TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W105 2116577-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W105 2116577-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2019, Zahl: 1045969506/190131077/BMI-BFA_NOE_AST_02, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte I., III. und IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und werden diese Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 15.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 20.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 21.11.2014 wurde der Beschwerdeführer unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen und dabei näher zu seinem Reiseweg vom Iran nach Österreich, zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen sowie zu den Gründen seiner Ausreise aus Afghanistan befragt. Dazu führte er aus, dass ihm seine Eltern nie gesagt hätten, in welcher Stadt er geboren sei würde und er seine Wohnanschriften in Afghanistan nicht kennen würde. Seine Familie habe Afghanistan wegen der schlechten finanziellen Lage verlassen. Die Lage im Iran sei auch sehr schlecht. Er möchte in Österreich arbeiten und zur Schule gehen. Er werde weder in Afghanistan noch im Iran persönlich verfolgt oder bedroht.

Das Asylverfahren wurde am 01.12.2014 zugelassen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") lud den Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 07.07.2015, in welcher er unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari und in Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters ausführlich zu seiner Herkunft, zu seinen Verhältnissen und zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Im Wesentlichen führte er dabei aus, dass er Afghanistan mit seinen Eltern im Alter von einigen Monaten verlassen habe. Sein Vater sein Kommandant in der Stadt XXXX gewesen. Die Familie habe in der Provinz Kapisa, Distrikt XXXX im Dorf XXXX gewohnt. Als die Mujaheddin an die Macht gekommen seien, hätten sie den General Moman getötet und sei sein Vater geflüchtet, da er ein Gegner der Mujaheddin gewesen sei. In Afghanistan sei es der Familie finanziell gut gegangen, im Iran hingegen eher schlecht. Sie hätten illegal im Iran gelebt. Sein Vater sei krank gewesen und habe nicht mehr arbeiten können, da er Rückenschmerzen gehabt habe. Als er ca. 13 Jahre alt gewesen sei, wäre seine Familie mit ihm nach Afghanistan zurückgekehrt, wo sie sich ca. 10 bis 11 Monate aufgehalten haben würden. Da die Familie in Afghanistan ein Haus gehabt hätte, hätte sein Vater gedacht die Familie könnte dort wohnen. Sein Vater sei von den Mujaheddin verhaftet und 8 Monate eingesperrt worden und sei dann geflüchtet. Die Leute, die seinen Vater verhaftet hätten seien bewaffnet gewesen, hätten ihn geschlagen und mitgeschleppt. Sie hätten ihren Hof zerstört und wenn sich sein Vater versteckt hätte, hätten sie auf die Familie geschossen. Danach wären sie wieder in den Iran geflüchtet. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, da der Mullah des Dorfes ihn in den 11 Monaten, als er in Afghanistan gewesen sei zum Islamunterricht eingeladen worden sei. Er hätte dort gelernt wie man tötet und wie man Selbstmordattentate ausübt. Da er nicht an diesem Unterricht teilnehmen wollte, sei er vom Mullah gezwungen worden. Der Mullah sei ca. eine Woche nach der Festnahme des Vaters zu ihnen gekommen und hätte ihn zum Unterricht gezwungen. Von den Mujaheddin sei er nicht persönlich belangt worden. Im Iran würde er illegal leben und bestünde die Gefahr der Abschiebung nach Afghanistan.

Am 14.07.2015 wurde eine schriftliche Stellungnahme eingebracht, in der im Wesentlichen zum Thema der Zwangsrekrutierung in Afghanistan ausgeführt wurde.

