Entscheidungsdatum
02.07.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L502 2117938-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 07.01.2019, XXXX , rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu Recht erkannt:
A) Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Wiederaufnahmewerber (WA), ein irakischer Staatsangehöriger, stellte im Gefolge seiner Anhaltung im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 20.06.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 16.11.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 55 und 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Festgestellt wurde auch, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist, wobei eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt wurde.
3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht und in vollem Umfang eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 31.05.2017 und am 30.05.2018, mit dem im Spruch bezeichneten Erkenntnis des BVwG vom 07.01.2019 als unbegründet abgewiesen.
4. Mit am 28.05.2019 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz brachte der Vertreter des WA den gg. Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 07.01.2019 abgeschlossenen Verfahrens ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.
1.2. Das BVwG gelangte im og. Erkenntnis vom 07.01.2019 unter anderem zu folgenden Feststellungen, die auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt werden:
"Der BF ist homosexuell orientiert. Er nahm seine homosexuelle Orientierung bereits im Alter von 16 Jahren wahr und lebte diese während seines weiteren Lebens in seiner Heimatstadt bis zur Ausreise im Jahr 2014, somit über ca. sieben Jahre hinweg, in der Form mehrerer homosexueller Bekanntschaften mit Gleichaltrigen und in einem Fall auch mit einem erheblich älteren Mann aus. Auch während seines einjährigen Aufenthalts in der Türkei nach seiner Ausreise aus dem Irak hatte er homosexuelle Kontakte.
Nach der Einreise nach Österreich pflegte er mehrere homosexuelle Kontakte, führte von August 2016 bis ca. Ende 2017 eine enge homosexuelle Beziehung mit einem österr. Staatsangehörigen, die aber keinen gemeinsamen Wohnsitz der beiden Partner umfasste, und führt aktuell wieder eine homosexuelle Beziehung mit einem deutschen Staatsangehörigen, der den BF in Österreich regelmäßig besucht.
Es war nicht feststellbar, dass der BF vor der Ausreise aus dem Irak wegen seiner homosexuellen Orientierung einer individuellen Verfolgung durch Dritte oder durch staatliche Organe ausgesetzt war.
Es war auch nicht feststellbar, dass er im Falle einer Rückkehr in die Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verfolgung durch Dritte oder durch staatliche Organe wegen seiner homosexuellen Orientierung ausgesetzt wäre.
Weder der private noch der öffentliche Ausdruck einer homosexuellen Orientierung ist per se im Irak innerhalb der Jurisdiktionsgewalt der staatlichen Gerichte mit einer strafrechtlichen Sanktion verbunden. Im irakischen Strafgesetzbuch findet sich keine entsprechende Strafbestimmung. Eine öffentliche homosexuelle wie auch eine sonst nicht gesellschaftskonforme sexuelle Betätigung kann aus strafrechtlicher Sicht theoretisch zur Anwendung von Straftatbeständen, die sich gegen jedwede Form eines "ungebührlichen" oder "unsittlichen" Verhaltens in der Öffentlichkeit unabhängig von der Frage der sexuellen Orientierung der Betroffenen richten und mit der Androhung von Geldstrafen oder geringen Haftstrafen verbunden sind, durch die zuständigen staatlichen Organe führen. Belastbare Berichte aus dem Bereich der irakischen Exekutive, i.e. der Polizei und den Gerichten, über Amtshandlungen oder Verfahren, denen ein Vorgehen gegen Angehörige sexueller Randgruppen wegen ihrer sexuellen Orientierung zugrunde lag, liegen nicht vor. Demgegenüber gibt es auch keine Informationen über spezifische Verhaltensrichtlinien zu Gunsten dieser Personengruppe im Rahmen des Polizeidienstes. Innerhalb der Exekutive ist tendenziell von einem Klima der Vermeidung der Beschäftigung mit der Thematik auszugehen.
Tendenziell steht die irakische Gesellschaft Angehörigen der sogen. LGBTI (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual) - Community aufgrund von religiös geprägten moralischen Bewertungen dieser sexuellen bzw. geschlechtlichen Ausdrucksformen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Im Allgemeinen wird von ihr jedoch eine öffentliche Thematisierung möglichst vermieden. Angehörige sexueller Randgruppen können Kontakte zu möglichen Beziehungspersonen auch im öffentlichen Raum herstellen und pflegen, sie bringen ihre sexuelle Orientierung aber meist nicht explizit nach außen zum Ausdruck.
