TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W117 2114868-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

Spruch

W117 2105171-4/11E

W117 2105172-4/11E

W117 2105173-4/11E

W117 2105174-4/11E

W117 2114868-4/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKEHTAHNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Kasachstan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2019, ad 1.) 14-1043632010-180669983, 2.) 14-1043632108-180715365, 3.) 14-1043632206-180715349, 4.) 14-1043632402-180715357 und 5.) 15-1080727810-180715381, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 10 Abs. 3, 55 AsylG 2005 idgF, §§ 9 und 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF und §§ 52 Abs.3, 55 Abs. 4 FPG idgF als unbegründet abgewiesen sowie gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG festgestellt, dass die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig und gemäß § 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG zulässig waren.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang :

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen BF3 bis BF5.

Die gesamte Familie ist 05.11.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet nach Kasachstan ausgereist.

Alle gaben ursprünglich an, russische Staatsangehörige zu sein. Der BF1 und die BF2 reisten gemeinsam mit BF3 und BF4 am 23.10.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag (ihre ersten) Anträge auf internationalen Schutz, welche mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 26.02.2015 hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz abgewiesen wurden, Aufenthaltstitel nach § 55 und 57 AsylG 2005 nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen erlassen und ihre Abschiebung für zulässig erklärt sowie eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise erteilt wurde, weil die Vorbringen des BF1 und der BF2 nicht als glaubwürdig erachtet wurden.

Der am 03.08.2015 für den im Bundesgebiet geboren BF 5 gestellte Asylantrag im Familienverfahren wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.09.2015 ebenfalls abgewiesen.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 25.07.2016 als unbegründet abgewiesen und erwuchsen am 01.08.2016 in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer kamen ihrer Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nach und verblieben weiterhin, allerdings illegal im Bundesgebiet.

Am 27.12.2016 stellten die Beschwerdeführer jeweils einen zweiten Asylantrag (Folgeantrag).

In der Folge erging am 28.11.2016 ein Ladungsbescheid des Bundesamtes an die Beschwerdeführer, welcher am 30.11.2016 übernommen wurde, weil sie ihrer Mitwirkungspflicht im HRZ-Verfahren (Vorlage eines Passfotos für den mj. BF5 entsprechend der schriftlichen Aufforderung vom 10.11.2016) nicht entsprochen hatten.

Mit Bescheiden des Bundesamtes vom 09.03.2017 wurden die Folgeanträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen erlassen und die Abschiebung der Beschwerdeführer für zulässig erklärt. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des BVwG vom 05.04.2017 als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden nicht als gegeben erachtet, im Fall der Rückkehr nicht von einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgegangen sowie in der Erlassung einer Rückkehrentscheidung keine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickt.

Da die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung wiederum nicht nachkamen, ist ihr Aufenthalt seit dem 05.04.2017 erneut ein illegaler.

Mit Mandatsbescheiden des Bundesamtes vom 29.05.2018, welche am 30.05.2018 übernommen wurden, wurden die Beschwerdeführer angewiesen, sich binnen 3 Tagen in der Betreuungseinrichtung XXXX einzufinden und dort bis zur Ausreise durchgehend Unterkunft zu nehmen.

Dieser Verpflichtung zur Quartiernahme in XXXX sind die Beschwerdeführer ebenfalls nicht nachgekommen.

Am 02.07.2018 wurden vom Vertreter der Beschwerdeführer Ergänzungen zu Anträgen gemäß § 55 AsylG 2005 übersendet.

Die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wurden erst am 17.07.2018 gestellt.

Dazu wurden einige Empfehlungsschreiben, einige Interventionsschreiben, Bestätigungen über den Schulbesuch von BF3 und BF4, ein Mietvertrag und auch bereits in den Asylverfahren vorgelegte Beweismittel beigebracht. Die nach § 8 AsylG-DV erforderlichen Unterlagen (gültige Reisedokumente, Geburtsurkunden) wurden - abgesehen von der österreichischen Geburtsurkunde für den BF5 - nicht vorgelegt; relevante Angaben zur Integration wurden ebenfalls nicht gemacht.

Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesamtes vom 13.09.2018 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen, Rückkehrentscheidungen erlassen, die Abschiebung der Beschwerdeführer als zulässig erachtet, den Beschwerdeführern eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs.4 FPG nicht gewährt sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Den dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.10.2018 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt. Den Beschwerdeführern kam jedoch dadurch kein Aufenthaltsrecht zu (§ 58 Abs. 13 AsylG 2005) und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet war demnach weiterhin illegal.

Sodann wurden die Beschwerdeführer am 29.11.2018 in einer mündlichen Verhandlung beim BVwG einvernommen, wobei die BF2 angab, dass der BF5 möglicherweise an Autismus leide, was mangels Sozialversicherung nicht habe festgestellt werden können. Die BF3 gab an, unbedingt ich Österreich bleiben und ins Gymnasium gehen zu wollen, um anschließend Medizin zu studieren. Ihre Freunde hätten Unterschriften gesammelt, damit sie bleiben könnten. Anschließend wurden die angefochtenen Bescheide mit Erkenntnis des BVwG vom 13.02.2019 ersatzlos behoben, weil die weitere Integration der Beschwerdeführer einen geänderten Sachverhalt darstelle, der eine neuerliche (inhaltliche) Beurteilung nach Art. 8 EMRK erforderlich mache.

Mit Ladungen vom 15.03.2019 für den 16.04.2019 forderte das Bundesamt die Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 8 (1) der AsylG-DV bzw. § 4 Abs. 1 und 2 AsylG-DV idgF. ua. explizit auf, gültige Reisedokumente, Geburtsurkunden oder Gleichzuhaltendes und eine Heiratsurkunde vorzulegen. Ferner wurden die Beschwerdeführer ausdrücklich zur Vorlage von Nachweisen über allfällige Abhängigkeitsverhältnisse zu in Österreich aufhältigen Verwandten, zum aktuellen Sprachniveau, zu allfälligen Kursbesuchen etc. bzw. Vereinsmitgliedschaften, zum aktuellen Gesundheitszustand sowie über die Finanzierung ihres Lebensunterhaltes aufgefordert sowie einen allfälligen Freundeskreis zu benennen. Weiters wurden aktuelle Länderberichte zur Stellungnahme übermittelt.

Am 16.04.2019 wurden die Beschwerdeführer (BF1 und BF2) niederschriftlich beim Bundesamt einvernommen.

