TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 W102 2226126-1

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Veröffentlicht am 02.01.2020
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Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1 Z34
UVP-G 2000 Anh1 Z43 lita
UVP-G 2000 Anh1 Z43 litb
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §2 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs4
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3a Abs3
UVP-G 2000 §3a Abs5
UVP-G 2000 §3a Abs6
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W102 2226126-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , XXXX XXXX und XXXX gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 02.10.2019, Zl. ABT13-11.10-541/2019-22, betreffend die Feststellung, dass die von XXXX beabsichtigte Erweiterung der Schweinehaltung in XXXX nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 02.10.2019, Zl. ABT13-11.10-541/2019-22, wurde festgestellt, dass die von XXXX beabsichtigte Erweiterung der Schweinehaltung in XXXX nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege.

Gegen diesen Bescheid haben XXXX fristgerecht Beschwerden erhoben und wurden diese Beschwerden von der belangten Behörde dem BVwG mit Schreiben vom 29.11.2019 vorgelegt.

Die Beschwerdeführer bringen in den Beschwerden zusammengefasst Folgendes vor: Als Eigentümer von Liegenschaften im Umkreis von 26 bis 130 m von den geplanten Erweiterungen sei der Lebensraum stark vorbelastet durch eine unverhältnismäßig hohe Dichte an Massentierhaltungsbetrieben. Die Liegenschaften unterlägen einem enormen Wertverlust. Die Geruchsvorbelastung in XXXX sei unberücksichtigt. Der Ist-Zustand sei aufgrund eines anhängigen Sanierungsverfahren nach § 29 Abs 6 Stmk Baugesetz nicht rechtskonform. Die Immissionsbeiträge Lärm und Geruch seien mangelhaft erhoben worden. Es fehle jegliche medizinische Beurteilung und auch die Beurteilung der MRSA-Problematik durch vermehrten Einsatz von Antibiotika. Die gesetzeskonforme Entsorgung der Schweinegülle und der Verdacht auf Vorliegen eines Umgehungstatbestandes sei nicht überprüft worden. Schließlich seien die erhöhten Belastungen durch den höheren Tierbestand nicht berücksichtigt worden. Das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den bekämpften Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung dahingehend abändern, dass festgestellt werde, dass das Vorhaben der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt.

In der Stellungnahme der belangten Behörde im Vorlageschreiben vom 29.11.2019 mit zwei fachlichen Stellungnahmen betreffend Luftreinhaltung und Schalltechnik als Beilage wurde der Antrag gestellt, die Beschwerden abzuweisen.

Vom Projektwerber wurde zu den Beschwerden mit Schreiben vom 23.12.2019 eine Stellungnahme abgegeben und der Antrag gestellt, die Beschwerden mangels Parteistellung zurück- bzw. jedenfalls mangels Begründetheit abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Beschwerdelegitimation und Rechtzeitigkeit der Beschwerden

Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn beschwerdelegitimiert sind. Sämtliche Beschwerden sind fristgerecht und zulässig.

1.2. Allgemeines

Beim gegenständlichen Vorhaben handelt es sich um ein Änderungsvorhaben im landwirtschaftlichen Betrieb von XXXX , auf den Grundstücken Nr. . XXXX und XXXX , je KG XXXX .

Der legalisierte Bestand stellt sich wie folgt dar: Gebäude 1: XXXX Mastschweinplätze, Gebäude 3: XXXX Mastschweinplätze und Gebäude 4: XXXX Mastschweinplätze, also insgesamt XXXX Mastschweinplätze.

Geplant ist die Erhöhung des Tierbestandes um XXXX Mastschweinplätze, XXXX Sauenplätze und XXXX Ferkelplätze. Dazu sind laut Projekt einerseits der Neubau von Stallgebäuden und anderseits Nutzungsänderungen von bestehenden Stallgebäuden vorgesehen.

Das Vorhaben liegt in einem Schutzgebiet der Kategorie E (Siedlungsgebiet) im Sinne des Anhanges 2 UVP-G 2000.

Schutzwürdige Gebiete der Kategorie C (Wasserschutz- und Schongebiete gemäß §§ 34,35 und 37 WRG) sind nicht betroffen.

Im Umkreis von ca. 1,5 km bestehen nach Angabe der Baubehörde 18 landwirtschaftliche Betriebe.

Die geplante Erweiterung der Schweinehaltung steht nicht mit anderen gleichartigen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang.