Betroffene haben andererseits für den Fall des Bekanntwerdens ihrer sexuellen Orientierung mit Vorurteilen, Ausgrenzung und Diskriminierung durch Dritte zu rechnen. Das irakische Rechtssystem bietet keine expliziten Möglichkeiten, gegen derlei Reaktionen zu ihrem Nachteil auf rechtlicher Ebene vorzugehen, wiewohl die irakische Verfassung die Gleichstellung aller Staatsangehörigen und damit ein Diskriminierungsverbot unabhängig auch von ihrer sexuellen Orientierung festschreibt. Ein dauerhafter Wechsel des Wohnsitzes innerhalb der irakischen Städte stellt insoweit faktisch meist die einzig praktikable Möglichkeit für Betroffene dar solchen gesellschaftlichen Reaktionen auszuweichen.
Die ablehnende Haltung gegenüber Angehörigen der LGBTI-Community kann ihren Niederschlag innerhalb familiärer Strukturen, denen diese angehören, finden, sofern deren sexuelle Orientierung bzw. geschlechtsbezogenes Auftreten als "unehrenhaft" für ihre Angehörigen erachtet wird, u.U. kann dies auch zur Ausstoßung der Betroffenen aus dem jeweiligen Verband oder zu sogen. "Ehrenverbrechen" führen. Angehörige der LGBTI-Community können, sofern ihre sexuelle bzw. geschlechtliche Orientierung bekannt wurde, auch im Rahmen von Amtshandlungen zu Opfern polizeilicher Gewalt, die sich auf eine diskriminierende oder ablehnende Haltung ihnen gegenüber gründet, werden.
Berichten zufolge kam es in den Jahren 2009, 2012 und 2014 insbesondere in Bagdad zu einem gezielten Vorgehen von Mitgliedern schiitischer Milizen als selbsternannten nichtstaatlichen Sicherheitsorganen, die sich die Ahndung eines aus religiöser Sicht verwerflichen Verhaltens der Betroffenen zum Ziel gemacht hatten, gegen einzelne Angehörige der LGBTI-Community. So kam es Anfang 2009 innerhalb des von der schiitischen Miliz der sogen. Mahdi-Armee dominierten Stadtteils von Bagdad namens Sadr City zu einer gewalttätigen Kampagne gegen homosexuelle Männer, die in der Folge auch auf andere Städte übergriff und keinen Gegenreaktionen staatlicher Organe begegnete. Im Jahr 2012 gingen dieselben Akteure gezielt gegen Angehörige der Subkultur der sogen. "Emos", deren Haartracht, Kleidungsstil und sonstige Vorlieben als "satanisch" charakterisiert wurden, vor, dabei wurden mehrere Dutzend Vertreter dieser Gruppe getötet oder misshandelt. Im Juni und Juli 2014 kam es zu zwei berichteten gewaltsamen Angriffen in Bagdad, wobei im ersteren Fall zwei junge Männer, denen eine homosexuelle Orientierung unterstellt wurde, getötet und zwei erwachsene Männer verletzt wurden, im zweiten Fall ein Bordell angegriffen und dabei 34 Personen getötet wurden, darunter seien auch zwei homosexuelle Männer gewesen. Im Mai zuvor waren von Milizen erstellte Namenslisten mit 24 potentiellen Homosexuellen in Umlauf gebracht worden. Zugerechnet wurden diese Angriffe auf Angehörige der LGBTI-Community den beiden bekanntesten schiitischen Milizen, der sogen. Mahdi-Armee (Jaish al-Mahdi) und der ?Liga der Gerechten' (Asa'ib Ahl al-Haq). Im Mai sowie Juli 2017 wurde medienwirksam über zwei gewaltsame Todesfälle innerhalb dieses Personenkreises berichtet, im ersteren Fall wurde die Ermordung eines Homosexuellen durch einen nahen Angehörigen wegen seiner Mitwirkung in einem Pornofilm und im zweiten Fall jene eines weithin bekannten Models und Schauspielers, wobei dessen genaue sexuelle Orientierung ebenso wie die möglichen Hintergründe für die Tat offenblieben.