2. Mit Bescheid vom 17.09.2015, Zl: 1045969506/140196148, dem gesetzlich vertretenen Beschwerdeführer nachweislich am 06.10.2015 zugestellt, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass in Bezug auf sein Vorbringen betreffend seine Fluchtgründe davon ausgegangen werde, dass sich der Beschwerdeführer einer konstruierten Geschichte bedient habe und seinem Vorbringen kein Glauben geschenkt werden habe können. Die Voraussetzungen für eine Asylgewährung seien daher nicht gegeben. In Bezug auf die Gewährung von subsidiärem Schutz wurde ausgeführt, dass sich aus den Länderfeststellungen zwar ergebe, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil sei, die Sicherheitslage jedoch regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiere. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach langjähriger Abwesenheit im Ausland zurückkehren würden, würden auf große Schwierigkeiten stoßen, da ihnen das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die erfoderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen würden. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass keiner der Familienangehörigen des Beschwerdeführers mehr in Afghanistan lebe. Seine Familie lebe im Iran. Da er in Afghanistan über keine familiären Netzwerke mehr verfüge, wäre er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan voerst vollkommen auf sich allein gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtliche und infrastruktuellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Wie aus den Länderfeststellungen ersichtlich, sei die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich, zudem auch keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten wäre. In seinem Fall gehe die Behörde davon, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen den angeführten Bescheid am 22.10.2015 das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.). Begründend wurde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte über die eingebrachte Beschwerde am 15.02.2018 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, in welcher durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers unter Anwesenheit seiner Vertretung Beweis erhoben wurde.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.02.2018 wurde die Beschwerde gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde am 06.09.2016 bis zum 17.09.2018 erstmals verlängert.

6. Am 15.10.2018 stellte der Beschwerdeführer nicht fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Am 04.02.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er gesund sei, aus der Provinz Kapisa stamme, am 12.01.2000 geboren wäre. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und bekenne sich zum muslimischen Glauben. Seine Eltern würden in der Nähe von Graz leben, er sehe diese einmal im Monat. Er habe noch eine Tante mütterlicherseits in Afghanistan. Er habe als Schweisser im Iran gearbeitet. Er habe in Österreich die Schule abgeschlossen und eine Lehre begonnen. Er arbeite und bekommme keine Unterstützung von der öffentlichen Hand. Er kenne niemanden in Afghanistan, habe dort auch nicht gelebt. Er könne dort nicht hin, wo er gelebt habe, da alles zerstört worden sei. Nach Vorhalt, dass die Provinz Kapisa zu den friedlichen Provinzen zähle, gab er an, dass es dort, wo sie gelebt hätten, nicht sicher sei, sein Vater habe dort Probleme mit Mudschahedin gehabt. Nach Vorhalt, was gegen eine Rückkehr gegen eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat sprechen würde, gab er an, dass er dort niemanden kenne. Er wüsste nichts darüber und kenne auch niemanden.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 17.09.2015, Zl: 1045969506/190131077/BMI-BFA_NOE_AST_02, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I). Der Antrag vom 15.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie unter Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründendend lauten die Erwägungen der belangten Behörde auszugsweise wie folgt:

[...] Wie bereits in der Beweiswürdigung Ihrer Person ausführlich dargestellt, sind die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend, umso mehr Sie auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters auch nichts vorbrachten oder glaubhaft machten, das eine aktuell vorliegende Gefährdung Ihrer Person annehmen ließe. Aus der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland allein ergibt sich keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG, war demnach auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich und erscheint eine Rückkehr trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in Ihrem Heimatland Afghanistan, insbesondere im Hinblick auf die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr wohl unterschiedliche Sicherheitslage, aufgrund Ihrer individuellen Situation insgesamt durchaus zumutbar. In den der Entscheidung zugrunde liegenden Länderfeststellungen in Bezug auf Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif ist eine allgemein relevante Gefährdungslage nicht erkennbar. Die Sicherheitslage in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif ist grundsätzlich stabil und sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif richten sich hauptsächlich auf "high-profile" Institutionen bzw. gegen "high-profile" Personen. Die Regierung behält jedoch die Kontrolle über Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif. Aus den Feststellungen ergibt sich hinsichtlich Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif zwar eine schwierige Sicherheitssituation, die aber vor allem geprägt ist durch sicherheitsrelevante Vorfälle auf sogenannte "High Profile Ziele", wogegen Sie jedenfalls kein derartiges Ziel darstellen. Es kann aus den Feststellungen zu Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass bereits jeder, der dort lebt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in relevanter Weise bedroht wäre. Wie sich den Länderinformationen schließlich entnehmen lässt, behält die Regierung die Kontrolle über Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif und Transitrouten und sind die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen. Auch wenn es in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif vereinzelt zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, ist dennoch festzuhalten, dass diese Angriffe, vor allem seitens der Taliban, ganz überwiegend gegen Regierungsgebäude, Militärangehörige, hochrangige Ziele und ausländische Sicherheitskräfte, kaum aber gegen unbeteiligte Zivilisten gerichtet sind. Somit unterscheidet sich die Sicherheits- und Gefährdungslage für unbeteiligte Zivilisten grundlegend von der Sicherheits- und Gefährdungslage für afghanische Regierungsangehörige, Angehörige des Militärs und Ausländer und ist aufgrund Ihres persönlichen Hintergrundes keine besondere Gefährdung Ihrer Person ersichtlich, zumal Sie keinem zuvor genannten Personenkreis angehören. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Neustart in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif jenen Rückkehrern, die über familiäre oder soziale Netzwerke in Afghanistan oder direkt in Kabul verfügen, logischer Weise einfacher fällt, als jenen ohne solches Netzwerk. Zu den gemachten und diesbezüglich Angaben bezüglich Ihres Onkels, der in Afghanistan lebt ist festzuhalten, dass Sie selbstverständlich im Falle der Rückkehr von diesem (zumindest) finanzielle Unterstützung erwarten können. Es ist deshalb schon von vornherein in Ihrem Fall davon auszugehen, dass Sie mit einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt würden, umso mehr Sie sowohl durch Ihre Familienangehörigen, als auch - wie den Länderinformationen zu entnehmen ist - durch Hilfsorganisationen wie dem UNHCR oder IOM entsprechende Unterstützung erwarten dürfen. Wie sich zudem den Anmerkungen von UNHCR auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren aus Dezember 2016 zur Situation in Afghanistan entnehmen lässt, muss die Frage der Verfügbarkeit einer IFA aktuell im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers "von Fall zu Fall" geprüft werden. Damit werden einerseits die erschwerten Bedingungen dargestellt, gleichzeitig aber auch ganz klar festgestellt, dass eine IFA in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif sehr wohl möglich ist, andernfalls keine "Einzelfall-Prüfung" eingefordert, sondern vielmehr eine solche in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif kategorisch ausgeschlossen würde.Auch wenn in Ihrem Fall und in Zusammenhang mit Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit nicht eine Art Ehrenkodex wie bei den Paschtunen festzustellen ist, der die Übernahme einer sowohl ideellen als auch physischen Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre vorsieht, so liegt es dennoch im grundlegendsten Interesse sämtlicher in Afghanistan existierenden Volksgruppen, unter die auch die Tadschiken fallen, Ihre Mitglieder zu schützen und selbstverständlich auch im Falle der Rückkehr zu unterstützen. Es ist deshalb schon von vornherein in Ihrem Fall davon auszugehen ist, dass Sie mit einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt würden, umso mehr Sie im "Auffangbecken" der Volksgruppe landend entsprechende Unterstützung erwarten dürfen. Die zu erwartende Unterstützung durch die in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif ansässigen Führungspersönlichkeiten der Tadschiken und der existierenden Stammes- und Volksgruppenstrukturen ist mit dem familiären oder sozialen Netzwerk in seinem klassischen Sinn mehr als zu vergleichen und lässt sich demnach auch daraus ableiten, dass Sie selbst dann, wenn Sie keine (nahen) Verwandten in Afghanistan haben sollten, nicht vor eine ausweglose Lage im Falle der Rückkehr gestellt wären. Auch den Ausführungen des Mitbegründers des Afghanistan Analysts Network (AAN), Thomas RÜTTIG, in einem Referat vor dem schweizerischen Staatssekretariat für Migration am 12.04.2017 lässt sich entnehmen, dass "die Versicherung" in Afghanistan in der großen Familie zu finden ist (siehe dazu S.11 des genannten Referates). Weiters wird von ihm eine Art "Ordnungsprinzip" gezeichnet, dementsprechend es typisch ist, dass die meisten Leute dorthin gehen, wo sie Verwandte, Angehörige oder zumindest Mitglieder der eigenen Ethnie vorfinden; dies gerade in den Städten (siehe dazu S.14 des genannten Referates). Eine andere Erklärung, als dass sich diese Ordnung nicht zuletzt aus dem Umstand heraus entwickelte, um sich untereinander zu unterstützen, ist nicht zu erkennen. Dass man auch in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif innerhalb einer Ethnie aufeinander schaut, lässt sich ebenso dem Referat von RÜTTIG entnehmen. So stellt er fest, dass die Städte im Orient eher Konglomerate von Dörfern seien. Nach wie vor siedelte man sich in relativ kompakten, ethnischen Clustern an; Hazara zögen zu Hazara, Paschtunen zu Paschtunen, etc., was sich in den letzten Jahren durch ethnische Spannungen auch wieder verstärkt habe. Schließlich kommt hinzu, dass in Afghanistan komplementäre Auffangmöglichkeiten, etwa in Lagern, existieren, die Sie im Falle einer erfolglosen Suche nach einer Unterkunft in Anspruch nehmen könnten. Ebenso könnten Sie, wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgeht, zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, den UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen. Eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif kann nicht zur Feststellung führen, Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif kämen nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage, zumal gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben sind, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu kommt, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar ist, sich in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen, genauso wie er dies - wohl wesentlich komplizierter - im (weiten) Ausland ohne Sprachkenntnisse zu erlangen in der Lage sein wird müssen. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan (wieder) anzusiedeln, lässt sich kein Grund feststellen, der gerade in Ihrem Fall eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr Sie diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt haben. [...] Es ist Ihnen freigestellt, sich dieser Rückkehrhilfe zu bedienen. Es wäre somit auch damit gewährleistet, etwaige "Startschwierigkeiten" abfedern zu können und die Inanspruchnahme der IFA für zumutbar festzustellen. Letztlich ist auszuführen, dass von einer Entscheidungspraxis, die jedenfalls ein in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif bestehendes soziales oder familiäres Netzwerk erfordert, um von einer tauglichen IFA ausgehen zu können, in keiner Weise die Rede sein kann. (siehe dazu VwGH Ra 2016/20/0063 vom 08.09.2016)

