TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/30 W272 2181687-1

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Veröffentlicht am 30.12.2019
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Entscheidungsdatum

30.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W272 2181687-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion West vom XXXX , Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet und Einreiseverweigerung seitens der Bundesrepublik Deutschland am 14.02.2016, am 17.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er in Afghanistan, Distrikt Kandahar geboren sei. Er habe keine Schulausbildung könne jedoch lesen. Seine Muttersprache sei Paschtu, die gesprochene Sprache jedoch Farsi (mittelmäßig). Er habe bis zum 31.08.2015 als Verkäufer gearbeitet. Sein Vater, XXXX sei 70 Jahre alt und seine Mutter XXXX , sei unbekannten Alters, beide würden in Afghanistan in Kandahar leben. Zwei Brüder, XXXX , 20 Jahre und XXXX 22 Jahre, würden ebenfalls in Kandahar leben und ein Bruder, XXXX , müsse in Österreich seit ca. 5 Tagen sein. Seine drei Schwestern würden ebenfalls in Kandahar leben. Er sei Paschtune und sunnitischer Moslem. Seine Wohnadresse sei XXXX gewesen. Er sei nach Österreich gekommen, da er von seinen Verwandten gehört habe, dass die Österreicher nett seien. Er möchte in Österreich bleiben und seinen Bruder treffen. Die Reise habe er selbst organisiert, diese habe ca. 3.000 US Dollar gekostet und er habe nur einen Mittelsmann der Schlepperorganisation kontaktiert, wie dieser Mann hieße, wisse er nicht. Die Kontaktaufnahme sei in der Stadt Nimrouz gewesen. In Afghanistan sei er mit einem weißen Pritschenwagen mit afghanischer Kennzeichen (KZ) und Lenker unterwegs gewesen. Die Fahrt wäre nach Pakistan gegangen. In Pakistan sei er mit einem weißen Pritschenwagen mit unbekanntem KZ unterwegs gewesen, der Lenker sei ein Pakistani gewesen. Im Iran sei er mit einem weißen PKW mit iranischem KZ und Lenker bis zur türkischen Grenze gefahren. Die Grenze habe er dann zu Fuß passiert. In der Türkei sei er mit einem weißen Minibus mit türkischen KZ und Lenker weitergefahren, die Stadt wisse er nicht mehr, danach sei er mit dem Boot nach Griechenland gefahren. Von Griechenland sei er mit dem Bus weitergefahren. Er habe nur den Mittelsmann gesehen, dieser sei ca. 40-45 Jahre alt gewesen, mollig und habe Halbglatze gehabt. Er sei ein Afghane oder Paschtune gewesen. Er habe sich auf Paschtu mit ihm unterhalten. Als Fluchtgrund gab er an, dass in seiner Heimatstadt Krieg bzw. Kriegszustände herrschen würden und er zudem von den Taliban gehindert worden sei die Schule zu besuchen. Was er bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte wisse er nicht.

Es wurden vorgelegt:

Teilnahmebestätigung Deutsch A1 Teil 1 für Asylwerber vom 15.11.2016 - 18.01.2017

Kursbestätigung Deutsch A1 Teil 2 für Asylwerber vom 20.01.2017 bis 15.03.2017

3. Sein Bruder XXXX , geb. XXXX in Kandahar gab bei der Erstbefragung am 14.02.2016 durchgeführt bei der Landespolizeidirektion Steiermark an, dass er Paschtune sei, sunnitischer Moslem, Farsi in Wort und Schrift könne, dies sei auch seine Muttersprache und 12 Jahre die Grundschule besucht habe. Er habe zuletzt als Fahrer gearbeitet. Seine mitgereisten Familienangehörigen seien, seine Ehefrau, zwei Töchter und ein Sohn. Er habe im Herkunftsland einen Vater, namens XXXX , welcher verstorben sei, eine Mutter mit 47 Jahren, zwei Brüder darunter auch der BF und zwei Schwestern. Eine Schwester, namens XXXX sei in Amerika und einen Bruder, namens XXXX sei in Schweden. Die Schleppung sei von einem Schlepper in Kandahar organisiert worden, er habe XXXX geheißen. Seine Wohnadresse sei XXXX gewesen. Die Schleppung sei mit verschiedenen Verkehrsmitteln erfolgt. Als Fluchtgrund gab er an, dass er für eine amerikanische Firma gearbeitet habe und immer wieder von den Taliban bedroht worden sei. Deshalb sei er geflüchtet. Sie seien über den Iran, in die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien nach Österreich gereist.

