seien keine Feststellungen getroffen worden. Es sei nicht festgestellt worden, in welche konkrete sozioökonomische Situation der Beschwerdeführer geraten würde, müsste er tatsächlich in einer der pakistanischen Großstädte einen Lebensneubeginn versuchen. Der Beschwerdeführer würde nämlich im Falle einer Neuansiedlung in einer der pakistanischen Großstädte in eine Lebenssituation geraten, in der es ihm nicht möglich wäre, ein Leben ohne unangemessene Härte zu führen und dies sei ihm nicht zumutbar.

Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Abschiebung nach Pakistan unmenschliche Behandlung, weil er in diesem Fall in eine existenziell ausweglose Lebenssituation geraten würde. Es könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfalle wiederum eine Beschäftigung im Kraftfahrzeughandel aufnehmen wird können, zumal er alle diesbezüglichen wirtschaftlichen Beziehungen und Netzwerke abgebrochen hat. Es droht hinterher ein Abgleiten in Armut von einer Ausprägung, die als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zu werten wäre.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 7.7.2011 durchgehend, also nunmehr 6 Jahre und ca. 3 Monate in Österreich auf. In diesem Zeitraum kam ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 51 AsylG zu. Es handle sich um einen derart langen Zeitraum eines ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet. dass allein schon dieses Beurteilungskriterium im Rahmen der Gesamtabwägung ein derart hohes Gewicht hat, weshalb von einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einer weiteren Aufenthaltsgestattung auszugehen sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer von Anbeginn an keine Leistungen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen. Er sei stets darum bemüht gewesen, sich selbst zu erhalten und mit Eigeninitiative für sein wirtschaftliches und existenzielles Auskommen zu sorgen. Er habe keinerlei Grundversorgungsleistungen bezogen. Der Beschwerdeführer habe initiativ eine Gewerbeberechtigung als Werbemittelverteiler erlangt und eine Gewerbeanmeldung im Jahr 2012 vorgenommen. Der Beschwerdeführer erziele bereits seit 2012 ein regelmäßiges Einkommen und habe er dieses Einkommen auch regelmäßig versteuert. Er leiste auch Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pensionsversicherung. Es würden somit beachtliche Leistungen des Beschwerdeführers im Bereich seiner beruflichen Integration vorliegen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer am 1.8.2017 das Deutschzertifikat A2 erworben und habe er eine Reihe von sozialen Kontakten, auch zu Österreichern. Die lange Dauer des Asylverfahrens sei ihm nicht anzulasten, sondern treffe die Behörde dabei ein Organisationsverschulden. Es wäre ihm aufgrund der langen Abwesenheit nicht mehr möglich, eine neue Existenzgrundlage in Pakistan aufzubauen. Es bestehe beim Beschwerdeführer ein ausgeprägtes österreichisches Privatleben, welches unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK falle. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers.

13. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.02.2019 wurde dem BF über seinen bevollmächtigten Vertreter das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend das Herkunftsland Pakistan vom 21.06.2018 mit letzter Aktualisierung vom 01.08.2018 zur Kenntnis gebracht und wurde er aufgefordert, binnen 3-wöchiger Frist Stellung zu nehmen und darüber hinaus bekanntzugeben, ob seit Erlassung des angefochtenen Bescheides Änderungen in den Fluchtgründen, den Lebensverhältnissen, der Aufenthaltsorte von im Herkunftsland befindlichen Familienangehörigen, sowie im Privat- und Familienleben des BF bzw. in seiner gesundheitlichen Situation eingetreten sind.

14. Der BF ließ durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 13.03.2019 Stellung nehmen und übermittelte mit ergänzendem Schreiben vom 15.03.2019 Urkunden betreffend die berufliche und wirtschaftliche Tätigkeit des BF in Österreich an das Bundesverwaltungsgericht zum Nachweis seiner Integrationsbemühungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter besonderer Berücksichtigung der vom BF im erstbehördlichen Verfahren getätigten Angaben zum Grund des Verlassens des Herkunftslandes sowie der für ihn in erster und zweiter Instanz abgegebenen Stellungnahmen und der von ihm vorgelegten Urkunden und Integrationsunterlagen.