Auch den UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 geht hervor, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keineswegs unbedingt soziale Netzwerke benötigen, um von einer IFA in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif Gebrauch machen zu können, sofern diese Gebiete die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Gerade bezugnehmend auf besteht in diesem Zusammenhang kein Zweifel. Auch wurde bereits festgestellt, dass Sie über Arbeitserfahrung verfügen, die Ihnen im Fall einer Ansiedlung in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif beim Einstieg ins dortige Berufsleben von Nutzen sein wird, um damit auch die grundlegendsten Bedürfnisse abdecken zu können. Wie den Länderinformationen klar hervorgeht, hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund, weshalb auch nicht davon auszugehen ist, dass Afghanen, die nach Afghanistan zurückkehren, in besonderer Weise diskriminiert werden. Zudem kommt es in letzter Zeit vermehrt zu einer freiwilligen Rückkehr vor allem von Flüchtlingen aus Pakistan, welche durch die Verdoppelung der Unterstützung von UNHCR ausgelöst wurde. [...] Für den Fall Ihrer Rückführung musste bezogen auf den gesamten Herkunftsstaat vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht zwar die Feststellungen einer schwierigen Lebenssituation getroffen werden, wobei dies primär auf mangelnde tragfähige Beziehungen Ihrerseits und Ihre fehlenden Ortskenntnisse in Großstädten zu stützen wäre. Es lässt sich dadurch, und dabei insbesondere aufgrund mangelnder Ortskenntnisse in Großstädten, keine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens erkennen, zumal die Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in Ihrem Fall diesen etwaigen Startschwierigkeiten leicht Abhilfe schaffen lässt. Es ist eine solche (individuelle Bedrohung des Lebens) auch nicht von vornherein erkennbar. Die Annahme, dass Sie im gesamten Herkunftsstaat in eine ausweglose Situation geraten würden, kann nicht erkannt werden, zumal eine solche weder den Länderinformationen, noch den derzeitigen Entscheidungen der obersten Gerichte, zu entnehmen ist. In der Zusammenschau war in Ihrem Fall zum letztmaligen Entscheidungszeitpunkt noch davon auszugehen, dass Sie Unterstützung im Falle einer Rückkehr bedürfen würden. Dies ist jedoch derzeit nicht mehr der Fall. Hier liegt auch die wesentliche Änderung zum letzten Entscheidungszeitpunkt vor, aufgrund welcher in Ihrem Fall nun eine Rückkehr als möglich erscheint und somit auch die Feststellung getroffen werden musste, dass nun keine derartige Gefährdungslage vorliegt, welche gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde und somit eine Aufrechterhaltung des subsidiären Schutzes begründen könnte. Aus diesem Grunde musste Ihnen dieser auch aberkannt werden. Aus Ihrem Vorbringen und der allgemeinen Situation alleine ist somit nichts ersichtlich, dass im Falle Ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder eine im gesamten Herkunftsstaat vorliegende extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Sie könnten demnach in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif Arbeit, Sicherheit und zudem zumutbare Lebensbedingungen vorfinden, umso mehr Sie diese Orte über den Luftweg absolut sicher erreichen könnten. Die Behörde stellt somit eindeutig fest, dass Sie bei einer Rückkehr keinerlei realen Gefahr einer Bedrohung/Verfolgung im Sinne der Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 ausgesetzt sein werden. [...]

