TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 W105 2149885-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch

W105 2149885-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2019, Zl: 1077181805/191019429, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V., VI. und VIII. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als das Einreiseverbot auf 1 Jahr herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste spätestens am 07.07.2015 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag seinen 1. Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem der BF am 08.07.2015 von der PI XXXX erstbefragt wurde. Nach der Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 11.04.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), im Beisein einer für den Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.

2. Der BF brachte im Rahmen seiner Erstbefragung vor, dass seine Eltern schon vor vielen Jahren wegen des Krieges in Afghanistan in den Iran gezogen seien. Er sei dort geboren, habe aber dort keine Papiere erhalten. Er habe dort keine Schule besuchen und nicht arbeiten können. Das Leben im Iran sei für Afghanen schwer und hätten sie immer wieder Probleme mit Behörden bekommen.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 11.04.2016 machte der BF geltend, dass er den Iran verlassen habe, da er dort die notwendige Freiheit, die er haben hätte wollen, nicht bekommen hätte. Er habe im Iran keinen Status gehabt und sei von Seiten der Regierung und von Seiten der Gesellschaft unterdrückt worden. Nach Afghanistan sei er nicht gegangen, weil er in Afghanistan Krieg herrsche.

Es wurde seitens des BF keine gesundheitlichen Beschwerden geltend gemacht.

Der BF brachte erstinstanzlich folgende Dokumente/Unterlagen in Vorlage:

* vier Bestätigungen betreffend Deutschkurse;

* eine Teilnahmebestätigung von Miteinanderfüreinander;

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 16.02.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte aus, dass der BF keinerlei individuelle Verfolgungsgefahr durch seinen Herkunftsstaat glaubhaft machen habe können bzw. auch nicht behauptet habe. Dies ergebe sich daraus, dass er im Iran geboren sei und sein gesamtes selbstbestimmtes Leben außerhalb seines Herkunftsstaates verbracht habe. Es sei somit auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit schlichtweg kein Grund für eine individuelle Bedrohung/Gefährdung seiner Person in seinem Herkunftsstaat anzunehmen. Es konnte insgesamt keine GFK-relevante Verfolgung des BF festgestellt werden, noch drohe dem BF bei Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Die von ihm vorgebrachten Gründe für das Verlassen Somalias seien nicht glaubhaft. Beweiswürdigend führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass der BF keine individuelle Bedrohungs- bzw. Gefährdungslage glaubhaft vorgebracht hätte, welche er in Afghanistan ausgesetzt gewesen wäre.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 17.02.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Gegen den Bescheid vom 06.02.2017 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides. Begründend wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf sein individuelles Vorbringen einzugehen. Auch wäre eine Gesamtbeurteilung anhand der verfügbaren herkunftsstaatspezifischen Informationen und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes verabsäumt worden.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.03.2019, Zl. W260 2149885-1/18E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass keine Hinweise dafür vorliegen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgrundlage mehr vorfinden würde. Es wäre ihm möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative zurückzukehren.

8. Dieses Erkenntnis erwuchs am 18.06.2019 in Rechtskraft.

9. Der BF verließ im Mai 2019 das österreichische Bundesgebiet und reiste nach Deutschland weiter, von wo aus er sodann am 07.10.2019 nach Österreich rücküberstellt wurde.

10. Am 07.10.2019 stellte der BF sodann seinen nunmehr 2. Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.

Im Rahmen der Erstbefragung gab er auf die Frage, warum er neuerlich einen Asylantrag stelle und was sich seit der Rechtskraft gegenüber seinem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe, an, dass er in Österreich gelernt habe, wie man "Instagram"-Accounts sperren würde. Er wäre von einem Bekannten der afghanischen Sängerin " XXXX " beauftragt worden, die Instagram-Seite von General " XXXX " zu sperren, da dieser die Sängerin belästigt habe. Er habe sodann den Account von XXXX gesperrt, was der General erfahren habe und hätte ihm der General sodann per Telefon seine Ermordung angedroht. Er habe weiters den Instagram-Account von " XXXX ", welcher ein afghanischer Sänger wäre sowie auch Mitglied der afghanischen Mafia, gesperrt. Auch von diesem sei er in der Folge mit dem Tod bedroht worden. Er kenne Afghanistan nicht bzw. könne sich das Leben dort auch nicht vorstellen, da er im Iran geboren und aufgewachsen sei. Österreich und Afghanistan könne man nicht vergleichen. Er komme mit der afghanischen Denkweise nicht zurecht. Außerdem sei er nicht sehr religiös.

11. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 09.10.2019 gab der BF in Bezug auf etwaige verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat an, dass seine Eltern sowie ein Bruder sowie fünf Schwestern im Iran leben würden. In Afghanistan habe er keine Familienangehörigen. Er nutze Social Media und stehe auf diesem Wege mit seiner Familie in Kontakt. In Österreich würden die Familienangehörigen seines Onkels, welcher selbst verstorben wäre, leben.

12. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme des BF vor dem BFA am 15.10.2019 gab dieser zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er gelernt habe, wie man auf Instagram Accounts löschen könne. Er habe vor ca. 7 Monaten den Account von General XXXX gelöscht. Dieser habe auf instagram eine afghanische Sängerin namens XXXX beleidigt. Ein Fan dieser Künstlerin habe ihn aufgefordert, den Account zu löschen. Ein oder zwei Tage später habe er einen Anruf vom General bekommen, der ihm gesagt habe, dass er ihn getötet hätte, wenn er in Afghanistan wäre. Er habe den Account gelöscht, indem er das Foto vom General per Fotoshop nachgemacht habe. Konkret habe er einen gefälschten Reisepass fotografieren lassen. Er habe für den General einen falschen Reisepass und eine falsche Identität besorgt. Er habe dann eine e-mail an instagram geschickt und gemeint, dass diese Person ihn beleidigt bzw. seine Fotos ohne seine Erlaubnis verwendet hätte. Dann sei seine Instagram-Seite gelöscht worden. Dadurch, dass er auf seiner Instagram-Seite eine Story hochgeladen habe, in welcher er seine Aktion dargestellt habe, hätte der General davon erfahren.

Befragt, weshalb er nicht im Vorverfahren von dieser Aktion berichtet habe, gab er an, dass er Angst gehabt habe, da diese Handlung illegal gewesen sei und wäre er überdies zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus gewesen, da sein Onkel in stationärer Behandlung gewesen sei. Der Verein für Menschenrechte (VMÖ) hätte ihm außerdem gesagt, dass er keine Chance mehr hätte. Außerdem hätte der VMÖ seinen Fall nicht übernehmen wollen, da er inzwischen bei einem privaten Anwalt gewesen sei. Befragt, weshalb er den Sachverhalt nicht sofort in Österreich als neuen Asylgrund angegeben habe, sondern er im Mai 2019 nach Deutschland weitergereist sei, gab er an, dass er kein Geld dafür gehabt hätte und sein Anwalt keine Beschwerde mehr schreiben hätte wollen. Er habe wirklich Angst gehabt und zweitens wäre es illegal gewesen, was er getan habe. Er sei auch von einer anderen Person namens XXXX bedroht worden. Dieser habe via Instagram angerufen, da er beleidigt gewesen wäre, weil er den Account eines Freundes von ihm sperren habe lassen. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand gab er an, dass sich sein Asthma in den letzten 8 Monaten drastisch verschlechtert habe. Er verwende diesbezüglich einen Spray.

13. Im Rahmen der niederschriftliche Einvernahme des BF am 21.10.2019 vor dem BFA gab dieser zusammenfassend an, dass General XXXX in Afghanistan sehr bekannt und einflussreich sei. Er sei eine "Mafia-Person" und habe ihm vor wenigen noch einmal eine Drohnachricht übermittelt. Er habe wieder über instagram eine Voice-Nachricht erhalten. Er habe von Instagram nach der Löschung des Accounts des Generals eine Nachricht über die erfolgte Löschung erhalten und habe er von dieser einige Tage vor der letzten Einvernahme einen screenshot von seiner Seite am Computer gemacht. Nach Rückfrage, weshalb der BF der Aufforderung, die übermittelte Nachricht von Instagram nach der erfolgten Löschung des Accounts des Generals nicht vorzeigen könne, gab dieser an, dass die Nachricht schon längst gelöscht wäre. Er finde das nicht, weil er das Handy in Deutschland gekauft habe.

