TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/23 L516 2221436-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §13 Abs1

Spruch

L516 2221435-1/2E

L516 2221436-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb XXXX , und 2.) XXXX , geb XXXX , alle StA Georgien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH und Volkshilfe- Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung - ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.06.2019, Zahlen 1233859109/190602517 und 1233859000/190602525, zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird hinsichtlich Spruchpunkt VI der angefochtenen Bescheide stattgegeben und diese werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass den Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind georgische Staatsangehörige.

Die Beschwerdeführer stellten am 14.06.2019 Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung nach dem AsylG dazu fand am selben Tag statt, die Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 24.06.2019.

Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden die Anträge (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) hinsichtlich des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab, erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) fest, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei, erließ (VII.) gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot und trug den Beschwerdeführern (VIII.) auf, ab dem 14.06.2019 in der " XXXX " Unterkunft zu nehmen.

Mit Spruchpunkt VI der jeweils angefochtenen Bescheide sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde; unter einem sprach das BFA zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe.

Gegen diese am 26.06.2019 zugestellten Bescheide richtet sich die vorliegende gemeinsame Beschwerde vom 16.07.2019.

Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte am 19.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1 Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Beim Erstbeschwerdeführer wurde - unter anderem - im Herbst 2018 das Vorliegen eines Glioblastom Grad 4, eines Gehirntumors mit dem höchsten Schweregrad 4 diagnostiziert.

1.2 Selbst unter maximaler Therapie kann in der Regel keine Glioblastom-Heilung erreicht werden. Patienten, die sich einer Operation, Strahlen- und Chemotherapie unterzogen haben, haben eine mittlere Überlebenszeit von ungefähr 15 Monaten. Knapp zehn Prozent der Patienten überleben fünf Jahre. Ohne Therapie liegt die mittlere Überlebenszeit bei circa zwei Monate. Bei alleiniger Operation beträgt sie etwa fünf Monate, bei Operation plus Strahlentherapie etwa 12 Monate. Im Glioblastom-Endstadium ist der Tumor meistens so groß, dass er erhöhten Hirndruck verursacht. Betroffenen ist dabei vor allem morgens oft übel. Einige müssen sich übergeben. Nimmt der Druck weiter zu, wirken die Patienten oft müde oder schläfrig. Im Extremfall kann ein Glioblastom sogar komatöse Zustände hervorrufen (Quelle: https://www.netdoktor.de/krankheiten/hirntumor/glioblastom/).

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zur Antragsbegründung ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer in den Einvernahmen vor dem BFA und in der Beschwerde und aus den im Akt befindlichen ärztlichen Befunden georgischer und österreichischer medizinischer Einrichtungen (vgl Verwaltungsverfahrensakt des Erstbeschwerdeführers, AS 97-104; 113-135; 243); jene zum Glioblastom aus der dort genannten Quelle.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Rechtsgrundlage

3.1 Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2 Der Verwaltungsgerichthof hat bereits in seiner Entscheidung vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146 ua, ausgesprochen, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG nicht zwingend ist, sondern eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraussetzt. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem "sicheren Herkunftsstaat" nach § 19 Abs. 5 BFA-VG 2014 in Verbindung mit § 1 Z 6 der HerkunftsstaatenV, BGBl II Nr. 177/2009 idF BGBl II Nr. 405/2013, kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen dieser Personen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146 ua).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in jener Entscheidung zudem Folgendes ausgeführt:

"Nach § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise (unter anderem) nämlich nicht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Erkennt das Bundesamt der Beschwerde daher - wie im vorliegenden Fall - die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG ab und wird sie vom BVwG nicht innerhalb der Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG wieder zuerkannt, besteht keine Frist zur freiwilligen Ausreise, und zwar auch dann nicht, wenn - wie im Falle der bevorstehenden Geburt eines Kindes - besondere Umstände vorliegen, die eine Drittstaatsangehörige bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat und die nach § 55 Abs. 2 und 3 FPG sogar eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise rechtfertigen würden.

Da sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das BVwG unter der rechtsirrtümlichen Annahme, allein die Herkunft der Zweitrevisionswerberin aus einem sicheren Herkunftsstaat führe zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde, diese wesentlichen Faktoren außer Acht gelassen haben, ist das zweitangefochtene Erkenntnis insofern mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

3.3 Fallbezogen begründete das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließlich damit, dass die Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.

Das BFA hat jedoch unter Außerachtlassung der zuvor zitierten Rechtsprechung des VwGH den ihm bereits bekannten Erkrankungen des Erstbeschwerdeführers bei der erforderlichen Interessensabwägung keine Bedeutung beigemessen.

3.4 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte des vorliegenden Falles zu dem Schluss, dass gegenständlich - bedingt durch die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Erstbeschwerdeführers - besondere Umstände vorliegen, die Drittstaatsangehörige bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen haben und die nach § 55 Abs 2 und 3 FPG sogar eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise rechtfertigen würden und überwiegen diese privaten Interessen der Beschwerdeführer das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die - wie die Beschwerdeführer - aus einem "sicheren Herkunftsstaat" kommen.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist Familienangehörige des Erstbeschwerdeführers gem § 34 Abs 2 und § 2 Z 22 AsylG.

3.5 Der Spruchteil VI der jeweils angefochtenen Bescheide war daher spruchgemäß ersatzlos zu beheben.

3.6 Den Beschwerden kommt somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu. Den Beschwerdeführern ist daher vom BFA auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).

Spruchpunkt II

Zu den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides

3.7 Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VI spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Betroffenen - auch zweckmäßig ist.

3.8 Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

4. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zuvor zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Familienverfahren Gesundheitszustand Spruchpunktbehebung Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2221436.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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