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass das BFA festgestellt habe, dass Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sicher und stabil seien und dem Beschwerdeführer daher als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünden. Es habe jedoch verabsäumt, darzulegen, inwieweit im Vergleich zu den den Bescheiden des BFA von 2015 und 2016 zugrunde gelegten Länderfeststellungen eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eingetreten sei, die im Übrigen erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre. Die Sicherheitslage bleibe, wie das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand 26.10.2018, zeige, volatil. Aus den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergebe sich, dass Kabul als interne Fluchtalternative nicht zur Verfügung stehe. Auch werde in den aktuellen UNHRC-Richtlinien auf die Armutslage, unzureichende Wohnsituation und den eingeschränkten Zugang zu Sanitäreinrichtungen eingegangen. Das BFA beziehe sich im belangten Bescheid auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005, ohne zu konkretisieren, auf welche Ziffer und welchen Fall sich die Aberkennung gründe. Auch ohne Konkretisiesierung ergebe sich aus der Begründung, dass es sich um die Anwendung des 2. Falles des § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG handle, denn das BFA begründe die Aberkennung mit der nunmehrigen Volljährigkeit des Beschwerdeführers, dem Vorhandensein familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan, sowie der veränderten Sicherheitslage in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif. Eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, habe das BFA nicht dargelegt. Um den grundlegenden Begründungsanforderungen gerecht zu werden, hätte das BFA dazu darzulegen gehabt, inwiefern sich die Situation des Beschwerdeführers bezogen auf die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, konkret geändert hätte. Dieser Pflicht sei das BFA in keinster Weise nachgekommen. Sofern sich das BFA auf die besvorstehende Volljährigkeit des Beschwerdeführers beziehe, sei zu beachten, dass die besondere Vulnerabilität, die sich aufgrund des jungen Alters des Beschwerdeführers ergeben habe, nicht rein formalistisch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ende. Beweiswürdigend hätte das BFA jedenfalls darlegen müssen, inwiefern die nunmehrige Vollendung des 18. Lebensjahres den Beschwerdeführer in die Lage versetze, die existenzbedrohende Situation in Afghanistan, die ihm vor Erreichen der Volljährigkeit gedroht habe, zu vermeiden. Im Falle einer Aberkennung des subsidiären Schutzes sei ihm jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu gewähren.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 21.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, wurde am XXXX geboren und hat als Minderjähriger am 20.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Kapisa geboren und reiste mit seinen Eltern und zwei Schwestern in den Iran aus. Er hat dort bis zu seiner Ausreise nach Europa gemeinsam mit seiner Familie gelebt. Eine Tante des Beschwerdeführers ist nach wie vor in Afghanistan wohnhaft. Die Eltern des Beschwerdeführers sowie dessen zwei Schwestern reisten im Jänner 2016 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten 05.01.2016 jeweils Anträge auf internationalen Schutz, die jeweils mit Bescheid des BFA vom 02.01.2018 negativ entschieden wurden und gegen diese Rückkehrentscheidungen erlassen wurden. Sie sind aktuell noch in Österreich aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist unverändert gesund.

