TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/23 W102 2007791-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2019
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Entscheidungsdatum

23.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W102 2007791-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Klaus KOCHER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 21.06.2019, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.05.2021 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 24.09.2012 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 22.04.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwiesen. Die Behörde erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließt eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 26.03.2015, U 10/2015z, wurde der Beschwerdeführer nach § 125 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2016 hinsichtlich Spruchpunkt I. (§ 3 AsylG) ab. Hinsichtlich Spruchpunkt II. (§ 8 AsylG) wurde der Beschwerde stattgegeben, dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2017 erteilt. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat nicht zumutbar erscheine und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Der Beschwerdeführer stamme aus Nangarhar, einer der volatilsten Provinzen. In Kabul verfüge der Beschwerdeführer nicht über ein familiäres bzw. soziales Netzwerk und auch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel. Es sei daher fraglich, ob der Beschwerdeführer sich ausreichend versorgen könnte. Auch sei die Lage am Arbeitsmarkt prekär und die allgemeine Wohnsituation sowie die Versorgung mit Lebensmitteln schlecht. Auch verfüge der Beschwerdeführer nicht über ausreichende örtliche Kenntnisse in Kabul. Der Beschwerdeführer leide auch an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12.09.2016, 6 Hv 66/16d, wurde der Beschwerdeführer unter Anwendung des § 19 JGG und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Probezeit zum Urteil vom 26.03.2015, U 10/2015z, wurde auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Mit Aktenvermerk vom 24.10.2016 hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass von der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG Abstand genommen werde, weil die Voraussetzungen für eine Aberkennung nicht vorliegen würden.

Auf Antrag des Beschwerdeführers hin wurde dem Beschwerdeführer nach niederschriftlicher Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.05.2017 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2017 (in der Folge: Verlängerungsbescheid) eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 31.05.2019 erteilt. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Voraussetzungen würden weiterhin vorliegen. Eine nähere Begründung könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen.

Am 06.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einem Aufenthalt in Pakistan im September 2017 niederschriftlich einvernommen und gab an, er sei mit einem im Akt namentlich genannten Freund nach Pakistan gereist und habe Urlaub gemacht. Auch sei seine Mutter krank und er habe sich besucht, sie sei in Pakistan am Krankenhaus gewesen, nunmehr aber bereits wieder nach Afghanistan zurückgekehrt.

Am 08.03.2019 brachte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

Außerdem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.03.2018 erteilt. Diesbezüglich führte die belangte Behörde begründend aus, die Herkunftsregion des Beschwerdeführers zähle zu den immer wieder von Kampfhandlungen betroffenen Regionen. Auch könne für den Beschwerdeführer als Hazara und Schiit eine potentielle Gefährdung durch die sunnitische Mehrheit nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers und seiner fehlenden Berufsausbildung wäre es für ihn in Afghanistan schwer, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Die Versorgungslage und die allgemeinen Lebensbedingungen seien schlecht.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.06.2019, zugestellt am 26.06.2019 (in der Folge: Aberkennungsbescheid), erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - nach niederschriftlicher Einvernahme am 07.05.2019 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die mit Erkenntnis 31.05.2016 erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.), setzte die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 5 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, für den Beschwerdeführer bestehe zum heutigen Zeitpunkt als alleinstehender, junger, arbeitsfähiger, gesunder Mann die Möglichkeit einer Rückkehr. Es liege eine relevante Gefährdungslage in Bezug auf die Heimatprovinz Nangarhar vor, eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazra-e Sharif oder Herat sei möglich. Der Beschwerdeführer habe Angehörige in Afghanistan, zu denen er Kontakt pflege und die ihn finanziell unterstützen könnten. Der Beschwerdeführer verfüge über wertvolle Berufserfahrung und hätte durch die in Österreich angeeigneten Kenntnisse einen Vorteil gegenüber anderen Arbeitssuchenden. Der Beschwerdeführer sei mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut und könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Er könne auch von seiner Volksgruppe Unterstützung erwarten. Dass der Beschwerdeführer nicht über Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif verfüge, reiche für die Annahme der Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus. Zudem zitiert die Behörde aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zur innerstaatlichen Fluchtalternative.