1.3. Luft

Das geplante Vorhaben wird in der gesamten Umgebung ausschließlich zu Verbesserungen der Geruchsimmissionen führen. Insgesamt ist somit durch die geplante Änderung eine Verbesserung der Luftqualität zu erwarten. Dies gilt auch für Ammoniak.

1.4. Lärm

Ein allfälliger schalltechnischer Zusammenhang mit dem Nachbarbetrieb XXXX ist unbeachtlich, da dieser nur über XXXX Mastschweine verfügt und damit die 5% Schwelle der Z 43 des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 nicht erreicht.

Insgesamt ist durch die geplante Änderung im umliegenden Siedlungsgebiet keine wesentliche Veränderung durch die Kumulation gegeben und folglich auch keine gesundheitsgefährdende bzw. lebensbedrohende Schallsituation zu erwarten.

1.5. UVP-Tatbestände

Das vorliegende Projekt stellt ein Änderungsvorhaben dar. Das Vorhaben liegt in einem schutzwürdigen Gebieten der Kategorie E, weshalb Z 34 lit b (Spalte 3) Anhang 1 zum UVP-G 2000 zum Tragen kommt.

Ferkel sind bei der Berechnung der Schwellenwerterreichung nicht zu berücksichtigen. Die projektgegenständlichen XXXX Mastschweineplätze und XXXX Sauenplätze erreichen den Schwellenwert gemäß Anhang 1 Z 43 lit a (Spalte 2) UVP-G 2000 zu 24,46 % und jenen gemäß Anhang 1 Z 43 lit b (Spalte 3) UVP-G 2000 zu 42,12%.

Durch die Änderung der bestehenden Schweinehaltung werden weniger als 25 % des in Z 43 1 lit a (Spalte 2) Anhang 1 zum UVP-G 2000 geforderten Schwellenwertes, jedoch mehr als 25% des Schwellenwertes gemäß Z 43 1 lit b (Spalte 3) Anhang 1 zum UVP-G 2000 erreicht.

Da es keine, bezogen auf das Schutzgut Mensch in einem räumlichen Zusammenhang stehenden gleichartigen Vorhaben gibt, bzw. der einzige in einem räumlichen Zusammenhang stehende Betrieb bei der Berechnung der Schwellenwerterreichung nicht zu berücksichtigen ist, ist keine schutzzweckbezogene Einzelfallprüfung durchzuführen.

2. Beweiswürdigung

Die Beschwerdelegitimation für Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren wurde mit der Novelle zum UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 4/2016, im Gefolge des aufsehenerregenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.04. 2015, C-570/13, Gruber, als § 3 Abs 7a in das UVP-G 2000 eingefügt; vgl. für viele Lampert/Grassl, UVP: Ein Rückblick auf das Jahr 2016, ecolex 1/2017, 77. In der Rs. Gruber brachte der EuGH im Wesentlichen zum Ausdruck, dass Nachbarn nach Maßgabe der Bestimmungen der Aarhus-Konvention die Bindungswirkung eines negativen Feststellungsbescheids nicht entgegengehalten werden kann, wenn sie keine Möglichkeit hatten, die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen eines Verfahrens überprüfen zu lassen. Als Nachbarn/Nachbarinnen iSd angeführten Bestimmung gelten Personen, die gemäß § 19 Abs 1 Z 1 UVP-G 2000 durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind. Die Feststellung betreffend die Annahme der Nachbareigenschaft der Beschwerdeführer ergibt sich aus den Beschwerden. Die Feststellung zur fristgerechten Beschwerdeerhebung der Beschwerden ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

Die Feststellungen zum Vorhaben und zum Schutzgebiet der Kategorie E ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten.

Die Feststellungen zu den Fachbereichen Luftreinhalte- und Schalltechnik ergeben sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der amtlichen Sachverständigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Grundsätzliches

Gemäß Art 131 Abs. 4 Z 2 lit a B-VG iVm § 40 Abs 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Nach § 40 Abs 2 UVP-G 2000 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senate, ausgenommen in Verfahren wie das gegenständliche nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, weshalb das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Beurteilungsgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist gemäß den §§ 14 und 15 VwGVG der angefochtene Bescheid.

Trotz eines dementsprechenden Antrages konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen ist.

3.2. UVP-Tatbestände

Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs 2 UVP-G 2000 ist ein Vorhaben die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen. Ein Vorhaben kann eine oder mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen, wenn diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

Nach § 3 Abs 1 UVP-G 2000 sind Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen.