Die Schwägerin des BF, XXXX , geb. XXXX in Kabul gab bei der Erstbefragung am 14.02.2016 an, dass sie mit ihrem Mann, zwei Töchter und einem Sohn nach Österreich gereist sei. Sie seien über den Iran, in die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien nach Österreich gereist. Die Reise sei von ihrem Mann organisiert gewesen.

4. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.10.2017 gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er keine Probleme mit den anwesenden Personen habe. Der Beamte stellte klar, dass die Muttersprache des BF Paschtu sei und er auch Farsi spreche und fragte den BF, ob er damit einverstanden sei, dass die Einvernahme in der Sprache Farsi durchgeführt werde. Der BF gab an nicht Alles zu verstehen, da seine Muttersprache Paschtu sei. Daraufhin wurde die Einvernahme abgebrochen. Der Amtsleiter stellt fest, dass der BF mit dem Dolmetscher in Farsi kommuniziert, ohne ein einziges Mal rückgefragt zu haben.

Am 12.10.2017 erfolgte die zweite niederschriftliche Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu. Der BF gab nunmehr an Analphabet zu sein. Er zeigt am Handy einen Dienstausweis des Bruders der Firma Sadat Sakha Transportation (SST) für den Zeitraum 01.01.2014 - 01.01.2016 vor. Weiters gab der BF an, dass sein Bruder für diese Firma gearbeitet habe und der BF ihm auch geholfen haben. Weiters zeigte der BF am Handy einen Drohbrief, in welchem seine ganze Familie bedroht worden sei. Dieser Brief sei in der Nacht vor die Tür gelegt worden, in welcher Jahreszeit wisse er nicht mehr. Den Brief hätte sein Bruder gefunden. Der Drohbrief wäre diesem zugestellt worden, da sein Bruder bei der Firma gearbeitet habe, welche "Kafer" (kein Moslem) seien. Es habe nur einen Drohbrief gegeben. Sie hätten danach im fünfte Bezirk in Kandahar eine Beschwerde gemacht. Der BF sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Briefes bei seinem Onkel gewesen und daher nicht Zuhause. Sein Onkel habe im 3. Bezirk gewohnt. Dies sei ca. 1 Autostunde vom Wohnort des Bruders entfernt gewesen. Der BF sei gesund und nehme keine Medikamente. Er sei Paschtune und sunnitischer Moslem. Er habe keine Schule besucht, sondern nur die Koranschule. Da er nicht gut lesen konnte, habe er nicht gut gelernt. Er sei in Kandahar aufgewachsen, und habe als Hilfskraft in einem Geschäft, wo handgeknüpfte Teppiche verkauft werden, gearbeitet. Er habe dort als Verkäufer gearbeitet. Er habe mit seinem Vater, vier Brüder und drei Schwestern gemeinsam gewohnt. Sein Vater und sein älterer Bruder hätten ihn unterstützt. Er habe mit 10 oder 12 Jahren zu arbeiten begonnen und verschiedene Berufe ausgeübt, zb. als Tischler oder auf einer Baustelle. Das erste Land nach der Ausreise war Pakistan, danach sei er in den Iran und von dort in die Türkei. Sein Bruder habe das entschieden. Sein Vater sei vor fünf Jahren gestorben. Sein Bruder habe die Schule nach 12 Jahren abgeschlossen, jetzt gehe dieser vielleicht auf die Universität. Seine Mutter, ein ältester Bruder und die beiden kleinen Schwestern seien nun im Iran. Seine beiden Schwestern XXXX und XXXX seien Zuhause. Wo seine Familie nun im Iran sei, wisse er nicht, dass habe ihm sein Bruder, welcher in Österreich ist, erzählt. Nun sei niemand in Afghanistan, sein Onkel sei Händler in Dubai und dessen Familie in Pakistan. Er habe nur einen Onkel. Die Familie sei in den Iran geflüchtet, da sie nach seiner Ausreise bedroht worden seien. Die Taliban hätten die Familie gefragt, wo er und sein Bruder seien. Es sei in Kandahar Krieg gewesen, deswegen sei seine Familie in den Iran geflüchtet. Der BF wisse nicht, wer seine Familie bedroht habe, dies wisse nur sein Bruder. Den Brief habe er gestern über Telefon bekommen, das Original sei in Afghanistan, da sein Bruder Angst gehabt hätte diesen mitzunehmen. Er habe nachdem, er und sein Bruder den Brief bekommen haben, Angst bekommen und habe mit seinem Bruder entschieden Afghanistan zu verlassen. Er sei von Kandahar nach Nimruz gefahren. Ging dann ein paar Stunden zu Fuß und sei dann mit dem Auto weitergefahren. Mit dem Auto sei er nach Pakistan gefahren und dann in den Iran. Wieviel die Reise gekostet habe, wisse er nicht, dies hätte sein Bruder organisiert. Wann er los gefahren sei wisse er auch nicht, die Reise habe ca. 45 Tage gedauert. Das Geld sei durch den Verkauf von einem Grundstück und einem Auto aufgetrieben worden. Das Auto hätte der Bruder verkauft. Er habe Afghanistan verlassen, da er von den Taliban bedroht worden sei und dort Krieg herrsche. Er habe Angst gehabt. Ein fluchtauslösendes Ereignis habe es nicht gegeben. Er sei nie persönlich bedroht worden, der Drohbrief lag vor der Tür, nach dem Drohbrief haben sie schnell gehandelt und haben nach 2 oder 3 Tagen den Herkunftsstaat verlassen. Seine Familie sei zunächst nicht ausgereist, da sich seine Familie versteckt gehalten hätten, als er mit seinem Bruder ausgereist sei. Er könne nicht nach Afghanistan, da die Taliban wissen, dass sein Bruder als Fahrer bei den Amerikanern tätig war und sie würden ihn als Spion betrachten.

