Entscheidungsdatum
04.11.2019Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W157 2224479-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch RA Priv.-Doz. DDr. Christian F. SCHNEIDER, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, 1220 Wien, gegen den Bescheid des Vorstands der E-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) vom 27.10.2015, XXXX , betreffend Feststellung der Kosten nach § 69 Abs. 1 GWG 2011 zu Recht:
A)
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Beschluss vom 26.01.2015 leitete die belangte Behörde ein Verfahren zur Feststellung der Kosten, der Zielvorgaben sowie des Mengengerüsts gem. § 69 GWG 2011 betreffend die nunmehrige beschwerdeführende Partei ein.
2. Mit dem mit "XX. Oktober 2015" datierten Bescheid, XXXX , sprach die belangte Behörde nach Abwicklung eines Ermittlungsverfahrens inklusive Zustellung der eingelangten Stellungnahmen an die Verfahrensparteien wie folgt aus:
"1. Der Kostenanpassungsfaktor wird mit XXXX festgestellt.
2. Die Kosten für das Systemnutzungsentgelt gemäß § 72 Abs. 2 GWG 2011 für das Jahr 2016 werden wie folgt festgestellt (in TEUR):
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3. Das der Entgeltermittlung für die Netznutzung zu Grunde zu legende Mengengerüst wird wie folgt festgestellt:
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4. Die von den festgestellten Kosten und Werten abweichenden Anträge werden abgewiesen."
Der Bescheid wurde den Parteien mit Verständigung vom 27.10.2015 über das elektronische Zustellsystem der belangten Behörde zugestellt.
3. Mit Bescheid vom 27.10.2015, XXXX , setzte die belangte Behörde neuerlich die Kosten, die Zielvorgaben und das Mengengerüst gemäß §§ 69, 72, 79 und 81 GWG 2011 für das Jahr 2016 fest. Spruch und Begründung dieses Bescheides sind mit dem oben angeführten, mit "XX. Oktober 2015" datierten Bescheid wortident - lediglich das Bescheiddatum wurde ergänzt bzw. korrigiert und der Bescheid wurde neu unterfertigt.
Der mit 27.10.2015 datierte Bescheid wurde den Parteien mit Verständigung vom 02.11.2015 über das elektronische Zustellsystem der belangten Behörde zugestellt.
4. Mit Schriftsatz vom 24.11.2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 27.11.2015, erhob die beschwerdeführende Partei gegen die mit "XX. Oktober 2015" bzw. mit 27.10.2015 datierten Bescheide der belangten Behörde Beschwerde und bekämpfte diese jeweils in vollem Umfang. Die beschwerdeführende Partei wies insbesondere darauf hin, dass der mit "XX. Oktober 2015" datierte Bescheid rechtswirksam erlassen worden sei und damit die Erlassung des Bescheides vom 27.10.2015 gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit eines Bescheides verstoße.
5. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 18.12.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Mit Schreiben vom 09.01.2018 erging seitens der beschwerdeführenden Partei die Anregung, mit der weiteren inhaltlichen Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuzuwarten, bis der Verwaltungsgerichtshof über die (noch einzubringende) ordentliche Revision gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2017 betreffend die Tarifjahre 2013 bis 2015 entschieden habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Nach Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden insbesondere gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. In diesem Sinne ist das Bundesverwaltungsgericht für die Beschwerden gegen die hier bekämpften, auf § 69 Abs. 1 GWG 2011 gestützten Bescheide der belangten Behörde zuständig (vgl. die Verfassungsbestimmungen des § 1 Abs. 1 E-ControlG und des § 1 GWG 2011, denen zufolge die hier relevanten Angelegenheiten in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden können; vgl. auch § 69 Abs. 3 GWG 2011, dem zufolge die Wirtschaftskammer Österreich sowie die Bundesarbeitskammer gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde gemäß § 69 Abs. 1 und 2 GWG 2011 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben können - somit muss auch für eine Beschwerde des Netzbetreibers gegen einen auf § 69 Abs. 1 GWG 2011 gestützten Bescheid der belangten Behörde das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein).