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger und stammt aus XXXX in der Nähe von XXXX , Provinz Punjab. Seine Identität kann mangels Vorlage von unbedenklichen Identitätsdokumenten nicht eindeutig festgestellt werden, sondern ist diese als bloße Verfahrensidentität anzunehmen. Der BF bekennt sich als sunnitischer Moslem und der Volksgruppe der Punjabi zugehörig. Er war in seiner Heimat als Autoverkäufer tätig.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Herkunftsland einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt war oder dass er für den Fall der Rückkehr einer solchen ausgesetzt sein wird. Es konnte überdies nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in das Herkunftsland einer sonstigen Bedrohung in seinen durch Art. 2, Art. 3 oder den Zusatzprotokollen der EMRK ausgesetzt ist oder er als Zivilperson wegen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes im Herkunftsland mit einer lebensbedrohlichen Gefährdung zu rechnen hätte.

1.3. Der BF ist bereits im Juli 2011 illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist. Seit 07.07.2011 bis dato hält sich der BF ohne Unterbrechung - somit seit rund 8 Jahren in Österreich auf. Den Großteil der Zeit hat der BF genutzt, um einer Beschäftigung nachzugehen, zunächst illegal (er wurde einmal bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten) dann legal in selbständiger Arbeit. Seit 2012 versteuert der BF regelmäßig ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit als Werbemittel- und Zeitungsverteiler. Der BF besitzt seit Jänner 2019 eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe in der Form eines Gastgewerbes mit nicht mehr als 8 Verabreichungsplätzen (Imbisslokal- Pizzeria) und betreibt dieses mit einem Teilzeit-Angestellten und zwei geringfügig Beschäftigten. Er erzielte bis dato daraus ein selbsterhaltungsfähiges Einkommen. Von der Grundversorgung wurde der BF lediglich von 07.07.2011 bis 19.07.2011 unterstützt. Es ist davon auszugehen, dass der BF die deutsche Sprache zumindest auf dem Niveau A2 beherrscht. Er ist bis dato strafrechtlich unbescholten.

Die Dauer des Asylverfahrens beträgt - wie der Aufenthalt des BF - rund 8 Jahre. Im ersten Rechtsgang musst das Verfahren wegen krasser und unzureichender Ermittlungsmängel an die belangte Behörde zu neuerlichen Durchführung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen werden. Die Weiterführung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens erfolgte erst durch neuerliche Einvernahme des BF ca. 2 1/2 Jahre nach der Zurückverweisung durch das BVwG. Gründe für diese Verzögerung sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Der BF bewohnt in S. ein Zimmer, für das er monatlich 240 Euro Miete bezahlt.

Die Bindungen zum Heimatstaat sind aufgrund der langen Aufenthaltsdauer des BF relativ gering.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben. Als Personaldokumente hat der BF bei der Asylbehörde kein Dokument vorgelegt. Im Zuge eines von ihm beantragten Führerschein(umschreibe)-Verfahrens legte er jedoch bei der Polizei einen pakistanischen Führerschein vor, welcher auch im Hinblick auf die Echtheit und Authentizität überprüft und für authentisch befunden wurde (AS 383f). Aufgrund der Übereinstimmung der darin enthaltenen Identitätsdaten kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF eine richtige Identität angegeben hat. Aufgrund der von ihm gesprochenen Sprache und der Ortskenntnis kann auch angenommen werden, dass der BF die pakistanische Staatsangehörigkeit besitzt.

2.2. Das Vorbringen des BF zum Grund seiner Ausreise ist nicht glaubhaft. Dies gründet sich auf die von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung, die in sich schlüssig und nachvollziehbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich daher dieser Beweiswürdigung anschließen.

