TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 W208 2225051-1

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Veröffentlicht am 11.11.2019
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Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §9 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W208 2225051-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN vom 04.10.2019, Zl. Jv 55595-33a/19, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde betreffend Nachlass wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Grundverfahren (Scheidungsvergleich) GZ XXXX /18h beim Bezirksgericht XXXX (in der Folge: BG oder Gericht des Grundverfahrens) wurden der nunmehrigen beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von ? 683,-- (PG 12 lita Z 2 ? 293,-- und Anm 3 ? 293,-- und Dolmetschergebühren ? 97,--) mit Lastschriftanzeige vom 11.09.2019 bzw Mandatsbescheid vom 08.10.2019 - zuzüglich ? 8,-- Einhebungsgebühr (gem § 6a Abs 1 GEG) - insgesamt ? 691,--vorgeschrieben.

2. Bereits mit Schreiben vom 27.09.2019 brachte die bP einen Nachlassantrag gem § 9 Abs 2 GEG beim BG ein, welcher an die belangte Behörde - den Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN (OLG) - zur Entscheidung weitergeleitet wurde.

Begründet war der Antrag im Wesentlichen damit, dass die bP alleinerziehende Mutter von vier Kindern (Alter 1, 2, 7, 8 Jahre) und derzeit in Karenz sei. Sie und ihre Kinder würden von der Mindestsicherung und vom Kinderbetreuungsgeld leben. Davon müssten die laufenden Lebenserhaltungskosten (Miete, Strom, Schulgeld, Internet) beglichen werden. Weiters seien Ratenzahlungen für die Rückzahlung von unverschuldeten Übergenüssen und vom geschiedenen Ehemann nicht bezahltes Schulgeld zu leisten. Der geschiedene Ehemann würde - obwohl gesund und arbeitsfähig - seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftliche Situation in absehbarer Zeit bessern werde, vielmehr sei mit einer Verschärfung aufgrund der mit 01.01.2020 eintretenden Kürzung der Mindestsicherung zu rechnen. Entsprechende Nachweise waren beigelegt.

3. Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, dessen Ergebnis im Wesentlichen war, dass die bP bereits mit Schreiben vom 20.05.2019 einen Nachlassantrag in der gleichen Sache gestellt hatte - der mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde GZ Jv 53154-33a/19 vom 22.07.2019 (zugestellt am 29.07.2019) hinsichtlich des Nachlasses der Gebühren gem TP 12 (2x293,-- = 586,--) abgewiesen und hinsichtlich der Dolmetschergebühr von ? 97,-- zurückgewiesen worden war.

Wobei die Zurückweisung damit begründet war, dass die Dolmetschergebühren zwar vom Gericht des Grundverfahrens in dieser Höhe bestimmt, aber der bP noch nicht vorgeschrieben worden waren.

Die inhaltliche Abweisung war damit begründet worden, dass die bP am 24.01.2019 einen Scheidungsvergleich geschlossen habe, indem angeführt sei, dass sie einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ex-Ehemann habe, der mit 31.01.2021 ende und dieser sich auch verpflichtet habe die Gerichtsgebühren und Dolmetscherkosten zu tragen, sofern weder Verfahrenshilfe noch Gebührenbefreiung bewilligt werde. Diese Vereinbarung sei für die Zahlungspflicht gegenüber dem Gericht bedeutungslos. Es könne nach der Lebenserfahrung erwartet werden, dass sich die Einkommenssituation der bP künftig bessern werde, sie sei daher nur vorübergehender Natur. Das Nachlassverfahren habe nicht den Zweck Fehler der Gebührenpflichtigen (hier bei der Beantragung der Verfahrenshilfe) wettzumachen.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe der bP sei mit Beschluss des BG vom 12.02.2019 zu XXXX /18h-18 abgewiesen worden, weil diese einem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen war. Sie hat dazu angeführt, sie habe irrtümlich angenommen, dass sich die Aufforderung auf ein anderes Verfahren GZ XXXX /18 f (Obsorgestreit mit dem Jugendamt) bezogen habe und diese Geschäftszahl auf dem Fragebogen zum Verbesserungsantrag angegeben, sie habe nicht gewusst, dass für jedes Verfahren ein eigener Verfahrenshilfeantrag zu stellen sei. Das Scheidungsverfahren sei für sie mit dem Vergleich, indem sich ihr Ex-Mann bereit erklärt habe die Kosten zu tragen, schon erledigt gewesen.

