TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/26 I413 2159618-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2019
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Entscheidungsdatum

26.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I413 2192967-1/12E

I413 2159618-1/12E

I413 2192971-1/12E

I413 2159608-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerden von

1.        XXXX (BF 1), geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom XXXX , Zl. XXXX ,

2.        XXXX (BF 2), geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Kärnten, vom XXXX , Zl. XXXX ,

3.        XXXX (BF 3), geb. XXXX , StA Irak, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom XXXX , Zl. XXXX und

4.        XXXX (BF 4), geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Kärnten, vom XXXX , Zl. XXXX ,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde der XXXX sowie der XXXX wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. lautet: „Ein Aufenthaltstitel ‚besonderer Schutz‘ wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.“

II. Die übrigen Beschwerde des XXXX sowie des XXXX wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. erster Satz lautet: „„Ein Aufenthaltstitel ‚besonderer Schutz‘ wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die volljährige Erstbeschwerdeführerin ist mit dem ebenfalls volljährigen Zweitbeschwerdeführer verheiratet und sind diese die Eltern der volljährigen Drittbeschwerdeführerin und des volljährigen Viertbeschwerdeführers (in Folge auch BF1, BF2, BF3 und BF4). Es handelt sich somit um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005.

1.       Der BF2 und BF4 stellten jeweils am 04.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den der BF1 bei der Ersteinvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag damit begründete, dass der BF2 von unbekannten Personen mit dem Tod bedroht worden sei, weil er beim Roten Kreuz arbeite und von Islamisten als „Kreuzträger/Kreuzritter“ bezeichnet worden sei. Dem BF2 sei auch ein Brief mit vier Patronenhülsen hinterlassen worden, in dem gestanden sei, dass er getötet werde, sollte er seine Heimat nicht verlassen.
Der BF4 gab bei seiner Ersteinvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass sein Vater von unbekannten Personen mit dem Tot bedroht worden sei, weil dieser beim Roten Kreuz arbeite. Weiters bracht er vor, dass er im Februar 2015 mit einem Freund auf der Straße gegangen sei, als ein PKW neben ihnen gehalten und der Fahrer gefragt habe, wer Muhannad sei. Der BF4 sei sofort davongelaufen, doch sei sein Freund entführt und erst gegen eine hohe Lösegeldzahlung freigekommen.

2.       Die BF1 und die BF3 stellten ihren Asylantrag am 17.07.2017, wobei die BF1 bei ihrer Erstbefragung am selben Tag angab, ihre Heimat verlassen zu haben, da ihr Ehemann von der Miliz bedroht worden und selbst bereits geflüchtet sei. Nach der Abreise ihres Mannes sei sie zu ihrem Schwager gezogen, doch sei dieser verstorben und habe sie keine Bleibe mehr, weshalb ihre Geschwister ihr geholfen haben, zu ihrem Mann nach Österreich zu gehen.
Die BF3 gab in der Ersteinvernahme am 17.07.2017 an, dass ihr Vater von der schiitischen Miliz bedroht worden sei und er zuerst habe fliehen müssen. Weiters gab sie an, dass sie daraufhin zu ihrem Onkel gezogen seien, doch nachdem dieser verstorben sei, haben sie in diesem Land nicht mehr bleiben können, da sie keinen Schutz mehr gehabt haben.

3.       Der BF2 wurde am 27.02.2017 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und gab er als Fluchtgrund im Wesentlichen an, zuhause eine Drohung erhalten zu haben; so solle er als Kreuzritter bzw als Christ das Haus verlassen. Ein weiterer Grund seiner Ausreise sei, dass er im Jahr 2007 aufgrund seiner Tätigkeit beim Roten Kreuz angegriffen worden sei und seien ihm zwei Wirbel gebrochen worden. Man glaube wahrscheinlich, dass das Logo des Roten Kreuzes das Logo für Kreuzritter und Christen sei. Der zweite Teil seines Fluchtgrundes sei, dass er aufgrund seines Nachnamens sehr viel erlebt habe. Der Familienname sei gleichzeitig der Name des Clans und sei der BF2 meistens bei den Kontrollpunkten befragt worden. Sein Partner habe einen schiitischen Namen gehabt, obwohl er Sunnit sei und habe der BF2 nur wegen seines Partners weiter zur Arbeit gehen dürfen. Aufgrund seines Nachnamens habe der BF2 meistens in Angst gelebt und auch seinen Sohn betreffe diese Angst.