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Zu A)
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet wie folgt:
"Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."
Aus § 68 Abs. 1 AVG ist das im Verwaltungsverfahren geltende Prinzip abzuleiten, dass über ein und dieselbe Verwaltungssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit dem Bescheid unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der res iudicata entgegen (VwGH 24.04.2015, 2011/17/0244).
Alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens haben einen Rechtsanspruch gegenüber der Behörde auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft. Setzt sich die Behörde über die materielle Rechtskraft des Bescheides hinweg und erlässt sie trotz Unwiderrufbarkeit/Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit in derselben und damit "entschiedenen Sache" nochmals von Amts wegen oder auf Antrag eine Entscheidung, ohne dazu (z.B. gemäß § 68 Abs. 2 bis 4, §§ 69, 71 AVG oder durch spezielle Verwaltungsvorschriften) ermächtigt zu sein, ist der Bescheid inhaltlich rechtswidrig, aber nicht absolut nichtig (VwGH 27.11.2014, 2012/08/0138).
Auch die Unwiederholbarkeit, die Wirkung des Bescheides, dass die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden darf, tritt gemäß § 68 Abs. 1 iVm Abs. 2 bis 4 AVG zunächst mit Erlassung des Bescheides (im Mehrparteienverfahren an die erste Partei) ein. Ist der Bescheid durch Zustellung, Ausfolgung oder mündliche Verkündung rechtlich existent geworden, hat er die Sphäre der Behörde und ihre Ingerenzmöglichkeit verlassen und sich insofern verselbständigt. Die "entschiedene Sache" ist für die Behörde erledigt. Sie kann von sich aus - sofern sie nicht nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Berufung (ordentlichen Rechtsmitteln nach dem AVG) von der Möglichkeit gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 bzw. nach Eintritt der formellen Rechtskraft von der Befugnis gemäß § 69 Abs. 3 AVG Gebrauch macht - das Verfahren nicht noch einmal aufnehmen und eine neue Entscheidung in derselben Sache treffen (vgl. Leeb, Bescheidwirkungen 14 f; Hengstschläger/Leeb, AVG § 68, Rz 21, mwN).
Verletzt die Behörde den Grundsatz der Unwiederholbarkeit (ne bis in idem), so belastet sie nach herrschender Rechtsprechung den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. Ein hervorkommendes Prozesshindernis ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 12.09.2018, Ra 2017/17/0620, mwN).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - offenbar aus Versehen - einen Bescheid mit dem Datum "XX.10.2015" abgefertigt. Da sogar das völlige Fehlen eines Datums keine rechtliche Bedeutung hat (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 438) und der genannte Bescheid gemäß § 37 Abs. 1 letzter Satz Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008, am 30.10.2015 wirksam zugestellt wurde, war die Rechtsache für die Behörde erledigt und trat gemäß § 68 Abs. 1 iVm Abs. 2 bis 4 AVG Unwiederholbarkeit ein.
Der am 05.11.2015 zugestellte, nunmehr mit "27. Oktober 2015" datierte, im Übrigen aber gleichlautende Bescheid der belangten Behörde erweist sich daher als rechtswidrig.
Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 28 Abs. 5 VwGVG).
Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrenseinleitenden Antrages, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrages (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 28 VwGVG Anm. 17 und 18).
Hat die Unterbehörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, der nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 66 Rz 105, mwH).
Aus den dargestellten Gründen war daher nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid vom 27.10.2015 infolge Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung entschiedene Sache ersatzlose Behebung Kassation Kostenbestimmungsbescheid Kostenbestimmungsbeschluss Kostentragung ne bis in idem Rechtskraftwirkung Rechtswidrigkeit res iudicata VersehenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W157.2224479.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020