Weitere Erhebungen ergaben, dass dem Antrag auf Verfahrenshilfe des Ex-Ehemanns der bP mit Beschluss des BG vom 12.04.2019 zu XXXX /18h-17 im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und c bewilligt worden war.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde dem Antrag der bP auf Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren zu TP 12 iHv ? 586,-- wegen entschiedener Sache - unter Hinweis auf den Bescheid vom 22.07.2019 - zurückgewiesen und dem Antrag auf Nachlass der Dolmetschergebühren iHv ? 97,-- nicht stattgegeben.

In der Begründung der inhaltlichen Abweisung des Nachlasses der Dolmetschergebühren wurde, nach Wiedergabe des unstrittigen Sachverhaltes und Zitierung des § 9 Abs 2 GEG, im Wesentlichen ausgeführt, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten nur dann zu einem Nachlass führen könnten, wenn mit einer Besserung auf Dauer nicht gerechnet werden könne. Davon könne bei der pP nicht ausgegangen werden. Die Vereinbarung der Parteien im Vergleich seien für die Gebührenpflicht gegenüber dem Gericht bedeutungslos, dass Nachlassverfahren diene nicht dazu, die nicht rechtzeitige Vorlage des Vermögensverzeichnisses im Verfahrenshilfeverfahren (den Fehler der bP) zu beseitigen.

5. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 12.10.2019) erhob die bP am 22.10.2019 (Postaufgabedatum) Beschwerde und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG betreffend die Verfahrenshilfe im Ehescheidungsverfahren. Ein mit der Aktenzahl XXXX /18h bezeichneter Verfahrenshilfeantrag (datiert mit 22.10.2019) wurde mit weiteren Unterlagen beigelegt.

6. Mit Schriftsatz vom 25.10.2019 (eingelangt am 04.11.2019) legte die belangte Justizverwaltungsbehörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter I. festgestellten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen.

Insbesondere wird festgestellt, dass der gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag, den bereits mit Beschluss des BG vom 10.05.2019 im Grundverfahren XXXX /18h (Ehevergleich) abgewiesenen Verfahrenshilfeantrag der bP im Grundverfahren betrifft und nicht das gegenständliche Justizverwaltungsverfahren zur Einbringung der aushaftenden Gebühren/Kosten. Wann dieser Beschluss der bP zugestellt wurde, ob er rechtskräftig geworden ist und ob eine Wiedereinsetzung zulässig ist, ist vom BG (dem Gericht des Grundverfahrens) zu entscheiden.

Die Abweisung des Antrages auf Nachlass der Gebühren (die gem § 2 GGG iVm TP 12 lit a Z 2 entstanden sind, 2x293,-- = 586,--) wurde mit Bescheid der belangten Behörde GZ Jv 53154-33a/19 vom 22.07.2019 (zugestellt am 29.07.2019) entschieden. Die belangte Behörde hat nicht mitgeteilt und hat auch die bP nicht behauptet, dass gegen diesen Bescheid ein Rechtsmittel eingebracht worden wäre.

Die Dolmetschergebühren iHv ? 97,-- wurden mit Beschluss des BG vom 12.02.2019 bestimmt aber erst mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 08.10.2019 der bP gemeinsam mit den Pauschalgebühren nach TP 12, die diese bist dahin nicht beglichen hatte, samt der Einhebungsgebühr vorgeschrieben. Die belangte Behörde hat nicht mitgeteilt und hat auch die bP nicht behauptet, dass gegen diesen Bescheid ein Rechtsmittel eingebracht worden wäre.

