Entscheidungsdatum
05.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W270 2188195-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2019, Zl. XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG,
A)
I. durch Beschluss:
Die Beschwerde wird, soweit mit dieser die Gewährung des Status als Asylberechtigter sowie allenfalls die Gewährung des Status als subsidiär Schutzberechtigter begehrt wird, zurückgewiesen.
II. und erkennt im Übrigen zu Recht:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision gegen die Spruchpunkte A.I. und A.II. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 18.06.2019 stellte XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") am Flughafen Wien-Schwechat, vor der Polizeiinspektion Schwechat Fremdenpolizei, einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde sogleich dazu befragt. Betreffend Fluchtgründe verwies der Beschwerdeführer auf die Fluchtgründe eines bereits durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts abgeschlossenes Verfahrens auf Gewährung internationalen Schutzes. Als Rückkehrbefürchtung gab er an, dass er im Iran aufgewachsen sei sich frage, was er in Afghanistan machen solle.
2. Am 01.08.2019 und 07.08.2019 vernahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer zu seinem Antrag ein. Er gab dabei als Fluchtgrund an, homosexuell zu sein. Er legte auch Beweismittel vor.
3. Mit Bescheid vom 11.08.2019, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich Status als Asylberechtigten wie auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Weiteres erteilte die belangte Behörde gemäß § 57 AsylG 2005 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließt gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 i.V.m. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Sie stellte auch fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde die Antragszurückweisungen damit, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der sich auf Sachverhaltsänderungen nach dem ersten Asylverfahren beziehe. Eine Auseinandersetzung mit dem glaubhaften Kern des Vorbringens erübrige sich damit. Da weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen. Aufgrund der kurzen Dauer des Aufenthalts in Österreich und der privaten und familiären Situation könne auch nicht von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als das öffentliche Interesse an der Effektuierung der negativen Asylentscheidung wiegen würde ausgegangen werden.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 27.08.2019 Beschwerde, focht diesen zur Gänze an, und begehrte die Aufhebung des angefochtenen Bescheids, allenfalls eine Zurückverweisung an die erste Instanz, die Gewährung von Asyl, allenfalls von subsidiärem Schutz, allenfalls die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan sowie die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Begründend machte der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, weil es offensichtlich sei, dass sich die beiden Anträge auf internationalen Schutz unterscheiden. Es sei unrichtig, dass im ersten Verfahren bereits alle bis zur Entscheidung des zweiten Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt wurden. Der geltend gemachte Asylgrund der Verfolgung wegen Homosexualität sei im ersten Asylverfahren nicht behandelt worden und sei nun auch nicht inhaltlich erörtert worden. Deshalb sei das Verfahren mangelhaft.
II. Feststellungen:
1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und behauptet, im Jahr XXXX oder XXXX in Teheran geboren zu sein.
1.2. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
1.3. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus der Provinz Ghazni. Sie verließen Afghanistan ungefähr im Jahr 1978 wegen der allgemeinen Sicherheitslage und übersiedelten in den Iran. Der Beschwerdeführer wuchs gemeinsam mit seinen Eltern, einer jüngeren Schwester und einem jüngeren Bruder in Teheran auf. Der Beschwerdeführer besuchte in Teheran fünf bis sechs Jahre die Schule. Er arbeitete in Teheran als Bauarbeiter, Schneider, Verkäufer und in der Produktion von Taschen, Koffern und Schuhen.
1.4. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Teheran. Sein Vater arbeitet selbständig im Baugewerbe, besitzt 3500 m² Grund und erzeugt Betonträger. Zudem verkauft er Gold und verdient damit zusätzlich Geld. Der Vater des Beschwerdeführers ist sehr wohlhabend. Der Vater ist Eigentümer von drei Wohnungen und zwei Autos in Teheran. Der Vater schickt dem Beschwerdeführer regelmäßig Geld aus Teheran nach Österreich. Auch der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet im Baugewerbe. Die Mutter des Beschwerdeführers arbeitet in einem Textilgeschäft. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.
1.5. Der Onkel väterlicherseits lebt in der Provinz Ghazni. Er arbeitet als Hilfsarbeiter. Zwei Cousins des Beschwerdeführers studieren in Ghazni auf der Universität.
