Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des G in T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Juli 1997, Zl. Ge-442190/2-1997/Bi/G, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: S in T, vertreten durch Mag. N, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes vom 29. Juli 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Gastgewerbebetriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen aus, über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei seien zwei mündliche Augenscheinsverhandlungen durchgeführt worden, in deren Rahmen auch der Beschwerdeführer Einwendungen wegen befürchteter Lärmbelästigungen erhoben habe. Nach § 75 Abs. 2 GewO 1994 seien Nachbarn alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Nachbarschaft bedeute somit auch ein gewisses räumliches Naheverhältnis zu der zu genehmigenden Betriebsanlage. Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte könnten somit nur insoweit vorliegen, als der Einflußbereich einer Betriebsanlage reiche, also ein Schutzbedürfnis gegeben sei. Den die Person betreffenden Nachbarschutz könnten Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen Aufenthalt im Nahebereich der Betriebsanlage überhaupt möglich erscheinen ließen. Für die hier vorzunehmende Beurteilung sei für die Behörde die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehende Sach- und Rechtslage maßgebend. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei von der Meldebehörde eine Meldeauskunft unter anderem über den Beschwerdeführer eingeholt worden. Danach sei dieser an einer vom Standort der Betriebsanlage entfernten Adresse gemeldet. Eine persönliche Gefährdung oder Belästigung durch den Betrieb der gegenständlichen gastgewerblichen Betriebsanlage sei demnach für den Beschwerdeführer auch bei Zutreffen der Eigentümereigenschaft nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem gleichartigen Antrag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Nachbarschutz gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht er geltend, es sei ihm entgegen der Ansicht der belangten Behörde Nachbarschutz zu gewähren, selbst wenn er bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr an der Nachbarliegenschaft gemeldet war. Er sei Eigentümer des Nachbargrundstückes und habe das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz, erster Satzteil GewO 1994 aufgestellte Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage nicht zu erfüllen. Allerdings könne der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2, erster Satz GewO 1994 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen ließen. Er sei seit 12. März 1997 mit ordentlichem Wohnsitz an einer anderen Anschrift gemeldet. Das sich am streitgegenständlichen Grundstück befindliche Objekt werde von seinem Sohn bewohnt und es sei auf Grund des aufrechten Eltern-Kind-Verhältnisses bereits davon auszugehen, daß er seinen Sohn des öfteren besuche und daher von der gastgewerblichen Betriebsanlage eine Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt möglich sei. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer auch in seinem Recht auf Äußerung gemäß § 65 AVG verletzt. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer, nachdem ihr die neue Tatsache seines Auszuges aus dem Nachbarobjekt bekannt geworden sei, zumindest die Möglichkeit einer Stellungnahme einräumen müssen.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit unter anderem der Nachbarn oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden oder 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.
Nach § 75 Abs. 2 leg. cit. sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand und den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.
Nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Wie der Beschwerdeführer zutreffend darlegt, muß der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte zur Erfüllung des Tatbestandes der Nachbarschaft das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz, erster Satztteil GewO 1994 aufgestellte Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage nicht erfüllen. Allerdings kann der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der im § 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil GewO 1994 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0116).
Von dieser Rechtslage, die auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend dargestellt wurde, ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, allein der Umstand, daß der Beschwerdeführer nunmehr an einer anderen Anschrift gemeldet sei, mache eine persönliche Gefährdung oder Belästigung seiner Person durch den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage unmöglich, nicht zu teilen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt, schließt dieser Umstand einen bloß vorübergehenden Aufenthalt auf der fraglichen Liegenschaft, etwa aus Anlaß von Besuchen bei seinem Sohn, der nunmehr die fragliche Liegenschaft bewohne, nicht aus. Auch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß es im Rahmen solcher vorübergehender Besuche zumindest zu einer unzumutbaren Belästigung des Beschwerdeführers kommen kann. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, im Rahmen der ihr gemäß § 39 Abs. 2 AVG obliegenden - wenn auch durch eine Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers begleiteten - amtswegigen Ermittlungspflicht durch entsprechende Befragung des Beschwerdeführers und allfällige sonstige geeignete Ermittlungsschritte festzustellen, auf welche Art und Weise und in welchem zeitlichen Ausmaß der Beschwerdeführer weiterhin sich auf der in Rede stehenden Liegenschaft aufhält. Sodann wäre durch weitere geeignete Erhebungen, insbesondere durch Befragung des medizinischen Sachverständigen, zu klären gewesen, ob und allenfalls in welchem Ausmaß mit Rücksicht auf die so festgestellte Art der Benützung der Liegenschaft eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung des Beschwerdeführers durch von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehende Emissionen zu befürchten ist.
Wegen des Fehlens derartiger Feststellungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997040203.X00Im RIS seit
18.02.2002