Die bP ist gesund und arbeitsfähig, aber derzeit in Karenz und mit der Obsorge ihrer vier minderjährigen Kinder (Alter 1, 2, 7, 8 Jahre) beschäftigt.

Sie und ihre Kinder leben von der Mindestsicherung ? 2.016,53 (Bescheid Magistrat 12.09.2019) und von der Familienbeihilfe ? 811,40. Davon muss sie die laufenden Lebenserhaltungskosten (Miete 1.150,--, Strom rund ? 45,--, Schulgeld ca ? 230,--, Internet ? 27,44) begleichen. Weiters sind Ratenzahlungen für die Rückzahlung eines Übergenusses aus der Mindestsicherung (? 1.073,45 lt. Bescheid Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 27.09.2018 im Zeitraum von 01.10.2018-31.07.2020 pro Monat ? 50,--) und an die Wohnsitzgemeinde XXXX , für nicht bezahltes Schulgeld (? 552,-- lt. Ratenplan vom 25.02.2019 im Zeitraum von 15.04.2019-15.10.2019 pro Monat ? 30,--) zu leisten.

Aufgrund der Mindestsicherung und der Familienbeihilfe ist der notwendige Unterhalt der bP und ihrer Kinder gesichert.

Der geschiedene Ehemann kommt - obwohl gesund und arbeitsfähig - seinen Unterhaltspflichten nicht nach und hat die bP bereits Schritte zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche gesetzt (lt Bescheid Magistrat XXXX vom 12.09.2019). So dass nicht auszuschließen ist, dass dieser in der Lage sein wird zumindest teilweise seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Die oben angeführten Ratenzahlungen werden Ende 2019 und Mitte 2020 auslaufen. Spätestens dann ist der bP auch zumutbar die aushaftenden Gerichtsgebühren bzw. Kosten in Raten zu begleichen.

Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftliche Situation - auch bei einer 01.01.2020 eintretenden Kürzung der Mindestsicherung - in absehbarer Zeit bessern wird bzw kann nicht festgestellt werden, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dauerhaft sein werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Angaben der bP im ausgefüllten Fragebogen, den beigelegten Urkunden/Bescheiden, ihrem Antrag und der Beschwerde, den im Akt einliegenden Beschlüssen des BG sowie dem Auskunftsverfahren der Gebietskrankenkasse.

Die Feststellung über den ausreichenden notwendigen Unterhalt und dass nicht festgestellt werden kann, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dauerhaft sein werden, gründen sich insbesondere auf den Bescheid des Stadtmagistrat vom 12.09.2019 über die Höhe der Mindestsicherung (Lebensunterhalt 993,53 plus Mietzuschuss 1.023,-- = 2.016,53) und die Angaben der BF zur Höhe der Familienbeihilfe und ihren Ausgaben; weiters im absehbaren Auslaufen der bereits eingegangen Ratenverpflichtungen sowie in der - mangels gegenteiliger Angaben der bP - grundsätzlich anzunehmenden Arbeitsfähigkeit der 34-jährigen bP. Sobald auch die kleineren Kinder in Betreuungseinrichtungen (Kindergarten, Schule) untergebracht werden können, steht einer zumindest teilweisen beruflichen Tätigkeit der bP nichts mehr im Wege. Bis dahin kann sie sich (sie stammt aus Syrien) auch ausreichend Deutschkenntnisse aneignen und damit ihre Berufschancen verbessern. Es ist aufgrund des Lebensalters auch nicht auszuschließen, dass die bP im Wege einer künftigen Ehe zu Geld gelangt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit des Verfahrens

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst zulässig.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).

Gemäß § 28 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Abs 1). Über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Abs 2).

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - ungeachtet eines Parteienantrags, der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von "civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfrage nicht derart komplex ist, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.