Es ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie in der Gesamtschau davon ausgeht, dass der BF bei den Einvernahmen widersprüchliche und teilweise nicht nachvollziehbare Angaben gemacht hat. Vor allem nicht nachvollziehbar erscheint es dem Bundesverwaltungsgericht - wie dem BFA - dass der BF zunächst einmal von unbekannten Leuten entführt, gefoltert und misshandelt worden sein soll, um danach von diesen Leuten aufgefordert zu werden, gegen Geld, das auch noch im Voraus ausbezahlt worden sein soll, jemanden umzubringen. Es erscheint jedenfalls auch dem Bundesverwaltungsgericht mehr als fraglich, dass man jemanden mit Folter, Misshandlung, Drohung und sonstige Gewaltanwendung zu einer strafrechtswidrigen Handlung zwingen möchte (was für sich genommen zwar nicht außergewöhnlich ist) später aber die Täter diese Tathandlung durch Bezahlung eines Geldbetrages erkaufen möchten. Da es dabei - wie vom BF dargestellt - um die Bestimmung zum Mord an einem Parteiführer gegangen sein sollte, dürfte der Geldbetrag auch kein geringer gewesen sein. Der BF hat sich jedenfalls über die Summe ausgeschwiegen. Wie überhaupt der BF über behauptete Folter, Misshandlungen, Freiheitsbeschränkungen, Drohungen usw. von sich aus kaum Details ausgeführt hat. Wie der Niederschrift zu entnehmen ist, musste jedes Detail nachgefragt werden und waren die Antworten dazu stets knapp, meist ungenau, obwohl nach Einzelheiten gefragt wurde und schließlich häufig nicht auf die Frage bezogen bzw. ausweichend (vergl. dazu die Niederschrift z.B. auf AS 41 f). Dem BFA ist Recht zu geben, wenn es all diese Umstände als der Glaubwürdigkeit abträglich wertet. Gerade dieses spärlich Auskunftsverhalten deutet darauf hin, dass der BF Schwierigkeit hat, eine zusammenhängende Schilderung des Geschehens darzulegen. Dies könnte zwar wohl auch auf eine intellektuelle oder psychische Beeinträchtigung zurückzuführen sein. Da aber keine Hinweise auf eine solche Beeinträchtigungen aktenkundig sind (der BF bezeichnete sich auf ausdrückliche Nachfrage als gesund und frei von der Notwendigkeit, Medikamente einzunehmen - AS 37) und solche auch nicht behauptet wurden, muss davon ausgegangen werden, dass dem BF das reale Erleben des Geschehens fehlt. In einer Zweiten Einvernahme (am 14.07.2011 - AS 87ff) zeigt sich, dass der BF zunächst sein bisheriges Vorbringen bloß wiederholt, als ihm die Möglichkeit geboten wurde, Fehlendes zu ergänzen. Erst als er ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, nicht bloß bisher gesagte zu wiederholen, bemühte er sich, Lücken und Ungereimtheiten seines Erstvorbringens zu ergänzen. Die Ergänzungen und Erklärungen weichen jedoch von seinen früheren Angaben ab, so dass sie nicht zur Glaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens beitragen.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt somit die vom BFA gezogene Schlussfolgerung, dass der BF das geschilderte Geschehen nicht selbst erlebt hat, sondern einen Sachverhalt konstruieren wollte, um dadurch im Asylverfahren einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

Die Feststellungen zu den Integrationsbemühungen des BF gründen sich auf die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen. Diese geben in ihrer Gesamtheit keine Anhaltspunkte, ein intensives Bemühen des BF, hier in Österreich Fuß zu fassen und sein Fortkommen aus eigener Kraft zu sichern in Frage zu stellen. Die Aufenthaltsdauer ist unstrittig und ist nicht im überwiegenden Teil auf das Verhalten des BF zurückzuführen, sondern gründet sich vor allem auf das von der belangten Behörde wenig zügig durchgeführte Verfahren. So lag zwischen einem mangelhaft geführten Erstverfahren und der durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG bei der I. Instanz veranlassten Weiterführung des Verfahrens durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.10.2014 ein Zeitraum von 2 1/2 Jahren. Die neuerliche Einvernahme erfolgte erst am 10.04.2017. Gründe für diese Verzögerung sind aktenmäßig nicht nachvollziehbar, zumal sie im Bereich der belangten Behörde liegen dürften. Dies kann keineswegs dem BF angelastet werden.