4.       Der BF4 wurde am 01.03.2017 niederschriftlich einvernommen und gab er, befragt zu seinem Fluchtgrund, an, sich eines Tages in der Schule befunden zu haben, als sein Vater eine Drohung erhalten habe, die an die gesamte Familie gerichtet gewesen sei. Die Eltern des BF4 haben ihn mit einem Taxi von der Schule abgeholt und ihn zu seinem Onkel gebracht. Der Onkel habe die Familie beim Eingang der Siedlung erwartet, da es sonst nicht möglich gewesen sei, die Siedlung zu betreten. Sie seien beim Onkel geblieben und haben die Eltern des BF4 diesem ein paar Tage später mitgeteilt, dass sein Vater ausreisen werde.

5.       Die BF1 wurde am XXXX niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen und gab sie, erneut befragt zu ihrem Fluchtgrund, an, dass ihr Mann und daher die gesamte Familie bedroht sei. Sie sei mit ihrer Tochter die ganze Zeit zu Hause gewesen, sie habe sich nicht hinaus getraut; als ihr Schwager verstorben sei, habe sie niemanden mehr gehabt und sei deswegen ausgereist.

6.       Die BF3 gab bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 07.03.2018 an, dass ihr Vater und daher die gesamte Familie bedroht worden sei. Sie habe kein normales Leben gehabt und sich nur zu Hause versteckt; sie habe nicht mehr zur Uni gehen können und ein Kopftuch tragen müssen. Sie haben nur Sachen gemacht, die sie nicht haben machen wollen.

8.       Mit den angefochtenen jeweils gleichlautenden Bescheiden des Zweitbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers vom XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX , wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer vom 04.06.2015 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt II.) und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Teil). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III., zweiter Teil) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III., dritter Teil). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

9.       Mit den angefochtenen jeweils gleichlautenden Bescheiden der Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin vom XXXX , Zl. XXXX (BF1) und Zl. XXXX (BF 3), wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 17.07.2017 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt II.) und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

10.      Gegen die Bescheide der BF2 und BF4 richtet sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde vom 25.05.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag), mit welcher unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurden.

11.      Gegen die Bescheide der BF1 sowie der BF3 richtet sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde vom 10.04.2018 (bei der belangten Behörde eingelangt am 12.04.2018), mit welcher Rechtswidrigkeit aufgrund nicht nachvollziehbarer unschlüssiger Beweiswürdigung, mangelhafte Ermittlungstätigkeit und darauf basierende unrichtige rechtliche Beurteilung moniert wurden. Es seien wesentliche Verfahrensvorschriften nicht eingehalten worden, bei deren Einhaltung ein für die BF günstigerer Bescheid erlassen worden wäre.

12.      Mit Schriftsatz vom 29.05.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 31.05.2017, legte die belangte Behörde die Beschwerden des BF2 und BF4 sowie die Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 19.04.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerden der BF1 und der BF3 sowie den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

13.      Am 29.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher alle Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die volljährige BF1 und der volljährige BF2 sind verheiratet und die Eltern der volljährigen BF3 und des ebenfalls volljährigen BF4. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak, bekennen sich zum moslemisch sunnitischen Glauben und gehören zur Volksgruppe der Araber. Keiner der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Ihre Identitäten stehen nicht fest.

Alle vier Beschwerdeführer sind gesund und arbeitsfähig.

Alle vier BF reisten illegal nach Österreich und halten sich der BF2 und seit (mindestens) 04.06.2015 und die BF1 und BF3 seit (mindestens) XXXX im Bundesgebiet auf.