Der BF1 brachte dabei zusammengefasst vor, gesund zu sein. Er sei schon 10-12 Monate ohne soziale Unterstützung und zahle seine Unterkunft privat. Zwei Cousins und zwei Tanten mütterlicherseits würden im Bundesgebiet leben. Sie würden ihm Geld borgen, er sei jedoch nicht von ihnen abhängig. Er war nicht in der Lage, ausreichende Deutschkenntnisse darzutun. Die Beschwerdeführer würden zu Hause Russisch, Tschetschenisch und Deutsch sprechen; die Kinder seien dreisprachig. Seine Mutter lebe im Herkunftsstaat bei seiner Tante väterlicherseits, alle müssten arbeiten. Die Eltern seiner Frau würden auf der Krim leben, alle Tataren würden von dort weggehen. Zum Vorhalt, dass sie den Ausreiseverpflichtungen nicht entsprochen hätten, brachte er vor, nicht wegfahren zu können; dies sei das Ende seiner Familie, die Kinder seien "auf der Kippe" gewesen. Außer dem Führerschein des BF1 hätten sie keine Dokumente und es sei aussichtslos aus seinem Herkunftsstaat Dokumente anzufordern. Auf die Frage, warum er trotz mehrfacher Aufforderung und gesetzlicher Vorschriften keine Dokumente vorlege, antwortete er, er wisse nicht wohin er gehen solle. Zur Nachfrage, ob er demnach gar nicht versucht habe, die entsprechenden Dokumente zu erlangen, brachte er vor, sich dafür interessiert zu haben, diese Auskunft erhalten zu haben und im letzten Jahr nicht die Gelegenheit gehabt zu haben, nach XXXX zu fahren. Er habe jetzt auch gar nicht die Möglichkeit hinzufahren bzw. das herauszufinden. Zur Aufforderung entsprechende Dokumente und Beweismittel zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vorzulegen, legte er ua. zwei Schulnachrichten für die BF3 und BF4, ein ÖSD-Zertifikat A1 für sich selbst und zahlreiche Unterstützungsschreiben sowie zwei Bestätigungen zu Deutschkursen vor. Mehr habe er nicht. Den Länderberichten trat er inhaltlich nicht entgegen. Zum Vorhalt, dass die von ihm gesetzten Integrationsschritte zu einem Zeitpunkt stattgefunden hätten, in dem der Aufenthalt seiner Familie bereits ein illegaler gewesen sei, wiederholte er, nicht zurückfahren zu können, weil dies eine Bedrohung für seine Familie wäre. Diese Übertretung tue ihm leid. Er habe eine Arbeit - eine Ausbildung und drei Arbeitsmöglichkeiten. Allein die Tatsache dass er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, sei ein Grund ihn nach seiner Rückkehr einzusperren, jedoch könnten seine Frau und seine Kinder nicht ohne ihn leben. Auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten würden, brachte er vor, den Schmuck seiner Frau verkauft zu haben, zudem habe er sich von Verwandten und Freunden Geld geborgt. Außerdem würden ihm die Dorfbewohner helfen. Sie würden sich so durchschlagen. Montags, dienstags und freitags besuche er einen Sprachkurs in XXXX und absolviere eine "Bildungsschule". Die Kinder besuchten die Schule, er sei zu Hause und habe viele Freunde, welchen er etwa im Garten helfen könne. Er sei in keinem Verein und keiner Organisation Mitglied. Seine Verwandten im Herkunftsstaat hätten ihren Lebensunterhalt als Kraftfahrer bestritten, so wie auch er selbst. Seine Mutter und seine Tante würden eine Pension beziehen. Im Fall der Rückkehr bestehe Gefahr für sein Leben, weil er der Sohn seines Vaters sei, welcher bestimmte Leute unterstützt habe, und ebenfalls bedroht worden sei. Dies hätte dann auch Einfluss auf das Leben seiner Kinder. Er wolle, dass seine Kinder hier als gebildete Leute aufwachsen könnten, er würde das gerne auch zu Hause machen wollen, wenn es ginge.