Die Feststellung, dass der BF in dieser Zeit einer illegalen Beschäftigung nachgegangen ist, ergibt sich aus einer im Akt einliegenden Anzeige der Finanzpolizei samt Strafantrag des Finanzamtes Salzburg-Stadt (AS 305 ff), was in der Interessensabwägung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sein wird.

Die festgestellten Kenntnisse der deutschen Sprache sind durch Vorlage des ÖSD-Zertifikates A2 vom 01.08.2017 belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

A.1. Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Richters die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdeführer vermochte nämlich keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen.

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Vorbringen, mit dem eine asylrelevante Verfolgung behauptet wird, nicht glaubhaft. Durch Widersprüche und Ungereimtheiten in der Darstellung des Sachverhaltes, wurde der BF persönlich unglaubwürdig und ist nicht davon auszugehen, dass er das Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Organe, aber auch nicht durch Private - bei Untätigkeit oder Unfähigkeit der staatlichen Behörden, den BF zu schützen - verlassen hat. Insofern kann sich der BF nicht auf die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention berufen und wurde sein diesbezüglicher Antrag auf internationalen Schutz zu Recht von der belangten Behörde abgewiesen.

A.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan

1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

2. Weder auf der Grundlage der im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationen, welchen der BF nicht substantiiert entgegengetreten ist, noch vor dem Hintergrund des persönlichen Vorbringens des BF ist ersichtlich, dass er bei einer Rückführung in sein Heimatland in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Gefährdung im Sinne des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. In Pakistan ist nicht von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, weshalb auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist. Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem BF im Fall seiner Abschiebung nach Pakistan dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlen würde. Den getroffenen Länderfeststellungen, welchen der BF nicht entgegengetreten ist, ist zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in Pakistan gewährleistet ist und ist diesbezüglich zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Verschlechterung bekannt. Die Ausführungen der Beschwerde zeigen nicht auf, warum es vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen dem BF bei einiger persönlicher Anstrengung, die er auch hier in Österreich unter Beweis gestellt hat, nicht möglich sein soll, auch in Pakistan in einem - wenn auch niederschwelligem Einkommenssegment - eine wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass sich die wirtschaftliche Situation in Pakistan schlechter darstellt als in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. in Österreich, aus den Berichten geht aber keinesfalls hervor, dass sie dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet ist. Der in der Beschwerde zu Ausdruck kommende bloße Hinweis auf die Möglichkeit des Abgleitens in eine existenzbedrohende Armut ist nicht ausreichend, um ein für den BF tatsächlich bestehendes reales Risiko ("real risk") einer unmenschlichen Behandlung (wie vom EGMR in seinen Entscheidungen zu Art. 3 EMRK regelmäßig gefordert) anzunehmen.

Der BF ist ein 38-jähriger Mann mit 10-jähriger Grundschulbildung, der seinen Angaben zufolge in seiner Heimat als Verkäufer von Gebrauchtwagen tätig war. Die übrigen Familienmitglieder, bestehend aus 3 Brüdern, 2 Schwestern und der Mutter, leben nach wie vor im Heimatort. Der BF verfügt daher im Falle der Rückkehr über familiären Anschluss. Er ist überdies gesund und arbeitsfähig. Es ist kein Grund ersichtlich, warum er nach seiner Rückkehr nicht Aufnahme, Arbeit und Unterhalt mit Hilfe seiner Familie finden sollte.

Keineswegs ist davon auszugehen, dass dem BF eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, wie es auch vor der Ausreise nach Österreich (allenfalls mit der Unterstützung seiner Angehörigen) möglich war.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Ebenso wenig ergibt sich aus einer eventuell illegalen Ausreise keine Gefährdung für den BF.

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des BFA abzuweisen.