3. Am 19.07.2019 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dass sich die Situation des Beschwerdeführers seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht verändert habe. Der psychische Zustand des Beschwerdeführers sei instabil.

Am 21.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine im Akt namentlich genannte zeugin und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seine Rückkehrsituation befragt

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Konvolut medizinischer Unterlagen

* Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers

* Konvolut von Lohn/Gehaltsabrechnungen

* Deutschkursbestätigungen

* Mitteilung über die endgültige Strafnachsicht

* Mehrere Empfehlungsschreiben

* Versicherungsdatenauszug

* Einige Fotots

* Arbeitszeugnis des Arbeitgebers

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX in Samarkhel, Provinz Nangarhar, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Der Beschwerdeführer verfügt außerdem über gute Deutschkenntnisse.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 26.03.2015, U 10/2015z, wurde der Beschwerdeführer nach § 125 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12.09.2016, 6 Hv 66/16d, wurde der Beschwerdeführer unter Anwendung des § 19 JGG und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Die Probezeit zum Urteil vom 26.03.2015, U 10/2015z, wurde auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12.09.2016, 6 Hv 66/16d, verhängte Freiheitsstrafe wurde endgültig nachgesehen.

Der Vater des Beschwerdeführers ist im Jahr 2006 verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers und sechs Schwestern leben weiterhin in Afghanistan. Zu ihnen besteht Kontakt. Zwei Schwestern leben bei der Mutter und arbeiten als Haushaltshelferinnen in fremden Haushalten. Die übrigen Schwestern sind verheiratet. Eine weitere verheiratete Schwester des Beschwerdeführers lebt in Pakistan. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in Jalalabad, der Onkel väterlicherseits ist bereits verstorben.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat acht Jahre die Schule besucht und als Schneider gearbeitet.

Im Bundesgebiet ist der Beschwerdeführer seit August 2016 durchgehend in der Systemgastronomie beschäftigt. Er hat keinen Schulabschluss erworben und auch keine Berufsausbildung abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer ist nach wie vor in psychiatrischer Behandlung und nimmt Medikamente (Mirtazapin) ein.

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. Die Provinz Nangarhar zählt zu den volatilsten Provinzen des Herkunftsstaates, die Sicherheitslage hat sich seit dem Jahr 2011 verschlechtert. Seit dem Jahr 2016 konnte der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) die Taliban in Nangarhar destabilisieren, im Jahr 2019 galt Nangarhar als ISKP-Hochburg. Der ISKP wurde seither zurückgedrängt, ist aber insbesondere noch durch große terroristische Angriffe präsent. Die Taliban kontrollieren Gebiete in Nangarhar. Im Jahr 2018 kam es zu einer Steigerung ziviler Opfer um 111 % gegenüber 2017.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - ebenso verschlechtert. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen.

Die Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) hat sich nicht verbessert.

Es gab bereits in den Jahren 2016 und 2017 Rückkehrhilfe nationaler und internationaler Orgaisationen für Rückkehrer nach Afghanistan.

Versorgungslage und Lebensbedingungen im Herkunftsstaat haben sich, seit dem Jahr 2017 nicht verbessert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Geburtsjahr, Lebenswandel und Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionsangehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom 31.05.2016. Hinweise auf deren nichtzutreffen sind auch seither nicht hervorgekommen. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht darauf, dass im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer in deutscher Sprache problemlos möglich war.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug. Zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12.09.2016, 6 Hv 66/16d wurde der belangte Behörde überdies ein Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung übermittelt.

Die Feststellung zur endgültigen Strafnachsicht beruht auf der durch den Beschwerdeführer in Vorlage gebrachte diesbezüglichen Mitteilung des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19.09.2019.

Die Feststellungen zum Verbleib der Familienangehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.10.2019. Dass sein Vater im Jahr 2006 verstorben ist, hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben und legte das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2016 diese Angaben des Beschwerdeführers seiner Entscheidung zugrunde.

