Entscheidungsdatum
01.07.2019Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L510 2220218-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Dr. Rudolf MAYER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2019, Zl: XXXX (EAM), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
1. Mit im Spruch angeführten Bescheid erließ das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen die beschwerdeführende Partei (bP), gem. § 67 Abs 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 2 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.).
Gem. § 70 Abs. 3 FPG wurde der bP ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
2. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
3. Am 19.06.2019 langte der Verfahrensakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die bP ist türkischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger. Ihre Identität steht fest. Sie erfüllt die Voraussetzungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980. Ihr wurde am 20.04.2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung "jeglicher Aufenthaltszweck" durch die zuständige Niederlassungsbehörde ausgestellt. Sie verfügt somit seither über ein Daueraufenthaltsrecht in Österreich.
Die bP wurde am XXXX rechtskräftig durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten (12 Monate unbedingt, 24 Monate bedingt nachgesehen) wegen § 12 2. Fall StGB, § 15 StGB § 169 (1) StGB und § 15 StGB §§ 146, 147 (2) StGB verurteilt. Die der Verurteilung zugrundeliegende Tat resultiert vom 13.09.2017. Die bP hat diese Freiheitsstrafe noch nicht angetreten.
2. Beweiswürdigung
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Entsprechend dem Erkenntnis des VwGH vom 4. April 2019, Ra 2019/21/0009-7, sind türkische Staatsangehörige - auch solche mit einer Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 - "sonstige" Drittstaatsangehörige. Sie unterfallen daher dem Wortlaut nach § 52 FPG. Vor allem aber ist zu bedenken, dass türkische Staatsangehörige, gegen die in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, zu illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen werden, denen daher nach der Rückführungs-RL im Wege einer Rückkehrentscheidung eine Rückkehrverpflichtung in ihr Herkunftsland, ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder in ein anderes Drittland, in das sie freiwillig zurückkehren wollen und in dem sie aufgenommen werden, aufzuerlegen ist (Art. 6 Abs. 1 und 6 iVm Art. 3 Z 3 und 4 Rückführungs-RL). Das wird im österreichischen Rechtsbereich (seit 1. Jänner 2014 zur Gänze) nur mehr durch die Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG umgesetzt, die nach dem 8. Absatz dieser Bestimmung den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde, verpflichtet. Demgegenüber verpflichten Ausweisungen nach § 66 FPG und Aufenthaltsverbote nach § 67 FPG nur zur Ausreise aus Österreich (siehe § 70 Abs. 1 FPG).
Vor diesem Hintergrund ist nunmehr auch gegen türkische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 verfügen und deren Aufenthalt in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 beendet werden soll, anders als nach der bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr ein Aufenthaltsverbot, sondern eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen. Freilich hat es dabei zu bleiben, dass diese Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eine Gefährdung voraussetzt, die jener gleichkommt, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger rechtfertigt oder, wie sich aus EuGH 8.12.2011, Ziebell, C-371/08, ergibt, im Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der sich seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhält, Art. 12 der Daueraufenthalts-RL - umgesetzt durch § 52 Abs. 5 FPG - entspricht.
Gegenständlich ergibt sich folgendes:
Wie das BFA festgestellt hat, kommt der bP eine Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 zu. Dass die bP begünstigter Drittstaatsangehöriger aufgrund einer sonstigen Konstellation ist, kam im Verfahren nicht hervor. Die bP ist somit entsprechend der o. a. Judikatur des VwGH als sonstiger Drittstaatsangehöriger zu qualifizieren und unterfällt daher dem Wortlaut nach § 52 FPG.
Die einschlägige Bestimmung für einen Fall wie dem gegenständlichen findet sich somit in § 52 FPG, in welchem von Drittstaatsangehörigen die Rede ist.
Da das BFA eine für diesen Fall nicht anzuwendende Rechtsnorm ihrer Entscheidung zu Grunde legte, war spruchgemäß zu entscheiden.
Für ein etwaig fortgeführtes Verfahren wird insbesondere darauf hingewiesen, dass es entsprechend der Judikatur des VwGH dabei zu bleiben hat, dass diese Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eine Gefährdung voraussetzt, die jener gleichkommt, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger rechtfertigt oder, wie sich aus EuGH 8.12.2011, Ziebell, C-371/08, ergibt, im Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der sich seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Österreich aufhält, Art. 12 der Daueraufenthalts-RL - umgesetzt durch § 52 Abs. 5 FPG - entspricht.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub Einreiseverbot Gefährdungsprognose Rechtsgrundlage Rückkehrentscheidung StraffälligkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L510.2220218.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020