Die BF2 brachte bei dieser Einvernahme zusammengefasst vor, dass sie die gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder sei. Sie sei gesund und nehme keine Medikamente. In Österreich habe sie außer ihrer Kernfamilie keine weiteren Verwandten. Sie könne sehr einfache Gespräche mit Nachbarn auf Deutsch führen. Sie warte auf einen Sprachkurs. Sie könne sich selbst eine Anfahrt nicht leisten, sie hätten keine Arbeit. In der Freizeit würde sie kochen und spazieren gehen. Sie helfe den Kindern bei den Aufgaben, sie wolle arbeiten, könne dies aber mangels Dokumenten nicht. Sie würden zu Hause Russisch, Tschetschenisch und Deutsch sprechen. Mit ihrem Mann spreche sie Russisch, weil sie keine Tschetschenin sei. Ihre Eltern würden auf der Krim leben. Zum Vorhalt, dass beide Asylanträge abgewiesen worden und jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, welchen die Beschwerdeführer bislang nicht entsprochen hätten, sodass ihr bisheriger Aufenthalt seit 05.04.2017 wieder ein illegaler sei, brachte sie vor, sie meine, man wolle sie von hier vertreiben. Im Herkunftsstaat habe sie ein gutes Leben gehabt, aber ihr Mann habe von dort weggehen müssen. Hier in Österreich habe sie ein armes leben, aber sie wolle ihren Kindern ein besseres und sicheres Leben ermöglichen. Und wenn man ihr 2 Millionen geben würde, sie gehe nicht zurück. Ihr würden auch ihre Eltern fehlen, aber sie könne dorthin nicht zurück. Niemand brauche sie. Sie würden nicht ins Sozialsystem (kommen) wollen, das seien Kopeken für sie. Sie wollten nur die Möglichkeit normal zu leben, sie wolle nicht so leben - sie habe drei Kinder. Zur Aufforderung, die nötigen Dokumente vorzulegen, brachte sie vor, dass bereits bekannt sei, dass sie keine Dokumente hätten. Zur Frage, ob sie versucht hätte, solche zu besorgen, verneinte sie dies und gab an, ihr Mann habe sich damit beschäftigt. Zur Aufforderung, Integrationsunterlagen vorzulegen, verwies sie auf die von ihrem Mann vorgelegten Unterlagen. Zu den Länderberichten wollte sie keine Stellungnahme abgeben. Zum Vorhalt, dass die von ihnen gesetzten Integrationsschritte erst während ihres illegalen Aufenthaltes begonnen hätten, gab sie an, nicht zurückkehren zu können, ihren Kindern drohe dort Gefahr. Sie könne auch nicht zu ihren Eltern zurück, weil ihr Vater ihre Ehe mit einem Tschetschenen nicht billige. Befragt, ob ihr persönlich Gefahr im Herkunftsstaat drohe, verneinte sie dies und brachte vor, dass sie dann aber nie wieder von dort wegkommen würden. Sie ertrage das hier alles nicht, damit sie wieder zurückkehren müsse. Auf die Frage, ob ihren Kindern im Herkunftsstaat eine konkrete Gefahr drohe, bejahte sie dies, jedoch ohne dies näher auszuführen. Auf diesbezügliche Nachfrage nach einer konkreten Gefahr für ihre Kinder, verwies sie auf ihr Vorbringen im Asylverfahren. Sie finde es nicht normal, wenn jemand in der Nacht an die Tür klopfe und ihren Mann schlage. Es sei verrückt, was dort vor sich gehe. Dort gebe es kein Recht und kein Gericht. Man könne sein Recht nicht verteidigen. Jetzt gehe es ihr sehr schlecht, sie habe keine Arbeit, kein Geld und viel Stress - aber trotzdem bleibe sie hier. Befragt, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreite, gab sie an, bei zwei älteren Damen zwei Mal die Woche aufzuräumen und dafür mit Lebensmitteln unterstützt zu werden. Der BF1 verbringe viel Zeit mit den Kindern und fahre jeden Samstag zum Roten Kreuz nach XXXX , um Lebensmittelunterstützung zu holen - trotz seines Bandscheibenleidens. Er fahre auch zu seinen Kursen. Er helfe ihrer Tochter in Mathematik. Ihre Kinder seien sehr befreundet mit den österreichischen Kindern und sie hätten oft alle Kindergartenkinder zu Hause zu Besuch. Aktuell besuche sie keine Kurse oder Ausbildungen aus finanziellen Gründen. Sie versuche, mit den Kindern mitzulernen. Sie sei auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Gegen eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sprächen ihre drei Kinder, sie seien dort- wie bereits erwähnt - nicht sicher.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 09.05.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer (BF1 bis BF5) vom 17.07.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt (Spruchpunkt V.). Darin wurde festgestellt, dass die Identität der Beschwerdeführer feststehe. Sie seien strafrechtlich in Österreich unbescholten, hätten jedoch mehrfach gegen die asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften verstoßen. Sie hätten nach illegaler Einreise mehrfach unberechtigte Asylanträge gestellt und seien ihrer Ausreiseverpflichtung mehrfach nicht nachgekommen. Auch der Wohnsitzauflage seien sie nicht nachgekommen. Obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, hätten sie für sämtliche Familienangehörigen keine Reisedokumente bei ihrer Botschaft erwirkt. Sie wären trotz rechtskräftiger Ausreiseverpflichtung weiterhin illegal im Bundesgebiet geblieben und hätten ihren illegalen Aufenthalt in Österreich seit dem 05.04.2017 angesichts der vorgelegten Schüler-Unterschriftenlisten bewusst in Kauf genommen und hätten der Wohnsitzauflage bewusst nicht entsprochen. Sie seien in Österreich nicht verfahrensrelevant familiär verankert, die nächsten Angehörigen würden in der Russischen Föderation leben. Sie würden Deutsch auf unterschiedlichem Niveau beherrschen. Der BF1 gehe keiner Beschäftigung nach und beziehe seit Juni 2018 keine Mittel aus der Grundversorgung, ebenso seien sie nicht sozialversichert. Die vorgelegten Integrationsunterlagen würden angesichts ihres unberechtigten Aufenthalts erheblich an Gewicht verlieren. Weiters schmälere das von ihnen gesetzte Verhalten (konsequenter Widerstand gegen bescheidmäßige Anordnungen) allfällige Integrationsaspekte. Ihr fortgesetztes mehrfaches Zuwiderhandeln rechtfertige die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, weil sie der in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den öffentlichen Interessen an dieser Aufrechterhaltung entgegenwirken würden. Die Beschwerdeführer seien im Wesentlichen gesund; sie würden an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden. Die BF3 und BF4 besuchten die Volks- bzw. Hauptschule. Die Beschwerdeführer hätten es bewusst unterlassen, sich an die Botschaft ihres Herkunftsstaates zu wenden. Die Beschwerdeführer würden fortgesetzt und willentlich asyl-, fremden- und niederlassungsrechtliche Vorschriften ignorieren (zwei Rückkehrentscheidungen aus den Asylverfahren, Wohnsitzauflage, fortgesetzter illegaler Aufenthalt). Da die verfahrensgegenständlichen Anträge kein Aufenthaltsrecht begründen würden, sei es ihnen zumutbar, den Ausgang des Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Notwendige Dokumente und Beweismittel hätten sie trotz ausreichend eingeräumter Frist der Behörde bislang absichtlich nicht vorgelegt. Es sei von einem Familienleben zwischen den BF1 bis BF5 auszugehen. BF1 verfüge über Deutschkenntnisse auf den Niveau A1, die BF2 habe keine Bemühungen belegt, Deutsch zu erlernen, auch wenn sie behaupte, einfache Gespräche mit den Nachbarn auf Deutsch führen zu können. Die BF3 bis BF5 seien nach eigenen Angaben dreisprachig (Russisch, Tschetschenisch, Deutsch) und mit der Muttersprache des BF1 und der BF2 vertraut. Die durch den Schulbesuch auf Grund der Schulpflicht erlangte Integration erreiche noch keinen Mehrwert für ein Bleiberecht. Auch sei davon auszugehen, dass die BF3 bis BF5 mit den Gebräuchen und Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates durch ihre Eltern vertraut gemacht worden seien. BF5 und BF4 befänden sich in einem anpassungsfähigen Alter, die BF3 habe den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Es sei davon auszugehen, dass sie im Familienverband bzw. durch verwandtschaftlichen Anschluss den sozialen und kulturellen Anschluss im Heimatland finden würden. Die Beschwerdeführer seien nicht verfahrensentscheidend integriert. Auch den vagen Einstellungszusagen für BF1 komme nur untergeordneter Wert zu. Sein Verhalten schmälere das Gewicht der Integrationsaspekte, als er fortgesetzt illegal im Bundesgebiet aufhältig sei und sich auch weiterhin bescheidmäßigen Anordnungen (Wohnsitzauflage) widersetze. Er sei auch nicht erwerbstätig und beziehe keine Grundversorgung mehr und sei auch nicht krankenversichert. Notwendige Dokumente hab er absichtlich nicht beigeschafft. Die Voraussetzungen gemäß § 55 AsylG 2005 lägen nicht vor. Da die Beschwerdeführer offenkundig nicht willens seien, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten, sei davon auszugehen, dass die Einhaltung fremdenrechtlicher öffentlichen Interessen gefährdet sei, womit § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erfüllt sei. Rechtlich wurde dazu ausgeführt, dass der BF1 und die BF2 ein erheblich geschwächtes Interesse an der Aufrechterhaltung der in Österreich während eines unsicheren bzw. illegalen Aufenthalts geknüpften Kontakte hätten. Soweit ihre Kinder von einer Ausweisung betroffen seien, sei nach der Judikatur des EGMR ua. das Wohlergehen dieser Kinder zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei auch festzustellen, dass den schulpflichtigen BF3 und BF4 ihr illegaler Aufenthalt bewusst gewesen sei (Unterschriftenlisten). Ferner sei davon auszugehen, dass sie sich mit 13 und 10 Jahren noch in einem anpassungsfähigen Alter befänden, wenngleich in der Judikatur der Höchstgerichte dieses zwischen sieben und elf angenommen werde, bzw. habe die BF3 den überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Die Kinder würden im Familienverband mit den Eltern zurückkehren, seien mehrsprachig aufgewachsen und sei davon auszugehen, dass sie mit den kulturellen Gegebenheiten des Herkunftsstaates vertraut gemacht worden seien. Die Sozialisation des vierjährigen BF5 sei noch auf die Kernfamilie beschränkt gewesen und er habe ab Herbst 2018 den Kindergarten besucht. Es sei nicht zu erkennen, weswegen seine weitere Sozialisation nicht im Herkunftsstaat erfolgen könne, wohin er in Begleitung seiner Eltern zurückkehre. Zum Privatleben wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer am 23.10.2014 illegal eingereist seien und nie über einen anderen Aufenthaltstitel als dem vorläufigen aus zwei unberechtigten Asylverfahren verfügt hätten. Weder der BF1 noch die BF2 würden einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehen, um den Unterhalt der Familie zu bestreiten. Sie würden auch keine Grundversorgung beziehen und seien auch nicht krankenversichert. Sie seien auf Unterstützungsleistungen der lokalen Bevölkerung gegen "Nachbarschaftsdienste" wie Putzen und Gärtnern angewiesen. Das Privatleben der Kinder erstrecke sich auf die Kernfamilie und Schulfreunde. Eine Rückkehrentscheidung im Familienverband stelle keinen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 EMRK dar. Die Beschwerdeführer würden seit Jahren beharrlich die bestehenden Ausreiseverpflichtungen ignorieren und damit demonstrieren, dass sie nicht gewillt seien, die österreichische Rechtsordnung zu beachten, was nicht dazu führen könne, dass ihr Privatleben höher zu bewerten wäre, als das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres rechtswidrigen Aufenthalts. Zudem sei nach der Judikatur des VwGH das Gewicht eines langjährigen Aufenthalts in Österreich dann gemindert, wenn dieser lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen sei. Sie seien nicht erwerbstätig und damit nicht selbsterhaltungsfähig. Durch das von den Beschwerdeführern gesetzte Verhalten würden sie keine Grundversorgung beziehen und hätten keine Krankenversicherung. Sie seien auf die Unterstützung der Bevölkerung und Lebensmittelunterstützungen durch das Rote Kreuz angewiesen. Insgesamt bestehe die reale Gefahr, dass die Beschwerdeführer zur Finanzierung des Lebensunterhaltes in die gesellschaftlich unerwünschte Schattenwirtschaft abdriften würden. Die Voraussetzungen für § 55 AsylG 2005 lägen nicht vor (zu Spruchpunkt I.). Gegen sie werde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Diese sei gemäß § 50 FPG auch zulässig, weil sie im Herkunftsstaat über familiäre Unterstützung und Geldreserven verfügten, gesund und erwerbsfähig seien und für den Unterhalt ihrer Kernfamilie aufkommen könnten. Allenfalls könnten sie die Unterstützung Verwandter oder humanitärer Programme in Anspruch nehmen (zu Spruchpunkt II. und III.). Durch das Verhalten der Beschwerdeführer sei das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung maßgeblich gestört und ließen sich aus ihren Angaben und Verhalten kein Wille erkennen, sich der österreichischen Rechtsordnung zu fügen. Demzufolge sei gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen (zu Spruchpunkt IV.) und bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (zu Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom 09.05.2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