§ 3 Abs 4 UVP-G 2000 lautet:

Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 ein Schwellenwert in bestimmten schutzwürdigen Gebieten festgelegt ist, hat die Behörde bei Zutreffen dieses Tatbestandes im Einzelfall zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Abs. 7 (Feststellungsverfahren) ist anzuwenden. Bei der Entscheidung im Einzelfall hat die Behörde folgende Kriterien zu berücksichtigen:

----------

1.-Merkmale des Vorhabens (Größe des Vorhabens, Kumulierung mit anderen Vorhaben, Nutzung der natürlichen Ressourcen, Abfallerzeugung, Umweltverschmutzung und Belästigungen, Unfallrisiko),

2.-Standort des Vorhabens (ökologische Empfindlichkeit unter Berücksichtigung bestehender Landnutzung, Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebietes, Belastbarkeit der Natur, historisch, kulturell oder architektonisch bedeutsame Landschaften),

3.-Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Ausmaß der Auswirkungen, grenzüberschreitender Charakter der Auswirkungen, Schwere und Komplexität der Auswirkungen, Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen) sowie Veränderung der Auswirkungen auf die Umwelt bei Verwirklichung des Vorhabens im Vergleich zu der Situation ohne Verwirklichung des Vorhabens. Bei Vorhaben der Spalte 3 des Anhanges 1 ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich.

Gemäß § 3 Abs 7 UVP-G 2000 hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird.

§ 3a Abs 3, Abs 5 und 6 UVP-G 2000 lauten:

(3) Für Änderungen sonstiger in Spalte 2 oder 3 des Anhanges 1 angeführten Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem vereinfachten Verfahren durchzuführen, wenn

----------

-1. der in Spalte 2 oder 3 festgelegte Schwellenwert durch die bestehende Anlage bereits erreicht ist oder durch die Änderung erreicht wird und durch die Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% dieses Schwellenwertes erfolgt oder

-2. eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% der bisher genehmigten Kapazität des Vorhabens erfolgt, falls in Spalte 2 oder 3 kein Schwellenwert festgelegt ist,

und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 zu rechnen ist.

(5) Soweit nicht eine abweichende Regelung in Anhang 1 getroffen wurde, ist für die Beurteilung der UVP-Pflicht eines Änderungsprojektes gemäß Abs. 1 Z 2 sowie Abs. 2 und 3 die Summe der Kapazitäten, die innerhalb der letzten fünf Jahre genehmigt wurden einschließlich der beantragten Kapazitätsausweitung heranzuziehen, wobei die beantragte Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 25% des Schwellenwertes oder, wenn kein Schwellenwert festgelegt ist, der bisher genehmigten Kapazität erreichen muss.

(6) Bei Änderungen von Vorhaben des Anhanges 1, die die in Abs. 1 bis 5 angeführten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert oder das Kriterium des Anhanges 1 erreichen oder erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplante Änderung durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Änderungsvorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des § 3 Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, § 3 Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen.

Z 43 lit. a und b des Anhangs 1 UVP-G 2000 lautet:

Z 43

 

a) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren ab folgender Größe: 48 000 Legehennen-, Junghennen-, Mastelterntier- oder Truthühnerplätze 65 000 Mastgeflügelplätze 2 500 Mastschweineplätze 700 Sauenplätze

b) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Tieren in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie C oder E ab folgender Größe: 40 000 Legehennen-, Junghennen-, Mastelterntier- oder Truthühnerplätze 42 500 Mastgeflügelplätze 1 400 Mastschweineplätze 450 Sauenplätze Betreffend lit. a und b gilt: Bei gemischten Beständen werden die Prozentsätze der jeweils erreichten Platzzahlen addiert, ab einer Summe von 100% ist eine UVP bzw. eine Einzelfallprüfung durchzuführen; Bestände bis 5% der Platzzahlen bleiben unberücksichtigt.

Gemäß Anhang 2 UVP-G 2000 umfassen schutzwürdige Gebiete der Kategorie E laut Anhang 1 des UVP-G 2000:

Kategorie

schutzwürdiges Gebiet

Anwendungsbereich

A

besonderes Schutzgebiet

nach der Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie), ABl. Nr. L 20 vom 26.01.2009 S. 7 zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 S. 193, sowie nach der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie), ABl. Nr. L 206 vom 22.7.1992 S. 7, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 S. 193, in der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannte Schutzgebiete; Bannwälder gemäß § 27 Forstgesetz 1975; bestimmte nach landesrechtlichen Vorschriften als Nationalpark 1) oder durch Verwaltungsakt ausgewiesene, genau abgegrenzte Gebiete im Bereich des Naturschutzes oder durch Verordnung ausgewiesene, gleichartige kleinräumige Schutzgebiete oder ausgewiesene einzigartige Naturgebilde; in der Liste gemäß Artikel 11 Abs. 2 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (BGBl. Nr. 60/1993) eingetragene UNESCO-Welterbestätten

