TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/13 W233 2151403-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2019
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Entscheidungsdatum

13.08.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1

Spruch

W233 2151403-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER über die Beschwerde der Minderjährigen XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige Usbekistans, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. 1123306309-181053328 zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene befristete Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.) Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER über den Antrag vom 28.07.2019 der Minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige Usbekistans, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, in 1160 Wien, der Beschwerde gegen das Einreiseverbot der Bescheide vom 11.02.2019 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, auf amtswegige Behebung und festzustellen, dass die Einreiseverbote der Bescheide vom 11.01.2019 bzw. der Erkenntnis vom 25.02.2019 gegen Kind XXXX , geb. XXXX , Herr XXXX , geb. XXXX und Frau XXXX , geb. XXXX , durch die Erkenntnis des VwGH vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104-4, ebenfalls behoben wurden, wie folgt:

A) Die Anträge werden als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Zu I.)

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin stellten am 26.03.2014 im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom 09.11.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurden. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Eltern der Beschwerdeführerin nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Usbekistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

1.2. Die minderjährige Beschwerdeführerin stellte am 20.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.03.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Usbekistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

1.3. Der Antrag des minderjährigen Bruders der minderjährigen Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 20.07.2016 wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 02.03.2017 ebenfalls negativ entschieden.

1.4. Die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W2112118012-1/13E, W211 2118013-1/13E, W211 2151400-1/2E und W211 2151403-1/2E vom 03.04.2017 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen und die Revision gegen diese Entscheidung als nicht zulässig erklärt.

1.5. Am 06.11.2018 stellte die minderjährige Beschwerdeführerin und ihre mit ihr im Bundesbiet aufhältigen Mitglieder ihrer Kernfamilie Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

1.6. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde dieser Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin und jener ihrer Angehörigen ihrer Kernfamilie gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihrer Kernfamilie gemäß § 46 FPG nach Usbekistan zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde der Beschwerdeführerin und den Mitgliedern ihrer Kernfamilie gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG den Beschwerden gegen diese Entscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zudem wurde mit dem angefochtenen Bescheid gegenüber der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Ein solches Einreiseverbot wurde auch gegen die Mitglieder ihrer Kernfamilie erlassen.

1.7. Gegen diese Bescheide erhoben alle Familienmitglieder fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.8. Die minderjährige Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen wurden aufgrund einer vollstreckbaren Rückkehrentscheidung am 15.01.2018 nach Usbekistan abgeschoben.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde der minderjährigen Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 11.01.2019 mit Erkenntnis vom 25.02.2019, Zl. W233 2151403-2/2E mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf fünfzehn Monate herabgesetzt wir und im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Unter einem erging eine gleichlautende Entscheidung gegenüber den Familienmitgliedern der Beschwerdeführerin.

1.10. Dagegen hat nur die minderjährige Beschwerdeführerin Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der die Revision mit Erkenntnis vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104-4, gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Usbekistan zurückwies, jedoch der Revision gegen die Erlassung eines Einreiseverbots Folge gegeben hat und das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben hat. Ihre Familienmitglieder haben gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.02.2019 weder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

2. Feststellungen:

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid der minderjährigen Beschwerdeführerin keine Gefährdungsprognose, ob und auf welche konkreten Umstände ihres Gesamtverhaltens gestützt, ihr weiter Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

3. Beweiswürdigung

Die oben wiedergegebene Feststellung ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.07.2019.

4. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. A)

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte V. des angefochtenen Bescheides:

§ 53 Abs. 1 und 2 FPG idgF lautet:

"§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzuweisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: "Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" iSd § 53 Abs. 2 FPG) gerechtfertigt ist. Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (vgl. und jüngst VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104-4 mwN).

Das Bundesamt hat in der hier vorliegenden Konstellation den Ausspruch eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots allein mit dem Umstand begründet, dass die minderjährige Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und die Erlassung eines Einreiseverbots im Hinblick auf ein funktionierendes und geordnetes Fremdenwesen dringend geboten sei, da ihr unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung gefährde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, rechtfertigt ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se - neben der Erlassung einer Rückkehrentscheidung - nicht immer auch noch die Verhängung eines Einreiseverbotes (vgl. schon VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe, und darauf Bezug nehmend VwGH 16.11.2012, 2012/21/0080, und VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12; siehe in diesem Sinne auch VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, Rn. 35).

Da Kindern generell ein objektiv unrechtmäßiger Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie ihren Eltern zugerechnet werden könne, gelte dies vielmehr noch mehr für den Vorwurf der Nichtbefolgung einer Ausreiseverpflichtung (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104-2).

