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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der G T, geboren 1974, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Oktober 1995, Zl. 303.611/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 26. April 1995 bei der österreichischen Botschaft in Prag einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 3. Mai 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin auf dem Antragsformular eine Adresse in Serbien, als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihrem Ehegatten sowie als Ort der Antragstellung "Wien" an. Dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 15. Mai 1995 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen, weil der Antrag der Beschwerdeführerin durch eine dritte Person bei der österreichischen Botschaft in Prag eingereicht worden sei. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die antragstellende Partei im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung vom 15. Juni 1995 gab die Beschwerdeführerin eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk an und brachte auch ausdrücklich vor, an dieser Adresse wohnhaft zu sein.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1995 wurde die Berufung vom Bundesminister für Inneres gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 6 Abs. 2 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) abgewiesen. In seiner Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe sich vor, während und nach dem Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Auf ihrem Antragsformular habe sie als Datum den 26. April 1995 und als Ort Wien angegeben und dies auch durch ihre Unterschrift beurkundet. Somit habe sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Laut Aktenlage habe sie sich am 17. Juni 1993 an einer Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk angemeldet und sei dort "bis dato" aufrecht gemeldet und aufhältig. In der Zeit vom 25. Oktober 1993 bis 1. Februar 1994 und vom 2. Oktober 1994 bis 2. November 1994 seien ihr, jeweils ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Belgrad, Touristen-Sichtvermerke ausgestellt worden. Spätestens am 3. November 1994 habe sie Östereich jedoch verlassen sollen, was sie jedoch nicht getan habe, weshalb sie seit diesem Zeitpunkt ohne "rechtsrelevante Aufenthaltsberechtigung - somit illegal - im Bundesgebiet aufhältig" sei.
Da die Beschwerdeführerin mit einem Touristen-Sichtvermerk eingereist sei und nach Ablauf der Gültigkeit des Touristen-Sichtvermerkes Österreich nicht verlassen habe, sei der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht, weshalb gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden dürfe. Mit ihrem unrechtmäßigen Aufenthalt seit 3. November 1994 verstoße die Beschwerdeführerin überdies wissentlich gegen eindeutige fremdenrechtliche Bestimmungen. Dieses Verhalten zeige, daß die Beschwerdeführerin nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten und zu befolgen. Ihr Verhalten sei daher geeignet, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu gefährden.
Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde speziell auch im Fall der Beschwerdeführerin geprüft und festgestellt, daß unter Abwägung ihrer persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 13. März 1996, B 813/96-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich erkennbar in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei die Beschwerdeführerin nicht im Inland aufhältig gewesen, weshalb die belangte Behörde bei entsprechender Prüfung ihres tatsächlichen Aufenthaltes feststellen hätte müssen, daß auch die Voraussetzung der Auslandseinbringung des Antrages gegeben sei. Zum Vorwurf des unrechtmäßigen Aufenthaltes nach Ablauf des Sichtvermerkes am 2. November 1994 bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe auch später noch über Touristensichtvermerke, etwa zwischen dem 24. Mai 1995 und dem 14. Juni 1995, verfügt, weshalb es für diesen Zeitraum ausgeschlossen sei, daß sie sich unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Bei richtiger Feststellung des Umstandes, daß sie jeweils nur auf die Dauer der Gültigkeit der Touristen-Sichtvermerke in Österreich gewesen sei, hätte sich kein Anlaß ergeben, den Sachverhalt dahingehend zu beurteilen, daß ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG vorliege. Überdies rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde Art. 8 MRK nicht ausreichend in ihre Entscheidung einbezogen hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 23. Jänner 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 AufG lautet in der Fassung dieser Novelle:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Da die Beschwerdeführerin weder nach der Aktenlage noch nach ihrem eigenen Vorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde den Antrag zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für dessen Beurteilung § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. ua das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Antragsteller selbst im Inland aufhält, erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG nicht. Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).
Vom Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland war nur dann abzusehen, wenn die Beschwerdeführerin zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählt. Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführerin daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.
Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AufG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht aufgrund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Dabei ist der Partei auch ausreichend Parteiengehör zu gewähren. Hingegen braucht die Behörde der Partei solche Angaben nicht vorzuhalten, die diese im Verwaltungsverfahren selbst macht.
Die Beschwerdeführerin hat im Antragsformular angegeben, ihren Antrag in Wien unterfertigt zu haben. Unstrittig ist, daß die Überreichung des Antrages in Prag nicht durch die Beschwerdeführerin selbst erfolgte. Für den Fall, daß sich die Verhältnisse (der Aufenthalt) der Beschwerdeführerin zwischen der Antragsunterfertigung und der Antragsüberreichung durch den Vertreter geändert hätten, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, dies im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht bei Antragstellung (oder im folgenden Verwaltungsverfahren) von sich aus darzulegen. Da dies nicht geschah, war die belangte Behörde befugt, aufgrund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin, sie habe den Antrag in Österreich unterfertigt, davon auszugehen, daß - mangels einer ihr bekanntgegebenen Änderung der Verhältnisse zwischen Antragsunterfertigung und -überreichung - der Antrag nicht vor der Einreise der Beschwerdeführerin vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 96/19/0178).
Die Abweisung des entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrages kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Dieses Ergebnis erweist sich entgegen dem Beschwerdevorbringen auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig, weil der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bereits mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen und von der Bundesregierung auch genützten Verordnungsermächtigung, jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden, auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat. Bedenken, daß die Umschreibung des durch diese Vorschriften erfaßten Personenkreises, für den auch eine Antragstellung im Inland in Frage kommt, zu eng wäre und Art. 8 MRK nicht entspreche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall der Beschwerdeführerin ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. zB. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).
Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht auch die Sichtvermerksversagungsgründe nach § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG herangezogen hat, nicht eingegangen zu werden.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt und auch eine andere, vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifende Rechtsverletzung nicht hervorgekommen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil schon die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996190982.X00Im RIS seit
11.07.2001