1.6. Einige Verwandte mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in der Provinz Ghazni, ein Onkel mütterlicherseits in Teheran.
1.7. Der Beschwerdeführer ist seit ungefähr 2013 mit XXXX , afghanische Staatsangehörige, verheiratet. Dieser Ehe entstammt die minderjährige Tochter, XXXX , geb. XXXX , afghanische Staatsangehörige. Das alleinige Sorgerecht über die Tochter kommt der Mutter zu.
1.8. Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung, an Schlafstörungen und Alpträumen. Er war deshalb in psychotherapeutischer Behandlung, ist es derzeit jedoch nicht.
1.9. Der Beschwerdeführer verließ den Iran Mitte 2015, da er Angst davor hatte, im Krieg in Syrien dienen zu müssen, er als Afghane im Iran benachteiligt wurde und er sich bessere Lebensbedingungen in Österreich erhoffte sowie auf Grund des Wunsches seiner Ehegattin, nach Europa zu reisen. Er reiste schließlich am 25.10.2015 in Österreich ein.
2. Zum Erstverfahren auf internationalen Schutz:
2.2. Der Beschwerdeführer stellte am 25.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 01.02.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).
2.3. Mit Bescheid vom 05.02.2018, Zl. XXXX , berichtigte die belangte Behörde den Bescheid vom 01.02.2018 dahingehend, dass auf Seite 1 das Geburtsdatum nicht wie angeführt " XXXX ", sondern richtig " XXXX " zu lauten habe.
2.4. Mit Erkenntnis vom 11.07.2018, Zl. W255 2188195-1/8E, dem Beschwerdeführer zugestellt am 12.07.2018, wies das Bundesverwaltungsgericht eine gegen den Bescheid vom 01.02.2018 erhobene Beschwerde ab (in Folge: "Ersterkenntnis").
3. Zum gegenständlichen Verfahren:
Im Juli 2018 verließ der Beschwerdeführer Österreich und stellte in der Folge in Frankreich einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Er wurde am 18.06.2019 von dort nach Österreich zurückgeführt. Am selben Tag stellte er am Flughafen Wien Schwechat bei der Polizeiinspektion Schwechat Fremdenpolizei einen Antrag auf internationalen Schutz.
4. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
4.1. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich begann am 25.10.2015 und endete im Juli 2018. Seit 18.06.2019 hält sich der Beschwerdeführer wieder in Österreich auf.
4.2. Der Beschwerdeführer lebt seit ungefähr Frühjahr 2016 getrennt von seiner Ehegattin und seiner Tochter. Er steht nicht in Kontakt mit diesen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers begehrte die Scheidung. Ihr kommt das alleinige Obsorgerecht für die gemeinsame Tochter zu (s. dazu auch oben Pkt. II.1.7.).
4.3. Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts XXXX vom 21.04.2016, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer für die Dauer von sechs Monaten die Rückkehr in eine Asylunterkunft, in der sich seine Tochter und Ehefrau befaden, sowie deren unmittelbarer Umgebung untersagt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit seiner Tochter und Ehegattin zu vermeiden.
4.4. Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts XXXX vom 16.08.2017, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer bis zum 27.07.2018 der Aufenthalt in jener Asylunterkunft, in der sich seine Tochter und Ehefrau befinden, sowie der Aufenthalt in einem Umkreis von einem Kilometer untersagt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die Kontaktaufnahme mit seiner Ehegattin zu vermeiden.
4.5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.05.2016, Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB und § 107 Abs. 1 StGB rechtskräftig eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten bedingt verhängt. Opfer dieser Taten waren seine Ehegattin und seine Tochter.
4.6. Der Beschwerdeführer ist in Österreich noch nie einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er hat ab und zu den Rasen für Bekannte gemäht.
4.7. Der Beschwerdeführer ist im Rahmen der Grundversorgung in einer Unterkunft für Asylwerber untergebracht. Er hat bisher keine Deutschprüfung absolviert. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.
4.8. Der Beschwerdeführer verfügt über keine weiteren als den oben unter Pkt. II.4.2. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.