Die BF1 besuchte im Irak die AHS, hat danach jedoch keinen Beruf erlernt. Es liegt für sie jedoch kein Hindernis vor, im Irak einfach Hilfsarbeiten zu tätigen, sodass sie die Chance hat, am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der BF2 hat den Beruf des Technikers für Schwimmbäder erlernt; er kann sämtliche Arbeiten im Bereich der Wasserreinigung und Heizungstechnik durchführen. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung im Irak als Installateur, hat er eine Chance, auf hinkünftig am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die BF3 hat im Irak das Studium der Rechtswissenschaften begonnen, dieses jedoch aufgrund der Ausreise aus dem Irak abgebrochen. Einen Beruf hat sie nicht erlernt, sondern ist ihr Vater, der BF2, für ihren Lebensunterhalt im Irak aufgekommen. Aufgrund ihrer Schulausbildung, die zum Besuch der Universität berechtigt und auch aufgrund des bereits begonnenen Jus-Studiums, besteht für die BF3 kein Hindernis, ihr Studium im Irak fortzusetzen. Darüber hinaus besteht für sie auch kein Hindernis, einen Beruf zu erlernen oder zumindest einfache Hilfstätigkeiten durchzuführen. In jedem Fall besteht für kein Hindernis, am irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen und sich ihr Leben im Irak zu finanzieren.

Der BF4 besuchte vor seiner Ausreise aus dem Irak die Schule und stand kurz vor der Matura. Einen Beruf hat er nicht erlernt, doch steht auch ihm, wie der BF3, die Möglichkeit offen, bei einer Rückkehr in den Irak seine Ausbildung wieder aufzunehmen und abzuschließen. Weiters besteht für ihn auch kein Hindernis, einen Beruf zu erlernen oder seinen Lebensunterhalt zumindest mit Hilfstätigkeiten zu bestreiten.

Sowohl die BF1 als auch der BF2 haben Familienangehörige im Irak: Die BF1 hat einen Bruder und ihre Mutter im Irak, ihre Schwester lebt in Wien; der BF2 hat Schwestern im Irak. Darüber hinaus hat keiner der BF Verwandte in Österreich oder maßgebliche private oder familiäre Beziehungen.

Die BF1 hat am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. (Beilage ./V) Weiters hat sie den Kurs „Integration ab Tag 1“ besucht (Beilage ./W) sowie den Sprachkurs Deutsch A2. Eine Sprachprüfung hat sie nicht abgelegt und verfügt sie auch über kaum Deutschkenntnisse.

Der BF2 hat sowohl am Werte- und Orientierungskurs als auch am Kurs „Start Wien, Integration ab Tag 1“ teilgenommen sowie die Deutschsprachprüfung auf Niveau A1 bestanden; eine Konversation auf Deutsch ist mit ihm kaum möglich. Er war auch ehrenamtlich in einer Caritas Hilfseinrichtung tätig.

Die BF3 hat am Modul „Sicherheit & Polizei“ teilgenommen. Sie hat weiters die Deutschsprachprüfung auf Niveau A2 bestanden, jedoch ist auch mit ihr eine Unterhaltung in der deutschen Sprache kaum möglich.

Der BF4 besucht in Österreich die Höhere Technische Lehranstalt; er hat auch die Deutschprüfung auf dem Niveau B1 bestanden und spricht er gut Deutsch.

Die BF1, BF2 und BF3 gehen in Österreich keiner Beschäftigung nach; alle vier BF beziehen Leistungen von der staatlichen Grundversorgung und sind somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, ob der BF3 einer Beschäftigung nachgeht oder ein Gewerbe angemeldet hat.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es ist dem Zweitbeschwerdeführer nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Erst- und der Zweitbeschwerdeführer/-in vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt waren oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wären.

Die Erstbeschwerdeführerin sowie die gemeinsamen vj. Kinder, nämlich die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer/-in, bringen keine eigenen Fluchtgründe vor, sondern beziehen sich auf den Fluchtgrund des Zweitbeschwerdeführers.

1.3.    Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

1.3.1.  Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den IS. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert, wenn auch IS Kämpfer in manchen ländlichen Gebieten weiterhin aktiv sind (CRS 01.10.2018, MIGRI 06.02.2018).

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 06.02.2018). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018). Im zweiten Quartal 2018 sind aus der Provinz Al-Basrah keine Todesopfer gemeldet (ACCORD 05.09.2018).

