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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des SD, geboren 1976, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Jänner 1996, Zl. 304.699/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der über Touristensichtvermerke vom 13. bis 22. Juli und von 25. September bis 15. Oktober 1994 verfügte, beantragte am 20. Oktober 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er Familienzusammenführung mit seiner Schwester sowie Berufsausbildung (ohne nähere Angaben) an und verwies hinsichtlich der ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf das Einkommen seiner Schwester. Dem Antrag schloß er eine Verpflichtungserklärung seiner Schwester sowie einen Beleg über deren Einkommen an. Die Art der alle Risken abdeckenden Krankenversicherung gab der Beschwerdeführer mit "privat" an, Belege schloß er keine bei.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. November 1994 wurde der Antrag gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer erstattete innerhalb der Berufungsfrist zwei Berufungsschriftsätze; im ersten wies er darauf hin, daß seine künftige Frau von ihm ein Kind erwarte, er in Österreich eine Familie gründen und arbeiten wolle. In dem direkt an die Berufungsbehörde gerichteten zweiten Berufungsschriftsatz erklärte er, sein zukünftiger Schwiegervater, ein österreichischer Staatsbürger, habe für ihn die Verpflichtungserklärung abgegeben. Er wolle in Österreich leben und falle daher unter § 3 AufG. Diesem Schreiben war allerdings keine Verpflichtungserklärung angeschlossen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich darauf, daß der vom Beschwerdeführer angegebene Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit seiner Schwester gesetzlich nicht vorgesehen und daher auch nicht möglich sei. Darüberhinaus könne der Beschwerdeführer keiner legalen Beschäftigung nachgehen und auch nicht über legales Einkommen verfügen. Der Unterhalt des Beschwerdeführers in Österreich für die Dauer einer Bewilligung sei sohin nicht gesichert; eine Verpflichtungserklärung einer dritten Person sei nicht geeignet, den Lebensunterhalt eines Menschen im Sinn des AufG zu sichern bzw. zu garantieren. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer auch über die von ihm angebene Unterkunft in Österreich keine Unterlagen vorgelegt; diese sei laut Antragsformular sehr klein und es hielten sich schon mehrere Personen dort auf, weshalb die Berufungsbehörde davon ausgehe, daß auch die Unterkunft nicht ortsüblich im Sinn des AufG sei. Schließlich verfüge der Beschwerdeführer auch über keinen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG eine Sichtvermerksversagungsgrund vorliege. Der Beschwerdeführer verwirkliche zwei Sichtvermerksversagungsgründe nach § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 FrG und dürfe ihm infolge dessen eine Bewilligung zwingend nicht erteilt werden. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, daß der § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall des Beschwerdeführers ergeben, daß den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Priorität einzuräumen gewesen sei, da sowohl die Unterhaltsmittel nicht als ausreichend zu betrachten seien, als auch keine für Inländer ortsübliche bzw. gesicherte Unterkunft vorhanden sei bzw. dokumentiert werde. Es sei davon auszugehen, daß die Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde speziell auch im Fall des Beschwerdeführers geprüft und festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK die öffentlichen Interessen überwögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 und Abs. 3 Z. 2 FrG lauten:
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu
versagen, wenn
...
2. der Sichtvermerkswerber nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt;
3. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;
...
(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,
1.
...
2.
wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint."
Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Unrecht davon ausging, der Beschwerdeführer strebe (noch immer) die Familienzusammenführung mit seiner Schwester an. Diesen Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer zwar im verfahrensgegenständlichen Antrag vom 20. Oktober 1994 an, änderte ihn allerdings in seinen Berufungsschriftsätzen, in denen er ausdrücklich darauf hinwies, "in Österreich mit seiner künftigen Frau, die ein Kind erwarte, eine Familie gründen zu wollen", bzw. "mit der Familie seiner Lebensgefährtin in Österreich leben zu wollen", dahin, daß er nunmehr die Familiengemeinschaft mit der Familie seiner Lebensgefährtin anstrebte. Diese Prozeßhandlung der Änderung des Aufenthaltszweckes wurde zu einem vor der Novellierung des AufG durch die Novelle BGBl. Nr. 351/1995, liegenden Zeitpunkt vorgenommen und erweist sich somit auch im Berufungsverfahren als zulässig (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Es ist daher im gegenständlichen Fall davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit der Familie seiner Lebensgefährtin anstrebte; die von ihm im zweiten Berufungsschriftsatz angekündigte Verpflichtungserklärung seines zukünftigen Schwiegervaters wurde jedoch nach dem diesbezüglich unbedenklichen Akteninhalt - entgegen dem Beschwerdevorbringen - weder mit dem Berufungsschriftsatz noch in einem späteren Zeitpunkt den Aufenthaltsbehörden übermittelt. Der Beschwerdeführer hatte allerdings im erstinstanzlichen Verfahren die Verpflichtungserklärung sowie einen Einkommensnachweis seiner Schwester vorgelegt und sich zur Deckung seines Lebensunterhaltes darauf berufen. Die belangte Behörde vertrat diesbezüglich die Ansicht, die Verpflichtungserklärung einer dritten Person sei zum Beleg der Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des AufG "nicht geeignet". Welche Erwägungen dieser These zugrundeliegen, kann der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht entnommen werden. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in Ansehung des nichtgesicherten Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers somit in allen entscheidungswesentlichen Umständen jenem, welcher dem hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0442, zugrundelag. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Soweit sich die belangte Behörde auf den nichtgesicherten Lebensunterhalt des Beschwerdeführers als Abweisungsgrund stützte, erweist sich der Bescheid als mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid aber auch deshalb auf den Abweisungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG gestützt, weil beim Beschwerdeführer der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2
zweiter Fall FrG vorliege.