Daran ändert auch nichts, dass sich das Bundesamt zur Begründung des Einreiseverbots gegenüber der minderjährigen Beschwerdeführerin alternativ auf Artikel 11 Absatz 1 Z a und b der Richtlinie 2008/115/EG, stütze. Dies deshalb, da im Rahmen des Europarechts erlassene Richtlinien einer Umsetzung durch nationales Recht bedürfen. Im Verhältnis zu natürlichen und juristischen Personen begründet eine Richtlinie grundsätzlich keine unmittelbaren Rechte und Pflichten, da sich Richtlinien ausdrücklich nur an die Mitgliedstaaten wenden. Eine unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie ("Direktwirkung") ist nach der Judikatur des EuGH nur unter engen Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn die Bestimmungen der Richtlinie die Rechte der natürlichen oder juristischen Person hinreichend klar und präzise festlegen, die Inanspruchnahme des Rechts an keine Bedingungen oder Auflagen geknüpft ist, dem nationalen Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des Rechts kein Ermessensspielraum eingeräumt wird und die Frist für die Umsetzung der Richtlinie verstrichen ist (siehe EuGH 01.12.1974, Rs. 41/74, van Duyn/Home Office). Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung die unmittelbare Wirkung von Richtlinien nur anerkannt, soweit sich die Drittwirkung zugunsten der natürlichen und juristischen Personen, nicht aber zu ihren Lasten auswirkt (siehe EuGH 26.02.1986, Rs 152/84, M.H. Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority (Teaching); 08.10.1987, Rs 80/86, Kolpinghuis Nijmegen BV; vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union6, 2015, Rz 519 ff). Hingegen kann sich der Staat nicht auf die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie berufen, um nicht aus dem eigenen Fehlverhalten (nämlich der verspäteten Umsetzung der Richtlinie) einen Vorteil zu ziehen (vgl. etwa EuGH 12.07.1990, Rs 188/89, Foster/British Gas; 07.03.1996, Rs 192/94, El Corte Inglès).

Die Rückführungs-RL wurde bereits beginnend mit dem Fremdenrechts-Änderungsgesetz (FrÄG) 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, und nachfolgenden Novellen in nationales Recht umgesetzt (vgl. VwGH vom 22.05.2013, Zl. 2013/18/0021), sodass eine unmittelbare Heranziehung des Art. 11 der Rückführungs-RL zum Nachteil des Beschwerdeführers (im Gegensatz zu seinem Vorteil, wie etwa in VwGH vom 15.05.2012, Zl. 2012/18/0029, betreffend die richtlinienwidrige Festsetzung einer Mindestdauer eines Einreiseverbotes von 18 Monaten in § 53 Abs. 2 FPG idF FrÄG 2011) - so wie von der belangten Behörde im konkreten Fall durchgeführt - als Rechtsgrundlage für die Erlassung des gegenständlichen Einreiseverbotes unzulässig ist.

Die Erlassung eines Einreiseverbots kann daher nur aufgrund der Bestimmungen des § 53 FPG, allenfalls unter Anwendung der gebotenen "richtlinienkonformen Interpretation" erlassen werden.

Die Auslegung nationalen Rechts hat sich im Rahmen der gebotenen "richtlinienkonformen Interpretation" von bereits in nationales Recht umgesetzten oder auch nicht umgesetzten Richtlinien soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen, sofern es sich um interpretationsbedürftige nationale Vorschriften handelt. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation besteht auch dann, wenn die Richtlinie bereits ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt ist (EuGH 05.05.1994, Rs 421/92, Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt; vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union6, 2015, Rz 147 ff).

Ausführungen der belangten Behörde zur allenfalls von ihr beabsichtigten richtlinienkonformen Interpretation, insbesondere auch bezogen darauf, hinsichtlich welcher Bestimmung des § 53 FPG sie eine solche für geboten erachtet und weshalb, lässt der angefochtene Bescheid vermissen.

Da die belangte Behörde im konkreten Fall der minderjährigen Beschwerdeführerin keine Einzelfallprüfung bezogen auf eine zu treffende, auf ihr Gesamtverhalten abgestellte Gefährdungsprognose getroffen hat, um aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd § 53 Abs. 2 FPG gefährdet, war das im Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ihr gegenüber auf die Dauer von zwei Jahren befristet ausgesprochene Einreiseverbot ersatzlos zu beheben.

Zu II.)

Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom 28.07.2019:

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 25.02.2019 u.a. die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die ihr gegenüber erlassene Rückkehrentscheidung und des damit in ihrem Falle einhergehenden Einreiseverbot als auch ihre Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision der Beschwerdeführerin betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Usbekistan zurückgewiesen, womit es zu keiner Aufhebung oder Änderung dieser Entscheidungspunkte des Bundesverwaltungsgerichts kam und die Unanfechtbarkeit dieses Teils der Entscheidung eingetreten ist.

Unter einem hat der Verwaltungsgerichtshof der Revision der Beschwerdeführerin gegen die Erlassung eines Einreiseverbots Folge gegen und diesen Spruchpunkt wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, sodass das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des der Beschwerdeführerin gegenüber erlassenen Einreiseverbots wieder beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist.

Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrem Antrag vom 28.07.2019 zum einen in ihrer Antragsbegründung die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu dem ihr gegenüber verhängten Aufenthaltsverbot (sic!) und in der Folge in ihrem eigentlichen Antrag die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen das ihr gegenüber mit Bescheid vom 11.01.2019 erlassene Einreiseverbot.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 25.02.2019 rechtskräftig über die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erkannt, weshalb es diese Entscheidung auch nicht mehr widerrufen, aufheben oder abändern kann. Aufgrund der dagegen eingebrachten Revision hat der Verwaltungsgerichtshof zwar das gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene Einreiseverbot aufgehoben, die Abweisung der Beschwerde gegenüber der Beschwerdeführerin erlassene Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Usbekistan jedoch zurückgewiesen. Somit ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf die Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung unanfechtbar geworden. Ist aber eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts unwiderrufbar und unanfechtbar geworden, so kann die mit ihr erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden (Unwiederholbarkeit - "ne bis in idem") (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), RZ 864).

Selbst wenn eine neuerliche Zuerkennung der beantragten aufschiebenden Wirkung zulässig wäre, kommt, da mit der gegenständlichen Entscheidung in der Hauptsache abgesprochen wird, der Ausspruch einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen dieser inhaltlichen Entscheidung nicht in Betracht.

Dieser Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Antrag auf amtswegige Behebung bzw. auf Feststellung, dass die mit Bescheiden vom 11.01.2019 bzw. mit Erkenntnis vom 25.02.2019 den Antragstellern gegenüber ausgesprochenen Einreiseverbote durch das Erkenntnis des VwGH vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104-4, ebenfalls behoben worden wären:

Das Rechtsinstrument der amtswegigen Behebung ist im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG nicht vorgesehen, vielmehr ist dessen Anwendung durch die in § 17 VwGVG ausdrücklich aufgenommene Ausnahme vom Prinzip der subsidiären Anwendung der Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, ausgeschlossen.

Daran vermag auch die Behauptung der Antragsteller in ihrem Antrag vom 28.07.2019, dass das Aufenthaltsverbot (sic!) im Rahmen einer Entscheidung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55 ff AsylG erging und richtigerweise als Familienverfahren geführt worden wäre, weshalb die Aufhebung einer Entscheidung für sämtliche Beteiligte des Familienverfahrens gleichermaßen gelten würde, etwas zu ändern.

Denn anderes als z.B. im Falle einer Familie, deren Mitglieder weder der Status eines Asylberechtigten noch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, weshalb die Rechtswidrigkeit eines Bescheides zwar nicht nach § 34 Abs. 4 AsylG auf die übrigen Mitglieder durchschlägt, allerdings sich diese Rechtswidrigkeit unter dem Blickwinkel des durch Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens auch auf die übrigen Familienmitglieder auswirkt (vgl. dazu VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146), ist im gegenständlichen Falle eine Auswirkung der mit Erkenntnis des VwGH vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104-4 erfolgten Behebung der Entscheidung des BVwG vom 25.02.2019 das Einreiseverbot der Beschwerdeführerin betreffend auf die übrigen Familienmitglieder schon deshalb ausgeschlossen, da deren Entscheidungen bereits in Rechtskraft erwachsen sind.

In Bezug auf den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Einreiseverbote der Bescheide vom 11.01.2019 bzw. der Erkenntnis vom 25.09.2019 gegen die Antragsteller durch die Erkenntnis des VwGH vom 16.05.2019, Ra 2019/21/0104-4, ebenfalls behoben worden wäre, ist festzuhalten, dass es unzulässig ist, durch einen Feststellungsbescheid rechtskräftige Entscheidungen auszulegen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2009/07/0119; 26.06.2012, 2010/07/0177).

Die Anträge waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B)

4.7. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W233.2151403.2.01

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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