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage im südlichen Teil des Iraks ist als stabil anzusehen. Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018). In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018). Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Die Zahl der Angriffe auf Personen ist seit 2016 jedoch kontinuierlich gesunken und hat 2018 einen historischen Tiefstand von durchschnittlich 1,1 Vorfällen pro Tag erreicht (vgl OFPRA 10.11.2017; vgl Joel Wing 08.07.2017, Joel Wing 04.10.2017, Joel Wing 03.07.2018). Aus den Länderberichten ergeben sich keine Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation und auch keine HInweise in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung,https://www.auswaertiges-amt.de/de/iraksicherheit/202738. Zugriff 1.11.2018

ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https:// www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018a2iraa-de.pdf. Zugriff 29.10.2018

AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective Investigations needed into deaths of protesters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF. Zugriff 02.11.2018

Al Jazeera (16.7.2018): Death toll rises in southern Iraq protests, https://www.aljazeera.com/news/2018/07/death-toll-rises-southern-iraq-protests-180716181812482.html, Zugriff 2.11.2018

Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/. Zugriff 30.10.2018

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation securitaire dans le sud de l‘Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi focus irak situation securitaire dans le sud de lirak 20180228.pdf, Zugriff 1.11.2018

CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf. Zugriff 29.10.2018

ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS‘s Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html. Zugriff 30.10.2018

Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://iamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/. Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (04.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded In September 2017 In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.htm l , Zugriff 01.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state- returns-to-baghdad-while.htm l , Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html. Zugriff 01.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/securitv-in-iraq-oct-22-28-2018.html. Zugriff 01.11.2018

OFPRA - Office Francais de Protection des Refugies et Apatrides (10.11.2017): The Security Situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.p df, Zugriff 31.10.2018UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=8500:un-casualtv-figures-for-iraq-for-the-month-of-januarv-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding- in.html, Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state- returns-to-baghdad-while.html, Zugriff 30.10.2018

Joel Wing - Musings on Iraq (5.9.2018): Basra Explodes In Rage and Riots Over Water Crisis, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/basra-explodes-in-rage-and-riots-over.html. Zugriff 2.11.2018

Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak: Sikkerhetssituasjonen i S0r-Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat-sikkerhetssituasjonen-i-syarirak-hrn-31052018.pdf. Zugriff 1.11.2018

Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 1.11.2018

UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php? option=com k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en. Zugriff 31.10.2018

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.htm l , Zugriff 31.10.2018

WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback- in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018.

1.3.2.  Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte „Ehrenmorde“; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf „Geständnissen“ basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018.

1.3.3.  Berufsgruppen und andere soziale Gruppen

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch werden Mitarbeiter der Ministerien, sowie Mitglieder der Provinzregierungen regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.2.2018). Extremisten und bewaffnete Gruppen verübten Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker (USDOS 3.3. 2017).

Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet, häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft (AA 12.2.2018). Nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003 wurde die Baath-Partei verboten und höherrangige Baath-Mitglieder wurden im Zuge des De-Baathifizierungsgesetzes aus ihren Ämtern entfernt. Zu dieser Zeit gab es sogenannte Abschusslisten, anhand deren Baathisten verfolgt und getötet wurden. Dies betraf nicht nur hochrangige Mitglieder, sondern auch Menschen, die in ihren Gemeinden als (einfache) Partei-Mitglieder bekannt waren. Das Ausmaß der Verfolgung war nicht zwangsläufig daran geknüpft, ob eine Person hochrangiges oder niederrangiges Mitglied war, sondern wie bekannt die Baath-Parteimitgliedschaft in der Gesellschaft war, und ob die Person sich aus Sicher der Gesellschaft "schuldig" gemacht hatte. Wenn es heute einen Angriff auf eine Person gibt, ist oft schwer zu sagen, ob es in Zusammenhang mit seiner früheren Partei-Mitgliedschaft oder etwas anderem steht - zum Beispiel mit seiner Tätigkeit nach 2003. Die gezielte Verfolgung von früheren Baathisten speziell auf Grund ihrer ehemaligen Mitgliedschaft ist heute weniger allgegenwärtig als damals, allerdings kann es gelegentlich vorkommen (AOI 12.6.2017). Laut der irakischen Menschenrechtsorganisation Freedom Monitoring Commission wurden alleine zwischen Anfang 2006 und Mai 2007 1.556 ehemalige Baathisten getötet, die Fälle wurden nicht untersucht (UNHCR 5.2007).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018

AIO - An international organization (12.6.2017): Gesprächsprotokoll per Email, http://www.ecoi.net/file_upload/432_1189068774_2007-08-unhcr-iraq.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018)

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html. Zugriff 25.10.2018 USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (8.2007): UNHCR-s Eligibility Guidelines for Assessing the Internationale Needs of Iraqi Asylum-seekers, http://www.refworld/org/pdfid/46deb05557.pdf, (letzter Zugriff am 12.10.2018).