Zu diesem Abweisungsgrund bringt der Beschwerdeführer vor, sein Rechtsschutzinteresse sei verletzt worden, weil ihm die belangte Behörde die von ihr getroffenen Feststellungen nicht vorgehalten und ihm keine Möglichkeit gegeben habe, dazu Stellung zu nehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) darzutun und glaubhaft zu machen, daß er über eine für die Dauer des Aufenthaltes alle Risken abdeckende Krankenversicherung verfügt. Nur so kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nach. Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, der Verpflichtung zur Glaubhaftmachung entsprechend zu handeln, sind demnach ebensowenig geboten wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen. Von den Angaben des Fremden in seinem Bewilligungsantrag kann die Berufungsbehörde selbst dann ausgehen, wenn sie erstmals - wie im vorliegenden Fall - den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall FrG heranzieht (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1997, Zlen. 95/19/0617, 0618 sowie vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1955). Im verfahrensgegenständlichen Antrag findet sich unter Punkt 6 (Daten einer in Österreich alle Risken abdeckenden Krankenversicherung für die Dauer des Aufenthaltes) lediglich das Wort "privat"; irgendwelche Unterlagen, die der Glaubhaftmachung dieser Angabe dienten, legte der Beschwerdeführer nicht vor. Die belangte Behörde war demnach nicht gehalten, den Beschwerdeführer von sich aus zum Nachweis des Abschlusses einer Krankenversicherung aufzufordern.
Der Verweis des § 5 Abs. 1 AufG auf die Sichtvermerksversagungsgründe des Fremdengesetzes eröffnet der Aufenthaltsbehörde die im § 10 Abs. 3 FrG geschaffene Möglichkeit, trotz Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG einen Sichtvermerk zu erteilen, wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit ordentlichem Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0551, sowie das obzitierte Erkenntnis vom 24. März 1997). Denn die vorliegende Verpflichtungserklärung beinhaltet auch die Verpflichtung, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgehe - und der Ausreise sowie allfällige fremdenpolizeiliche Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen. In der Verpflichtungserklärung ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit beispielsweise auch "Kosten für Fürsorgeleistungen und Aufwendungen für medizinische Betreuung" erfaßt sind.
Im vorliegenden Fall stand die Schwester des Beschwerdeführers, die sich für diesen verpflichtete, ein Monatseinkommen von S 15.941,49 (netto) zur Verfügung. Daß dieses Einkommen nicht geeignet ist, das Risiko des Entstehens hoher Heilungs- und Pflegekosten im Falle einer gravierenden Erkrankung abzudecken bzw. den im § 10 Abs. 3 FrG genannten Rechtsträgern rückzuerstatten, ist offenkundig. Dieses Einkommen ermöglichte es der Schwester des Beschwerdeführers auch nicht, ins Gewicht fallende Kreditmittel zur Deckung eines diesbezüglichen Bedarfes aufzunehmen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1997, Zl. 95/19/0440, sowie vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1955). Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 FrG für die Erteilung einer Bewilligung ungeachtet des Vorliegens des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG sind daher im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Im Hinblick auf den ausgesprochen kurzen rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers (Touristensichtvermerke in der Gesamtdauer von 20 Tagen) in Österreich teilt der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung der belangten Behörde, daß das durch das Fehlen einer Krankenversicherung tangierte wirtschaftliche Wohl des Landes, aber auch die Gesundheit anderer, den Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers (Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind im Bundesgebiet) durch die Versagung der Bewilligung rechtfertigen. In Ansehung von Fremden, die über keine Krankenversicherung verfügen, obwohl sie oder die sich für sie verpflichtenden Angehörigen ausreichende Mittel besitzen, um eine solche abzuschließen (nicht aber, um das Risiko im Krankheitsfall zu tragen), ist bei der Beurteilung, ob der in der Versagung der Aufenthaltsbewilligung gelegener Eingriff in das Privat- und Familienleben gegen Art. 8 MRK verstößt, ein strenger Maßstab anzulegen, zumal in einem solchen Fall eine gravierende Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, aber auch der Gesundheit anderer, droht (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1997, sowie vom 24. März 1997).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Auf die übrigen von der belangten Behörde herangezogenen Versagungsgründe und die dagegen gerichteten Beschwerdeausführungen war daher nicht näher einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996190756.X00Im RIS seit
02.05.2001