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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1940 geborenen GSS in Wien, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Dr. Sepp Brugger, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995, Zl. 102.899/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 24. Jänner 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer im Antragsformular eine Adresse im 5. Wiener Gemeindebezirk und als Ort der Antragstellung "Wien" an. Mit Bescheid vom 19. März 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab und begründete dies damit, daß der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1993 einen Antrag auf Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes gestellt habe, dem am 29. Dezember 1993 stattgegeben worden sei. Im Hinblick auf das Ablaufdatum des letztgültigen Vollstreckungsaufschubes des Beschwerdeführers (30. September 1993) und auf das Datum der Antragstellung im Inland erweise sich der vorliegende Antrag verspätet. Zur Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG komme daher nur mehr eine Erstantragstellung vor der Einreise vom Ausland aus in Betracht.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 30. Juni 1995 gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß das letzte Visum des Beschwerdeführers am 30. Juni 1987 abgelaufen sei, der letztgültige Vollstreckungsaufschub gegen das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot am 30. September 1993 geendet habe und dem Antrag auf Aufhebung desselben am 29. Dezember 1993 stattgegeben worden sei. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes und seiner Antragstellung über keinerlei Sichtvermerk verfügt und sich daher illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe. In seinem Fall sei somit kein Verlängerungsantrag im Sinne des § 13 AufG zu stellen gewesen, sondern ein Erstantrag. Dieser habe jedoch gemäß § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu erfolgen. Aus diesem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen. Insoweit trotz der Verletzung einer Verfahrensvorschrift auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers einzugehen sei, müsse den öffentlichen Interessen trotz der wirtschaftlichen und privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers der Vorzug gegeben werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 10. Juni 1996, B 2541/95-6, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt. Er erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt und bekämpft den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer lebe seit 1984 in Österreich, sei selbständig und geschäftsführender Gesellschafter einer GesmbH. Er habe in Österreich immer über gültige Sichtvermerke verfügt. Aufgrund einiger Verwaltungsübertretungen und Verstößen gegen das Fremdenpolizeigesetz sei gegen ihn mit Bescheid vom 18. September 1989 ein bis zum 31. Dezember 1999 befristetes Aufenthaltsverbot für Österreich verhängt worden. Dem Beschwerdeführer seien jedoch jeweils Vollstreckungsaufschübe gewährt worden, der letzte bis zum 30. September 1993. Mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 sei das gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben worden. Unmittelbar darauf, am 24. Jänner 1994, habe er seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Die belangte Behörde verkenne, daß es in seinem Fall aufgrund der ihm eingeräumten Vollstreckungsaufschübe sehr wohl möglich sei, gemäß § 13 Abs. 1 AufG einen Antrag unter sinngemäßer Anwendung der für Verlängerungsanträge geltenden Bestimmungen - somit im Inland - einzubringen. Eine andere Auslegung des Gesetzes würde diesem einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen. Die belangte Behörde habe überdies übersehen, daß die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung angesichts der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers nicht mit Art. 8 MRK vereinbar sei. Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer, daß ihm die belangte Behörde zu ihren maßgeblichen Annahmen kein Parteiengehör eingeräumt habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 5. Juli 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, maßgeblich.
Die §§ 6 Abs. 2 sowie 13 Abs. 1 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten:
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
...
§ 13.
(1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
..."
Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß sein letzter Sichtvermerk am 30. Juni 1987 abgelaufen ist, nicht entgegen. Unbestritten ist im vorliegenden Fall weiters, daß gegen den Beschwerdeführer am 18. September 1989 von der Bundespolizeidirektion Wien ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, welches mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 aufgehoben wurde. Der letzte dem Beschwerdeführer erteilte Vollstreckungsaufschub (der Bundespolizeidirektion Wien) endete am 30. September 1993. Die Bescheidfeststellungen stehen diesbezüglich mit der Aktenlage in Übereinstimmung.