5. Zum geltend gemachten Fluchtvorbringen:
5.1. Dem Beschwerdeführer stand kein Hemmnis - insbesondere kein psychologisches - entgegen, um im Erstverfahren seine - seinen eigenen Angaben nach zum damaligen Zeitpunkt bereits vorhandene, von ihm auch erkannte und ausgelebte - Homosexualität zu behaupten.
5.2. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthalts in Österreich bisher keine gleichgeschlechtliche Beziehung geführt.
5.3. Der Beschwerdeführer hat sich bei der App "Gay Romeo" angemeldet, mit anderen Männern über Whats App gechattet und Rechtsberatung bei der Homosexuellenorganisation "Queer Base" in Anspruch genommen.
5.4. Der Beschwerdeführer ist nicht homosexuell.
6. Zur maßgeblichen Lage in Afghanistan:
6.1. Sicherheitslage:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen.
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben.
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung.
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren.
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen.
(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 26.03.2019 mit Stand 29.06.2019 [in Folge: "LIB"], S. 59, 62, 63, 64 ff und 70)
6.2. Provinz Ghazni:
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi. Laut dem afghanischen Statistikbüro ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind.
Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari. Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist.
Allgemeine Information zur Sicherheitslage Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.
Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch.
Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
Militärische Operationen in Ghazni Militärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt (Khaama Press 1.2.2018), bei denen auch Taliban getötet werden.
Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt.
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein.
Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Für den Zeitraum 1.1.15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert.
(Auszug aus LIB, S.129 ff)
6.3. Provinz Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen.
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten.
(Auszug aus dem LIB, S. 84 f)
6.4. Medizinische Versorgung:
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes.
Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan. In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus.
(Auszug aus dem LIB, S. 376 ff, 379)
6.5. Wirtschaft:
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden.
(Auszug aus dem LIB, S. 353)
6.6. Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können.
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden.
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten.
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
(Auszug aus dem LIB, S. 366 bis 371)
6.6. Lage von ethnischen Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt.
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus.
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist.
(Auszug aus dem LIB, S. 314, 316 f)
6.7. Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben.
(Auszug aus dem LIB, S. 304)
6.8. Schiiten:
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an.
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen.
Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.
(Auszug aus dem LIB, S. 307 f)
6.9. Weitere Informationen zur Lage in Afghanistan:
Es wird außerdem die die im angefochtenen Bescheid auf den S.17 bis 178 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (samt entsprechenden dortigen Quellenangaben) verwiesen.
III. Beweiswürdigung:
1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
1.1. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand (Pkt. II.1.8.) beruhen auf den nicht als unglaubwürdig anzusehenden, insbesondere, weil konsistenten, Angaben des Beschwerdeführers während seiner Einvernahme vor der belangten Behörde sowie aus dem Ersterkenntnis Pkt.2.1.8.
1.2. Im Übrigen beruhen die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers auf den Feststellungen im Ersterkenntnis. Dieses erging im Juli 2018 und ist damit auch entsprechend aktuell. Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer keine gegenteiligen Angaben getätigt. Ebenso ist bei aus Sicht des erkennenden Gerichts § 18 Abs.1 AsylG 2005 entsprechenden Ermittlungstätigkeiten seitens der belangten Behörde nichts Gegenteiliges hervorgekommen.
2. Zu den Feststellungen zum Erstverfahren:
Die Angaben zum Erstverfahren ergeben sich aus dem - in der Beschwerde auch unbestritten gebliebenen - Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten.
3. Zu den Feststellungen zum gegenständlichen Verfahren:
Die Angaben zum Erstverfahren ergeben sich aus dem - in der Beschwerde auch unbestritten gebliebenen und jeweils als nachvollziehbaren - Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten, insbesondere aus der Dokumentation zur Überstellung aus Frankreich nach Österreich sowie den vom Beschwerdeführer getätigten Angaben in der Erstbefragung.