Zu A.I.) Abweisung der Beschwerde betreffend Nachlass

3.2. Rechtsgrundlagen

Gebühren und Kosten können gemäß § 9 Abs 2 GEG nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für die Zahlungspflichtige verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Bei der Bestimmung des § 9 Abs 2 GEG handelt es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).

Zwar hat ein Antragsteller alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen. Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen. Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0130, mwN). Insbesondere ist es Aufgabe der Behörde, im Einzelfall bezogen auf die persönlichen Verhältnisse des Nachsichtwerbers jene Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, dass die Voraussetzungen für den Nachlass im gegebenen Fall nicht vorliegen (VwGH 09.09.1993, 92/16/0119; VwGH 16.10.2014, 2011/16/0232).

Im Verfahren betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren und Kosten ist kein Raum dafür, allfällige Versäumnisse, die im Vorschreibungsverfahren unterlaufen sind, nachzuholen und (nochmals) die Frage der Richtigkeit der Gebührenbemessung aufzurollen (VwGH 28.04.2005, 2005/16/0025; 23.11.2005, 2005/16/0197; 14.03.2016, Ra 2016/16/0011, VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr (schon allein wegen ihres Unrechtsgehalts) führt nicht zu einer "besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen (vgl. VwGH 29.01.1996, 95/16/0306; VwGH 19.12.2017, Ra 2016/16/0039).

Im Nachsichtsverfahren besteht kein Raum dafür, die Behauptung des Abgabepflichtigen, seine Gebührenpflicht wäre durch das Verschulden bestimmter anderer Personen herbeigeführt worden, zu überprüfen (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227, 29.01.1996, 95/16/0306).

Das Nachlassverfahren hat nicht den Zweck, vorher unterlaufene Fehler des Gebührenpflichtigen zu beseitigen und etwa die Unterlassung der rechtzeitigen Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wieder wettzumachen (VwGH 29.10.1998, 98/16/0149).

Die Gewährung eines Nachlasses setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in - allenfalls sehr kleinen - Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würden, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 28.03.1996, 96/16/0020, mwN; 27.05.2014, 2011/16/0241).

Eine Unbilligkeit kann nicht nur persönlich, sondern auch sachlich bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers (und seiner Familie) gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist dementsprechend anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft (VwGH 10.04.1986, 85/17/0147, 0148; 05.11.2003, 2003/17/0253).

3.3. Anwendung auf den konkreten Fall

3.3.1. Die bP führt in Ihrer Beschwerde zusammengefasst an, sie sei irrtümlich einem Verbesserungsauftrag iZm der Stellung eines Verfahrenshilfeantrages nicht rechtzeitig nachgekommen und dieser sodann abgewiesen worden. Sie sei geschieden, lebe mit ihren vier Kindern von der Mindestsicherung deren Höhe sich ab 01.01.2020 verringern werde, müsse zusätzlich noch unverschuldet Ratenzahlungen für Übergenüsse der Mindestsicherung leisten sowie für nicht bezahltes Schulgeld ihres Ex-Mannes, der sich auch seiner Unterhaltsverpflichtung entziehe.

3.3.2. Vorauszuschicken ist, dass die bP mit rechtskräftigem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 08.10.2019 über die Dolmetschergebühren iHv ? 97,-- hinaus auch zur Zahlung von weiteren ? 594,-- (2x293,-- [= 586,--] und 8,--) verpflichtet wurde und mit rechtskräftigem Bescheid vom 22.07.2019 ihr Nachlassantrag betreffend ? 586,-- abgewiesen wurde.

Die Rechtskraft dieses Bescheids vom 22.07.2019 steht einer neuerlichen Entscheidung in derselben Sache (Nachlass von ? 586,--) entgegen, weil wesentliche Änderungen der diesem zugrunde liegenden Tatsachen durch die bP nicht vorgebracht wurden und auch in den Ermittlungen nicht aufgetreten sind. Es liegt Identität mit der bereits entschiedenen Sache vor.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs 1 AVG entgegen, weil in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN; 26.04.2019, Ra 2019/20/0174).

