TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/10 I414 2215704-1

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Veröffentlicht am 10.01.2020
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Entscheidungsdatum

10.01.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I414 2215704-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 21.02.2019, Zl. XXXX, über den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Frau XXXX, geb. am XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet), beantrage am 15.11.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. N, eine Fachärztin für Orthopädie, mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.12.2018 und Einbeziehung aller vorgelegten Befunde hielt Dr. N. im Gutachten vom 10.01.2019 fest:

"[...] Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

Gdb %

1

Wirbelsäule, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen schweren Grades chron.WS Schmersyndrom Bei Z.n.traumat. LWK1 Fraktur IV/18, Fehlhaltung und deg. Veränderungen, Osteopenie; kein neurolog. Defizit; NSAR nicht immer ausreichend

02.01.03

50

2

Koronare Herzkrankheit, Koronare Herzerkrankung - Keine bis geringe Einschränkung der Herzleistung Signifikanter Herzkranzgefäßverengung (Intervention) Abglaufener Myocardinfarkt KHK mit 50%Stenose der A. circumflexa; weiters art. Hypertonie mit Kombinationstherapie

05.05.02

30

3

Kleinwuchs, Proportionaler Kleinwuchs Körpergrösse 138cm

02.08.01

30

4

Diabetes mellitus, Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus diätet. eingestellter D.m.

09.02.01

10

Gesamtgrad der Behinderung: 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB durch Leiden 1 erhöht sich durch Leiden 2 und 3 um 1 Stufe auf insgesamt 60%, da eine negative wechselseitige Beeinflussung vorliegt. Leiden 4 erhöht den GdB nicht, da es von geringer funktioneller Relevanz ist. [...]"

Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt:

"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? keine: eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein"

Auf Grundlage dieses Gutachtens wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung ausgestellt. Mit Bescheid vom 21.02.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abgewiesen. Begründend wurde wiederum das oben angeführte Gutachten angeführt.

Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerin könne maximal eine Wegstrecke von 300m und nur unter Schmerzen und mit Unterbrechung zurücklegen. Aufgrund der Kleinwüchsigkeit sei das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe nicht möglich.

Vom erkennenden Gericht wurde Dr. N. um Ergänzung ihres Gutachtens bzw. Beantwortung einiger Fragen ersucht. Am 28.03.2019 langte diesbezüglich folgendes Ergänzungsgutachten von Dr. Nr. ein:

"[...] Ad a) Kann die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) zurücklegen? Ja. Das Gangbild ist unauffällig, sämtliche Gelenke der oberen und unteren Extremitäten sind frei beweglich. Laut Bildgebung der LWS liegt auch keine Nervenwurzel- oder Rückenmarksbedrängung vor. Die Einnahme von Schmerzmittel wurde in der Befragung nicht angegeben. Auch Gehhilfen werden nicht verwendet.

Ad b) Kann die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400m) ohne Unterbrechung zurücklegen? Ja. In der Anamnese zur Erstellung des Gutachtens am 13.12.2018 sagte Frau S. aus, sie könne 300m gehen.

Ad c) Ist ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich? Ja. Es besteht keine Gleichgewichtsstörung, die Funktion der Arme und Beine ist intakt, sodass keine Sturzgefahr besteht.

Ad d) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maße? Es werden keine Behelfe verwendet.

Ad e) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung/die dauernden Gesundheitsschädigungen auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen?

Frau S. berichtet, sie könne in den ersten Stock gehen. Daher können auch die zu überwindenden Niveauunterschiede von ÖFFIS bewältigt werden. Die Körpergröße von 138cm stellt ebenfalls kein Hindernis bei der Überwindung dieser Niveauunterschiede dar, da auch Kinder dieser Größe ohne Schwierigkeiten ÖFFIS benützen können. Ein Anhalten im fahrenden ÖFFIS ist bis zum Einnehmen des Sitzplatzes ebenfalls möglich, da beide Arme voll funktionstüchtig sind.

Ad f) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten? Nein.

Ad g) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit? Es besteht eine koronare Herzerkrankung mit Bluthochdruck, in den ersten Stock gehen ist möglich, auch das Gehen in der Ebene ohne wesentliche Dyspnoe.

Ad g) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen? Nein. [...]