4. Zu den Feststellungen zum geltend gemachten Fluchtvorbringen:
4.1. Abgesehen von einem Hinweis auf seine bisherigen Fluchtgründe behauptet der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren als Fluchtgrund, er sei homosexuell. Doch weist diese Behauptung aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts aus folgenden Erwägungen nicht einmal den nach ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geforderten, "glaubhaften Kern" auf (vgl. dazu etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, unter Hinweis auf die Pflicht zur Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sowie mit der Beweiskraft von Urkunden, m.w.N.):
4.2. So hat der Beschwerdeführer im gesamten Erstverfahren wie auch im Rahmen der Stellung des gegenständlichen Antrags die Homosexualität weder als Flucht- oder Nachfluchtgrund erwähnt und auch keinerlei dahingehende Rückkehrbefürchtungen ("Ich bin im Iran aufgewachsen was soll ich in Afghanistan machen") geäußert (AS 10 des gegenständlichen Akts). Er führte ausdrücklich nur die Gründe aus seinem Erstverfahren an ("Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung").
4.3. Grundsätzlich entspricht es der Lebenserfahrung, dass die bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben (erfahrungsgemäß) der Wahrheit am nächsten kommen (vgl. VwGH 26.01.1996, 95/02/0289). Nun ist sich das erkennende Gericht durchaus bewusst, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat er insofern aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 02.08.2019, Ra 2018/19/0615, Rz. 8, m.w.N.). Gegenständlich behauptete der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme sei "nur überblicksmäßig" übersetzt worden, nicht zur Gänze, es sei eine "Kurzfassung" gewesen (AS 141). Andererseits hat der Beschwerdeführer unterschrieben, dass ihm die Niederschrift rückübersetzt wurde und er zur Niederschrift keinerlei Korrekturen machen wolle (AS 10). Auch mit seinen Angaben, "dass er danach zur Polizei geschickt werde" und es einen Mann gab, der ihn befragte und meinte er kenne nicht die "Vorsitzende der SPÖ oder der Grünen" obwohl er schon drei Jahre in Österreich gewesen sei gibt es in der Niederschrift der Erstbefragung keinerlei Anhaltspunkte. Auch wenn er nur "Wünsche" verstanden hätte, so hätte ihm doch klar sein müssen, Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen anzugeben. Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vorgenommene Protokollierung - welche ja auch Bezüge zu Angehörigen in Österreich i.Z.m. den Fluchtgründen aufweist bzw. dass eben diese im Erstverfahren nicht geglaubt wurden - überhaupt nichts mit dem tatsächlich im Rahmen der Erstbefragung vom Beschwerdeführer Gesagten zu tun hat. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Zweck der Erstbefragung bei einem Folgeantrag eben nicht primär bei Identität und Fluchtroute liegt (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) und auch Anhaltspunkte für eine Ausnahmesituation des Beschwerdeführers bei dieser Befragung nicht vorliegen (dazu VfGH 19.11.2015, E1600/2014). Insbesondere war der Beschwerdeführer schon aufgrund seines Erstverfahrens mit einer Erstbefragung durch uniformierte Staatsorgane vertraut. Insgesamt geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass die im Rahmen der Erstbefragung getätigten Angaben fallbezogen als Beweismittel (mit-)verwertet werden können.
4.4. Erst im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde behauptete der Beschwerdeführer dann erstmalig, dass er homosexuell sei. Er führte in der Folge umfangreich dazu aus, dass er bereits als Kind homosexuell gewesen und auch vergewaltigt worden sei sowie bereits auch zumindest einen männlichen Sexualpartner im Iran gehabt hatte. Er hätte zwar aufgrund der Veranlassung durch seinen Vater eine Frau geheiratet und mit dieser ein Kind gezeugt. Seine Frau habe sein sexuelles Verhalten sehr gestört. Eine Scheidung von seiner Frau sei wegen seines Vaters nicht möglich gewesen. Schon aus diesen Angaben ist für das Bundesverwaltungsgericht klar abzuleiten, dass der Beschwerdeführer - würde man dessen Angaben für wahr befinden - eine allfällige Homosexualität bereits vor Beginn des Erstverfahrens in Österreich erkannt und auch ausgelebt hatte.