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Zurückweisung des Antrages im vorliegenden Bescheid vom 04.10.2019 betreffend Nachlass von ? 586,-- (Spruchpunkt 1.) zu Recht erfolgt ist.

3.3.3. Dass Vorbringen der bP erfüllt aber auch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Nachlass der Dolmetschergebühr iHv ? 97,--.

Es wurden keine außergewöhnlichen Umstände dargelegt, aufgrund derer von einer ungleichen, unbilligen Betroffenheit der bP von der Gebührenvorschreibung und somit vom Vorliegen einer besonderen - sachlich begründeten - Härte im Sinne des § 9 Abs 2 GEG auszugehen wäre. Sie hat vor Gericht einen Ehevergleich geschlossen und musste dafür Dolmetschleistungen in Anspruch nehmen, deren Kosten zuerst von der öffentlichen Hand getragen und sodann den Verursachern auferlegt wurden. Aufgrund der ihrem Ex-Ehemann zuerkannten und aufgrund eines eigenen Fehlers/Irrtums der bP nicht zugesprochenen Verfahrenshilfe, können die Kosten nunmehr nur mehr von ihr eingetrieben werden. Dass ihr Irrtum durch ihre fehlenden Sprachkenntnisse und Rechtskenntnisse ausgelöst worden ist, ist aufgrund dessen, dass ein Dolmetscher eingesetzt wurde und sich ausdrückliche Hinweise auf die Verfahrenskostentragung und Möglichkeit der Verfahrenshilfe bereits im vor einem Richter geschlossenen Scheidungsvergleich finden (Punkt 6 im Beschluss vom 24.01.2019) nicht anzunehmen.

In Ermangelung des Bestehens einer besonderen Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung, könnte die Eintreibung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren eine besondere Härte aufgrund des Vorliegens individueller (insbesondere wirtschaftlicher) Gründe darstellen. Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann (erhöhte Mitwirkungspflicht).

Dieser erhöhten Mitwirkungspflicht ist die bP nachgekommen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Antrag auf Nachlass und den von der bP letztlich vorgelegten Unterlagen bzw den Ermittlungsergebnissen, dass keine besondere Härte des Gebühreneinzuges darin erblickt werden kann, dass sie in Karenz ist, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen hat und darüber hinaus monatlichen Ausgaben für Ratenzahlungen leisten muss. Ihr notwendiger Unterhalt und der ihrer Kinder ist durch die ihr zuerkannten Sozialleistungen ausreichend gesichert und derzeit ist auch nicht absehbar, dass sich dies - wie von ihr behauptet mit 01.01.2020 - ändern würde.

Mit dem Vorbringen zu ihrer wirtschaftlichen Situation, konnte die bP - wie in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung angeführt - keine "besondere Härte" bei der Bezahlung von Dolmetschergebühren iHv ? 97,-- im Sinne der oben genannten Rechtsprechung bescheinigen.

Es handelt sich um wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur und ist daher nicht von einer besonderen Härte, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des VwGH auszugehen, welche einen Nachlass rechtfertigen würde, zumal der bP die Beantragung einer Verlängerung der Zahlungsfrist bzw der Zahlung in Raten (Stundung) gemäß § 9 Abs 1 GEG offen steht und ihr schon bei Wegfall der Ratenzahlungen für die Gemeinde iHv ? 30,-- (letzte Rate Oktober 2019) eine Zahlung von Raten in der gleichen Höhe möglich ist.

Die relevante Gesetzesbestimmung lautet:

"§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

[...]

(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.

(4) Über Anträge nach Abs. 1 bis 3 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen. Bei Beträgen über 30 000 Euro bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz. Über Anträge auf Stundung und Nachlass von Beträgen aus Grundverfahren beim Bundesministerium für Justiz entscheidet die Bundesministerin für Justiz. Auf das Verfahren in Stundungs- und Nachlassangelegenheiten sind § 6b, § 7 Abs. 3 bis 7 sinngemäß anzuwenden. [...]"