Nach Vorhalt, dass der BF letztlich als einziges Beweismittel, die Rückantwort von Instagram, dass sich das soziale Netzwerk bei ihm bedanke, dass er den behaupteten Missstand bezüglich des Generals aufgedeckt hätte, nicht erbracht habe, gab er an, dass das einzige Wort, das fehle, "Spam" wäre. Nach Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, gab er an, dass er nicht gelogen habe und so viele Beweise vorgelegt habe. Bezüglich seines Gesundheitszustandes gab er an, dass er in der Früh Tabletten und am Abend Schlaftabletten einnehme. Er leide an Schlafstörungen und habe Albträume.

Der BF brachte erstinstanzlich folgende Beweismittel in Vorlage:

* Screenshot einer ehemals aktiven Instagram Seite des Generals XXXX sowie eine Bestätigung von Instagram betreffend die Löschung dieser Seite

* Screenshot einer ehemals aktiven Seite von XXXX sowie eine Bestätigung von Instagram betreffend die Löschung dieser Seite

* Screenshots diverser chats mit Personen, die sich an den BF gewandt haben sollen betreffend die gewünschte Löschung von Instagram Accounts

* Screenshot einer von General XXXX übermittelten Botschaft via Instagram, auf welcher das Geld zu sehen sei, welches der General für den Tod des BF in Aussicht gestellt hätte

* Handschriftliches Schreiben auf Dari, in welchem der BF seine Angaben wiederholt

* eine Anleitung von Instagram betreffend die Vorgangsweise beim Verdacht eines Verstoßes gegen die Instagram-Gemeinschaftsrichtlinien

* chat-Protokoll einer Userin, weshalb der BF die zweite Instagram-Seite des Generals nicht geschlossen habe

* Foto eines Reisepasses mit dem Bild des Generals mit einem anderen Namen sowie ein Bild, bei dem der General diesen Reisepass mit der Hand hält

14. Mit dem oben angeführten Bescheid vom 07.11.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 07.10.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Ab. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wurde jeweils nur gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Weiters wurde dem BF gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen, ab 25.06.2019 in einem namentlich genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass sich aus den Feststellungen sowie der Beweiswürdigung ergebe, dass er im Zuge des Verfahrens keinen neuen Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht habe. Es habe daher im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens kein neuer Sachverhalt festgestellt werden können. Es stehe daher die Rechtskraft des ergangenen Bescheides vom 16.02.2017 sowie des ergangenen Erkenntnisses vom 29.03.2019 seinem neuerlichen Asylantrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen, weswegen sein Antrag zurückzuweisen wäre. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG sei nicht zu erteilen. Eine Rückkehrentscheidung sei bereits im Erstverfahren für zulässig erklärt worden. Da sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Änderung der Situation seines Privat- und Familienlebens ergeben habe, könne eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch in diesem Verfahren keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Weiters sei auszusprechen, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG zulässig sei. Es bestehe im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachgekommen sei und sich durch sein Untertauchen freiwillig in die Mittellosigkeit begegeben habe, sei gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren zu erlassen. Gemäß § 15 b Abs. 1 letzter Satz AsylG habe das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Anordnung der Unterkunft abzusprechen und wäre ihm aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung seines Asylantrages aufgetragen worden, in der o. angeführten Betreuungsstelle Unterkunft zu nehmen.