4.5. Damit liegt also, wie dies auch die belangte Behörde richtigerweise in ihren beweiswürdigenden Erwägungen anführte, ein klarer - und auch nicht bloß in Nuancen bestehender (dazu etwa VfGH 25.02.2019, E3632/2018) - Widerspruch (bzw. eine Steigerung) zu den Angaben in der Erstbefragung vor. Aber auch in seinem Erstverfahren hat der Beschwerdeführer - trotz ihm mehrfach gebotener Gelegenheit und ohne, dass irgendein Hemmnis, wie ein psychologisches, dieser Geltendmachung entgegengestanden wäre - niemals auch nur einen einzigen Anhaltspunkt für eine mögliche Homosexualität seiner Person vorgebracht (s. dazu unten Pkt. V.2.3.4). Als Grund für die Trennung von seiner Frau nannte der Beschwerdeführer "psychische Probleme"; die nicht durchgeführte Scheidung begründete er nicht mit dem Vater, sondern wegen mangelnder Unterstützung durch die Botschaft (VHS S. 7). Auch Schwierigkeiten mit dem Vater wurden nicht ansatzweise genannt (VHS S. 6 f).
4.6. Auch sprechen neben den Widersprüchen bzw. Steigerungen zu den Aussagen im Erstverfahren wie auch der Erstbefragung folgende Aspekte gegen eine Glaubhaftmachung im Kern sprechen (bzw. sprechen nicht dafür):
4.7. Gefragt nach dem "Ausleben" seiner Homosexualität in Österreich gab der Beschwerdeführer wiederum an, dass er sei erst seit einem Monat in XXXX und "seine Freunde" hätten ihm beigebracht, die App "Gay Romeo" zu installieren. Er habe über diese Kontakte zu anderen Männern aufgenommen, bei einem sei er auch schon zu Hause gewesen. Er wolle allerdings keine näheren Angaben zu diesen Männern, insbesondere auch nicht zu jenem mit dem er Kontakt gehabt hätte, tätigen.
4.8. Dazu ist zu bemerken, dass sich der Beschwerdeführer schon einmal längere Zeit in Österreich aufhielt und nach Frankreich ging. Zu dieser Zeit hat er überhaupt nichts erwähnt (er behauptete auf Nachfrage lediglich, dass er währen seiner Zeit in Frankreich eine - gemeint offenbar einschlägige - "Bar", in welcher Homosexuelle verkehren, besucht zu haben). Dabei ist aber wieder zu bedenken, dass er ja schon damals - nach seinen Angaben - homosexuell war und auch bereits im Iran Sexualkontakte zu einem Mann unterhielt.
4.9. Auch die weiteren, im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel, ein Chatverlauf aus "Whats App" mit einem " XXXX " sowie einem " XXXX " sind für das Bundesverwaltungsgericht ebenso wie die Bestätigung einer Unterstützungsorganisation für Homosexuelle (hier die "Queer Base") betreffend die Inanspruchnahme von Rechtsberatung durch den Beschwerdeführer - auch wenn man diese Tatsachen, wogegen aus Sicht des erkennenden Gerichts nichts spricht, als materiell wahr feststellt - jeweils für sich genommen, aber auch gemeinsam betrachtet, keine in besonderen Maße für eine gegebene Homosexualität sprechende Indizien.
4.10. Bei Gesamtbetrachtung all der vorhin getätigten Erwägungen (insbesondere Widersprüche bzw. Steigerungen zu vorherigen Angaben, Angaben zum Ausleben der Homosexualität jetzt) hält das Bundesverwaltungsgericht die behauptete Homosexualität aufgrund der aufgenommene Beweise nicht für glaubwürdig. So man den behaupteten Sachverhalt als neue Tatsache ansehen sollte, so weist dieser also keinen "glaubhaften Kern" auf.
4.11. Festzustellen ist daher zu dem im gegenständlichen Verfahren getätigten Fluchtvorbringen, dass der Beschwerdeführer (i) trotz ihm gebotener Gelegenheit eine nach seinen Angaben vor der erstmaligen Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich bereits erkannte und auch ausgelebte Homosexualität nicht ansatzweise - dies trotz fehlendem Hemmnisses - behauptete (dazu insbesondere III.4.2., 4.4. und 4.5.), (ii) er bisher während seines gesamten Aufenthalts in Österreich keine gleichgeschlechtliche Beziehung unterhielt (III.4.7. und 4.8.), (iii) er sich bei der App "Gay Romeo" angemeldet hat, über diese Kontakt zu anderen Männern, mit welchen er auch über die App "Whats app" chattete, aufnahm und Rechtsberatung bei der "Queer Base" in Anspruch nahm (III.4.9.), sowie (iv) er nicht homosexuell ist (III.4.10).