Der Beschwerdeführer ist nunmehr volljährig. Er ist arbeitsfähig, ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat erfolgreich den Lehrgang "Übergangsstufe für Jugendliche ohen Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch" an der Bundeshandelsschule und Bundeshandelsakademie XXXX absolviert. Der Beschwerdeführer hat in Österreich am 01.12.2018 ene Lehre bei der XXXX begonnen, wobei die tatsächliche Lehrzeit bis 30.11.2021 laufen würde. Der Beschwerdeführer spielt Fußball im Sportklub XXXX .

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden.

Dass sich die individuelle Situation des Beschwerdeführers sowie die humanitäre Lage bzw. die Sicherheits- und Versorgungslage seit dem 17.09.2015 (Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) nachhaltig und wesentlich verändert bzw. verbessert hat, kann nicht festgestellt werden.

1.1. 2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Muttersprache), seinen Lebensumständen, seinem Lebenswandel sowie zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Asylverfahrens, die auch seitens des BFA im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unverändert gesund ist, ergibt sich daraus, dass er im Laufe des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet hat und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellungen zum aktuellen Aufenthalt der Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers in Österreich sowie zum Ausgang deren Asylverfahren ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers während des Verfahrens sowie aus einer Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über eine in Afghanistan lebende Tante verfügt, ergibt sich aus seinen Aussagen und wurde selbiges vom BFA im angefochtenen Bescheid festgestellt.

Die Feststellungen zum Bildungsweg des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 17.09.2015 nicht wesentlich geändert und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, folgt zum einen aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und konnte zudem im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides getroffen werden. Dabei erfolgt insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 17.09.2015 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des Beschwerdeführers (siehe dazu wie folgt in der rechtlichen Beurteilung).

1.2. 3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

1.2.1. Zu Spruchpunkt A):

I. Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III. und IV.- VI. des angefochtenen Bescheides:

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 AsylG geregelt, der wie folgt lautet:

"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

[...]"

Vorauszuschicken ist, dass die sich belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich auf "§ 9 Abs. 1 AsylG 2005" beruft, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach "die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden", ergibt sich, dass die Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt wurde.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 und Art. 16 Statusrichtlinie sind verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist. Auch Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie ist in der Weise zu lesen, dass nur bei dauerhafter und wesentlicher Veränderung im Herkunftssaat kein subsidiärer Schutz mehr gebührt.

Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen. Die Beweislast für den Wegfall der Voraussetzungen sowie die Darlegung des substanziell und nachhaltig geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalts trifft aufgrund der Amtswegigkeit des Verfahrens zur Gänze das Bundesamt.

Wie das Bundesverwaltungsgericht schon mit Erkenntnis vom 22.03.2019, GZ. W137 1424715-2 ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich der Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts und des Wegfalls der Voraussetzungen nicht nur der ursprüngliche (Zuerkennungs-)Bescheid oder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen, sondern auch die Begründung allfälliger bereits erfolgter Verlängerungen des Status. Das Bundesamt ist in diesem Zusammenhang aber nicht bei jeder neuerlichen Verlängerungsprüfung gänzlich frei in seiner Beurteilung des Sachverhalts, sondern an seine bisherigen rechtskräftigen Entscheidungen und allenfalls solche des Gerichts gebunden. Insbesondere kann eine Aberkennung von subsidiärem Schutz ohne zusätzliche entscheidungsrelevante Faktoren nicht auf Veränderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (gegenüber jenem bei erstmaliger Zuerkennung) gestützt werden, die - obwohl dem BFA bereits bekannt - einer bisherigen Verlängerung des Status nicht entgegengestanden sind.