In der dagegen mit Schriftsatz vom 28.05.2019 erhobenen Beschwerde führte der bevollmächtigte Rechtsberater der Beschwerdeführer aus, dass der BF 1 im Hinblick auf die Zweifel an der Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme als LKW-Fahrer im Fall einer Arbeitserlaubnis nicht hinsichtlich seiner konkreten Einstellungszusagen befragt worden sei. Solche wurden der Beschwerde aber auch nicht beigelegt. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass es den BF3 und BF4 auf Grund ihrer Verwurzelung in Österreich eine Anpassung (im Herkunftsstaat) äußerst schwerfallen würde. Soweit mangelnde Sprachkenntnisse thematisiert würden, werde angemerkt, dass sich der BF1 ausreichend verständigen könne und regelmäßig einen Deutschkurs besuche, wobei Freunde die Fahrtkosten dorthin auslegen würden. Die A2-Prüfung könne er mangels Ausweis nicht ablegen. Die BF2 könne sich die Fahrtkosten zum Deutschkurs in XXXX nicht leisten. Zur Nichtbefolgung der Wohnsitzauflage wurde ausgeführt, dass diese im laufenden Schuljahr ergangen sei und die BF3 und BF4 aus dem laufenden Schuljahr herausgerissen hätte ohne die Möglichkeit dieses Schuljahr abzuschließen. Die Beschwerdeführer hätten ausschließlich zum Wohl ihrer Kinder so gehandelt, für welche eine Übersiedlung nach Tirol ein "traumatisches Ereignis" bedeutet hätte. Dies werde dadurch deutlich, dass die BF3 und BF4 eine Woche lang geweint und Schulkollegen Wache gehalten hätten, um sie vor "der Deportation" zu schützen. Ferner wurde unrichtige rechtliche Beurteilung moniert, da den Beschwerdeführern am 03.10.2018 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden und damit ihr Aufenthalt nicht mehr illegal sei. Auch sei ihnen die lange Dauer des gegenständlichen Verfahrens nicht zurechenbar, weil eine Zurückverweisung an das Bundesamt erfolgt sei. Bei der Interessensabwägung habe sich das Bundesamt nicht ausreichend mit der Situation der BF3 und BF4 auseinandergesetzt. Das Bundesamt habe nicht ausgeführt, wieso die Judikatur zum anpassungsfähigen Alter zwischen sieben und elf Jahren nicht auf die BF3 und BF4 zutreffen sollte. Die überwiegende Sozialisation von Kindern in Österreich stelle ein maßgebliches Kriterium zu Gunsten eines Antragstellers dar; dies habe das Bundesamt nicht berücksichtigt. Weiters sei das Kindeswohl der BF3 und BF4 nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der angefochtene Bescheid sei daher inhaltlich rechtswidrig durch die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Angesichts des Umstandes, dass sich die BF3 und BF4 nicht mehr in einem anpassungsfähigen befänden und sie eine Rückkehr daher besonders hart träfe sowie der insgesamt hervorragenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich sei sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung "in eine Art. 8 EMRK widersprechende Lage geraten würden." Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG sei daher zu Unrecht erfolgt. Demzufolge sei auch die Nichtgewährung einer Frist zur freiwilligen Ausreise unzutreffend.

Am 05.08.2019 langte ein Unterstützungsschreiben für die Beschwerdeführer beim BVwG ein.

Nach den mit der Mitteilung des BFA vom 14.10.2019 übermittelten Kopien von am 10.10.2019 von der kasachischen Botschaft in Wien ausgestellten Heimreisezertifikaten, handelt es sich bei den Beschwerdeführern um Staatsbürger aus Kasachstan.

Den vorgelegten Ausreisebestätigungen vom 06.11.2019 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer am 05.11.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet nach Kasachstan ausgereist sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Die BF sind Staatsangehörige von Kasachstan. Ihre Identität steht fest. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet, die BF3 bis BF5 sind ihre minderjährigen Kinder.

Die BF1 bis BF4 stellten nach illegaler Einreise am 23.10.2014 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie angaben, russische Staatsbürger aus Tschetschenien zu sein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.02.2015 hinsichtlich Asyl und subsidiärem Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer erlassen, weil das Vorbringen des BF1 und der BF2 nicht als glaubwürdig erachtet worden war. Der am 03.08.2015 für den im Bundesgebiet nachgeborenen BF5 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.09.2015 ebenfalls abgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des BVwG vom 25.07.2016 als unbegründet abgewiesen und erwuchsen am 01.08.2016 in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verlieben illegal im Bundesgebiet. Ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren zu Beschaffung von Heimreisezertifikaten kamen sie trotz entsprechender Aufforderungen ebenfalls nicht nach.

Ihr zweiter Asylantrag (Folgeantrag) vom 27.12.2016 wurde mit Bescheiden des Bundesamtes vom 09.03.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und erneut eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer in die Russische Föderation erlassen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden seitens des BVwG mit Erkenntnissen vom 05.04.2017 als unbegründet abgewiesen.

Da die Beschwerdeführer auch dieser Ausreiseverpflichtung nicht nachkamen, ist ihr Aufenthalt seit dem 05.04.2017 wieder illegal.

Die Beschwerdeführer wurden mit Mandatsbescheiden des Bundesamtes vom 29.05.2018 angewiesen, sich binnen 3 Tagen in der Betreuungseinrichtung XXXX einzufinden und bis zur Ausreise dort Unterkunft zu nehmen. Auch dieser Verpflichtung sind die Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Am 17.07.2018 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 gestellt.

Diese wurden zunächst mit Bescheiden des Bundesamtes vom 13.09.2018 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen und neuerlich Rückkehrentscheidungen in die Russische Föderation erlassen sowie Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.

Den dagegen erhobenen Beschwerden wurde gemäß § 18 Abs. 5 BVA-VG mit Erkenntnissen des BVwG vom 03.10.2018 aufschiebende Wirkung zuerkannt; der Aufenthalt der Beschwerdeführer blieb jedoch illegal (§ 58 Abs. 13 AsylG 2005). Nach einer mündlichen Verhandlung am 29.11.2018 wurden die Bescheide des Bundesamtes ersatzlos behoben und eine inhaltliche Beurteilung nach Art. 8 EMRK als erforderlich erachtet.

Der BF1 gibt an, dass im Herkunftsstaat Verwandte (seine Mutter und eine Tante väterlicherseits sowie einige Cousins) leben. Zwei Cousins und zwei Tanten mütterlicherseits leben im Bundesgebiet und borgen ihm Geld, er ist jedoch nicht von ihnen abhängig. Der BF1 hat seine Schulausbildung im Herkunftsstaat absolviert und war dort als Kraftfahrer erwerbstätig. Er hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 durch ein ÖSD-Zeugnis vom 20.09.2016 belegt. Aktuell besuchte er Deutschkurse.