Vor dem Hintergrund mangelnder staatlicher Reaktionen auf solche Vorfälle sowie der geringen gesellschaftlichen Akzeptanz für nichtkonformes Sexual- und Geschlechterverhalten generell stellen von Nichtregierungsorganisationen vereinzelt eingerichtete Schutzeinrichtungen für Betroffene oft die einzige Möglichkeit dar Unterstützung von Außenstehenden zu erhalten, wobei auch diese Organisationen selbst alleine aufgrund ihrer Zielsetzungen Drohungen ausgesetzt sein können.
Zuletzt hat sich insoweit eine Änderung der bisherigen Lage für Angehörige der LGBTI-Community im Irak ergeben, als eine der einflussreichsten Führer der Schiiten innerhalb der irakischen politischen Szene, Muqtada Al-Sadr, Oberhaupt der Mahdi-Armee und Anführer der Bürgerproteste in Bagdad im Jahr 2016, in einem öffentlichen Statement die Anwendung von Gewalt auf Angehörige der LGBTI-Community als gegen religiöse Grundregeln des Islam stehend verbannte. Er empfahl zwar eine Distanzierung von Betroffenen, die Gesellschaft solle diese jedoch respektieren und sie zu geändertem Verhalten anleiten. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Fatwa auch tatsächlich Bindungswirkung für Angehörige der schiitischen Bevölkerung wie auch schiitischer Milizen entfaltet. Eine im Jahr 2006 vom anderen maßgeblichen geistlichen Führer der schiitischen Glaubensgemeinschaft im Irak, dem Großayatollah Al Sistani, herausgegebene Fatwa, die eine "Säuberung" der irakischen Sicherheitskräfte von homosexuellen Männern postulierte, wurde zwischenzeitig aus dem Bestand der Fatwas entfernt. Al Sistani bezeichnet in den auf seiner allgemein zugänglichen Website veröffentlichten Lehrmeinungen gleichgeschlechtliche "ungebührliche" und insofern den islamischen Glaubensinhalten widersprechende Kontakte und Verhaltensweisen generell als "Sünde", unterscheidet diesbezüglich aber nicht zwischen homosexuellen und heterosexuellen "ungebührlichen" Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit.
Innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak kommt niemandem eine mit den geistlichen Führern der schiitischen Gemeinschaft vergleichbare Position zu. Als anerkannte religiöse Autoritäten der Sunniten im arabischen Raum fungieren Lehrende an der Al-Azhar Universität in Kairo. Auch diesen wurden in der Vergangenheit ablehnende Positionen in religionstheoretischer Hinsicht gegenüber nichtreligionskonformen sexuellen Ausdrucksformen zugeschrieben. Im Übrigen nehmen säkuläre sunnitische Stammesführer eine umfassende Autorität innerhalb ihres Einflussbereichs wahr.
Waren Homosexuelle wie auch andere Angehörige der LGBTI-Community innerhalb des ehemals von der Terrororganisation Da'esh/Islamischer Staat (IS) kontrollierten Gebietes im Zentralirak einer unmittelbaren Bedrohung durch deren selbsternannte Regierungs- bzw. Sicherheitsorgane ausgesetzt und mussten sie im Betretungsfall angesichts eines von dieser Organisation vertretenen ultra-orthodoxen Islams mit einer auch öffentlichkeitswirksam praktizierten Hinrichtung in grausamer Form rechnen, so ist diese Bedrohung aufgrund der allgemein bekannten Rückeroberung des vormaligen Terrains des IS durch staatliche und staatsnahe Sicherheitskräfte bis Ende 2017 und der damit einhergegangenen und seither anhaltenden Vertreibung seiner Milizen als nicht mehr gegeben anzusehen."