Zu seiner Beschäftigung im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einen Dienstvertrag, Gehaltsabrechnungen und einen Versicherungsdatenauszug vorgelegt. Dass der Beschwerdeführer keinen Schulabschluss erworben und auch keine Berufsausbildung abgeschlossen hat, ergibt sich daraus, dass Hinweise darauf im Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Die Feststellung zur fortgesetzten psychiatrischen Behandlung beruht darauf, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.10.2019 aktuelle Unterlagen vorgelegt hat. Ein umfassendes Konvolut medizinischer Unterlagen hatte der Beschwerdeführer bereits in den vorangehenden Verfahren eingebracht.

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), das insbesondere in Kapitel 3. Sicherheitslage, vom Konflikt und seinen Akteuren berichtet.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Nangarhar sind ebenso dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.22. Nangarhar, entnommen. Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul. Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh sind dem Länderinformationsblatt, Kapiel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh entnommen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, wo berichtet wird, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen gehört, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert habe. Es komme zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Allerdings lässt sich ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen.

Das Rückkehrhilfe bereits im Jahr 2016 gewährt wurde, ergibt sich aus den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 31.05.2016 getroffen hat. Dem aktuellen Länderinformationsblatt zufolge gibt es weiterhin Rückkehrhilfe nationaler und internationaler Organisationen und findet nicht Erwähnung, dass das Angebot seit 2016 zwischenzeitig (gänzlich) eingestellt worden wäre.

Zur Versorgungslage ist auszuführen, dass in diesem Bereich von einer Verbesserung der Situation nicht berichtet wird. Es wird unverändert von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten, von fortbestehender Abhängigkeit von Hilfsleistungen wegen der unveränderten Konfliktbetroffenheit berichtet (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) und lässt sich den Informationen zur allgemeinen Rückkehrsituation ebenso (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr und Kapitel 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge) nicht entnehmen, dass es zu einer Entspannung der Situation gekommen wäre. Zur medizinischen Versorgungslage ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 22. Medizinische Versorgung) eine noch immer deutlich mangelhafte Gesundheitsversorgung, auch wenn grundsätzlich von Fortschritten in den letzten zehn Jahren berichtet wird. Eine Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat ist jedoch nicht ersichtlich, weswegen eine dementsprechende Feststellung getroffen wurde. Weiter geht auch die belangte Behörde nicht von einer Verbesserung der Situation - weder hinsichtlich der allgemeinen Lebensbedingungen, noch hinsichtlich der Sicherheitslage - aus, sind dem Aberkennungsbescheid doch keine diesbezüglichen Ausführungen zu entnehmen.

Zur Plausibilität, Seriosität und Aktualität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, in der Fassung der Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Zwar wurde dem Beschwerdeführer zur jüngsten Fassung des Länderinformationsblattes nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, nachdem allerdings seinem Begehren vollinhaltlich entsprochen wurde, kann ihm hieraus kein Nachteil erwachsen. Die Behörde dagegen ist mit dem jüngsten Länderinformationsblatt zweifellos vertraut.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).

Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus der rechtlichen Beurteilung, wo die belangte Behörde ausführt, "Die Lage hat sich für Sie [...] in Bezug auf eine IFA in Mahra-e Sharif oder Herat geändert, da eine Rückkehr für Sie nun möglich ist." (Aberkennungsbescheid S. 133, AS 137) ergibt sich klar, dass die belangte Behörde sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Fallgegenständlich ist folglich zunächst zu prüfen, ob sich, seit dem Beschwerdeführer mit Verlängerungsbescheid vom 01.06.2017 zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nach § 8 Abs. 4 ASylG zuerkannt wurde, entweder die Umstände im Herkunftsstaat oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers wesentlich und nicht nur vorrübergehend geändert haben.

Der Verlängerungsbescheid bejaht bloß das weitere Vorliegen der Voraussetzungen, wobei auch die Einvernahme des Beschwerdeführers am 29.05.2017 keine Hinweise auf Sachverhaltsänderungen seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.05.2016 bietet. Sohin bestätigt der Verlängerungsbescheid lediglich, dass der Sachverhalt im Zeitpunkt der Zuerkennung weiterhin vorliegt.