5. Zu den Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
5.1. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich folgen aus eigenen Angaben zum Aufenthalt in Frankreich (AS 9) und den - vom Beschwerdeführer in der Beschwerde bzw. sonst im Verfahren unbestritten geblieben - Feststellungen des Ersterkenntnisses sowie einliegenden Urkunden betreffend Vorgängen in Frankreich.
5.2. Die übrigen Feststellungen folgen aus dem - als entsprechend aktuell anzusehenden - Ersterkenntnis. Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer keine gegenteiligen Angaben getätigt bzw. hat etwa die Trennung von seiner Gattin bestätigt (AS 10). Ebenso ist bei § 18 Abs. 1 AsylG 2005 entsprechenden Ermittlungstätigkeiten seitens der belangten Behörde nichts Gegenteiliges hervorgekommen.
6. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Lage in Afghanistan:
Die getroffenen bzw. auch verwiesenen Feststellungen gründen auf den nachvollziehbaren und ausreichend aktuellen Ausführungen in dem als Beweismittel von der belangten Behörde eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Diese blieben - jedenfalls auch in der Beschwerde - unbestritten.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A.I.: Zurückweisung des Beschwerdebegehrens im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids
1. Zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens über eine Zurückweisungsentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG:
1.1. Das Beschwerdebegehren umfasst eventualiter ("allenfalls") auch die Anträge auf Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutzes (Pkt. c) und d)).
1.2. Im Fall der Beschwerde gegen einen Bescheid, der einen Parteiantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, darf das VwG nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag (inhaltlich) entscheiden (etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2016/06/0063). Nichts Anderes gilt für einen (Folge- )Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.
1.3. Aus diesem Grund ist das Beschwerdebegehren der Pkt. c) und d) unabhängig von der Behandlung des Primärbegehrens zurückzuweisen.
Zu Spruchpunkt A.II.: Abweisung des Beschwerdebegehrens im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids
2. Rechtslage:
2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
2.2. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 ist der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren - wozu auch die vorliegende Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG gehört - vom Bundesverwaltungsgericht stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
3. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
3.1. Zum von der belangten Behörde ermittelten Sachverhalt und zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
3.1.1. Die Behörde hat den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend i.S.d. §§ 37 und 39 AVG bzw. § 18 Abs. 1 AsylG ermittelt. Sie hat entsprechende Länderinformationen zur Lage in Afghanistan zusammengetragen, den Beschwerdeführer zu seinem Antrag einvernommen und dabei im erforderlichen Umfang befragt bzw. auch Nachfragen gestellt. Nichts Gegenteiliges lässt sich auch der Beschwerde entnehmen. Ein Grund für eine Stattgabe schon aufgrund von Ermittlungsmängel i.S.d. § 21 Abs. 3 ist gegenständlich nicht einmal im Ansatz erkennbar (zur Anwendung von § 21 Abs. 3 BFA-VG auch von gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesene Anträge auf internationalen Schutz vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0024).
3.1.2. Soweit in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann. Dazu zählen auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG (vgl. etwa VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104). Wie im Vorabsatz dargelegt liegen - keinerlei - Ermittlungsmängel seitens der belangten Behörde vor, weswegen keine mündliche Verhandlung durchgeführt werden brauchte.
3.2. Zu einer möglichen Sachverhaltsänderung:
3.2.1 Wie festgestellt brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund in seinem mit Antrag vom 18.06.2019 eingeleiteten Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes zunächst vor, dass die "alten Asylgründe auch noch zählen" würden. Diese seien jedoch nicht akzeptiert worden (AS 10). Im Februar 2016 hätten seine Frau und er sich getrennt. Er möchte in Österreich bleiben, ein guter Vater seiner Tochter sein, hier arbeiten und nicht vom Staat Österreich leben. Er bitte um eine Chance. Später gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde als Fluchtgrund noch an, er sei "homosexuell" (AS 141).
3.2.2. Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - etwa nach notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme. Eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066, Rz. 9, m.w.N.). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat allerdings nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Allfälliges Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (vgl. etwa VwGH 02.05.2019, Ra 2018/20/0515, Rz. 9).