Die Feststellungen betreffend die Lage von Angehörigen der LGBTI im Irak im og. Erkenntnis stützte das BVwG dabei vornehmlich auf folgende Quellen:
* U.S. Department of State, Jahresbericht vom April 2018 zur Menschenrechtslage im Irak
* ILGA, State Sponsored Homophobia 2016: A world survey of sexual orientation laws: criminalisation, protection and recognition, Mai 2016
* ILGHCR (nunmehr Outright Action International), When Coming Out Is A Death Sentence, November 2014
* iraqueer, mehrere im Internet abrufbare Berichte
* ACCORD-Anfragebeantwortung vom 30.05.2018, zur Lage von LGBT-Personen im Irak
Das BVwG führte in seiner Beweiswürdigung dazu aus:
"In einer Zusammenschau des Inhalts dieser Quellen gelangte das Gericht zu den Feststellungen oben unter 1.3., wobei hervorzuheben ist, dass zum einen keine Berichte mit belastbaren Informationen über eine systematische diskriminierende Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen gegen Angehörige sexueller Randgruppen deren individuelles Auftreten in der Öffentlichkeit betreffend vorliegen, dass zum anderen in Bezug auf ein gezieltes Vorgehen nichtstaatlicher Akteure wie den genannten schiitischen Milizen zwar konkrete Informationen für die Jahre 2009, 2012 und 2014 vorliegen, diese Vorfälle jedoch als punktuelle Vorfälle im Raum Bagdad aufgelistet werden, woraus ebenso kein systematisches Vorgehen gegen bzw. ein landesweites Bedrohungsszenario für Angehörige sexueller Randgruppen zu gewinnen war, und dass zum dritten zuletzt für 2017 zwei prominente bzw. medial wirksame gewaltsame Todesfälle angeführt wurden, wobei nur in einem der beiden Fälle die Ursache ausdrücklich der homosexuellen Orientierung des Opfers iZm seiner medial wahrgenommen Mitwirkung in einem Pornofilm zugeschrieben wurden, während die jüngsten Aussagen der Nichtregierungsorganisation Iraqueer dazu den Zeitraum einschließlich 2017 betreffend nur sehr vage waren, sich als Mutmaßung bzw. Schätzung darstellten und ebenso keine belastbaren, weil nachvollziehbaren Informationen über ein systematisches Vorgehen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure gegen Angehörige sexueller Randgruppen beinhalteten.
Die Feststellung des Fehlens einer systematischen diskriminierenden Anwendung strafgesetzlicher Bestimmungen gegen Angehörige sexueller Randgruppen wurde auch vom Ergebnis der ergänzenden Recherchen des vom BVwG dazu beauftragten länderkundlichen Sachverständigen gestützt, dessen Bericht ebenso das Bemühen staatlicher Organe zeigte, möglichst keine Berührung mit dem Thema nichtgesellschaftskonformer sexueller Orientierung bzw. deren Proponenten zu haben als gegen solche gezielt vorzugehen. Auch diesem Bericht war darüber hinaus der Hinweis darauf zu entnehmen, dass es in den og. Jahren bis 2014 punktuell ein gezieltes Vorgehen von bestimmten Milizen gegen Angehörige sexueller Randgruppen in Bagdad gegeben hat, diese Ereignisse aber als der Vergangenheit zugehörig bewertet wurden."
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Entscheidung des BVwG vom 07.01.2019 sowie in den gg. Wiederaufnahmeantrag.
Die Feststellungen oben wie auch der Verfahrensgang erwiesen sich im Lichte dessen als unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
1. § 32 VwGVG lautet:
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
2. Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sog. "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sog. "nova causa superveniens") (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 28).
"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, Zl. 2006/05/0232).
Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar nicht notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105). Beim "Verschulden" im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG handelt es sich nach der Rechtsprechung des VwGH um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, Zl. 94/07/0063; 10.10.2001, Zl. 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 [2003] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).
Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid (hier: anders lautende Entscheidung des Asylgerichtshofes) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, Zl. 2000/04/0195; 19.04.2007, Zl. 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.).
Gerade das Vorliegen der Wiederaufnahmegründe ist wegen der Durchbrechung der Rechtskraft streng zu prüfen (VwGH 26.04.1984, 81/05/0081). Weiters ist die Auslegung des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hinsichtlich der Wortfolge "voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheides" zu beachten. Demnach ist mit "voraussichtlich" ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gemeint (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 591).
Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, Zl. 2001/21/0031; 07.09.2005, Zl. 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).
Neu hervorgekommene Beweismittel rechtfertigen - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur dann, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0564).
Für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben ist, sind allein die innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend (VwGH 23.04.1990, Zl. 90/19/0125; 31.03.2006, Zl. 2006/02/0038; 14.11.2006, Zl. 2005/05/0260).
Die zweiwöchige (subjektive) Frist gemäß § 32 Abs. 2 AVG beginnt mit dem Zeitpunkt, d.h. an dem Tag zu laufen, an dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Für die Berechnung dieser verfahrensrechtlichen Frist sind die §§ 32 und 33 AVG maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.