Im Zuge des bisherigen Verfahrens wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

* Namensausweis des Bruders von der Firma SST als Personalfahrer - 01.01.2014-01.01.2016;

* Antrag vom 04.09.1394 (25.11.2015) an Sicherheitskommandant in Kandahr, dass am 02.09.1394 eine briefliche Bedrohung durch andere Personen erfolgte und auch telefonisch;

* Drohbrief durch die Islamische Bewegung der Taliban vom 11.03.1437 (23.12.2015)

* Anerkennungsurkunde vom 20.11.2015 für das Engagement und Hingabe und Leistung als Fahrer des Personalbüros;

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt IV und V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In der Bescheidbegründung nahm die belangte Behörde vorweg, dass der vorgelegte Drohbrief eine Fälschung sei. So wurde der Drohbrief mit 23.12.2015 datiert, die Anzeige jedoch schon mit 25.11.2015, dh. vor Verfassung des Drohbriefes. Der BF brachte bei der Erstbefragung vor, dass er geflüchtet sei, da er durch die Taliban verhindert war an der ordentlichen Schule teilzunehmen. Es handle sich hiermit um ein gesteigertes Vorbringen. Die Taliban würden den BF auch nicht in einer Großstadt finden. Er sei arbeitsfähig, habe Berufserfahrung und würde eine zumutbare Lebensbedingung in Kabul vorfinden, zumal auch der Luftweg dorthin sicher sei. Auch zum Familienleben gab der BF und dessen Bruder widersprüchliche Angaben an. So gab der Bruder des BF bei der Erstbefragung am 14.02.2016 an, dass sein Vater XXXX bereits verstorben sei. Der Wohnsitz sei in Kandahr, XXXX . Und er erwähnte den BF nicht. Vielmehr gab er an, dass sein Bruder namens XXXX , 17 Jahre alt ist und bei seiner Familie in Afghanistan sei. Die Schwägerin, XXXX erwähnte den BF ebenfalls nicht. Beide gaben als Muttersprache Farsi an. Auch wurden die drei am selben Tag, nämlich den 10.02.2016, in Griechenland bei den Behörden erkennungsdienstlich behandelt, dies sei aus der verglichenen Eurodactreffernummer ersichtlich ( XXXX ). Auch sind die Daten des Vaters anders (Vater 70 Jahre alt - vs. - verstorben, keine Erwähnung des mitgereisten Bruders namens XXXX , sondern vielmehr die Angabe über den Aufenthalt des Bruders namens XXXX in Afghanistan). Der BF erwähnte nicht, dass er Geschwister in Amerika und Schweden hatte, gab andere Angaben über Anzahl Namen und Alter der Geschwister und Wohnadresse der Familie an sowie eine unterschiedliche Muttersprache. Die Lebensbedingungen in Afghanistan seien schwierig, aber aufgrund der persönlichen Situation des BF, gesund, Sprachkenntnisse, arbeitsfähig, Berufserfahrung, Kenntnisse der afghanischen Kultur sei es ihm möglich und zumutbar in Kabul ein Leben ohne Härte zu führen. Der BF könne auch eine finanzielle Rückkehrhilfe erhalten, welche ihn den Neubeginn in Afghanistan erleichtern könnte. Insgesamt folgerte die Behörde, dass sie von keinem realem Inhalt seines Fluchtvorbringens ausgehe. Der BF sei auch noch nicht so stark in Österreich integriert. Die Rückkehr liege im öffentlichen Interesse und stehe nach Abwägung über seinen subjektiven Interessen. Eine Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig.

6. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner gesetzlichen Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung, ein. Der BF hätte bei der Erstbefragung nicht alle Gründe genannt, da er müde war. Warum die Daten des Drohbriefes und der Anzeigebestätigung unterschiedlich sind könne der BF nicht angeben, da er Analphabet sei. Sein Bruder sei vor dem BF eingereist, daher konnte der BF nicht angegeben werden, sie hätten sich in Griechenland verloren. Bezüglich der Angaben der Familienangehörigen in Afghanistan habe es Missverständnisse gegeben und der BF hab die Frage nicht gut verstanden. Er wisse nun von seinem Bruder, dass die Familienangehörigen mittlerweile in den Iran geflohen seien. Weiters hätte das Verfahren des Bruders in die Entscheidung des BF miteinbezogen werden müssen, die Unterlassung würde einen Verfahrensfehler darstellen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan sei in ganz Afghanistan keine innerstaatliche Fluchtalternative möglich, auch nicht in Kabul. Dazu brachte der BF eine Berichte aus den Jahren 2016 und 2017 vor. Sowie den Amnesty International Report 2016/17 zu Afghanistan Februar 2017, sowie auf den Bericht von Friederike Stahlmann im Asylmagazin 3/2017. Weiters wurden Urteile vorgebracht, welche sich mit der Verfolgung von Flüchtlingen, aufgrund der Verweigerung sich dem Dschihat anzuschließen, auseinandersetzte sowie das zugezogene Leute aus dem Ausland, potentielle Verfolgte sein können. Es wäre daher dem BF auch Asyl zu gewähren, da der Bruder des BF bei einer "ungläubigen" Firma tätig war und von den Taliban als Verräter betrachtet wurde. Kabul hätte viele Anschläge zu verzeichnen, sodass dem BF nicht möglich wäre ein Leben ohne Härte zu führen und aufgrund der Sicherheitslage er von Anschlägen bedroht wäre. Eine Rückführung nach Afghanistan wäre eine Verletzung nach Art. 2 und 3 EMRK. Dies zeigt auch eine Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.Juni 2017 zu Afghanistan. Auch sei die Rückkehrentscheidung unzulässig, zumal der BF alle in Rahmen seiner Möglichkeit gebotenen Angebote durchgeführt habe und entsprechende Kurse besucht habe. Er habe auch keine Angehörigen in Afghanistan.