1.3.4.  Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder seitens des irakischen Staates noch von Milizen der PMU liegt jedoch keine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vor. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018 - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html. Zugriff 17.8.2018

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 16.10.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 16.10.2018)

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 17.10.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 17.10.2018)

WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (letzter Zugriff am 17.10.2018).

1.3.5.  Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden, da die Regionen fürchten, dass sich IS-Kämpfer unter den Schutzsuchenden befinden.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen von Nöten, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung bzw Verfolgung durch die in BAGDAD aktiven schiitischen Milizen ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen – bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung – verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 20.11.2018

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (letzter Zugriff am 18.10.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018).

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die AUTONOME REGION KURDISTAN einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu KURDISTAN oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der AUTONOMEN REGION KURDISTAN bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region SULAIMANIYYA zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In SULAIMANIYYA ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in SULAIMANIYYA in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in SULAIMANIYYA am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben in dort die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

In BAGDAD gibt es mehrere sunnitisch mehrheitlich bewohnte Stadtviertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet BAGDADS müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann es notwendig werden, einen Bürgen vorzuweisen. Auch um BAGDAD herum gibt es Flüchtlingslager und Aufnahmestationen.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018).

1.3.6.  Behandlung nach Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.06.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UNHabitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570. Zugriff 20.11.2018

IEC - Iraq‘s Economic Center (24.1.2018): Rising Real Estate Prices in Iraq encourages buying abroad, http://en.economiciraq.com/2018/01/24/rising-real-estate-prices-in-iraq- encourages-buying-abroad/. Zugriff 17.10.2018

IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20-%20Iraq Returnees Snapshot-Report%20-%20V5.pdf. Zugriff 16.10.2018

IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017).https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs irak-dl de.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018

MCH - Ministry of Construction and Housing (10.2010): Iraq National Housing Policy. https://www.humanitarianlibrary.org/sites/default/files/2013/05/634247_INHP_English_Version.pdf. Zugriff 17.10.2018

REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles. Drivers and Return. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe in 2016 june 2017%20%281%29.pdf. Zugriff 16.10.2018

Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq-savs-reconstruction-after-war-on-islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB. Zugriff 17.10.2018

UNHSP - United Nations Human Settlements Program (6.11.2017): The Council of Ministers Endorses the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN-Habitat. https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing-policy-iraq-ministry-construction-housing. Zugriff 17.10.2018.

1.3.7.  Dokumente, Staatsbürgerschaft

Jedes Dokument. ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt. ist gegen Bezahlung zu beschaffen.

Laut Verfassung kann jede Person, die über zumindest einen irakischen Elternteil verfügt, irakischer Staatsbürger werden (USDOS 20.4.2018). Das irakische Staatsbürgerschaftsrecht ist jedoch widersprüchlich bezüglich der Möglichkeit der Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter. Einerseits bestehen Widersprüche zwischen der Verfassung und Teilen des Staatsbürgerschaftsgesetzes; außerdem ist das Staatsbürgerschaftsgesetz in sich selbst widersprüchlich. Wie auch die irakische Verfassung, besagt Artikel 3 des Nationalitätsgesetzes, dass sowohl Väter als auch Mütter die irakische Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weitergeben können.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

BFA - Staatendokumentation (8.8.2017): Anfragebeantwortung der Staatendokumentation -Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra-staatsbuergerschaft-kind-vater-svrer-mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc. Zugriff 20.9.2018

IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2013): Iraq: Civil Status Identification Card, including purpose and validity; requirements and procedures for the issuance, renewal and replacement of cards, including the location of issue; frequency of fraudulent identity cards, http://www.refworld.org/docid/52cd0a934.html. Zugriff 17.10.2018

UKHO - United Kingdom Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note - Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/738200/Iraq_-_IFA_docs_and_return_-_CPIN - v7 September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html. Zugriff 4.10.2018.

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in die angefochtenen Bescheide, in die vorgelegten Verwaltungsakte unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF1 und BF3 sowie des BF2 und BF4 vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zum Irak sowie durch Befragung aller BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.03.2019.

2.2. Zum Verfahrensgang:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem angefochtenen Bescheid und der dagegen erhobenen Beschwerde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und steht als erwiesen fest.