B

Alpinregion

Untergrenze der Alpinregion ist die Grenze des geschlossenen Baumbewuchses, dh. der Beginn der Kampfzone des Waldes (siehe § 2 ForstG 1975)

C

Wasserschutz- und Schongebiet

Wasserschutz- und Schongebiete gemäß §§ 34, 35 und 37 WRG 1959

D

belastetes Gebiet (Luft)

gemäß § 3 Abs. 8 festgelegte Gebiete

E

Siedlungsgebiet

in oder nahe Siedlungsgebieten. Als Nahebereich eines Siedlungsgebietes gilt ein Umkreis von 300 m um das Vorhaben, in dem Grundstücke wie folgt festgelegt oder ausgewiesen sind: 1. Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen (ausgenommen reine Gewerbe-, Betriebs- oder Industriegebiete, Einzelgehöfte oder Einzelbauten), 2. Gebiete für Kinderbetreuungseinrichtungen, Kinderspielplätze, Schulen oder ähnliche Einrichtungen, Krankenhäuser, Kuranstalten, Seniorenheime, Friedhöfe, Kirchen und gleichwertige Einrichtungen anerkannter Religionsgemeinschaften, Parkanlagen, Campingplätze und Freibeckenbäder, Garten- und Kleingartensiedlungen.

 

 

 

1) Gebiete, die wegen ihrer charakteristischen Geländeformen oder ihrer Tier- und Pflanzenwelt überregionale Bedeutung haben.

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass das vorliegende Projekt ein Änderungsvorhaben darstellt, welches in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie E liegt, weshalb Z 34 lit b (Spalte 3) Anhang 1 zum UVP-G 2000 zum Tragen kommt. Ferkel sind bei der Berechnung der Schwellenwerterreichung nicht zu berücksichtigen. Die projektgegenständlichen XXXX Mastschweineplätze und XXXX Sauenplätze erreichen den Schwellenwert gemäß Anhang 1 Z 43 lit a (Spalte 2) UVP-G 2000 zu 24,46 % und jenen gemäß Anhang 1 Z 43 lit b (Spalte 3) UVP-G 2000 zu 42,12%.

Gemäß § 3a Abs 6 UVP-G 2000 hat die Behörde bei Änderungen von Vorhaben des Anhanges 1, die die in Abs 1 bis 5 leg. cit. angeführten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesen gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert oder das Kriterium des Anhanges 1 erreichen oder erfüllen, im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die geplante Änderung durchzuführen ist. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25% des Schwellenwertes aufweist. Durch die Änderung der bestehenden Schweinehaltung werden zwar weniger als 25 % des in Z 43 1 lit a (Spalte 2) Anhang 1 zum UVP-G 2000 geforderten Schwellenwertes, jedoch mehr als 25% des Schwellenwertes gemäß Z 43 1 lit b (Spalte 3) Anhang 1 zum UVP-G 2000 erreicht.

Zu Recht hat die belangte Behörde daher eine Kumulationsprüfung durchgeführt. Da es keine, bezogen auf das Schutzgut Mensch in einem räumlichen Zusammenhang stehenden gleichartigen Vorhaben gibt, bzw. der einzige in einem räumlichen Zusammenhang stehende Betrieb bei der Berechnung der Schwellenwerterreichung nicht zu berücksichtigen ist, ist keine schutzzweckbezogene Einzelfallprüfung durchzuführen.

Im Ergebnis ist auch für das BVwG durch das Änderungsvorhaben nicht mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen.

3.3. Zu konkreten Beschwerdepunkten im Einzelnen

3.3.1. Zur Nichtberücksichtigung der Vorbelastung im Siedlungsbereich XXXX

Die Beschwerdeführer verweisen auf amtliche Luftgüteuntersuchungen in den Jahren 2011/2012 für Ammoniak NH³, welche im Siedlungsgebiet XXXX gegenüber der Hintergrundbelastung deutlich erhöhte jahresdurchschnittliche Konzentrationen gezeigt haben. Dazu ist festzuhalten, dass es für Ammoniak in Österreich keinen gesetzlichen Grenz- oder Richtwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit gibt. Durch das Einreichprojekt ergeben sich ausschließlich Verbesserungen der Geruchsimmissionen, daher kann aus immissionstechnischer Sicht davon ausgegangen werden, dass dieser Umstand auch für Ammoniak zutrifft. Insgesamt wird auf den Bescheid und auf die grafischen Darstellungen des Sachverständigen die Bestandsbelastung betreffend und auf die Verbesserung durch das geplante Vorhaben verwiesen.