Daher folgt: eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde schloss sich den Ausführungen der Sachverständigen an, die Beschwerdeführerin nahm von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nicht Gebrach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und zusätzlich folgende Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie ist in Besitz eines Behindertenpasses und leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

- Chronischem Schmerzsyndrom an der Wirbelsäule bei Zustand nach traumat. LWK1 Fraktur

- Koronare Herzerkrankung

- Proportionaler Kleinwuchs

- Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

Der Beschwerdeführerin sind das Ein- und Aussteigen in das bzw. aus dem öffentlichen Transportmittel sowie der sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Des Weiteren kann sie auch eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne Unterbrechung zurücklegen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, der unteren Extremitäten, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen. Sie ist weder hochgradig sehbehindert, noch blind oder taubblind. Bei der Beschwerdeführerin besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person, zum Wohnort und zum Behindertenpass sowie den festgestellten Leiden ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trotz Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. N. vom 10.01.2019 und dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten von Dr. N. Das Bundesverwaltungsgericht kann nichts finden, was die Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit dieser Gutachten oder die Person der Sachverständigen in Frage stellen würde. Es geht daher davon aus, dass es diese Gutachten seinen Feststellungen ohne Bedenken zu Grunde legen kann.

Die Beschwerdeführerin ist den in den Gutachten getroffenen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Das im Rahmen der Beschwerde ins Spiel gebrachte schwere Bewältigen einer kurzen Wegstrecke und die Problematik beim Überwinden von Niveauunterschieden als Kleinwüchsige, wurde bereits nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin im Gutachten vom 10.01.2019 berücksichtigt und nahm die Sachverständige darauf im Speziellen nochmals im Ergänzungsgutachten Bezug. Sie führte nachvollziehbar aus, dass die Beschwerdeführerin selbst in der Anamnese angab, eine kurze Wegstrecke bewältigen zu können. Neue Befunde, die diese Annahme nunmehr widerlegen würden, wurden nicht eingebracht. Auch stellt ihre Körpergröße von 138cm kein Hindernis beim Überwinden von Niveauunterschieden dar. Vor der Sachverständigen erklärte die Beschwerdeführerin noch, in den ersten Stock selbstständig zu gelangen. Daraus kann geschlossen werden, dass auch im Vergleich dazu geringere Niveauunterschiede bei öffentlichen Verkehrsmittel bewältigbar sind. Zudem liegen keine erheblichen Beeinträchtigungen der unteren Extremitäten vor und sind keine Hinweise hervorgekommen, dass sich die Beschwerdeführerin nicht mit beiden Armen und Händen an Handläufen festhalten könnte.

Die Beschwerdeführerin ist dem ergänzend eingeholten Gutachten letztlich mangels Abgabe einer Stellungnahme nicht mehr entgegengetreten und erweisen sich die Gutachten aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch als schlüssig, plausibel und nachvollziehbar. Der medizinische Sachverhalt als solcher ist geklärt. Der erkennende Senat sieht daher von der Beauftragung eines weiteren Sachverständigengutachtens ab.

Zum Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß die beim Beschwerdeführer festgestellte Gesundheitsschädigung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Gutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses, so wie auch das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. N. als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht mehr entgegengetreten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Somit ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde von keiner der Verfahrensparteien beantragt. Die Durchführung konnte im Gesamten betrachtet daher unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.

Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.

Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.

Der für die hier strittige Zusatzeintragung relevante § 1 Abs 4 Z 3 der zitierten Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2016 hat folgenden Wortlaut:

"§ 1 (4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Das Sachverständigengutachten vom 10.01.2019 und das ergänzend eingeholte Gutachten von Dr. N. beschäftigten sich mit diesen Fragen und kam zum Schluss, dass keine diesbezügliche Einschränkung vorliegen. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in freier Beweiswürdigung dem nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten folgt, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Wesentlich stützt die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdevorbringen auf den Umstand, dass sie kleinwüchsig ist und eine kurze Wegstrecke nur schwer zurücklegen könne. Hiezu wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin persönlich untersucht wurde und ihre eigenen Angaben bei der Anamnese herangezogen wurden. Aus den vorgelegten Befunden ergibt sich nicht, dass die Beschwerdeführerin aus den gesagten Gründen eine kurze Wegstrecke nicht zurücklegen oder Niveauunterschied nicht überwinden könnte. Bei der Beschwerdeführerin konnten daher Umstände, die ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen unzumutbar machen, nicht festgestellt werden.

Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass bei der Beschwerdeführerin keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und sie weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, auch im Zusammenhang mit Inkontinenz, ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2215704.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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