7. Weite Unterlagen wurden vorgelegt:

.) Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs am 20.12.2017

.) Empfehlungsschreiben Pfarre Gampern

.) Deutschkursbestätigung A1/Teil 1 und 2 und Zertifikat A1

.) Bestätigung für Hilfstätigkeiten für Marktgemeinde Seewalchen

8. Mit Schreiben vom 20.08.2018 wurde eine Vollmachtsbekanntgabe für XXXX an das BVwG vorgelegt.

9. Im Rahmen der Verhandlung am 04.12.2019 wurde seitens der Vertretung eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt, in der die Anschläge in Afghanistan für den Zeitraum Juni 2019 bis November 2019 aufgelistet wurde. Darunter ua. ein Anschlag in Herat mit 4 Toten und 25 Verletzte. Es wurde kein Anschlag in der Stadt Mazar-e-Sharif aufgelistet. Weiters wurde auf die Schwierigkeit der Erlangung einer Tazkira hingewiesen, die schlechte Sicherheitslage in Kabul. Abschließend wurde festgestellt, dass der BF keinerlei soziale Kontakte in Afghanistan habe, seine Familie im Iran sei und sein Vater verstorben. Die Rückkehr bedeute für den BF, dass er vor dem finanziellen, sozialen und kulturellen Nichts stehe. Er könne in Afghanistan kein Leben führen, welches im Einklang mit der EMRK stehe. Beigelegt wurden noch Schlagzeilen von Anschlägen in Afghanistan in Kabul und sonstige Berichte über Afghanistan.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, in der Provinz Kandahar geboren und hat bis zur Ausreise im Jahr 2016 in Kandahar gelebt. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan die Koranschule besucht und in verschiedenen Berufen gearbeitet. In seinem Herkunftsland verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandte. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Dari, Farsi und Paschtu. Er kann ein wenig lesen. Der BF kennt die afghanische Kultur.

Der BF ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt, gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, er hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Der unbescholtene BF hat in Österreich Familienangehörigen und geringe Kontakte mit diesen. Er hat in Österreich diverse Kurse darunter Deutschkurse besucht und ein ÖSD-Zertifikat der Niveaustufe A1 erlangt sowie einen Werte- und Orientierungskurs absolviert. Er hat in seiner Gemeinde freiwillige Arbeiten geleistet, aber sonst keine enge Beziehung zu Österreichern. Der Beschwerdeführer kann sich in einfachen Sätzen in Deutsch verständigen. Er wird derzeit in Deutsch unterrichtet und betreibt Sport. Der BF verfügt über geringen Kontakte mit Österreichern. Er geht keiner dauerhaften Beschäftigung nach. Auch geht der BF keinen kulturellen oder sozialen Aktivitäten nach. Er lebt von der Grundversorgung und hat keine strafrechtliche Verurteilung.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wurde nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland:

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wird der BF aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht oder verfolgt.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat bzw., dass er als afghanischer Staatsangehöriger, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Bezüglich der Rückkehr nach Afghanistan in die Provinz Kandahar wird festgestellt, dass die Reise dorthin eine Gefahr für seinen Leib und Leben darstellt. Die Provinz zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv. Es wird als volatile Gegend bezeichnet und das Erreichen dieser Ortschaften ist nicht sicher. In einer Zusammenschau wäre der BF daher mit großer Wahrscheinlichkeit in Gefahr einen ernstlichen Schaden zu erleiden.

Dem BF steht eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zur Verfügung, obwohl in diesen beiden Städten eine angespannte Situation vorherrschen. Diese beiden Städte sind aber als innerstaatliche Fluchtalternative möglich. Es ist ihm möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF würde bei seiner Rückkehr in eine dieser Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif oder Herat unterstützen. Die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines persönlichen Ausweises/Dokumentes ist nicht gegeben.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Die Städte Mazar-e-Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen und vom jeweiligen Flughaften in die Stadt. Die Rückführung nach Afghanistan wird von Österreich organisiert.

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt (Stand 13.11.2019).

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

 

2016

2017

2018

2019

Jänner

2111

2203

2588

2118

Februar

2225

2062

2377

1809

März

2157

2533

2626

2168

April

2310

2441

2894

2326

Mai

2734

2508

2802

2394

Juni

2345

2245

2164

2386

Juli

2398

2804

2554

2794

August

2829

2850

2234

2443

September

2493

2548

2389

-

Oktober

2607

2725

2682

-

November

2348

2488

2086

-

Dezember

2281

2459

2097

-

insgesamt

28.838

29.866

29.493

18.438

Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):

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Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)

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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019))

Jahr

Tote

Verletzte

Insgesamt

2009

2.412

3.557

5.969

2010

2.794

4.368

7.162

2011

3.133

4.709

7.842

2012

2.769

4.821

7.590

2013

2.969

5.669

8.638

2014

3.701

6.834

10.535

2015

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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