TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/30 96/19/1254

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 idF 1995/351 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 idF 1995/351 §3 Abs1 Z1;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4 impl;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspäsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der 1966 geborenen S M in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 1996, Zl. 305.354/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 9. September 1993 einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beim Magistrat der Stadt Wien. Mit Bescheid vom 10. April 1994 wurde dieser Antrag vom Landeshauptmann von Wien mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der angestrebten Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 30. November 1994, zugestellt am 9. Jänner 1995, als verspätet zurückgewiesen.

Am 19. Mai 1995 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer (diesmal unbefristeten) Aufenthaltsbewilligung. Im Antragsschreiben brachte sie vor, ihrem Ehemann sei bereits die österreichische Staatsbürgerschaft zugesichert worden, sie habe ihren ständigen Aufenthalt in Wien. Auch dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 18. August 1995, zugestellt am 28. August 1995, abgewiesen, diesmal mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 AufG.

Am 22. November 1995 stellte die Beschwerdeführerin einen dritten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der als "Erstantrag" bezeichnet war. Als derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin einen Ort in Jugoslawien, als Aufenthaltszweck u.a. "Familiengemeinschaft mit Österreichern", und zwar mit ihrem Ehegatten, einem österreichischen Staatsbürger, an. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Jänner 1996 mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab und begründete dies damit, daß die Beschwerdeführerin ihren Antrag im Inland eingebracht habe, ohne unter die in § 6 Abs. 2 AufG und die in der Verordnung des Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, "aufgelisteten Personengruppen" zu fallen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung und brachte vor, daß sich die belangte Behörde zu Unrecht auf das Aufenthaltsgesetz und die Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 stütze, da dieses Gesetz auf ihre vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte Einreise nicht anwendbar sei. Vor ihrer Ersteinreise nach Österreich habe keine Sichtvermerkspflicht für sie bestanden. Auch bei den diesjährigen Sichtvermerkserteilungen am 4. September 1992 und am 23. März 1993 sei "das angebliche Fehlen des Erstantrages aus dem Ausland" nicht beanstandet worden. Ihrem derzeitigen Aufenthalt in Österreich liege eine Einreise vom 10. Jänner 1993 zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt sei sie im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes gewesen, wie dies gemäß dem AufG erforderlich sei. Sie habe daher vor dieser Einreise nach Österreich gar keinen Antrag aus dem Ausland auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung stellen können. Unrichtigerweise werde ihr von der belangten Behörde jedoch die Zugehörigkeit zu dem in § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 umschriebenen Personenkreis aberkannt, weil sie als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers sehr wohl zu jenen Personen zähle, die ihren Antrag nicht aus dem Ausland stellen müssen. Ihre Ehe bestehe seit dem 19. August 1984, weshalb auch die Bestimmungen des § 3 Abs. 2 AufG erfüllt seien.

Die Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 13. März 1996 gemäß § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) abgewiesen.

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG nicht vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet eingebracht habe. Dieser Sachverhalt werde von ihr nicht bestritten. Zwar sei nicht jeder im Inland gestellte Antrag unzulässig, da es einerseits Fälle gebe, bei denen eine Erstantragstellung im Inland - durch Gesetz vorgesehen - möglich sei, andererseits Fälle gebe, bei denen die Antragstellung im Inland in Ausnahmefällen "durch Judikatur ermöglicht" werde. Beides treffe im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.

Es stehe fest, daß sich die Beschwerdeführerin seit Ablauf ihrer Aufenthaltsberechtigung, einem vom 23. März 1993 bis zum 30. August 1993 gültigen Wiedereinreisesichtvermerk, unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Sie habe eine aufrechte polizeiliche Meldung im Bundesgebiet und habe ihren Antrag in Wien eingebracht und "auch mit Wien, dem 22.11.1995 unterschrieben", womit der Behörde ihre Anwesenheit im Bundesgebiet bestätigt werde. Auch in ihrer Berufung gebe sie als alleinige Wohnadresse jene im Antrag angeführte an und bestreite ihren Aufenthalt in Wien nicht. Diese Tatsache stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, weil ihr Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielwirkung haben könne und eine Billigung dieses Verhaltens jegliche fremdenrechtliche Bestimmungen obsolet erscheinen ließe. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde durch § 5 Abs. 1 AufG "direkte Anwendung".