2.3. Zu den Beschwerdeführern:

Die Feststellungen zu den Lebensumständen, dem Gesundheitszustand, der Arbeitsfähigkeit, Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie Staatsangehörigkeit aller Beschwerdeführer gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde (Protokolle vom 27.02.2017, 01.03.2017, XXXX ) und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.03.2019. Die Identität der Beschwerdeführer steht mangels vorgelegter unbedenklicher Personendokumente nicht fest.

Dass die BF1 mit dem BF2 verheiratet ist, ergibt sich aus dessen unbedenklichen Angaben sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Gericht (Protokoll vom 29.03.2019).

Dass alle Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sind, basiert auf deren diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019 und aufgrund des persönlich gewonnenen Eindrucks durch das Bundesverwaltungsgericht im Zuge dieser Verhandlung.

Die Feststellung zur Familie der BF basieren auf den Aussagen vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.03.2019; dadurch konnte auch festgestellt werden, dass die Schwester der BF1 in Österreich lebt (Protokoll vom 29.03.2019, S. 10f., 13, 24f.).

Die allgemeinen Feststellungen zu den privaten und familiären Beziehungen der Beschwerdeführer beruht auf den Aussagen in der mündlichen Verhandlung am 29.03.2019.

Die Feststellungen zu den mangelnden Deutschkenntnissen der BF1 und des BF2 beruht auf dem Versuch, diese in der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht kurz auch auf Deutsch einzuvernehmen. Auch mit der BF3 war eine Unterhaltung auf Deutsch nicht möglich, weshalb die oben angeführten Feststellungen zu treffen waren. Über die Deutschkenntnisse des BF4 konnte sich der Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hingegen einen guten Eindruck in der Verhandlung verschaffen.

Die Feststellung zum Bildung- und Berufswerdegang der BF1 und des BF2 sowie darüber, dass der BF2 ehrenamtliche Tätigkeiten in Österreich verrichtete, beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen der Beschwerdeführer in ihrer Einvernahme vor dem erkennenden Gericht sowie aus der Beilage ./K. Aus den Beilagen ./V, ./W, ./J und ./L ergeben sich die Feststellungen zu den Kursteilnahmen der BF1 und des BF2. Die Teilnahme der BF1 am Deutschkurs geht aus Beilage ./Y und die Absolvierung der Deutschprüfung des BF2 auf Niveau A1 geht aus dem als Beilage ./N zum Akt genommenen ÖSD-Zertifikat hervor. Dass die BF3 die Deutschprüfung auf Niveau A2 bestanden hat, geht aus dem entsprechenden ÖSD-Zertifikat unter Beilage ./G hervor; ihre Teilnahme am Modul „Sicherheit & Polizei“ konnte sie aufgrund der Teilnahmebestätigung, welche als Beilage ./A zum Akt genommen wird, festgestellt werden.

Aus Beilage ./P geht klar hervor, dass der BF4 eine Höhe Technische Lehranstalt in Österreich besucht und Beilage ./U belegt seine abgelegte Deutschsprachprüfung auf Niveau B1. Die Negativfeststellung bezüglich einer Beschäftigung des BF3 oder etwa einer Gewerbeanmeldung beruht auf der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, dass aus den per Mail vom 16.08.2019 zugesandten Unterlagen nicht ersichtlich ist, ob der BF3 nun eine Fixanstellung oder tatsächlich ein Gewerbe angemeldet hat.

Die Feststellung, dass keiner der Beschwerdeführer in Österreich vorbestraft ist, beruht auf den jeweiligen, vom Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2019 erhobenen, Strafregisterauszügen.

Die Feststellungen zu ihrem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 09.09.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Aus dem Bezug der Grundversorgung ist auch die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführer abzuleiten.

Die Feststellung zur mangelnden Integration der BF ergibt sich aus deren Angaben vor dem erkennenden Gericht sowie aus dem persönlich gewonnenen Eindruck des Bundesverwaltungsgerichts in der Verhandlung am 29.03.2019. Weiters wurden auch keine Dokumente vorgelegt, aus denen weitere Integrationsbemühungen ersichtlich wären.

2.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Der BF2 gab im Rahmen seiner Erstbefragung im Wesentlichen als Grund für seine Flucht an, aufgrund seiner Arbeit beim Roten Kreuz mit dem Tod bedroht und von Islamisten als „Kreuzträger/Kreuzritter“ bezeichnet worden zu sein.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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