15. Mit Schriftsatz vom 21.11.2019 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.11.2019 in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass sich die Behörde auf mehreren Seiten mit seinem Fluchtgrund auseinandergesetzt habe, gleichzeitig aber feststelle, dass bei ihm eine rechtskräftig entschiedene Sache vorliege, weshalb der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinen Fluchtgründen erübrigen würde. Zu seiner Glaubwürdigkeit sei zu sagen, dass er der Behörde mehrere Beweismittel vorgelegt habe. Die beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde würden sich auf hypothetische Aussagen stützen und würden diese Erwägungen nicht seine Glaubwürdigkeit entkräften. Unabhängig davon habe sich die belangte Behörde nirgendwo im Bescheid mit der derzeitigen Lage in Afghanistan auseinandergesetzt, geschweige denn mit der Tatsache, dass er als im Iran Geborener mit erheblichen Schwierigkeiten in Afghanistan zu kämpfen hätte. Auch sei den aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan zu entnehmen, dass ein soziales, ethnisches und familiäres Netzwerk für einen Rückkehrer "unentbehrlich" sei. Auch sei auf die katastrophalen Zustände in Afghanistan verwiesen. Jedenfalls zu Unrecht habe die Behörde ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

16. Mit Schriftsatz vom 22.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 25.11.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er ist im Iran geboren, wo er bis zu seiner Ausreise nach Europa gelebt hat. Er reiste spätestens am 07.07.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Dieser erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 16.02.2017 abgewiesen. Gegen die Spruchpunkte II. bis IV. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde und wurde die Beschwerde in weiterer Folge vom BVwG als Rechtsmittelinstanz mit Erkenntnis vom 29.03.2019 rechtskräftig abgewiesen. Spruchpunkt I. war mangels einer Beschwerdeerhebung mit 08.03.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Der BF verließ im Mai 2019 das österreichische Bundesgebiet und reiste nach Deutschland weiter, von wo aus er sodann am 07.10.2019 nach Österreich rücküberstellt wurde.

Am 07.10.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der gegenständliche Antrag wurde in der Folge mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.11.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Festgestellt wird, dass der BF seit der Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun konnte. Soweit der BF vorbringt, dass er Schlafstörungen sowie Asthma habe, vermag dies in casu zu keiner anderen Beurteilung führen, da damit kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt dargetan wurde bzw. auch keine Hinweise für eine Änderung der Rechtslage gegeben sind.

Der BF hat keine staatliche Schule besucht, sondern hat er für zwei Jahre eine afghanische Schule in Teheran besucht. Er hat im Iran als Straßenverkäufer gearbeitet. Weiters hat er gemeinsam mit seinem Onkel Holzkohle hergestellt und verkauft. Der BF spricht Dari und Farsi, ist in einem traditionell afghanisch geprägten Umfeld aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seinen Herkunftsstaates vertraut. Die Eltern und Geschwister des BF leben nach wie vor im Iran in Teheran. In Afghanistan leben vier Tanten und Onkeln des BF, zu welchen dieser jedoch keinen Kontakt hat.

Der BF lebt in Österreich von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er hat in Österreich keine nennenswerten Kontakte zu Einheimischen. Der BF hat Deutschkurse im Bundesgebiet besucht, jedoch keine entsprechenden Sprachdiplome erworben. Er ist strafrechtlich unbescholten. In Österreich leben die Ehegattin des mittlerweile verstorbenen Onkels des BF sowie deren gemeinsame vier Kinder. Ein Cousin des BF lebt in Wien.

Der BF leidet an Asthma bronchiale und Schlafstörungen. Er nimmt bezüglich seiner Schlafstörungen laut eigenen Angaben Medikamente ein (Mirtazapin sowie Seroquel) und verwendet in Bezug auf seine Asthmaerkrankung eine Cortisonspray.

Der BF ist arbeitsfähig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach dem BF in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wäre es dem BF möglich, sich in Mazar-e Sharif eine Existenz aufzubauen. Seine Existenz könnte der BF dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival-190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html, Zugriff 26.3.2019

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghan-capital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL, Zugriff 26.3.2019

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources, https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1QZ2OU, Zugriff 26.3.2019

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte, https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/!5568633/, Zugriff 26.3.2019

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistan-kabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019), https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election, https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidential-election/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.-Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc-2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. Weiterführende Informationen zu der Friedensgesprächsrunde von Jänner 2019 können der KI vom 31.1.2019 entnommen werden.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