Der Wiederaufnahmeantrag hat alle für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit, d.h. der Einhaltung der subjektiven und objektiven Fristen des § 69 Abs. 2 AVG maßgeblichen Angaben zu enthalten (VwGH 19.05.1993, Zl. 91/13/0099; 25.01.1996, Zl. 95/19/0003). Gemäß § 69 Abs. 2 letzter Satz AVG sind die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Fristen ergibt, vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages trägt somit der Antragsteller (VwGH 03.09.1998, Zl. 98/06/0086; 08.07.2005, Zl. 2005/02/0040). Er hat bereits im Antrag bekannt zu geben, wann er vom behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat (VwGH 07.03.1996, Zl. 96/09/0015) und an welchem Tag die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung ihm gegenüber erlassen wurde (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 55).
Ein nach Ablauf der zweiwöchigen subjektiven Frist gestellter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist als unzulässig, weil verspätet eingebracht, zurückzuweisen (VwGH 20.03.1990, Zl. 90/06/0013; 15.07.2003, Zl. 2003/05/0080), sofern ihn die Behörde nicht zum Anlass einer amtswegigen Wiederaufnahme nimmt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 59).
3. Der WA begründete seinen Antrag damit, dass das BVwG seine Entscheidung vom 07.01.2019 unter anderem auf einen Recherchebericht eines länderkundigen Sachverständigen zur Situation von Angehörigen sexueller Randgruppen, insbesondere solchen mit homosexueller Orientierung, im Irak gestützt habe. Ihm sei mit 14.05.2019 die (rechtskräftige) Streichung eben dieses länderkundigen Sachverständigen aus der Liste der Gerichtssachverständigen des LG f. ZRS Wien mit abschließendem Erkenntnis des BVwG zur Kenntnis gelangt. Er habe bereits im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG seinen Antrag auf internationalen Schutz betreffend mehrfach die Beauftragung des länderkundigen Sachverständigen bzw. die Verwertung seines Rechercheberichts kritisiert. Diese Bedenken hätten sich nun durch die erfolgte Streichung des länderkundigen Sachverständigen erhärtet. Bei Nichtverwertung des Rechercheberichts des länderkundigen Sachverständigen wäre das BVwG (in der Zusammenschau mit neuen Richtlinien des UNHCR vom Mai 2019 zu Flüchtlingen aus dem Irak) nach Ansicht des WA zu einem anderslautenden Ergebnis gelangt.
Der WA stützte seinen gg. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens damit erkennbar auf den Wiederaufnahmetatbestand neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG.
4. Vorweg war festzustellen, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 14.06.2019 fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist ab Kenntnis des behaupteten Wiederaufnahmegrundes eingebracht wurde.
5.1. Dem Wiederaufnahmebegehren selbst war zum einen entgegenzuhalten, dass es sich bei nachträglich hervorgekommenen gerichtlichen Entscheidungen, weil sie weder eine Tatsache noch Beweismittel sind, um keine "nova reperta" iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und damit um keinen Wiederaufnahmegrund handelt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 30, vgl auch VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0107). Der Entscheidung des BVwG, mit der die erstinstanzliche Streichung des länderkundlichen Sachverständigen mittels Bescheid des Präsidenten des LG f. ZRS Wien bestätigt wurde (die im Übrigen im Hinblick auf eine vom Verfahren des WA völlig unabhängige Konstellation erfolgte), kam daher nicht die Eigenschaft einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. iSd § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG zu.
Schon angesichts dessen schied eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem BVwG aus.
5.2. Zudem sind erst nach Abschluss des Verfahrens neu eingetretene Geschehnisse keine neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. iSd § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 29ff mwN.).
Die erst nach der Entscheidung des BVwG vom 07.01.2019 verfügte Streichung des in diesem Verfahren herangezogenen länderkundlichen Sachverständigen bzw. deren Bestätigung durch das BVwG stellt eine erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsache, eine sog. "nova causa superveniens", dar (vgl. zB VwGH 08.11.1991, Zl. 91/18/0101; 07.04.2000, Zl. 96/19/2240; 20.06.2001, Zl. 95/08/0036; 19.03.2003, Zl. 2000/08/0105; siehe weiter die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I2 [1998] E 124 zu § 69 AVG, zitierte Rechtsprechung; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 28).
