TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/2 L502 2199634-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2019
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Entscheidungsdatum

02.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

L502 2199634-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas Bracher als Einzelrichter über den Antrag von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 05.03.2019, XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu Recht erkannt:

A) Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Wiederaufnahmewerber (WA), ein irakischer Staatsangehöriger, stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 23.10.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 08.05.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 55 und 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Festgestellt wurde, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist, wobei eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt wurde.

3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht und in vollem Umfang eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde mit Erkenntnis vom 07.08.2018 als unbegründet abgewiesen.

4. Am 08.01.2019 stellte der WA, nachdem er zuvor nach Deutschland ausgereist war und dort am 29.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte sowie im Rahmen des sogen. Dublin-Verfahrens nach Österreich überstellt worden war, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

5. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 31.01.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Festgestellt wurde, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist, wobei eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt wurde. Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde ihm aufgetragen unter der dort genannten Adresse Unterkunft zu nehmen.

6. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 05.03.2019 abgewiesen.

7. Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2018, mit dem die Beschwerde des WA gegen den seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz abweisenden Bescheid des BFA als unbegründet abgewiesen worden war, wurde die ao. Revision an den VwGH erhoben.

8. Mit Erkenntnis des VwGH vom 29.04.2019 wurde der ao. Revision stattgegeben und das Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2018 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

9. Mit am 14.06.2019 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz brachte der Vertreter des WA den gg. Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 05.03.2019 abgeschlossenen Verfahrens ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Wiederaufnahmeantrag, die Entscheidung des VwGH vom 29.04.2019 sowie die Entscheidung des BVwG vom 05.03.2019, im Lichte dessen der Verfahrensgang unstrittig war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

1. § 32 VwGVG lautet:

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

2. Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog. "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sog. "nova causa superveniens") (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 28).

"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, Zl. 2006/05/0232).

Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar nicht notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Beim "Verschulden" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des VwGH um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, Zl. 94/07/0063; 10.10.2001, Zl. 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).

Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid (hier: anders lautende Entscheidung des Asylgerichtshofes) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195; 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.).

Gerade das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist wegen der Durchbrechung der Rechtskraft streng zu prüfen (VwGH 26.04.1984, 81/05/0081). Weiters ist die Auslegung des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hinsichtlich der Wortfolge "voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheides" zu beachten. Demnach ist mit "voraussichtlich" ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gemeint (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 591).

Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, Zl. 2001/21/0031; 07.09.2005, Zl. 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).

Neu hervorgekommene Beweismittel rechtfertigen - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur dann, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0564).

Im Zuge des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens vorgelegte Beweismittel können daher nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen, wenn sie alleine oder in Verbindung mit einem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben ist, sind allein die innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend (VwGH 23.04.1990, Zl. 90/19/0125; 31.03.2006, Zl. 2006/02/0038; 14.11.2006, Zl. 2005/05/0260).

Die zweiwöchige (subjektive) Frist gemäß § 32 Abs. 2 AVG beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag zu laufen, an dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Für die Berechnung dieser verfahrensrechtlichen Frist sind die §§ 32 und 33 AVG maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Der Wiederaufnahmeantrag hat alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit, d.h. der Einhaltung der subjektiven und objektiven Fristen des § 69 Abs. 2 AVG maßgeblichen Angaben zu enthalten (VwGH 19.05.1993, Zl. 91/13/0099; 25.01.1996, Zl. 95/19/0003). Gemäß § 69 Abs. 2 letzter Satz AVG sind die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Fristen ergibt, vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 07.03.1996, Zl. 96/09/0015) und an welchem Tag die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ihm gegenüber erlassen wurde (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 55).

Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080), sofern ihn die Behörde nicht zum Anlass einer amtswegigen Wiederaufnahme nimmt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59).

3. Der WA stützte seinen Antrag darauf, dass die Frage, ob ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorgelegen hat, im Rahmen seines Folgeantrages eine Vorfrage darstellte. Aufgrund der ex-tunc Wirkung der Behebung des ersten Erkenntnisses des BVwG durch das Erkenntnis des VwGH seien die Voraussetzungen für eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache nicht vorgelegen. Die nachträgliche Aufhebung des Bescheides ex tunc stelle in Bezug auf das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren, welches auf dem aufgehobenen Bescheid basiere, eine neue Tatsache iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dar, die im Verfahren, ohne Verschulden der Partei, nicht habe geltend gemacht werden können.

Es lägen dementsprechend sowohl der Wiederaufnahmegrund der abweichenden Vorfragenentscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG als auch jener der neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG bzw. § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG vor.