Die Eltern der BF2 leben auf der Krim. Sie hat ihre Schulausbildung im Herkunftsstaat absolviert. Sie war vor ihrer Ausreise nicht berufstätig. Sie verständigt sich auf Russisch mit dem BF1 und den Kindern. Sie hat bislang noch keine Deutschkenntnisse durch ein Zeugnis belegen können.

Die 12-jährige BF3 hat im Herkunftsstaat den Kindergarten und die Grundschule besucht und spricht behauptetermaßen Tschetschenisch, Russisch und Deutsch. Sie besucht auch in Österreich die Schule und hat relativ gute Noten. Die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium hat sie jedoch nicht bestanden.

Die 10-jährige BF4 hat im Herkunftsstaat den Kindergarten nicht besucht. Sie geht in Österreich zur Schule. Sie spricht ebenfalls Russisch, behauptetermaßen Tschetschenisch und Deutsch.

Der knapp vierjährige BF5 wurde in Österreich geboren und besucht bereits den Kindergarten. Er wird ebenfalls dreisprachig erzogen.

Die BF leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen (im Endstadium), bezüglich derer es keine Behandlungsmöglichkeiten in der Russischen Föderation gibt. Der BF1 leidet an Bandscheibenproblemen. Ärztliche Atteste wurden jedoch nicht beigebracht. Der BF1 und die BF2 sind arbeitsfähig. Der BF3 und BF4 sind gesund. Der BF5 leidet eventuell an Autismus. Ärztliche Befunde liegen nicht vor.

Der BF1 und die BF2 gingen in der Vergangenheit diversen Tätigkeiten im Rahmen der "Nachbarschaftshilfe" (Gärtnern, Putzen) nach. Erwerbstätigkeiten oder ehrenamtliche Tätigkeiten bzw. Mitgliedschaften in Vereinen haben sie nicht vorgebracht. Sie beziehen seit Juni 2018 keine Grundversorgung mehr und sind nicht mehr krankenversichert.

Der BF1 und die BF2 sind unbescholten. Die Unbescholtenheit der BF3 bis BF5 ergibt sich aus ihrem Alter.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Die Beschwerdeführer sind am 05.11.2019 mit kasachischen Heimreisezertifikaten freiwillig nach Kasachstan ausgereist.

Zur Situation in Kasachstan wird festgestellt:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kasachstan vom 20.07.2018 in relevanten Auszügen (Stand vom 12.6.2019 ):

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 12.6.2019: Tokajew gewinnt Präsidentschaftswahlen (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage). Übergangspräsident Kassym-Schomart Tokajew hat die Wahl zum Staatsoberhaupt am 9.6.2019 wie erwartet gewonnen (Standard 10.6.2019). Die OSCE beobachtete einige Unregelmäßigkeiten am Wahltag, darunter das Anstopfen der Wahlurnen sowie eine Missachtung der Auszählungsprozeduren, wodurch eine ehrliche Zählung gemäß der OSCEVorgaben nicht garantiert werden konnte (OSCE 10.6.2019). Gemäß der Wahlkommission erhielt Tokajew 70,96 % der Stimmen. Er wurde von der Wahlkommission als gewähltes Staatsoberhaupt anerkannt und wird am 12. Juni angelobt (AT 11.6.2019). Gemäß offiziellem Endergebnis entfielen auf die anderen Kandidaten: Amirschan Kossanow (Ult Tagdyry Vereinte Nationale Patriotische Bewegung): 16,23 %; Danija Jespajeva (Ak Zhol Demokratische Partei): 5,05 %; Toleutai Rachimbekow (Auyl (Village) Partei): 3,04 %; Amangeldy Taspichov (Kasachische Gewerkschaftsföderation): 1,98 %; Schambyl Achmetbekow (Kommunistische Volkspartei): 1,82 %; Sadybek Tugel (Uly Dala Kyrandary (Adler der Großen Steppe) Vereinigung): 0,92 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,5 % (AT 11.6.2019). Tokajew hatte das Amt im März 2019 von Nursultan Nasarbajew interimistisch übernommen, der sich nach rund 30 Jahren an der Macht zurückgezogen hatte [Anmerkung: siehe dazu KI vom 20.3.2019]. Nasarbajew hält allerdings weiter mehrere einflussreiche Ämter inne und gilt noch immer als mächtigster Mann des Landes (ORF 10.6.2019; vgl. RFE/RL 9.4.2019). Die regulären Wahlen hätten im April 2020 stattgefunden. Jedoch wurden im April 2019 vorgezogene Wahlen für den Juni 2019 angekündigt. Dadurch hatten potentielle Oppositionskandidaten nur wenig Zeit, um Wahlkampagnen auszuarbeiten (RFE/RL 9.4.2019). Obwohl sieben Kandidaten von verschiedenen Parteien oder Institutionen antraten, wodurch der Eindruck entstand, dass eine politische Vielfalt angeboten wurde, wurden nur selten klare Positionen und kritische Kampagnen getätigt. Der Wahlkampf erzielte nur geringe Aufmerksamkeit. Tokajew erhielt weitreichende Berichterstattung in seiner Funktion als Amtsinhaber sowie explizite Unterstützung von seinem Amtsvorgänger Nursultan Nasarbajew (OSCE 10.6.2019). Die Wahl war von massiven Protesten gegen Tokajew und den bereits im Vorfeld erwarteten Wahlausgang begleitet gewesen. Menschenrechtsorganisationen beklagen eine Unterdrückung der Opposition (Standard 10.6.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl hatte die Polizei den Druck auf Oppositionelle verstärkt. Demonstranten wurden teilweise zu kurzen

Haftstrafen verurteilt, und Wohnungen von Aktivisten durchsucht (Standard 10.6.2019; vgl. Spieghel 9.6.2019). Mit Blick auf die Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei im Vorfeld der Wahl erklärte Tokajew, in einen Dialog mit allen treten zu wollen. (Standard 10.6.2019) Den ganzen Wahltag über wurden aus verschiedenen Städten Kasachstans, u.a. aus Nursultan, Almaty und Schymkent, Dutzende Festnahmen gemeldet (Spiegel 9.6.2019). Das Innenministerium bestätigte für den Wahltag rund 500 Festnahmen (Standard 10.6.2019; vgl. AiF 11.6.2019). Am Tag nach den Wahlen nahm die Polizei weitere 200 Personen fest (AiF 11.6.2019). Genaue Zahlen zu den Teilnehmern der Proteste wurden nicht genannt. Nach Schätzungen beteiligten sich mehrere Tausend Menschen. Zu den Festgenommenen gehörten auch Journalisten, die nach einiger Zeit wieder freigelassen wurden. Andere Demonstranten wurden stundenlang festgehalten und befragt (Spiegel 9.6.2019). Es handelte sich um die größten Proteste im Land seit drei Jahren. Die Sicherheitskräfte wurden von Tokajew zur "Zurückhaltung" aufgerufen, er fügte jedoch hinzu, dass "ernsthafte Verstöße gegen unsere Gesetze natürlich nicht toleriert" würden (Standard 10.6.2019). Am 23.3.2019 wurde die Hauptstadt Kasachstan von Astana in Nursultan offiziell umbenannt (ORF 23.3.2019).

