TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 W197 2110980-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W197 2110980-1/14E

W197 2110979-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX und 2. XXXX , geb. 1. XXXX und 2. XXXX , beide Staatsangehörigkeit Mongolei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2015, ZI. 1. 1000774401-14046361 und 2. 1000774608-14046370, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Verfahren werden hinsichtlich der jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß §§ 28 Abs. 1 iVm 31 Abs. 1 VwGVG wegen Zurückziehung der Beschwerden gegen diese Spruchpunkte eingestellt.

II. Den Beschwerden hinsichtlich der jeweiligen Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide wird jeweils stattgegeben und gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX und XXXX wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 und 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 1 AsylG 2005 jeweils der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und stellte nach Einreise in das Bundesgebiet am 23.01.2014 für sich selbst sowie die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Am selben Tag wurde die Erstbeschwerdeführerin vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Am 28.03.2014 fand die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, wobei die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst angab, dass sowohl sie selbst als auch die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin in der Mongolei Gewalt und Misshandlungen seitens des Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin ausgesetzt gewesen seien.

Mit oben genannten Bescheiden vom 26.06.2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen die Beschwerdeführerinnen, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen in die Mongolei zulässig sei und legte für die freiwillige Ausreise eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.).

Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Beschwerden erhoben.

Am 06.08.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Nach Beginn der Verhandlung zog die Erstbeschwerdeführerin nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Beisein und nach Beratung mit ihrer ausgewiesenen Vertreterin ihre Beschwerde sowie als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin auch deren Beschwerde gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide zurück, hielt jedoch die Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide ausdrücklich aufrecht. Im Verlauf der weiteren Verhandlung wurden die Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren persönlichen Lebensumständen befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Die Beschwerdeführerinnen sind mongolische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin ist alleinstehend; sie ist Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 23.01.2014 für sich selbst sowie die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, welche mit Bescheiden vom 26.06.2015 abgewiesen wurden. Gegen diese Bescheide wurden jeweils vollinhaltlich Beschwerden erhoben. Nach Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2019 zog die Erstbeschwerdeführerin ihre Beschwerde sowie als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin auch deren Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide vom 26.06.2015, ZI. 1000774401-14046361 und 1000774608-14046370 ausdrücklich zurück.

Die Beschwerdeführerinnen halten sich seit Stellung ihrer Anträge auf internationalen Schutz am 23.01.2014 durchgehend im Bundesgebiet auf, waren stets entsprechend der meldebehördlichen Vorschriften gemeldet und sind in Österreich nachhaltig integriert:

Die Erstbeschwerdeführerin war in einer österreichischen Gemeinde als Schülerlotsin und Schulwegpolizistin tätig. Sie engagiert sich in Österreich bei den Zeugen Jehovas und hat dort zahlreiche Freundschaften mit österreichischen Staatsangehörigen geschlossen. Die Erstbeschwerdeführerin unterstützt regelmäßig ältere Menschen bei der Haushaltsführung. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin haben jeweils Deutschprüfungen (ÖSD) auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgelegt (die Erstbeschwerdeführerin bereits am 28.06.2016, die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin am 24.05.2017). Sie sprechen außerordentlich gut Deutsch, die Durchführung der mündlichen Verhandlung war ohne Beiziehung einer Dolmetscherin möglich. Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin spricht mit der Erstbeschwerdeführerin die gemeinsame Erstsprache Mongolisch, um diese nicht zu verlernen; die mongolischen Sprachkenntnisse der Zweitbeschwerdeführerin haben sich jedoch infolge ihres langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bereits verschlechtert. Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin hat die Mongolei als neunjähriges Kind verlassen und hat nur wenige Erinnerungen an die Mongolei. Seit fast sechs Jahren hält sich die nunmehr vierzehnjährige Zweitbeschwerdeführerin in Österreich auf. Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin besuchte in Österreich in den Schuljahren 2013/2014 und 2014/2015 eine Volksschule, ab dem Schuljahr 2015/2016 besuchte sie eine Neue Mittelschule, im Schuljahr 2018/2019 eine Bilinguale Neue Mittelschule, und erzielte jeweils durchwegs sehr gute Noten. Seit September 2019 besucht die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin ein Bundesoberstufenrealgymnasium. Die Beschwerdeführerinnen verfügen über einen großen Freundeskreis im Bundesgebiet und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil, sie sind in ihr soziales Umfeld außerordentlich gut integriert. Die Beschwerdeführerinnen wohnen in einer Mietwohnung. Sie beziehen derzeit noch Leistungen aus der Grundversorgung, die Erstbeschwerdeführerin verfügt jedoch bereits über einen mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. Beschäftigungsbewilligung aufschiebend bedingten Dienstvertrag als Küchenkraft und ist von einer zukünftigen Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet auszugehen.

Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführerinnen, ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Familienstand ergeben sich aus den eigenen und plausiblen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren (vgl. AS 7, 11 und 33 zu 2110980-1; Niederschrift der Verhandlung).

Das Datum der Antragstellung sowie der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergibt sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung zur Zurückziehung der Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide ergibt sich ebenso aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Protokoll der Verhandlung vom 06.08.2019.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen, den Lebensumständen bzw. dem Aufenthalt, den Aktivitäten und den sozialen Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerinnen in Österreich ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerinnen im Verfahren, insbesondere der mündlichen Verhandlung, den im Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen, Empfehlungsschreiben, Zeugnissen und Bestätigungen (vgl. etwa mit Schreiben vom 10.05.2017 übermittelte Unterlagen sowie im Rahmen der Verhandlung vorgelegte Dokumente) und Auszügen aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellungen zu den (abgeschwächten) Bezugspunkten der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Herkunftsstaat Mongolei, inklusive ihrer Sprachkenntnisse, ergibt sich aus den nachvollziehbaren Angaben der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerinnen ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) I. - Einstellung der Verfahren hinsichtlich der Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide:

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Wird eine Beschwerde zurückgezogen, kommt eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde durch das BVwG nicht mehr in Betracht und der Bescheid wird rechtskräftig (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RZ 742).

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2019] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd. § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Zl. Fr. 2014/20/0047).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111). Maßgebend ist das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320).

Eine solche Erklärung liegt im gegenständlichen Fall vor, weil die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.08.2019 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Beisein und nach Beratung mit ihrer ausgewiesenen Vertreterin ihre Beschwerde sowie als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin auch deren Beschwerden gegen die jeweiligen Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide ausdrücklich zurückzog. Mit dieser Zurückziehung der Beschwerden ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerinnen betreffend die genannten Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide weggefallen, wodurch einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde. Somit waren die gegenständlichen Beschwerdeverfahren im Ausmaß der Zurückziehung einzustellen.

3.2. Zu A) II. - Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidungen und Erteilung von "Aufenthaltsberechtigungen plus":

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen: 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuginnen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerinnen sind weder begünstigte Drittstaatsangehörige noch kommt ihnen ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeits¬grenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch die rechtskräftigen Verurteilungen durch inländische Gerichte (vgl. VwGH 27.02.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen.

Wie schon erwähnt, mindert die Tatsache, dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des Asylwerbers hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.

Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.04.2006, 2005/18/0560, scheint mitentscheidend gewesen zu sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0124; VwGH 22.06.2006, 2006/21/0109; VwGH 05.07.02005, 2004/21/0124 ua.).

Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutschkenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zu Ungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124 ua.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).

Zugunsten minderjähriger Asylwerber beziehungsweise minderjähriger Familienangehöriger ist der Schulbesuch und ein besonderer Schulerfolg oder eine Berufsausbildung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer wird bei Kindern häufig schon eine kürzere Zeit als bei Erwachsenen ausreichen, um eine Verwurzelung im Gastland festzustellen. Auch kommt bei Kindern dem Bezug von Sozialhilfeleistungen (durch ihre Eltern) keine entscheidende Bedeutung zu, auch wenn zur Beurteilung einer Verfestigung in Österreich und der Frage einer Reintegration im Heimatstaat alle Umstände - und damit auch die familiären Verhältnisse - zu berücksichtigen sind (vgl. VfSlg 16.657/2002; VwGH 19.10.1999, 99/18/0342 ua.).

Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in den gegenständlichen Rechtssachen der Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerinnen unter Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten der gegenständlichen Fälle aus folgenden Gründen in einer Gesamtschau nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt:

Die strafrechtlich unbescholtenen Beschwerdeführerinnen leben seit fast sechs Jahren im österreichischen Bundesgebiet. Sie waren an ihren Wohnsitzen auch durchgehend nach den melderechtlichen Vorschriften gemeldet. In dieser Zeit entwickelten die Beschwerdeführerinnen ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sie den erkennenden Richter insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu überzeugen vermochten. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung den Eindruck einer erheblich überdurchschnittlichen Integration in Österreich und redlichem Streben nach weiterer gelungener Integration in die österreichische Gesellschaft.

Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Aufenthaltsdauer auch nicht durch wiederholte Stellung unbegründeter Asylanträge zu verlängern versucht (vgl. auch VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0033), sondern waren deren einzige Verfahren auf internationalen Schutz seit Jänner 2014 anhängig, ohne dass den Beschwerdeführerinnen diese lange Verfahrensdauer zur Last gelegt werden kann.

Zudem sind, wie bereits oben dargelegt, die Bindungen insbesondere der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin im Entscheidungszeitpunkt als eher gering anzusehen.

Demgegenüber verfügen die Beschwerdeführerinnen in Österreich sowohl in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht über eine fortgeschrittene Integration. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin bemühten sich im Zuge ihres bisherigen Aufenthaltes sichtlich um die Erlernung der deutschen Sprache; beide Beschwerdeführerinnen sprechen ausgezeichnet Deutsch.

Die Beschwerdeführerinnen verfügen auch in sozialer Hinsicht über eine nachhaltige Integration im Bundesgebiet. Die Erstbeschwerdeführerin war in einer österreichischen Gemeinde als Schülerlotsin und Schulwegpolizistin tätig, engagiert sich in Österreich bei den Zeugen Jehovas, wo sie zahlreiche Freundschaften mit österreichischen Staatsangehörigen geschlossen hat, und unterstützt regelmäßig ältere Menschen bei der Haushaltsführung. Hervorzuheben ist auch insbesondere die umfassende Verwurzelung der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet, die im Alter von fast neun Jahren nach Österreich gelangte und sohin die prägenden Jahre ihrer Kindheit und Jugend im österreichischen Bundesgebiet verbracht und inzwischen nur mehr geringe Bindungen an ihren Herkunftsstaat hat. Sie hat im Bundesgebiet eine Volksschule und eine (Bilinguale) Neue Mittelschule besucht bzw. besucht derzeit ein Bundesoberstufenrealgymnasium, hat sich in ihr soziales Umfeld außerordentlich gut eingelebt und erbringt durchwegs sehr gute schulische Leistungen.

Nicht verkannt wird, dass die Beschwerdeführerinnen derzeit noch nicht selbsterhaltungsfähig sind, sondern Leistungen aus der Grundversorgung beziehen; die Erstbeschwerdeführerin verfügt jedoch bereits über einen mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. Beschäftigungsbewilligung aufschiebend bedingten Dienstvertrag als Küchenkraft, weshalb jedenfalls von einer zukünftigen Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet auszugehen ist.

Insgesamt kann im Falle der Beschwerdeführerinnen von einer sehr guten Integration ausgegangen werden. Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Dabei ist zu betonen, dass die Verwurzelung von Kindern, insbesondere auch durch den Schulbesuch, in Österreich schneller erfolgt als bei Erwachsenen, wobei auch im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer bei Minderjährigen schon aufgrund der Relation zum Gesamtlebensalter eine kürzere Zeit als bei Erwachsenen ausschlaggebend sein wird (vgl. auch AsylGH vom 12.12.2012, D19 307.392-3/2008). Auch der Verfassungsgerichtshof spricht sich in seinem Erkenntnis vom 07.10.2010, Zl. 950/10 ua., für eine stärkere Gewichtung der schulischen und gesellschaftlichen Integration von minderjährigen Beschwerdeführern aus, wobei Kindern auch nicht in dem Maß wie ihren Obsorgeberechtigten der Umstand eines unsicheren bzw. auf Folgeanträgen basierenden Aufenthaltsstatus angelastet werden kann (vgl. dazu auch VfGH 07.10.2014, U2459/2012; 12.06.2010, U614/10). Hinsichtlich der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin ist somit - im Unterschied zur Erstbeschwerdeführerin - nicht von einem Bewusstsein ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bei Eingehen ihrer sozialen Bindungen im Bundesgebiet auszugehen, weil Kindern in diesem Alter eine Ahnung über staatliche Aufenthalts- und Einreisenormen nicht unterstellt werden kann und vernünftigerweise auch nicht davon auszugehen ist, dass ihnen dies seitens ihrer Eltern während der Zeit im Aufenthaltsstaat laufend bewusstgemacht wird (vgl. auch VfSlg. 19.086/2010, 19.357/2011, 19.612/2011, 19.752/2013).