Die maßgeblichen Änderungen der Umstände liegen den Ausführungen der belangten Behörde im Aberkennungsbescheid vom 21.06.2019 darin, dass der Beschwerdeführer als alleinstehender, junger, arbeitsfähiger, gesunder Mann nunmehr die Möglichkeit der Rückkehr habe, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative In Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar sei. Er habe Angehörigen in Afghanistan, zu denen er Kontakt pflege, die ihn finanziell unterstützen könnten, verfüge über wertvolle Berufserfahrung, hätte durch die in Österreich angeeigneten Kenntnisse einen Vorteil gegenüber anderen Arbeitssuchenden, sei mit den kulturellen Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut, könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und von seiner Volksgruppe Unterstützung erwarten. Die mangelnden Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten reichten für die Annahme der Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus.

Demnach geht die Behörde ihren Ausführungen zufolge von einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat nicht aus, sondern lediglich von einer Änderung der in der persönlichen Situation des Beschwerdeführers gelegenen Umstände.

Auch das Bundesverwaltungsgericht kommt auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu dem Schluss, dass es zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat gekommen ist.

Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass die belangte Behörde mit ihren Ausführungen eine tatsächliche Änderung nicht dartut. So war der Beschwerdeführer bereits zuvor ein alleinstehender, junger, arbeitsfähiger Mann. Auch die Angehörigen des Beschwerdeführers leben und lebten im Herkunftsstaat und liegt auch im aufrechten Kontakt zu diesen keine Änderung. Wie die Behörde zu dem Schluss kommt, diese könnten den Beschwerdeführer - entgegen der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom 31.05.2016 - unterstützen, bleibt ebenso im Dunkeln. Weiter besteht auch darin, dass der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann sowie in seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen keine Sachverhaltsänderung. Zur Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer verfüge über wertvolle Berufserfahrung, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der letzten gewährten Verlängerung seine Tätigkeit bereits ein Jahr ausübte und auch vor der Einreise in das Bundesgebiet im Herkunftsstaat Berufserfahrung gesammelt hatte. Sohin ist auch in diesem Punkt eine Änderung der individuellen Situation nicht ersichtlich und verfügt der Beschwerdeführer insbesondere weiterhin nicht über eine Berufsausbildung oder einen Schulabschluss. Inwiefern der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat von sonstigen Kenntnisse, die er sich im Bundesgebiet vermeintlich oder tatsächlich angeeignet haben könnte, profitieren soll, bleibt ebenso als bloße Floskel der belangten Behörde stehen, ohne dass ausgeführt würde, welche konkreten Kenntnisse in welchem Lebensführungsbereich im Fall der Rückkehr konkrete Auswirkungen hätten. Zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass bereits das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2016 die

Zur Ausführung (und Feststellung), der Beschwerdeführer sei gesund (die im Übrigen auf aktenwidrigen beweiswürdigenden Ausführungen beruht) ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 31.05.2016 auf Grundlage der vom Beschwerdeführer bereits damals in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen von einer psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers ausging, während gegenständlich festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer sich deshalb noch in Behandlung befindet. Sohin liegt auch hier keine Änderung der Umstände vor.

Sohin hat die belangte Behörde in der persönlichen Situation des Beschwerdeführers gelegene Sachverhaltsänderungen nicht dargetan und sich solche auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides vom 08.03.2017 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "die zu entscheidende Angelegenheit" im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht lediglich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.

Zu § 9 Abs. 2 AsylG hat der Verwaltungsgerichtshof ebenso bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen der Zuerkennungsentscheidung nicht zulässig ist, die Aberkennung auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG nicht geändert hat. Nur wenn neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Gefährdungsprognose von Bedeutung sein können, hat die Behörde eine neue Beurteilung des Gesamtverhaltens des Fremden vorzunehmen (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155 mwN).

Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers lagen im Zeitpunkt der letzten Verlängerung bereits vor und die belangte Behörde kommt in einem Aktenvermerk vom 24.10.2016 zu dem Schluss, dass von der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG Abstand genommen werde, weil die Voraussetzungen für eine Aberkennung nicht vorliegen würden. Sohin sind die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers als Sachverhaltselemente von der Rechtskraft des Verlängerungsbescheides umfasst und sind seither keine weiteren Sachverhaltselemente hinzugetreten, die für die Gefährdungsprognose bedeutsam sind.

Sohin war Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben.