Quellen:

? AiF - (11.6.2019): 700 , http://www.aif.ru/politics/v_kazahstane_zaderzhali_700_mitinguyushchih_protiv_vybo rov_novogo_prezidenta, Zugriff 11.6.2019

? AT - Astana Times (11.6.2019): Kassym-Jomart Tokayev elected Kazakhstan's president with 70.96 percent of the vote, https://astanatimes.com/2019/06/kassymjomart-tokayev-elected-kazakhstans-president-with-70-96-percent-of-the-vote/, Zugriff 11.6.2019

? ORF (10.6.2019): Tokajew bleibt Präsident von Kasachstan, https://orf.at/stories/3126317/, Zugriff 11.6.2019 ? ORF (23.3.2019): Gesetz unterzeichnet: Neuer Name für Kasachstans Hauptstadt, https://orf.at/stories/3116226/, Zugriff 11.6.2019

? OSCE - Organization for Security and Co-Operation in Europe (10.6.2019): INTERNATIONAL ELECTION OBSERVATION MISSION Republic of Kazakhstan - Early Presidential Election, 9 June 2019 - STATEMENT OF PRELIMINARY FINDINGS AND CONCLUSIONS, https://www.osce.org/odihr/elections/kazakhstan/422510?download=true, Zugriff 11.6.2019 ? RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (9.4.2019): Kazakhstan To Hold Snap Presidential Election On June 9, https://www.rferl.org/a/kazakhstan-president-snapelection-toqaev-nazarbaev/29869956.html, Zugriff 11.6.2019

? Spiegel Online (9.6.2019): Sicherheitskräfte nehmen Hunderte Demonstranten fest, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kasachstan-hunderte-festnahmen-am-tag-derpraesidentschaftswahl-a-1271627.html, Zugriff 11.6.2019

? Standard, der (10.6.2019): Tokajew bleibt Präsident in autoritär regiertem Kasachstan, https://derstandard.at/2000104613705/Hunderte-Festnahmen-bei-Wahl Protesten-in-Kasachstan , Zugriff 11.6.2019

KI vom 20.3.2019: Präsident Nursultan Nasarbajew zurückgetreten (betrifft: Abschnitt 2./Politische Lage).

Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew hat am 19. März 2019 in einer TV-Ansprache seinen Rücktritt vom Amt erklärt. Der heute 78-jährige war ab 1989 KP-Chef der Sowjetrepublik und wurde seit der Unabhängigkeit Kasachstans 1991 fünfmal zum Präsidenten gewählt. Seine Amtszeit sollte eigentlich erst 2020 auslaufen (Standard 20.3.2019). Anfang Februar 2019 ließ Nasarbajew vom Verfassungsgerichtshof klären, dass er das Recht habe, vorzeitig zurückzutreten (Reuters 5.2.2019; vgl. BBC 19.3.2019).

Nasarbajew behält den rituellen Titel "Ebalsa", Führer der Nation. Darüber hinaus bleibt Nasarbajew Vorsitzender der Nur-Otan-Partei und Mitglied des Verfassungsrates (New TV News 20.3.2019). Er bleibt auch Vorsitzender des Sicherheitsrates. In dieser Funktion, die er auf Lebenszeit ausüben kann, verfügt er über bedeutende Befugnisse in der Innen- und Außenpolitik (New TV News 20.3.2019; vgl. BBC 19.3.2019).

Gemäß einem Präsidialdekret werden die Befugnisse des Präsidenten vom Vorsitzenden des kasachischen Senats, Kassym-Dschomart Tokajew, übernommen (New TV News 20.3.2019). Tokajew wurde am 20.3.2019 vereidigt und wird bis zu den im Jahr 2020 planmäßig stattfindenden Wahlen im Amt bleiben (AiF 20.3.2019). Der 65-jährige Tokajew ist ein erfahrener Diplomat, er war Vorsitzender der Regierung, insgesamt zehn Jahre Außenminister und von 2011 bis 2013 stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen (New TV News 20.3.2019).

Tokajew gilt als enger Vertrauter des zurückgetretenen Präsidenten (New TV News 20.3.2019). Gemäß Tokajew wird die Meinung seines Vorgängers Nursultan Nazarbajew von entscheidender Bedeutung bei strategischen Entscheidungen sein. Der neue Amtsinhaber schlug auch vor, die Hauptstadt Kasachstans und die Hauptstraßen aller regionalen Zentren des Landes nach dem Ex-Präsidenten zu benennen (AiF 20.3.2019).

Am 19.2.2019 hat Nasarbajew die Regierung wegen schlechter wirtschaftlicher Ergebnisse entlassen. Der seit 2016 im Amt befindliche Premierminister Bakytzhan Sagintayev wurde interimistisch von seinem bisherigen Stellvertreter Askar Mamin abgelöst (France24 21.2.2019), der am 25. Februar bei der Ernennung der neuen Regierung als Premierminister bestätigt wurde (Diplomat 26.2.2019).

Quellen: ?

AiF - (20.3.2019): , http://www.aif.ru/politics/world/tokaev_zayavil_chto_mnenie_nazarbaeva_budet_imet _prioritetnoe_znachenie, Zugriff 20.3.2019 ?

BBC (19.3.2019): Kazakh leader Nazarbayev resigns after three decades, https://www.bbc.com/news/world-asia-47628854, Zugriff 20.3.2019

-Diplomat, the (26.2.2019): Kazakhstan Appoints a New-Old Government, https://thediplomat.com/2019/02/kazakhstan-appoints-a-new-old-government/, Zugriff 20.3.2019 ? France24 (21.2.2019): Kazakh president sacks government for economic failures, https://www.france24.com/en/20190221-kazakh-president-sacks-governmenteconomic-failures, Zugriff 20.3.2019 ?

New TV News (20.3.2019): , https://newtvnews.ru/world/2019/03/20/nazarbaev-ushel-chto-dalshe/, Zugriff 20.3.2019

- Reuters (5.2.2019): Kazakh president dismisses talk of snap election, https://www.reuters.com/article/us-kazakhstan-president/kazakh-president-dismissestalk-of-snap-election-idUSKCN1PU0Y8, Zugriff 20.3.2019

- Standard, der (20.3.2019): Parlamentschef als neuer Präsident von Kasachstan vereidigt, https://derstandard.at/2000099815065/Kasachstans-PraesidentNasarbajew-kuendigt-nach-knapp-28-Jahren-Ruecktritt-an, Zugriff 20.3.2019

2. Politische Lage

Das unabhängige Kasachstan hatte sich 1993 seine erste - parlamentarische - Verfassung gegeben. Schon 1995 wurde sie durch eine neue Konstitution ersetzt, die, orientiert an der französischen, einen starken Präsidenten etabliert. Durch mehrere Verfassungsänderungen wurden dessen Kompetenzen auf Kosten von Regierung und Parlament noch erweitert (GIZ 6.2018a).

Mit der am 10. März 2017 verabschiedeten Verfassungsreform erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung. Zudem soll mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt werden. Auch nach der Reform bleiben weitreichende Vollmachten beim Präsidenten: Er ist dem Parlament gegenüber politisch nicht verantwortlich (Präsidentenanklage nur wegen Hochverrats). Auch nach dem Ende seiner Amtszeit genießt er verfassungsmäßig garantiert umfangreiche Immunitäten und das Recht, auf die kasachische Politik Einfluss zu nehmen ("Führer der Nation" seit Mai 2010). 2007 wurde zwar die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre bei nur einer möglichen Wiederwahl reduziert. Präsident Nasarbajew jedoch wurde als "Erster Präsident" Kasachstans von dieser Wiederwahlbeschränkung durch Ausnahme in der Verfassung befreit. Er ist Vorsitzender der Regierungspartei Nur-Otan, die 1999 gegründet wurde und 2005 mit drei anderen Parteien fusionierte. Von einer echten Opposition kann in Kasachstan nicht gesprochen werden (AA 3.2018a).