Festzuhalten ist auch, dass die Beschwerdeführerinnen über die gesamte Zeit hindurch in Österreich unbescholten geblieben sind, wobei die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/0018/0029).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführerinnen stets ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu (siehe bereits oben), er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während des unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwN.). Vielmehr ist den Beschwerdeführerinnen zu Gute zu halten, dass sie sich trotz ihres unsicheren Aufenthaltsstaus von Beginn an um eine soziale und wirtschaftliche Integration bemüht haben. Es wird auch weiters nicht verkannt, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa VfGH 01.07.2009, U992/08 bzw. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; 26.06.2007, 2007/01/0479; 16.01.2007, 2006/18/0453; 08.11.2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22.06.2006, 2006/21/0109; 20.09.2006, 2005/01/0699), der nur in Ausnahmefällen durch das persönliche Interesse des Einzelnen am Verbleib in Österreich überwogen werden kann. Berücksichtigt man jedoch all oben angeführten Aspekte (vgl. Filzweiser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Stand: 15.01.2016, § 9 BFA-VG, K16; vgl. auch Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, Verlag Österreich (2017) S. 294), so neben der Aufenthaltsdauer von fast sechs Jahren die sehr guten Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerinnen, das gesellschaftliche Engagement sowie die Bestrebungen zur Erlangung von Integration in wirtschaftlicher Hinsicht bzw. von Selbsterhaltungsfähigkeit der Erstbeschwerdeführerin und insbesondere die exzeptionelle Integration der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin in ihr schulisches und soziales Umfeld bzw. die umfassende Verwurzelung der Zweitbeschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet in Verbindung mit ihrer abgeschwächten Bindung an ihren Herkunftsstaat, so ist in dem gegenständlichen Fall aus den dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das persönliche und private Interesse der Beschwerdeführerinnen an der - nicht bloß vorübergehenden - Fortführung ihres Privatlebens in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens.

Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung und Abschiebung der Beschwerdeführerinnen aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei stellt angesichts der obigen Ausführungen somit im Entscheidungszeitpunkt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerinnen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.

Da somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerinnen im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, erfüllen diese die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet:

"(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z1), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl I 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt.

§ 11 Abs. 2 Integrationsgesetz lautet:

"(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

"Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaats-angehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG idF vor BGBl. I Nr. 68/2017 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt.

Gemäß § 14a Abs. 6 NAG idF vor BGBl. I Nr. 68/2017 hat nähere Bestimmungen über Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 449/2005 bestimmt in ihrem § 7 Abs. 1, dass das Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen ist, sowie in ihrem § 9 Abs. 1, dass als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 NAG allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse gelten, insbesondere von demonstrativ aufgezählten Einrichtungen, wobei in Z 1 das Österreichische Sprachdiplom Deutsch genannt wird.

Im gegenständlichen Fall haben die Beschwerdeführerinnen Zeugnisse des Österreichischen Sprachdiploms Deutsch (ÖSD) vom 24.05.2017 bzw. einer von ÖSD zertifizierten Einrichtung vom 28.06.2016 über die Absolvierung der Prüfung über deutsche Sprachkenntnisse auf dem B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (sohin allgemein anerkannte Sprachdiplome als Nachweis über die Kenntnisse der deutschen Sprache mindestens des Niveaus A2) vorgelegt, weshalb sie das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 (frühestens 09.06.2017) erfüllt haben.

Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass die Beschwerdeführerinnen mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden sind, nicht maßgeblich für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, soweit sie die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt haben. Die Beschwerdeführerinnen erfüllen somit auch ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. nur mittels Vorlage ihrer Zeugnisse die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005 im Falle der Beschwerdeführerinnen in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit von sie betreffenden Rückkehrentscheidungen gegeben sind, ist der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin jeweils eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, die gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt.

Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karten fällt in die Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3.3. Zu Spruchpunkt B) - (Jeweils) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den Spruchteilen A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich somit auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Verfahrenseinstellung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2110980.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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