A.3. Zur Rückkehrentscheidung

1. In § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG wird festgehalten, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden ist, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird, sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Dem BF wurde mit gegenständlichem Erkenntnis weder der Status eines Asylberechtigten, noch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass gem. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zu prüfen war, ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

2. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bestimmt zum Schutz des Privat- und Familienlebens Folgendes:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss eine nachvollziehbare Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27. 10. 1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28. 6. 2003, G 78/00)

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, mindert das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des Asylwerbers hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.

Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).

Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können Ausweisungen bzw. Rückkehrentscheidungen ausnahmsweise auch nach über zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (VwGH 10.12.2013, 2012/22/0129).

Zur Entscheidung im gegenständlichen Fall:

Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in der gegenständlichen Rechtssache der Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen nicht gerechtfertigt.

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hält sich der BF seit 2011 - somit insgesamt nahezu 8 Jahre - als Asylwerber in Österreich auf, wobei ihm die bisherige Verfahrensdauer im Asylverfahren nicht anzulasten ist. Bei dem gegenständlichen Asylantrag handelt es sich zudem um den einzigen Antrag des BF, Folgeanträge wurden nicht gestellt.

Entgegen der Ansicht des BFA ist gegenständlich davon auszugehen, dass der BF seine Integration in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erfolgreich vollzogen hat und die Änderung dieser Umstände seit der letzten Entscheidung des BFA vom 13.09.2017 sehr wohl ein entscheidungsrelevantes Ausmaß erreicht hat, sodass nunmehr von einer schützenswerten Integrationsverfestigung auszugehen ist.

Auf die oben unter II.1.3. angeführten Feststellungen wird verwiesen.

Der BF ist bereits im Juli 2011 illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist. Seit 07.07.2011 bis dato hält sich der BF ohne Unterbrechung - somit seit rund 8 Jahren - in Österreich auf. Den Großteil der Zeit hat der BF genutzt, um einer Beschäftigung nachzugehen, zunächst zwar illegal (er wurde einmal bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten) dann jedoch legal in selbständiger Arbeit. Seit 2012 versteuert der BF regelmäßig ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit als Werbemittel- und Zeitungsverteiler. Nunmehr besitzt der BF seit Jänner 2019 eine Gewerbeberechtigung für die Führung eines Gastgewerbes in Form eines Imbisslokales. Er beschäftigt auch Arbeitnehmer. Der BF lukriert daraus ein selbsterhaltungsfähiges Einkommen. Die deutsche Sprache beherrscht der BF zumindest auf dem Niveau A2.

Weiters ist der BF strafgerichtlich unbescholten.

Zusammenfassend ergibt sich sohin, dass der BF in Österreich einen ausreichend hohen Grad an Integration erreicht hat, sodass im vorliegenden Fall sein privates Interesse an der Fortführung seines Privat- und Familienlebens in Österreich höher zu werten ist, als das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. So hat der BF durch eigene Anstrengung gezeigt, dass er um eine möglichst umfassende und auf Dauer angelegte persönliche Integration in Österreich bemüht ist. Er ist derzeit als selbständiger Gastwirt tätig und bezieht daraus ein selbsterhaltungsfähiges Einkommen.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Rahmen einer Güterabwägung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privat- und Familienlebens des BF dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. So ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum im gegenständlichen Fall öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der BF Österreich verlassen müsste.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF stellt der Judikatur zufolge weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, 98/18/420).

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das private Interesse des BF an der Aufrechterhaltung des Privatlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, erweist sich die im angefochtenen Bescheid angeordnete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unzulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

Zum Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG:

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Wegen Überwiegens der privaten gegen die öffentlichen Interessen ist die Aufrechterhaltung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten. Der BF verfügt außerdem über ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, dass die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erreicht.

Dem BF war daher spruchgemäß eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die einschlägige Judikatur ist im Text der rechtlichen Beurteilung angeführt.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel Glaubwürdigkeit innerstaatliche Fluchtalternative Integration Integrationsvereinbarung Integrationsverfestigung Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non-refoulement Prüfung Privat- und Familienleben private Interessen Privatleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Rückkehrentscheidung behoben selbstständig Erwerbstätiger Selbstständiger Selbstständigkeit Unschlüssigkeit Verfahrensdauer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L509.1420589.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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