Jegliche Art der Gewaltenteilung (checks and balances) im Sinne der Kontrolle der Exekutive ist extrem schwach. Die Exekutive beherrscht alle übrigen Bereiche der Regierung und innerhalb der Exekutive wiederum dominiert der Präsident mit seiner engsten Entourage und der Präsidialverwaltung. Während das gegenwärtige Regime relativ stabil ist, verhindert es das Entstehen neuer politischer Kräfte, verlangsamt die Entwicklung einer Mittelklasse und schafft auf lange Hinsicht Stabilitätsrisiken (BTI 2018).

Die prägende Gestalt des unabhängigen Kasachstan ist Nursultan Nasarbajew. Als Parteichef der KasSSR wurde er 1990 zunächst vom Obersten Sowjet der Unionsrepublik ins neu geschaffene Amt des Präsidenten gewählt und am 1.12.1991 als einziger Kandidat von der Bevölkerung in diesem Amt bestätigt und hat es seither ununterbrochen inne (1995 Verlängerung der Amtszeit per Referendum; 1999 und 2005 reguläre Präsidentschaftswahlen, 2011 um ein Jahr vorgezogene Wahlen). Im Februar 2015 wurden extrem kurzfristig wiederum um ein Jahr vorgezogene Wahlen für den 26.4.2015 angekündigt. Erwartungsgemäß hieß der Sieger erneut Nursultan Nasarbajew. Seine beiden Gegenkandidaten waren in der Bevölkerung unbekannt und ließen auch keinen Zweifel

daran, dass sie den Amtsinhaber für die bessere Wahl hielten (GIZ 6.2018a). Nasarbajew wurde mit 97,75% im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 95% (IFES 2018a). Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden regulär 2020 statt (AA 3.2018a).

Senat (Oberhaus) und Mazhilis (Unterhaus) sind die beiden Häuser des Parlaments. Der Senat setzt sich aus 47 Senatoren zusammen: Je Verwaltungsgebiet (Oblast) werden zwei Senatoren (Amtszeit 6 Jahre) von den örtlichen Vertretungskörperschaften (Maslikhate) gewählt; 15 Senatoren werden vom Präsidenten ernannt. Bei vorgezogenen Unterhauswahlen am 20. März 2016 hat die Präsidentenpartei "Nur Otan" mit 82,15% den erwarteten Wahlsieg errungen. Oppositionsparteien boten keine ernst zu nehmende politische Alternative zur dominierenden Präsidentenpartei. Die Kommunistische Volkspartei (7,14%) und die wirtschaftsliberale Partei "Ak Zhol" (7,18%) haben neben "Nur Otan" die 7%Sperrklausel überwunden. Beide Parteien waren bereits im vorherigen Parlament vertreten (AA 3.2018a). Von den 98 Sitzen des Unterhauses fielen 84 auf "Nur Otan", und je sieben auf die "Kommunistische Volkspartei" sowie auf die "Demokratische Partei Ak Zhol" (IFES 2018b). Die OSZE konstatierte zwar einige Fortschritte, doch hätte das Land noch Wesentliches vor sich, um die OSZE-Verpflichtungen für die Durchführung demokratischer Wahlen zu erfüllen. Der rechtliche Rahmen schränkt die grundlegenden politischen und Bürgerrechte ein, was eine umfassende Reform von Nöten macht. Am Wahltag selbst kam es zu ernsten prozeduralen Fehlern und Unregelmäßigkeiten (OSCE 21.3.2016).

Ende April 2016 kam es in ganz Kasachstan zu zahlreichenden Demonstrationen, gegen eine geplante Landreform, welche von den Gegnern als Ausverkauf kasachischen Bodens an ausländische Investoren aufgefasst wurde (Erhöhung der Pachtdauer von 10 auf 25 Jahre). In mehreren Städten sollen jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Personen teilgenommen haben Die Regierung dementierte, dass dies faktisch dem Verkauf von Land gleichkäme. Präsident Nasarbajew forderte, Provokateure, die bewusst Gerüchte über den Verkauf von Agrarland streuen, streng zu bestrafen. (BBC 28.4.2016; vgl. ZA 27.5.2016). In der Folge suspendierte die Regierung die Änderungen des Landrechts (ODF 20.5.2016), nachdem Präsident Nasarbajew am 5.5.2016 sein Veto bis zur "weiteren Klarstellung" eingelegt hatte. Am selben Tag entließ Nasarbajew den Wirtschaftsminister, dessen Stellvertreter sowie den Landwirtschaftsminister, weil sie es verabsäumt hätten, der Bevölkerung die diesbezügliche Regierungspolitik zu erklären (JF 16.5.2016; vgl. ZA 16.2.2017).

2017 war die Lage in Kasachstan innenpolitisch - im Gegensatz zum eher unruhigen Vorjahr - stabil (AA 3.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 24.5.2018

- BBC.news (28.4.2016): Kazakhstan's land reform protests explained, http://www.bbc.com/news/world-asia-36163103, Zugriff 5.6.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Kazakhstan Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427412/488344_en.pdf, Zugriff 25.5.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Kasachstan, Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018

- IFES - International Foundation for Electoral Systems (2018a): Election Guide: Republic of Kazakhstan, Election for President, http://www.electionguide.org/elections/id/2612/, Zugriff 5.6.2018

- IFES - International Foundation for Electoral Systems (2018b): Election Guide: Republic of Kazakhstan, Election for Parliament, http://www.electionguide.org/elections/id/2904/, Zugriff 5.6.2018

- JF - Jamestown Foundation (16.5.2016): Land Protests Testify to Kazakhstan's Internal Vulnerability, https://jamestown.org/program/land-protests-testify-to-kazakhstans-internalvulnerability/, Zugriff 5.6.2018

- ODF - Open Dialog Foundation (20.5.2016): Mass arrests and threats on the eve of rallies of 21th May: We urge to prevent recurrence of Zhanaozen tragedy, http://en.odfoundation.eu/a/7528,mass-arrests-and-threats-on-the-eve-of-rallies-of-21thmay-we-urge-to-prevent-recurrence-of-zhanaozen-tragedy, Zugriff 5.6.2018

- OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (21.3.2016): Republic of Kazakhstan - Early Parliamentary Elections, 20 March 2016; Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/kazakhstan/229101? download=true, Zugriff 5.6.2018

- ZA - Zentralasien Analysen (27.5.2016): Zentralasien-Analysen Nr.101, Chronik Kasachstan 23. April - 20.Mai 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen101.pdf, Zugriff 6.7.2018

- ZA - Zentralasien Analysen (16.2.2017): Chronik: Kasachstan im Jahr 2016, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2016.pdf, Zugriff 13.7.2018

3. Sicherheitslage

Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren islamistisch-terroristische Anschlägen in Kasachstan. Daraufhin wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetzes verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2018a).

2016 kam es zu den ersten größeren Anschlägen seit 2011 (USDOS 19.7.2017). Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Menschen getötet wurden. Zwei Dutzend junger Männer überfielen zwei Waffengeschäfte, dann einen Posten der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen (FR 6.6.2016; vgl. ZA 30.6.2016). Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Soldaten der Nationalgarde (RFE/RL 7.6.2016). Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet (RFE/RL

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 38

10.6.2016). Die Staatsführung stufte beide Ereignisse als terroristische Akte ein und beschuldigte ausländische Akteure, obwohl die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zu ausländischen terroristischen Organisationen ergaben (USDOS 19.7.2017). So brachte etwa Präsident Nasarbajew die Anschläge mit den Farbrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan 2010 in Verbindung (ZA 30.6.2016).