BFA Staatendokumentation 20.02.2019a)In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

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KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step', https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?, https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione", https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo, https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban, https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019

WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (20.1.2019): Taliban attack in Afghanistan's Logar kills eight security forces, https://www.aljazeera.com/news/2019/01/taliban-attack-afghanistan-logar-kills-security-forces-190120093626695.html, Zugriff 22.1.2019

IM - Il Messaggero (22.1.2019): Afghanistan, sangue sul disimpegno Usa: autobomba dei talebani contro scuola militare, 130 vittime, https://www.ilmessaggero.it/pay/edicola/afghanistan_autobomba_morti_talebani-4246561.html, Zugriff 22.1.2019

NYT - The New York Times (21.1.2019): After Deadly Assault on Afghan Base, Taliban Sit for Talks With U.S. Diplomats, https://www.nytimes.com/2019/01/21/world/asia/afghanistan-taliban-attack-intelligence-wardak.html, Zugriff 22.1.2019

Reuters (15.1.2019): Afghan Taliban claim lethal car bomb attack in Kabul,https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-idUSKCN1P909T, Zugriff 22.1.2019

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.1.2019): Four Killed, 90 Wounded In Kabul Car-Bomb Attack, https://www.rferl.org/a/huge-blast-rocks-foreign-compound-in-kabul/29709334.html, Zugriff 22.1.2019

TG - The Guardian (21.1.2019): Taliban kill 'more than 100 people' in attack on Afghan military base, https://www.theguardian.com/world/2019/jan/21/taliban-kill-more-than-100-in-attack-on-afghan-military-base, Zugriff 22.1.2019

TN - The National (15.1.2019): Kabul attack: Taliban claims truck bomb and warns of more to follow, https://www.thenational.ae/world/mena/kabul-attack-taliban-claims-truck-bomb-and-warns-of-more-to-follow-1.813516, Zugriff 22.1.2019

Tolonews (21.1.2019) US, Taliban Hold Talks In Qatar With Peace Still Distant, https://www.tolonews.com/afghanistan/us-taliban-hold-talks-qatar-peace-still-distant, Zugriff 22.1.2019

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https://www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019

AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens, https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compound-gun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019

IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018

NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html, Zugriff 8.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019

Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-election-to-july-election-body-idUSKCN1OT0FR, Zugriff 8.1.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rferl.org/a/afghan-commission-invalidates-all-kabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html, Zugriff 17.12.2018

TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos, https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018

Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen, https://www.heise.de/tp/features/Chaos-nach-Parlamentswahlen-4248743.html, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations, https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fake-result-sheets-polling-stations%E2%80%99, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43, https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method, https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes, https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision%C2%A0%C2%A0review-kabul-votes, Zugriff 17.12.2018

WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-presidential-elections-delayed-until-july/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-6f878a26288a_story.html?noredirect=on&utm_term=.07428f9afbb6, Zugriff 8.1.2019

ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul, https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-99-340827, Zugriff 8.1.2018

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison?fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https://www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack-181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security, https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul-181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018): Afghanistan: 67 morti in 24 ore, http://www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182-a798-34b9ace3ae65.html, Zugriff 22.11.2018

Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison, https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlag-attentat-ulema-rat-versammlung-tote, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-taliban-regierungstruppen-ghasni, Zugriff 12.11.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan, attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi, https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistan-attacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/, Zugriff 22.11.2018

KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence, https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabul-over-recent-wave-of-violence-02722/?fbclid=IwAR2cNyRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT_4yCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g, Zugriff 22.11.2018

LE - L'Express (21.11.2018): Attentat à Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue, raconte un blessé, https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a-kaboul-la-lecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html, Zugriff 22.11.2018

NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering, https://www.nytimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html, Zugriff 22.11.2018

Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead, https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6-people-dead, Zugriff 22.11.2018

SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43, wounds 83, https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397, Zugriff 22.11.2018

TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack, https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (12.11.2018): MoI Confirms 6 Death In Kabul Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul, Zugriff 22.11.2018

TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul, https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html, Zugriff 22.11.2018

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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