Wie schon die Bezeichnung des Antrages des Beschwerdeführers als "Verlängerungsantrag" sowie sein Beschwerdevorbringen zeigt, geht dieser davon aus, er habe sich aufgrund der ihm erteilten Vollstreckungsaufschübe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und die Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG in Anspruch nehmen können. Träfe seine Annahme zu, so wäre der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, gemäß § 13 Abs. 1 AufG einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2 AufG) zu beantragen.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt eine sinngemäße Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften jedoch nach § 13 Abs. 1 erster Satz AufG nur bei solchen Fremden in Frage, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG aufgrund einer "Berechtigung zum Aufenthalt" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes stand das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot, welches erst mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 mit Wirkung ex nunc (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zl. 95/19/0844, mwN) aufgehoben wurde, noch in Geltung. Auch die dem Beschwerdeführer danach erteilten Vollstreckungsaufschübe konnten nichts daran ändern, daß er sich nicht im Sinne des § 15 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1992 (im folgenden: FrG) und des § 13 Abs. 1 AufG aufgrund einer ihm erteilten Berechtigung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Schon aus diesem Grund scheidet die Anwendung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG im Falle des Beschwerdeführers aus. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag zu Recht als Erstantrag, für den die Erfolgsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich waren.
Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung im angefochtenen Bescheid, er habe seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Inland gestellt, nicht entgegen. Er bringt auch nicht vor, das Bundesgebiet vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder verlassen zu haben.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Liegt diese Voraussetzung für eine erfolgreiche Antragstellung nicht vor, so hat die Behörde einen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG abzuweisen. Bei diesem Verständnis der Norm und unter Beachtung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG ist auch in Ansehung von Personen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG bereits in Österreich befanden, eine durch Analogie zu schließende (unbeabsichtigte) Regelungslücke nicht zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2356, 2357). Da der Beschwerdeführer (auch) nach der mit Wirkung ex nunc erfolgten Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes über keinen Sichtvermerk verfügte, hielt er sich (auch) nach der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 weiterhin unrechtmäßig in Österreich auf. Nach den §§ 5 und 82 FrG wäre er verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Eine Antragstellung (vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus) wäre nach einer solchen - gebotenen - Ausreise sehr wohl in Frage gekommen. Da das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, nicht als bloße Formvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung zu werten ist, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895), erfolgte die Abweisung des Antrages durch die belangte Behörde zu Recht.
Dieses Ergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Der Beschwerdeführer verfügte weder nach der Aktenlage noch nach seinem eigenen Vorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Hingegen räumt der Beschwerdeführer selbst ein, sich seit 1984 - zuletzt aufgrund von Vollstreckungsaufschüben - in Österreich aufzuhalten. Hat der Beschwerdeführer aber seit dem Ablauf seines letztgültigen Wiedereinreise-Sichtvermerkes am 30. Juni 1987 während der Dauer seines folgenden Aufenthaltes über keine der dafür notwendigen Berechtigungen verfügt, war vielmehr nur die Vollstreckung des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes (bei der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes war auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen bereits Rücksicht zu nehmen) aufgeschoben worden, so erweist sich der durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung allenfalls bewirkte Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aus Gründen der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK als gerechtfertigt. Wegen der fehlenden Aufenthaltsberechtigung seit dem Ablauf des Wiedereinreise-Sichtvermerkes unterscheidet sich der Fall des Beschwerdeführers auch - trotz seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich - von jenen Fällen, in denen es nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine verfassungskonforme Interpretation gebietet, erstmalig gestellte Anträge auf Aufenthaltsbewilligungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG den Bestimmungen über rechtzeitig gestellte Verlängerungsanträge zu unterstellen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen und auch eine andere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, die der Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifen hätte, nicht hervorgekommen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Eintritt und Umfang der Rechtswirkungen von Entscheidungen nach AVG §68European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192519.X00Im RIS seit
02.05.2001Zuletzt aktualisiert am
21.11.2011