3.2.3. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Die Asylbehörden (und damit auch das Bundesverwaltungsgericht) sind dazu verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10 sowie VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).
3.2.4. Aufgrund entsprechend § 18 Abs. 1 AsylG 2005 durchgeführter Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht homosexuell ist. Auch sonst ist bei Gegenüberstellung der getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers - insbesondere auch im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand - sowie der maßgeblichen Lage in Afghanistan mit den Sachverhaltsfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.07.2018 eine Sachverhaltsänderung nicht erkennbar. Ebenso haben sich die maßgeblichen Rechtsvorschriften seit dem Ersterkenntnis nicht geändert.
3.2.5. Damit erübrigt sich jedoch auch eine weitere Prüfung auf eine mögliche Relevanz im Hinblick auf die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, sei es vor dem Hintergrund von § 3 AsylG 2005, sei es vor dem Hintergrund von § 8 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 21.10.1999, 98/20/0467).
3.2.6. Im Ergebnis war die Zurückweisung des streitgegenständlichen Antrags durch den angefochtenen Bescheid erfolgte daher - und zwar betreffend sowohl die Gewährung des Status als Asylberechtigten wie auch des Status als subsidiär Schutzberechtigten - rechtmäßig.
3.3. Zu einer möglichen "entschiedenen Sache":
3.3.1. Selbst bei (Wahr-)Unterstellung, dass der Beschwerdeführer homosexuell wäre, ist die Beschwerde mit ihrem Begehren nicht im Recht. Sämtliche vom Beschwerdeführer im nunmehrigen Verfahren als Fluchtgründe angegebene Tatsachen lagen bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über dessen ersten Asylantrag, d.h. am 12.07.2018, vor:
3.3.2. So ist von einer, einer inhaltlichen Entscheidung entgegenstehenden "Entschiedene Sache" i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG auszugehen, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. dazu etwa VwGH 26.02.2015, Ra 2014/07/0055). Wird also ein Folgeantrag auf Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag mit Erkenntnis des BVwG vorlagen gestützt, ist der Folgeantrag, weil es schon aus diesem Grund an einem maßgeblich geänderten Sachverhalt fehlt, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen (vgl. dazu etwa VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104, Rz. 14, m.w.N.).
3.3.3. Der Beschwerdeführer legte gegenständlich selbst im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde dar, dass er "seit er klein sei" "Probleme mit seiner Homosexualität" habe (AS 155 ff). Er sei im Iran von seinen Mitschülern immer wieder gemobbt worden, er habe dann aufgehört, die Schule zu besuchen. Als er klein war, sei er ständig vergewaltigt worden. Später wollte er "mit anderen" Sex haben. Sein Vater habe eine Heirat mit einer Frau veranlasst, diese habe sein sexuelles Verhalten sehr gestört. Er sei in Teheran vergewaltigt worden, und habe dann Drogen genommen. Er habe dann im Iran, was auch seine Frau mitbekommen habe, eine Beziehung zu einem "iranischen Jungen" unterhalten. Gefragt danach, warum er im Erstverfahren nie etwas über seine Homosexualität erwähnt hatte, gab er an, dass er nur das angegeben habe, was ihm sein Schwager gesagt habe. Auf Nachfrage bestätigte er allerdings auch: "Ja, ich habe nichts zu meinen Fluchtgründen" angegeben. Eine kurdische Frau habe gedolmetscht, diese konnte nicht gut dolmetschen.
3.3.4. Schon aus diesem Vorbringen ist klar ersichtlich, dass es sich bei der Homosexualität des Beschwerdeführers um eine Tatsache handelt (bzw. handeln würde), welche bereits vor der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich vorlag. Im Erstverfahren wurde dem Beschwerdeführer - welcher dabei volljährig war und dabei außerdem keinerlei ihn an einer solchen Angabe hindernde gesundheitliche Probleme angab bzw. Anhaltspunkte dafür entstanden - mehrfach ausdrücklich die Gelegenheit eingeräumt, einen Umstand wie eine gegebene Homosexualität zu behaupten (s. AS 11 und 17, AS 106 und 114 ff). Auch hätte er ein solches Fluchtvorbringen auch noch in seiner Beschwerde gegen die damalige verwaltungsbehördliche Entscheidung wie auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren selbst, dort insbesondere in der am 09.07.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, vortragen können (s. dazu unten Pkt. IV.2.3.6.). Dabei ist auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer im damaligen verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch durch den Verein Menschenrechte Österreich, also rechtskundig, vertreten war.
3.3.5. Zur Behauptung (in Beantwortung der Frage, warum er von seiner Homosexualität nicht bereits im Erstverfahren gesprochen habe), er habe das angegeben, was ihm von einem Dritten gesagt wurde ist darauf hinzuweisen (AS 107), dass der Beschwerdeführer davon im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde im Erstverfahren selbst ausdrücklich abwich ("ich habe damals gelogen"). Auch war der Dolmetscher bei dieser Einvernahme - was sich aus dem Rubrum der Niederschrift klar erkennen lässt - ein Mann und keine (kurdische) Frau (" XXXX ", s. AS 105 des Erstverfahrensakts).
3.3.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht führt der Beschwerdeführer - auch hier unter Angabe, er könne der Verhandlung folgen und verstehe die Dolmetscherin gut (s. Niederschrift der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht [in Folge: "VHS"], S. 2 und 4) aus, dass er bei der belangten Behörde "sein wahres Fluchtvorbringen" vorgebracht habe (VHS S. 5). Weder bei Fragen nach dem Gründen für das Verlassen des Irans wie auch betreffend Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan (VHS S. 11) erwähnte der Beschwerdeführer auch nur ansatzweise eine bei ihm vorhandene Homosexualität. Überhaupt erwähnte er im gesamten Verfahren keinerlei - nunmehr jedoch genau ausgeführten - Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung, sondern führte als Gründe für das Verlassen des Irans eine "verlorene Aufenthaltsberechtigung" und die Befürchtung, in den "Krieg nach Syrien ziehen zu müssen" an (VHS S. 7).
3.3.7. Der Beschwerdeführer hat also zahlreiche sich ihm gebotene Gelegenheiten ausgelassen, um im Zuge seines Asylverfahrens ein Fluchtvorbringen zur Homosexualität zu erstatten, wenngleich er nach den Angaben in gegenständlichem Verfahren eine solche zu diesem Zeitpunkt nach seinen eigenen Behauptungen bereits erkannt und auch mit zumindest einem Sexualpartner ausgelebt hatte.
3.3.8. Auch die sonstigen, im Rahmen des nunmehrigen Antrags angegeben Fluchtgründe, bestehend aus der Wiederholung der bereits im Erstverfahren angegebenen Gründen, sind Tatsachen, welche bereits im Erstverfahren vorlagen (vgl. zur Aufrechterhaltung der seinerzeitigen Verfolgungsbehauptung als nicht wesentlich geänderter Sachverhalt VwGH 20.03.2003, 99/20/0480). Auch die maßgebliche Rechtslage blieb unverändert. Es liegt also insgesamt eine "entschiedene Sache" i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG vor.
3.3.9. Die von der Beschwerde ersehene inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge eines wegen Nichterörterung "mangelhaften" Verfahrens liegt damit nicht vor. So mussten sich mangels auch nur irgendeines vom Beschwerdeführer gelieferten Anhaltspunkts weder die belangte Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht im Erstverfahren mit einer Tatsache "Homosexualität" bzw. "homosexuell zu sein" auseinandersetzen (zur nicht bestehenden Pflicht bzw. überhaupt zur Unzulässigkeit, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte zu ergründen bzw. Ermittlungstätigkeiten i.S.d. § 18 AsylG dahingehend zu setzen oder Feststellungen dazu treffen vgl. etwa VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, m.w.N.).
3.4. Ergebnis:
Die Zurückweisung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz erfolgte damit - und zwar betreffend sowohl die Gewährung des Status als Asylberechtigten wie auch des Status als subsidiär Schutzberechtigten - im Ergebnis rechtmäßig. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids ist damit unbegründet.
Zu Spruchpunkt A.II.: Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheids
4. Rechtslage:
4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
4.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
4.3. Die §§