3.3.2. Zur Nichtberücksichtigung von angeblich illegalen Tierbeständen

Im Rahmen der Kumulationsprüfung im UVP-Feststellverfahren ist der legalisierte Tierbestand maßgeblich und wurde dieser der behördlichen Prüfung zu Grunde gelegt. Allfällige bewilligungswidrige Nutzungen wären von der Baubehörde durch baupolizeiliche Maßnahmen gemäß § 41 Abs. 4 Stmk. BauG abzustellen.

3.3.3. Zur mangelhaften Erhebung der Immissionsbeiträge Lärm und Geruch

Auch diesbezüglich ist auf die im bekämpften Bescheid umfassend zitierten Gutachten der beiden Amtssachverständigen verwiesen. Die im Einreichprojekt beschriebene Abluftreinigungsanlage ist aus technischer Sicht in der Lage, Geruchs- und Ammoniakemissionen zu reduzieren. Die Reduktionswirkung wurde im Rahmen der DLG Zertifizierung auch nachgewiesen. Die durchgeführte lärmtechnische Beurteilung war für das UVP-Feststellverfahren begrenzt auf die Kumulierung der einzelnen Stallungen und daher wurden die Immissionspunkte auch bei den nachbarschaftlichen Betrieben gesetzt. Für das baurechtliche Verfahren wäre jedoch eine wesentlich tiefer gehende Prüfung, so wie es in der Beschwerde angeführt ist, erforderlich bzw. wären Auflagen zu definieren, um die Einhaltung des Standes der Technik zu garantieren.

3.3.4. Zur Nichteinholung eines umweltmedizinischen Gutachtens und zur fehlenden Beurteilung der MRSA-Problematik

Nach Ansicht der Beschwerdeführer fehle jegliche medizinische Beurteilung und auch die Beurteilung der MRSA-Problematik durch vermehrten Einsatz von Antibiotika. Die Einholung eines umweltmedizinischen Gutachtens war jedoch nicht erforderlich, da sich aus den luftreinhalte- und schalltechnischen Gutachten ergeben hat, dass der Schutzzweck des Siedlungsgebietes durch die projektbedingten Immissionen nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Bezüglich der fehlenden Beurteilung der MRSA-Problematik ist festzuhalten, dass im Rahmen des Feststellungsverfahrens eine Fokussierung auf problematische Bereiche zu erfolgen hat, bei Intensivtierhaltung ist es der Geruch (Vgl. BVwG 5.10.2017, W118 2169201).

3.3.5. Zur unterlassenen Prüfung der gesetzeskonformen Entsorgung der Schweinegülle

Die gesetzeskonforme Entsorgung der Schweinegülle und der Verdacht auf Vorliegen eines Umgehungstatbestandes sei aus Sicht der Beschwerdeführer nicht überprüft worden. Schließlich seien die erhöhten Belastungen durch den höheren Tierbestand nicht berücksichtigt worden.

Das Vorhaben liegt im Widmungsgebiet 1 des Grundwasserschutzprogrammes Graz bis Bad Radkersburg, nicht jedoch im Widmungsgebiet 2 (Schongebiete). Zweck dieses Regionalprogrammes ist es sicherzustellen, dass nicht mehr stickstoffhältiger Dünger ausgebracht wird, als die darauf befindliche Kultur aufnehmen kann bzw. der Boden verträgt. Bei Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung des Landeshauptmannes der Steiermark, LGBl. Nr. 24/2018, kann es keine erheblichen Auswirkungen auf das Schutzgut Boden/Wasser geben. Eine Kumulationsprüfung ist bereits aus diesem Grund nicht durchzuführen. Auch wurden die erhöhten Belastungen durch den höheren Tierbestand im behördlichen Verfahren berücksichtigt.

Für das Bundesverwaltungsgericht hat sich aus dem Beschwerdeverfahren insgesamt keine andere Beurteilung als die der Behörde ergeben. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in den gegenständlichen Beschwerden vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Änderungsantrag Änderungsbewilligungsverfahren Belästigung Berechnung Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Einzelfallprüfung Erweiterung Feststellungsverfahren Gutachten Immissionen Kumulierung Nachbarrechte Sachverständigengutachten Schwellenwert Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-Pflicht Vorhabensbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2226126.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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