Im konkreten Fall hat das BFA die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vom 17.09.2015 auf die Feststellung gestützt, dass keiner der Familienangehörigen des Beschwerdeführers mehr in Afghanistan lebe, da seine Familie im Iran lebe und er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vollkommen auf sich allein gestellt wäre.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, ist der Beschwerdeführer unverändert seit seiner Ausreise im Kindesalter nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückgekehrt. Eine Änderung in Bezug auf das etwaige Vorliegen familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan gegenüber der Sachlage im Zuerkennungsbescheid hat sich insofern ergeben, als laut eigener Aussage des Beschwerdeführers dessen Tante in Afghanistan wohnhaft ist und dessen Eltern sowie Geschwister nicht - wie ursprünglich im Zuerkennungsbescheid festgestgellt - im Iran leben, sondern im Jahr 2016 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben, welche jedoch zwischenzeitig rechtskräftig negativ entschieden wurden.

Hinsichtlich des Umstandes, dass eine Tante des Beschwerdeführers in Afghanistan lebt, ist auszuführen, dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr von dieser auch konkrete Unterstützung, sei es in finanzieller Form oder durch etwa Gewährung einer Unterkunft erhalten könnte. Die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer von seinem in Afghanistan lebenden Onkel (!) "zumindest finanzielle Unterstützung erwarten" könnte, entbehren daher einer konkreten Grundlage. Eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes diesbezüglich ist daher nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer wurde jedoch im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt vom 29.06.2018 (Stand: 29.10.2018) - auf innerstaatliche Ansiedlungsregionen in Kabul, Herat, Mazar-e Sharif oder u. a. der Provinz Kapiasa verwiesen. Die Zumutbarkeit der Ansiedelung innerhalb und außerhalb der Heimatprovinz begründet das BFA damit, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers dahingehend geändert habe, dass dieser nun volljährig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt diesbezüglich auch nicht, dass dass der Beschwerdeführer mittlerweile volljährig geworden ist und in Österreich - wie festgestellt - Bildungsangebote wahrgenommen hat und somit zweifellos Lebenserfahrung gewinnen konnte. Allerdings stellt die belangte Behörde damit auf Umstände ab, die - wie sich dem Zuerkennungsbescheid vom 17.09.2015 entnehmen lässt - für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht maßgeblich waren. Soweit im Aberkennungsbescheid des BFA behauptet wurde, ihm sei im Bescheid des BFA vom 17.09.2015 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt worden, wie er damals (zum Entscheidungszeitpunkt) "in Zusammenschau mit seiner Minderjährigkeit" im Falle einer Rückkehr nach Afghansitan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wäre, so ist dies eindeutig mit dem Akteninhalt nicht vereinbar. Richtigerweise wird die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers in der Bescheidbegründung vom 17.09.2015 nicht einmal ansatzweise erwähnt.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführ, ist es zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage bzw. der humanitären Lage seit dem Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 17.09.2015 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, nicht gekommen.

Der maßgebliche Sachverhalt hat sich damit im Ergebnis seit dem Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 17.09.2015 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderungen der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes demzufolge weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Damit mangelt es den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides an einer rechtlichen Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben waren.

1.2.1.1. Zu II. Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Nachdem im gegenständlichen Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden, war die dem Beschwerdeführer erteilte und bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes fortbestehende Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG spruchgemäß um weitere zwei Jahre ab der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu verlängern.

Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter andrem entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Hierzu ist auszuführen, dass sich bereits aus dem Akteninhalt ergibt, dass eine maßgebliche Änderung der Umstände nicht aufgetreten ist und dass die belangte Behörde eine solche im Bescheid nicht aufgezeigt hat. Da der Sachverhalt sohin klar ist, konnte die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben.

1.2.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Verlängerung wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W105.2116577.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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