Die Anerkennung als besondere Härte im Wege des Nachlasses im vorliegenden Fall, würde eine Überwälzung von Gerichtsgebühren auf die Allgemeinheit bedeuten, welche vom Gesetz nicht gedeckt ist und käme seinem Wesen nach der Schaffung einer neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Gebührenbefreiung bzw Gebührenbegünstigung gleich.

Das im § 9 Abs 2 GEG erwähnte öffentliche Interesse muss - um einen Nachlass zu rechtfertigen - im Einzelfall so gewichtig sein, dass es jenes allgemein bestehende öffentliche Interesse an der Einhebung der Gebühren eindeutig überwiegt (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227). Dass ein solches Interesse bestünde hat die bP nicht behauptet und ist es auch sonst nicht ersichtlich, da dieses nicht schon durch das subjektive Interesse der bP an einer Entlastung von diesen Gebühren erfüllt ist (VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132).

An der Einhebung von Gerichtsgebühren - wie bei der Einhebung von Abgaben - besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse, da ohne diese dem Staat die Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben (unter anderem auch für die von der bP in Anspruch genommenen Sozialleistungen) fehlen würden.

Da dem angefochtenen Bescheid auch im Spruchpunkt 2. vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG aus den von der bP angeführten Gründen anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu A.II.) Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung

Der Antrag auf Wiedereinsetzung, den die bP mit der Beschwerde verbunden hat, zielt unverkennbar auf die Wiedereinsetzung hinsichtlich der wegen eines Irrtums versäumten Frist betreffend den Verbesserungsantrag zum Antrag auf Verfahrenshilfe vom 16.01.2019 im gerichtlichen Scheidungsverfahren ab. Folge dieses Versäumnisses war die Abweisung des Antrages durch das BG mit Beschluss vom 10.05.2019.

Die Vorschreibung von Gerichtsgebühren nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG) stellt kein gerichtliches, sondern ein verwaltungsbehördliches Verfahren dar.

Das Verfahren auf Nachlass der Gerichtsgebühren bietet keinen Raum dafür, Unzulänglichkeiten, die de[r] den Nachlass Beantragenden im Ehescheidungsverfahren im Zusammenhang mit [ihrem] vergeblichen Versuch, dort Verfahrenshilfe bewilligt zu bekommen, unterlaufen sind, zu korrigieren (vgl. dazu die bei Stabentheiner, Gerichtsgebühren8, unter E 67 ff referierte hg. Rechtsprechung; VwGH 27.11.2018, 2007/16/0009).

Die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag ist keine Voraussetzung für die Vorschreibung der Gerichtskosten. Sollte die Verfahrenshilfe später bewilligt werden, wäre von der Einbringung jener Gerichtskosten, die nach dem Verfahrenshilfeantrag aufgelaufen sind, Abstand zu nehmen, wurden sie aber bereits bezahlt, so wären sie zurückzuerstatten (Hinweis E 21.1.1998, 96/16/0153; VwGH 20.12.1999, 98/17/0186).

Das BVwG ist - auch wenn eine allfällige Wiederaufnahme und (nachträgliche) Zuerkennung Auswirkungen auf die Gebühreneinbringung im Justizverwaltungsweg hat - nicht zuständig über diesen Wiederaufnahmeantrag zu entscheiden, sondern das BG. Der Antrag wäre daher (allenfalls wiederum unter gleichzeitigem Ersuchen um Verfahrenshilfe) beim BG INNSBRUCK einzubringen gewesen und ist er vom BVwG als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auf die oben dargestellten grundlegenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Dolmetschgebühren entschiedene Sache Gerichtsgebühren Nachlassantrag Unzuständigkeit Wiedereinsetzungsantrag wirtschaftliche Situation Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2225051.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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