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt ihrer Familie im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei § 6 Abs. 2 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor dem Hintergrund des Art. 8 MRK verfassungskonform auszulegen. Den Antrag im Inland könnten ausnahmsweise Fremde stellen, die Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers seien und denen vor der Einreise in das Bundesgebiet ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde. Da sich die Beschwerdeführerin jedoch bereits seit Ablauf ihres Wiedereinreisesichtvermerkes am 30. August 1993 illegal hier aufhalte und auch während ihres illegalen Aufenthaltes geheiratet habe, treffe diese Bestimmung nicht zu. Lediglich eine kurzfristige Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Antragstellung gemäß § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG berechtige den Fremden trotzdem zur Inlandsantragstellung, wenn er sich jahrelang bzw. seit Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und für ihn eine Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder ein noch gültiger Befreiungsschein ausgestellt sei. Im Gegensatz zu obiger Erwägung sei im Falle der Beschwerdeführerin die Versäumung auch unter der Heranziehung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, als nicht kurzfristig anzusehen. Dies gelte auch im Hinblick darauf, daß sie nicht lange Zeit legal im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei, weshalb ein hoher Integrationsgrad nicht anzunehmen sei. Es stehe fest, daß sie die Friststellung eines Antrags auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung um lange Zeit versäumt habe, weshalb eine analoge Heranziehung des § 6 Abs. 2 letzter Satz AufG ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und im Recht "auf ein unversehrtes Familienleben" verletzt. Sie sei seit dem 19. August 1994 verheiratet, am 22. November 1995 sei ihrem Ehemann die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Gemeinsam mit ihrem Ehemann lebe sie in Wien. Sie sei erstmals am 12. April 1992 nach Österreich eingereist und habe nach Einführung der Visumpflicht am 20. Juli 1992 einen Antrag gestellt. Es sei ihr eine "Aufenthaltsbewilligung" (gemeint wohl: ein gewöhnlicher Sichtvermerk) vom 4. September 1992 bis zum 28. Februar 1993 erteilt worden, die in weiterer Folge bis zum 30. August 1993 verlängert worden sei. In weiterer Folge seien Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgelehnt worden, weil das Gehalt des Ehemannes als zu gering bezeichnet worden sei und eine Fristversäumnis bei der Erhebung der Berufung behauptet worden sei. Ein neuerlicher Antrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, daß die Antragstellung vom Ausland aus zu erfolgen habe.

Die belangte Behöre habe unberücksichtigt gelassen, daß die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei und ihre Ehe schon seit dem August 1994 bestehe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 29. März 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

Die §§ 6 Abs. 2 und 13 Abs. 1 AufG lauteten in der Fassung dieser Novelle:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

...

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf ihrer Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

§ 4 Z. 2 der am 22. Dezember 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,"

Da die Beschwerdeführerin noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde ihren Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.

Obwohl es im vorliegenden Fall unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin zuletzt über einen vom 23. März 1993 bis zum 30. August 1993 gültigen Wiedereinreisesichtvermerk verfügte, ist die Anwendung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG ungeachtet ihres rechtmäßigen Aufenthaltes zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG am 1. Juli 1993 ausgeschlossen, weil bereits der am 9. September 1993 gestellte Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigungen rechtskräftig abgewiesen worden war. Der vorliegende Antrag wurde von der belangten Behöre daher zu Recht als Erstantrag gewertet, auf den grundsätzlich die Vorschriften des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden waren.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Da dieses Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung zu werten ist, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895), und die Beschwerdeführerin unbestritten ihren Antrag nicht vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt hat, wäre die Abweisung ihres Antrages durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt, wenn die Beschwerdeführerin nicht zu jenem Personenkreis zählte, für den ausnahmsweise gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung eine Antragstellung im Inland erlaubt ist.

Gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 sind u.a. Angehörige von österreichischen Staatsbürgern, denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde, ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt. Die belangte Behörde hat in Übereinstimmung mit der Aktenlage (vgl. Seite 78 des Verwaltungsaktes) festgestellt, daß der letzte Sichtvermerk der Beschwerdeführerin, die Angehörige (Ehegattin) eines österreichischen Staatsbürgers ist, am 30. August 1993 abgelaufen ist. Feststellungen dahin, daß der zuletzt erteilte Wiedereinreisesichtvermerk der Beschwerdeführerin nicht vor der (letzten) Einreise erteilt worden wäre, hat die belangte Behörde nicht getroffen, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich vorgebracht hatte, ihrem derzeitigen Aufenthalt in Österreich liege eine Einreise vom 10. Jänner 1993 zugrunde (ein entsprechender Grenzkontrollstempel ist in der Kopie des Reisepasses auf Seite 78 des Verwaltungsaktes ersichtlich). Es kann somit zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß der letzte Wiedereinreisesichtvermerk der Beschwerdeführerin vor ihrer letzten Einreise ins Bundesgebiet erteilt wurde. Diesfalls hätte sie aber die obgenannten Voraussetzungen des § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 erfüllt und wäre zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Anwendung der zitierten Verordnungsbestimmung komme nicht in Frage, weil sich die Beschwerdeführerin bereits seit Ablauf des letzten Wiedereinreisesichtvermerkes am 30. August 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und auch während dieses unrechtmäßigen Aufenthaltes geheiratet habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 4 Z. 2 der zitierten Verordnung nicht zu entnehmen, daß die Ehe bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des gewöhnlichen Sichtvermerkes oder der (letzten) Einreise bestanden haben müsse (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2222, sowie vom 28. November 1997, Zl. 96/19/0570). Sollte die belangte Behörde aber zum Ausdruck bringen, daß § 4 Z. 2 der erwähnten Verordnung voraussetzt, daß kein unrechtmäßiger Aufenthalt des Antragstellers nach Ablauf des gewöhnlichen Sichtvermerkes vorliege, so ist ihr zu entgegnen, daß auch eine derartige Einschränkung der Verordnungsbestimmung nicht zu entnehmen ist.

Die auf § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestützte Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin erfolgte daher zu Unrecht.

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid jedoch auch auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Die Beschwerdeführerin tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, sie habe sich nach Ablauf ihres letzten Wiedereinreisesichtvermerkes am 30. August 1993 - und folglich auch seit der Abweisung ihres ersten Antrages - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 1997, Zl. 95/19/0876) ausgeführt, rechtfertigt ein länger dauernder Aufenthalt eines Fremden im Anschluß an die rechtskräftige Abweisung seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages grundsätzlich die Annahme, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch dann, wenn der sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Antragsteller zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt ist. Durch die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG iVm § 2 Abs. 3 Z. 4 aufgehaltene Verordnungsermächtigung (von der die Bundesregierung Gebrauch gemacht hat), den in der Verordnung umschriebenen Gruppen von Fremden, die sich nach dem Ende ihrer Aufenthaltsberechtigung (weiterhin) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Möglichkeit zur Antragstellung im Inland einzuräumen, gab der Gesetzgeber zu erkennen, daß er die vom unrechtmäßigen Aufenthalt solcher zur Antragstellung im Inland berechtigter Fremder ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens nicht für so gravierend erachtet, daß daraus die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG maßgebliche Prognose abzuleiten wäre, auch ihr weiterer Aufenthalt aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung (auf diesem Gebiet) gefährden. Aus diesem Grund ist der von der belangten Behörde gebrachte Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 FrG von der hier aufgezeigten Rechtswidrigkeit der Abweisung aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG mit umfaßt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066).

Indem die belangte Behörde, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, entsprechende Ermittlungen über die letzte Einreise der Beschwerdeführerin unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191254.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten