Entscheidungsdatum
06.09.2019Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W176 2217102-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. Stefan DENIFL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2019, Zl. 831650307/190278850 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
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Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) vom 08.04.2014, Zl. XXXX , stattgegeben wurde, sodass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
2. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer über seinen Antrag ein Konventionsreisepass gemäß § 94 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) ausgestellt.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.02.2016, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer zuletzt am 03.03.2015 verübten Tat wegen § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4 FPG, § 15 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 (StGB), zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Zugleich wurde der Mitangeklagte XXXX zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Während bezüglich des Letztgenannten von der Staatsanwaltschaft Wien Berufung erhoben wurde, erwuchs das Urteil hinsichtlich des Beschwerdeführers in Rechtskraft.
4. Am 11.03.2016 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde abermals die Ausstellung eines Konventionsreisepasses.
5. Mit Urteil vom 12.04.2016, Zl. XXXX , gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil bezüglich XXXX Folge und erhöhte dessen Freiheitsstrafe auf drei Jahre. In den Entscheidungsgründen hielt es u.a. fest, dass auch die Mittäter (darunter der Beschwerdeführer) "vollkommen unverständlich viel zu gering sanktioniert" worden seien.
6. Mit - rechtskräftig gewordenem - Bescheid vom 14.06.2016, Zl. 831650307, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 und 1a Z 3 FPG ab.
Begründend stützte sich die Behörde darauf, dass beim Beschwerdeführer Versagungsgründe vorlägen: Aufgrund seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung stehe fest, dass er wegen des Verbrechens der (teils versuchten, teils vollendeten) Schlepperei verurteilt worden sei. Er sei schuldig, gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise bzw. Durchreise Fremder in bzw. durch einen Mitgliedstaat der EU zumindest zu fördern versucht zu haben, teilweise gegen ein vereinbartes Entgelt, indem er diese (Fremden) vorübergehend in einer Wohnung untergebracht und deren Weitertransport zumindest zu organisieren versucht habe. Es sei bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten nicht einzurechnen seien. Im Falle des Beschwerdeführers könne eine Zukunftsprognose im Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatbegehung keinesfalls zu seinen Gunsten ausfallen. Die ihm angelasteten Straftaten lägen noch keine eineinhalb Jahre zurück und verbüße der Beschwerdeführer derzeit die über ihn verhängte Freiheitsstrafe. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. An der Unterbindung des Schlepperwesens bestehe ein großes öffentliches Interesse. Die Versagung eines Konventionsreisepasses stelle eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme zur Abwendung künftiger Straftaten dar. Eine Zukunftsprognose könne vor dem Hintergrund der gewerbsmäßigen Tatbegehung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen war.
7. Ein von der Behörde eingeleitetes Aberkennungsverfahren hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde mit Aktenvermerk vom 18.07.2018 mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aberkennung eingestellt.
8. Am 19.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Ausstellung eines Konventionsreisepasses für Asylberechtigte gemäß § 94 Abs. 1 FPG.
9. Mit Stellungnahme vom 22.02.2019 gab der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer an, dass gegenüber den Vorbescheiden eine wesentliche Änderung vorliege. Seit der Verurteilung wegen Schlepperei im Frühjahr 2015 seien vier Jahre vergangen. Aus den beiliegenden Lohnzetteln ergebe sich, dass der Beschwerdeführer die letzten Monate regelmäßig gearbeitet habe. Er habe keine weiteren strafrechtlichen Vergehen begangen. Der Beschwerdeführer arbeite als Maschinenführer bei einem namentlich genannten Unternehmen und habe eine Dienstwohnung. Seit der erstmaligen Abweisung des Antrages seien zwei Jahre vergangen. Es könne nicht dauerhaft damit argumentiert werden, die Sachlage habe sich nicht geändert.
10. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Begründend stützte sich die Behörde darauf, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom 11.03.2016 bereits rechtskräftig abgewiesen worden und er wegen Schlepperei rechtskräftig verurteilt worden sei. In Anbetracht des wiederholten gewerbsmäßigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, welches er zudem als Mitglied einer kriminellen Organisation begangen habe, sei der verstrichene Zeitraum zu kurz um von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der drohenden Gefahr, sich neuerlich an Schlepperaktivitäten zu beteiligen, auszugehen, weshalb kein geänderter Sachverhalt vorliege.
11. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und monierte, die Behörde habe offensichtlich ohne Überprüfung des Sachverhaltes den Antrag des Beschwerdeführers in der gleichen Art und Weise wie seinen letzten Antrag abgewiesen. Auch die unter Punkt 9. dargestellte Stellungnahme sei nicht berücksichtigt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer vor der Entscheidung der Behörde nicht über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert worden und verletze dies das Parteiengehör. Im Übrigen wiederholte er bereits sein mit Stellungnahme vom 22.02.2019 dargelegtes Vorbringen, indem er darauf hinwies, dass er keine weiteren Vergehen begangen habe, er in einem Beschäftigungsverhältnis sei und eine Dienstwohnung habe sowie darauf, dass vier Jahre seit der letzten Tat bzw. zwei Jahre seit Abweisung des Bescheides vergangen seien, weshalb ein geänderter Sachverhalt vorliege.
12. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.05.2019 Lohnzettel zwecks Nachweises seiner regelmäßigen Beschäftigung vor und gab überdies an, dass seine "Ehegattin bzw. Lebensgefährtin" sowie ihr gemeinsames Kind Konventionsreisepässe erhalten hätten. Es sei daher dringend erforderlich, dass auch der Beschwerdeführer einen solchen erhalte, damit er mit ihnen Reisen durchführen könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist in Österreich (weiterhin) anerkannter Flüchtling im Sinne der GFK.
Der Beschwerdeführer war von 15.04.2014 bis 14.04.2016 Inhaber eines Konventionsreisepasses.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.02.2016, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4 FPG, § 15 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 (StGB), d.h. wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten - im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen - gewerbsmäßigen Schlepperei, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Datum der letzten Tat war der 03.03.2015.
Der Beschwerdeführer war nach der Tat vom 10.04.2015 bis zum 29.12.2015 in der Justizanstalt XXXX sowie vom 29.12.2015 bis 07.10.2016 in der Justizanstalt XXXX , somit für einen Zeitraum von knapp 18 Monaten inhaftiert.
Mit Blick auf das Ende der Gültigkeit am 14.04.2016 stellte er am 11.03.2016 den Antrag auf Ausstellung eines neuen Konventionsreisepasses, welchen die Behörde aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers abwies. Dieser Bescheid erwuchs mit 21.12.2016 in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer ist bei einem Unternehmen in XXXX als Maschinenführer beschäftigt, er ist verheiratet und hat ein Kind. Seine Ehefrau und sein Kind sind im Besitz von Konventionsreisepässen.
2. Beweiswürdigung:
Dass dem Beschwerdeführer der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, ist dem Bescheid der Behörde vom 08.04.2014, Zl. XXXX , zu entnehmen. Dass er zuvor bereits Inhaber eines Konventionsreisepasses war, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Kopie des abgelaufenen Passes (S. 7 d. Antragsformulars auf Ausstellung eines [neuen] Konventionsreisepasses). Auch das Antragsformular vom 19.03.2019 liegt im Verwaltungsakt ein. Ebenso liegen der (abweisende) Bescheid vom 14.06.2016 sowie der nunmehr angefochtene Bescheid vor, aus denen sich - in Zusammenschau mit der Abfrage des Fremdenregisters - der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt zweifelsfrei ergibt.
Die strafgerichtliche Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Schlepperei ist der im Akt einliegenden Strafregisterauskunft zu entnehmen, aus der sich auch das Ende der letzten Tat mit 03.03.2015 klar ergibt.
Die Haftzeiten des Beschwerdeführers ergeben sich - ebenso wie der Familienstand des Beschwerdeführers - aus der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers stützen sich auf die glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in dem unter Punkt 11. dargestellten Schriftsatz. Mit diesem legte er Beschwerdeführer zudem Lohnzettel vor, weshalb festzustellen war, dass er berufstätig ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 i. d.F. BGBl. I Nr. 70/2015, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß Abs. 2 Z 2 leg. cit. hat es über Beschwerden dann selbst zu entscheiden, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
3.2.1.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (vgl. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN).
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (und nicht abgewiesen) hat.
Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder - im Falle des Vorliegens entschiedener Sache - das Rechtsmittel abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (VwGH 23.05.1995, 94/04/0081).
3.2.1.2. § 94 FPG lautet (auszugsweise):
"(1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.
[...]
(5) §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt."
§ 92 FPG lautet (auszugsweise):
"(1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;
2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;
3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;
4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;
5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
(1a) Die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.
[...]
(3) Liegen den Tatsachen die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992."
§ 14 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839/1992 (PassG), lautet (auszugsweise):
"(1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn
1. der Passwerber seine Identität nicht zweifelsfrei nachzuweisen vermag oder die erforderliche Mitwirkung verweigert,
2. die Freizügigkeit des Paßwerbers auf Grund gesetzlicher Bestimmungen beschränkt ist und die Versagung zur Erreichung des Ziels dieser Beschränkung erforderlich ist,
3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Paßwerber den Reisepaß benützen will, um
[...]
d) illegalen Handel mit Waffen, Kriegsmaterial, radioaktiven Stoffen oder mit Gegenständen zu betreiben, die der Sicherheitskontrolle nach dem Sicherheitskontrollgesetz 1991, BGBl. Nr. 415/1992, unterliegen,
e) Personen der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zuzuführen oder sie hiefür anzuwerben, oder
[...]
5. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b StGB durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden.
[...]
(3) Liegen den in Abs. 1 Z 3 lit. b bis f und Z 4 und 5 angeführten Tatsachen gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben.
[...]"
3.2.1.3. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 92 Abs. 1 FPG ist in Bezug auf den Versagungsgrund der Schlepperei zu entnehmen, dass bei einem Wohlverhalten seit der Tatbegehung von acht Jahren der Prognosebeurteilung des Fremden maßgebliche Bedeutung zukommen muss (VwGH 16.05.2013, 2012/21/0253); in einem anderen Fall wurde dies bezüglich einer über elf Jahren zurückliegenden Tat gefordert (VwGH 10.04.2014, 2013/22/0314). In einem Fall, in dem der Passwerber zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden war und die Ausstellung eines Konventionspasses mit einem von Ende Juli 2009 datierenden Bescheid versagt wurde, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Anbetracht des wiederholten gewerbsmäßigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, welches er zudem als Mitglied einer kriminellen Organisation begangen habe, der verstrichene Zeitraum seit seiner Haftentlassung im Februar 2006 zu kurz sei, um von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der durch den Beschwerdeführer drohenden Gefahr, sich neuerlich an Schlepperaktivitäten zu beteiligen, auszugehen (VwGH 26.11.2009, 2009/18/0460).
3.2.2. Mit dem unter Punkt 6. des Verfahrensganges dargestellten Bescheid der belangten Behörde vom 14.06.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen und begründend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Verbrechen der (teils versuchten, teils vollendeten) gewerbsmäßigen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen habe und dafür rechtskräftig zu einer 18-monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Dieser Bescheid erwuchs am 21.12.2016 in Rechtskraft.
Dass der Beschwerdeführer einen - demgegenüber - iSd § 68 Abs. 1 AVG geänderten Sachverhalt aufzeigen konnte, ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht anzunehmen:
Denn wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vom 23.03.2019 zu Recht davon ausgegangen, dass die in § 92 Abs. 4 FPG normierte Frist von drei Jahren noch nicht verstrichen ist und daher jedenfalls vom Vorliegen eines Versagungsgrundes auszugehen ist, sodass eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes von vornherein nicht in Betracht kommt.
Dass diese Frist nunmehr (seit Kurzem) abgelaufen ist, ist nicht von Relevanz, da in einem Beschwerdeverfahren betreffend die Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache - wie sich aus der oben dargestellten Judikatur ergibt - das Verwaltungsgericht nur zu prüfen hat, ob die Zurückweisung durch die Verwaltungsbehörde zu Recht erfolgt ist.
Doch auch ungeachtet der genannten Frist ist in Hinblick auf die zuvor dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 92 FPG - und zwar auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände bezüglich seiner sozialen und wirtschaftlichen Integration - davon auszugehen, dass eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes nicht eingetreten ist, zumal der Beschwerdeführer vor noch nicht einmal zwei Jahren aus der Strafhaft entlassen wurde.
Angemerkt wird schließlich, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Aussage des Oberlandesgerichtes Wien, wonach der Beschwerdeführer im rechtskräftig gewordenen Urteil viel zu gering sanktioniert worden ist, schon in Hinblick auf die Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Tathandlungen zu teilen ist und daher bezweifelt werden muss, dass die dort vorgenommene Strafbemessung in spezialpräventiver Hinsicht angemessen ist.
Da sich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides somit nicht ergeben hat, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), unterbleiben, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.
3.4. Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung (vgl. die oben unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes); schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Bindungswirkung entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Haft Haftstrafe Identität der Sache Konventionsreisepass Prognose Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Schlepperei Spezialprävention Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Verbrechen wesentliche Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W176.2217102.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020