Am 18.7.2016 stürmte ein bewaffneter, offenbar islamistischer Einzeltäter mit krimineller Vergangenheit das Bezirkshauptquartier der Polizei in Almaty und tötete fünf Menschen - darunter drei Polizisten - und verletzte drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich (GIZ 6.2018a; vgl. ZA 29.7.2016). Der Hauptangeklagte des Anschlages wurde später zum Tode verurteilt (AA 3.2018a).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Die Regierung hat schon seit langem die Möglichkeit einer Rückkehr ausländischer Terroristen aus dem Irak und Syrien befürchtet, doch haben die Anschläge vom Juni und Juli die Aufmerksamkeit der Regierung wieder verstärkt auf einheimische gewalttätige Extremisten gelenkt. Um dieser Bedrohung besser zu begegnen, änderte die Regierung die Anti-Terror-Gesetzgebung. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 19.7.2017).

Im September 2016 wurde offiziell mitgeteilt, dass durch die Gerichte Kasachstans zahlreiche Urteile im Zusammenhang mit Förderung von "Extremismus" und Terrorismus, sowie zu militanten Tätigkeiten in Syrien, sowie wegen Rekrutierung von Terroristen verhängt worden sind. Innerhalb von fünf Jahren wurden 64 terroristische Anschläge vereitelt und 445 Terroristen verurteilt, darunter 33 Heimkehrer aus Konfliktregionen (USDOS 19.7.2017).

Wurde im April 2015 die Zahl der Kasachen in Syrien mit 350 Personen angegeben (150 Kämpfer, der Rest Familienmitglieder) (USDOS 2.6.2016), wurden 2017 keine dahingehenden offiziellen Schätzungen abgegeben (USDOS 19.7.2017). US-amerikanische Quellen schätzten im Oktober 2017 die Zahl der kasachischen Staatsbürger unter den ISKämpfern auf 500 (ZA 27.1.2018).

Die Sicherheitslage in Kasachstan kann im Vergleich zu den Nachbarländern als stabil bezeichnet werden (BMEIA 25.4.2018). 2017 gab es keine islamistischen Anschläge (GIZ 6.2018a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 4.6.2018

- BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.4.2018): Kasachstan, Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan/, Zugriff 4.6.2018

- FR - Frankfurter Rundschau (6.6.2016): Terroranschlag in Kasachstan, http://www.fronline.de/politik/kasachstan-terroranschlag-in-kasachstan,1472596,34332014.html, Zugriff 4.6.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Kasachstan, Geschichte, Staat und Politik, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 13.7.2018 - RFE/RL

- Radio Free Europe/Radio Liberty (10.6.2016): Kazakh Security Forces Kill Five Suspected Militants In Aqtobe, http://www.rferl.org/content/kazakhstan-aqtobe-militantsuspects-killed/27789949.html, Zugriff 4.6.2018

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.6.2016): Kazakh Officials: Death Toll From Aqtobe Attacks Reaches 19, http://www.rferl.org/content/krygyzstan-high-alert-attackskazakhstan/27783461.html, Zugriff 4.6.2018

- USDOS - US Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 Chapter 2 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1404719.html, Zugriff 4.6.2018

- USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 Chapter 2 - Kazakhstan, http://www.ecoi.net/local_link/324728/464426_de.html, Zugriff 4.6.2018

- ZA - Zentralasien Analysen (27.1.2018): Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, Chronik: Kasachstan im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/chroniken/Chronik_Kasachstan_2017.pdf, Zugriff 6.7.2018

- ZA - Zentralasien Analysen (29.7.2016): Zentralasien-Analysen Nr.103 - 104, Chronik Kasachstan 25. Juni - 22. Juli 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen103-104.pdf, Zugriff 6.7.2018 - ZA - Zentralasien Analysen (30.6.2016): Zentralasien-Analysen Nr.102, Chronik Kasachstan 21. Mai - 24. Juni 2016, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen102.pdf, Zugriff 6.7.2018

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht keine unabhängige Justiz vor. Diese wird in der Praxis von der Exekutive eingeschränkt. Überdies dominiert der Staatspräsident generell die Justiz. Die Rekrutierung von Richtern ist von Korruption geplagt, und bedingt oftmals die Bestechung hochrangiger Beamter (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).

Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes und jene der lokalen Gerichte sowie die Mitglieder des Obersten Justizrates. Zwar sieht die Verfassung die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit des Gerichtswesens vor, doch in der Praxis ist die Justiz der Exekutive dienlich und schützt die Interessen der herrschenden Eliten. Zusammen mit der allgegenwärtigen Korruption der Gerichte führt dies zu geringem Vertrauen und Erwartungen der Öffentlichkeit in die Justiz (FH 2018).

Angeklagte genießen die Unschuldsvermutung. Für Verbrechen, welche mit der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie für schwere Verbrechen wie Menschenhandel und die Beteiligung Minderjähriger an kriminellen Aktivitäten, sind Geschworenenprozesse vorgesehen. Aktivisten kritisieren jedoch, dass Geschworene durch Richter, Experten und Zeugen Druck ausgesetzt sind und bei Nichtumsetzung richterlicher "Empfehlungen" kann die Jury leicht aufgelöst werden. Angeklagte in Strafsachen, welche über wenig Einkommen verfügen, haben das Recht auf Beratung und einen von der Regierung zur Verfügung gestellten Anwalt. Laut Beobachtern dominieren Staatsanwälte die Prozesse und Verteidiger spielen eine untergeordnete Rolle. Angeklagte haben das Recht, eine Entscheidung vor einem höheren Gericht anzufechten. Das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit bleibt ein Problem, insbesondere in einigen politisch motivierten Prozessen mit Oppositionellen und in Fällen, in denen es Vorwürfe unzulässiger politischer oder finanzieller Einflussnahme gibt. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter fehlender Zugang zu Gerichtsverfahren, mangelnder Zugang zu staatlichen Beweismitteln, häufige Verfahrensverstöße, Verweigerung von Verteidigungsanträgen und das Versäumnis von Richtern, Vorwürfen gegen die Behörden bezüglich erzwungener Geständnisse nachzugehen. Korruption ist in gerichtlichen Verfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am höchsten bezahlten Regierungsangestellten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Die Staatsanwälte haben eine quasi-richterliche Funktion und sind befugt, Gerichtsentscheidungen auszusetzen. Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden Haftanträge der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ausgestellt. Die Staatsanwälte haben die Macht, Untersuchungen und Festnahmen zu autorisieren. Im ersten Halbjahr 2017 wurden 32 Richter wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft: Zwölf Richter wurden verwarnt, vierzehn gerügt und sechs wurden entlassen (USDOS 20.4.2018) Nach wie vor kommen Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich vor. In Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Reformanstöße von innen und außen werden zögernd angenommen und umgesetzt (AA 3.2018a).

Fast zwei Drittel der Bürger empfinden die Justiz als korrupt (BTI 2018).

Unternehmen zögern, sich an Gerichte zu wenden. Ausländischen Unternehmen war in der Vergangenheit bei der Anfechtung staatlicher Vorschriften und bei Vertragsstreitigkeiten wenig Erfolg beschieden (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Kasachstan, Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node, Zugriff 25.5.2018

- BTI - Bertelsmann Stiftung: BTI 2018; Kazakhstan Country Report, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427412/488344_en.pdf, Zugriff 25.5.2018

- FH - Freedom House (2018): Nations in Transit 2018 - Kazakhstan, https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2018/kazakhstan, Zugriff 5.6.2018

- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430384.html, Zugriff 25.5.2018

5. Sicherheitsbehörden

Die Zentralregierung hat das Gewaltmonopol inne. Das Nationale Sicherheitskomitee (KNB), [der kasachische Inlandsgeheimdienst], ist weiterhin die Hauptinstitution, die für die nationale Sicherheit verantwortlich ist und eng mit dem Innenministerium zusammenarbeitet (BTI 2018). Die S

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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