5.3. Darüber hinaus galt es zu bedenken, dass eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG auch nur dann in Betracht kommt, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel überhaupt die Eignung besitzen einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Entscheidung (hier: des BVwG) herbeizuführen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42).
Der Ansicht des WA, wonach die Abstandnahme von der Verwertung der vom herangezogenen länderkundlichen Sachverständigen gelieferten Informationen voraussichtlich ein anderes Verfahrensergebnis zur Folge gehabt hätte, ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich das BVwG in seinem Erkenntnis vom 07.01.2019 im Hinblick auf seine Feststellungen zur allgemeinen Lage von Personen mit homosexueller Orientierung im Irak vornehmlich auf die dort (vgl. oben) angeführten länderkundlichen Berichte bezog und diese vom Ergebnis der Recherchen des vom BVwG dazu beauftragten länderkundlichen Sachverständigen (bloß) gestützt und in manchen Einzelheiten ergänzt wurden, dieses sohin nicht als primäres Beweismittel diente. Auch im Lichte einer hypothetischen Außerachtlassung dieses Rechercheergebnisses wäre das BVwG sohin voraussichtlich nicht zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt.
5.4. Ergänzend ist im Zusammenhang damit darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht in Anbetracht der Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. die §§ 39 Abs. 2, 37 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG) die Pflicht hat, von Amts wegen für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen (siehe VwGH 24.7.2014, Ro 2014/08/0043). Dabei kommt nach § 46 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist (vgl. VwGH 4.9.2013, 2011/08/0092). Damit ist der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel statuiert, aus dem sich auch der Grundsatz der (prinzipiellen) Gleichwertigkeit aller Beweismittel ergibt (vgl. VwGH 26.5.2014, 2013/08/0075). Was als Beweismittel heranzuziehen ist, hat letztlich die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht zu bestimmen; entscheidend ist, ob von dem betreffenden Beweismittel ein Beitrag zur Feststellung des Sachverhalts zu erwarten ist (vgl. VwGH 31.07.2018, Ro 2015/08/0033 mit Hinweis auf VwGH 4.7.2007, 2006/08/0193).
Eine allenfalls notwendige Befundaufnahme und die darauf gegründete Abgabe sachverständiger Schlussfolgerungen vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich die Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen iSd § 17 VwGVG iVm § 52 AVG als eines der fünf klassischen Beweismittel (vgl. VwGH 06.07.2016, Ro 2016/08/0012).
Im Verfahren über die Beschwerde des WA gegen die erstinstanzliche Abweisung seines Schutzbegehrens führte das BVwG ein aufwendiges Beweisverfahren durch und nahm im Zuge dessen eine Fülle von - nicht zuletzt auch vom Vertreter des WA beigebrachten - Beweisen auf. Der Recherchebericht des länderkundlichen Sachverständigen stellte nur eines dieser Beweismittel dar. Zum anderen stellte er kein Sachverständigengutachten im klassischen Sinn dar, sondern (bloß) ein Beweismittel sui generis, dem nicht der höhere Beweiswert eines Gutachtens zukam.
Dem BVwG kam es schließlich ganz unabhängig von der Frage, ob der beauftragte Sachverständige aus Gründen, die wie erwähnt in keiner Weise mit dem gg. Beschwerdeverfahren des WA in Zusammenhang standen, zuletzt aus der Liste der Gerichtssachverständigen gestrichen wurde, zu, im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung darüber zu entscheiden, ob das Ergebnis der Recherchen verwertbare Informationen für die Feststellung des relevanten Sachverhalts enthielt.
5.5. Dass sich das Wiederaufnahmebegehren auf den Umstand der Streichung des Sachverständigen aus der entsprechenden Liste des LG f. ZRS Wien in einer Zusammenschau mit neuen Richtlinien des UNHCR stützte, indizierte auch, dass der WA die bloße Tatsache der Streichung als solche offenbar selbst nicht für hinreichend hielt um eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen.
Die ins Treffen geführten Richtlinien des UNHCR stellen per se jedoch unzweifelhaft keine "nova reperta" dar, weshalb sie von vornherein außer Betracht zu bleiben hatten.
6. Angesichts dieser Erwägungen schied eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG aus.
7. Der Antrag auf Wiederaufnahme war daher spruchgemäß abzuweisen.
8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
nova reperta Sachverständigen-Beweis Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag WiederaufnahmegrundEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L502.2117938.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020