4. Vorweg war festzustellen, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 14.06.2019 fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes eingebracht wurde.

5.1. Der WA stützte seinen gg. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zunächst auf den Wiederaufnahmetatbestand der abweichenden Vorfragenentscheidung gemäß § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG.

Bei der in § 69 Abs 1 Z 3 AVG angesprochenen Vorfrage muss es sich um eine solche iSd § 38 AVG handeln (VwGH 25. 1. 1972, 1567/71), also um eine präjudizielle Rechtsfrage, die nicht von der erkennenden, sondern von einer anderen (österreichischen) Behörde oder von derselben Behörde in einem anderen Verfahren oder von einem Gericht als Hauptfrage - als Gegenstand eines rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Abspruches (VwGH 30. 3. 2004, 2003/06/0002; 24. 10. 2007, 2007/21/0174) - zu entscheiden ist (VwGH 26. 3. 1971, 1607/70; 9. 4. 1999, 98/19/0272; vgl auch § 38 Rz 2 ff) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG §69 Rz 16).

Vorfragen iSd § 38 AVG setzen somit voraus, dass der Spruch der erkennenden Behörde in der Hauptfrage nur nach Klärung einer in den Wirkungsbereich einer anderen österreichischen Behörde fallenden Frage gefällt werden kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 2 mwN.).

5.2. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das BVwG im zweiten Verfahrensgang (also betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid über die Zurückweisung des Folgeantrages) ausschließlich die Rechtsfrage zu beurteilen hatte, ob eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorlag, sohin ob im Entscheidungszeitpunkt des BVwG - in concreto daher am 05.03.2019 - bereits eine rechtskräftige Entscheidung im ersten Verfahrensgang vorlag, was zum damaligen Entscheidungszeitpunkt jedenfalls zu bejahen war. Dies war die Hauptfrage des Beschwerdeverfahrens im zweiten Verfahrensgang, die letztlich mit der Entscheidung des BVwG vom 05.03.2019 rechtskräftig entschieden wurde.

Es erhellte für das erkennende Gericht nicht, weshalb der WA in seinem Wiederaufnahmeantrag vermeinte, dass es sich dabei um eine Vorfrage iSd § 38 AVG handelte. Ebenso wenig erhellte für das erkennende Gericht, inwieweit sich die ex-tunc Wirkung der Aufhebung des Erkenntnisses des BVwG vom 07.08.2018 auf das Erkenntnis vom 05.03.2019 erstrecken sollte, zumal letzteres auch gar nicht von der Anfechtung mittels ao. Revision erfasst war.

5.3. Da es sich bei der Frage, ob im Entscheidungszeitpunkt bereits eine entschiedene Sache vorlag oder nicht, um keine Vorfrage iSd § 38 AVG handelte, kommt eine Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG nicht in Betracht.

6.1. Darüber hinaus ging der WA davon aus, dass es sich bei dem Erkenntnis des VwGH vom 29.04.2019 (mit dem das Erkenntnis des BVwG vom 07.08.2018 behoben wurde) um eine neue Tatsache iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG handle und dass dem Wiederaufnahmeantrag gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG stattzugeben sei.

6.2. Dem war entgegenzuhalten, dass es sich bei nachträglich hervorgekommenen gerichtlichen Entscheidungen, weil sie weder eine Tatsache noch ein Beweismittel sind, um keine "nova reperta" iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und damit um keinen Wiederaufnahmegrund handelt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 30, vgl auch VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107).

Zwar kann nach der Rechtsprechung des VwGH die rückwirkende Aufhebung einer mit Tatbestandswirkung ausgestatteten Entscheidung die Wiederaufnahme des darauf aufbauenden Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigen (vgl. VwGH, 14.01.2009 2007/04/0199 mwN.). Das Beschwerdeverfahren im zweiten Verfahrensgang baute jedoch gerade nicht auf der Tatbestandswirkung der Entscheidung des BVwG im ersten Verfahrensgang auf, sondern galt lediglich der Beurteilung, ob aufgrund der Entscheidung im ersten Verfahrensgang bereits eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorlag, was im Entscheidungszeitpunkt am 05.03.2019 zweifelsohne zu bejahen war.

Sohin kam der Entscheidung des VwGH vom 29.04.2019 nicht die Eigenschaft einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. iSd § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG zu.

6.3. Dementsprechend schied auch die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG aus.

7. Der gg. Antrag auf Wiederaufnahme war daher spruchgemäß abzuweisen.

8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

entschiedene Sache Folgeantrag nova reperta res iudicata VwGH Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2199634.3.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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