3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte II. bis VII. des Aberkennungsbescheides

Nach § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides - mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde - ersatzlos behoben wurde, ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Aberkennungsbescheides, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen wurde, ersatzlos zu beheben.

Nachdem dem Beschwerdeführer infolge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides mit gegenständlichem Erkenntnis weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war auch die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Aberkennungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassene Rückkehrentscheidung sowie die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III., V. und VI.) ersatzlos zu beheben (Vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

3.3. Zum Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung

Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG bereits ausgesprochen, dass diese - im Unterschied zum mit dem Status des Asylberechtigten verbundenen Einreise- und Aufenthaltsrecht, das ex lege zukommt - kraft gesetzlicher Bestimmung gesondert erteilt werden muss (03.05.2018, Ra 2017/19/0373). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss grundsätzlich, dass über einen Verlängerungsantrag gesondert abgesprochen werden muss.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet die "Sache" des bekämpften Bescheids den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts. Es hat bei seiner Prüfung aufgrund der Beschwerde seine Beurteilung im Rahmen der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vorzunehmen, wobei als "Sache" nur jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewesen war im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung ist in diesbezüglichem umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 27 VwGVG [Stand 1.10.2018, rdb.at], Fn 8) mit umfassenden Judikaturnachweisen).

Nun hat die belangte Behörde im angefochtenen Aberkennungsbescheid den Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers zwar nicht explizit unter Bezugnahme auf die anzuwendende Gesetzesstelle abgewiesen. Allerdings hat sie mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Aberkennungsbescheides dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen.

Zur Beschränkung der Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts durch den Anfechtungsumfang der Beschwerde setzt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung voraus, dass der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbständige Teile trennbar ist, die unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können (VwGH 19.02.2018, Ra 2015/12/0008). Zu § 20 Abs. 1a NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Dauer, für die ein Aufenthaltstitel erteilt wird, nicht vom Umstand der Titelerteilung an sich getrennt werden kann (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/22/0156).

So ist auch hinsichtlich des Entzuges Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG, die den Umstand der Titelerteilung betrifft, sowie hinsichtlich der Verlängerung nach § 8 Abs. 4 AsylG, die die Dauer, für die der Aufenthaltstitel erteilt wird, betrifft, von Untrennbarkeit der Absprüche auszugehen und kann der Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur so verstanden werden, dass damit gleichzeitig - wenngleich verfahrensgegenständlich implizit - der Verlängerungsantrag nach § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (VwGH 13.09.2018, Ra 2018/16/0062), wobei gegenständlich, nachdem das Bundesverwaltungsgericht zu einer inhaltlich anderslautenden Entscheidung kommt und den Entzug der Aufenthaltsberechtigung nach § 9 Abs. 4 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Aberkennungsbescheides) ersatzlos behoben hat, dem Verlängerungsantrag (nunmehr explizit) spruchgemäß stattzugeben war.

Der Beschwerdeführer beantragte die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mit am 08.03.2019 bei der belangten Behörde einlangendem Schreiben und damit vor Ablauf der ihm mit Verlängerungsbescheid vom 01.06.2017 bis 31.05.2019 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung und sohin fristgerecht im Sinne des § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG. Dem Beschwerdeführer kam daher bis zur (rechtskräftigen) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ex lege (VwGH 24.05.2018, Ro 2017/01/0007 m.w.N.) eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu.

Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.1.), war dem Beschwerdeführer die mit Zuerkennungsbescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG um weitere zwei Jahre zu verlängern.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht orientiert seine Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG, wobei die vorzunehmenden Prüfschritte in der Entscheidung, VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353 besonders klar herausgearbeitet werden, nämlich, dass eine neue Gesamtbeurteilung der Rückkehrsituation erst dann zu erfolgen hat, wenn seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Auch, dass die Dauer, für die ein Aufenthaltstitel erteilt wird, nicht vom Umstand der Titelerteilung an sich getrennt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits unmissverständlich ausgesprochen (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/22/0156). Für die Feststellung des verfahrensrelevanten Tatsachensubstrates waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2 befristete Aufenthaltsberechtigung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Teilbehebung psychische Erkrankung Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Verlängerung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2007791.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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