TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W244 2221587-1

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §23a
GehG §23b

Spruch

W244 2221587-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Verena JEDLICZKA-MESSNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch RA Mag. Klaus HEINTZINGER, gegen den Bescheid des Landespolizeipräsidenten für XXXX vom 11.06.2019, Zl. PAD/19/524679/4, betreffend besondere Hilfeleistungen nach §§ 23a und 23b GehG 1956 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin steht als Exekutivbeamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Schreiben vom 06.03.2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung einer besonderen Hilfeleistung für Verdienstentgang und Schmerzengeld gemäß §§ 23a, 23b Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956). Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie am 04.07.2018 im Rahmen einer polizeilichen Amtshandlung einen Dienstunfall gehabt hätte. Sie habe sich im Zuge einer Ortsveränderung hinter der Tretgittersperre beim Herabsteigen vom Gehsteig auf die Fahrbahn verletzt und sich dabei eine Bänderzerrung am rechten Knöchel zugezogen.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde Antrag der Beschwerdeführerin mangels Vorliegens einer Fremdeinwirkung beim Dienstunfall als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin führte die Beschwerdeführerin zur Begründung im Wesentlichen aus, dass sie die Voraussetzungen des § 23a GehG 1956 erfülle und keine Fremdeinwirkung erforderlich sei.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde vorgelegt und langten am 23.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin steht als Exekutivbeamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Im Rahmen einer polizeilichen Amtshandlung am 04.07.2018 hatte die Beschwerdeführerin einen Dienstunfall ohne Fremdeinwirkung. Sie verletzte sich beim Herabsteigen vom Gehsteig auf die Fahrbahn und zog sich dabei eine Bänderzerrung am rechten Knöchel zu.

Die Beschwerdeführerin befand sich aufgrund des Dienstunfalls von 05.07.2018 bis 11.09.2018 im Krankenstand.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere auf den angefochtenen Bescheid und die Beschwerde, und sind insoweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen, womit im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1.1.1. Die mit der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, neu ins GehG 1956 eingefügten §§ 23a und 23b GehG 1956 lauten wie folgt:

"Besondere Hilfeleistungen

§ 23a. Der Bund hat als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen, wenn

1. eine Beamtin oder ein Beamter

a) einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 des Beamten-Kranken-und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b) einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in unmittelbarer Ausübung ihrer oder seiner dienstlichen Pflichten erleidet, und

2. dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3. der Beamtin oder dem Beamten dadurch Heilungskosten erwachsen oder ihre oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist.

Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung

§ 23b. (1) Der Bund leistet als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1. sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

(2) Ein Vorschuss nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 ist höchstens bis zum 27-fachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 für Heilungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten.

(3) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 2 umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(4) Ist eine gerichtliche Entscheidung über die Ansprüche gemäß Abs. 2 unzulässig, kann diese nicht erfolgen oder ist diese ohne Prüfung des Bestandes der Ansprüche erfolgt, hat die Dienstbehörde nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche die Heilungskosten sowie jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu ersetzen. Die Zahlung von Schmerzengeld ist nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche höchstens bis zum fünffachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 möglich. Die Gesamtkosten dürfen jedoch jene gemäß Abs. 2 nicht überschreiten.

(5) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes besteht nur insoweit, als die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

(6) Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über."

3.1.1.2. Die Gesetzesmaterialien zur Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, (RV 196 BlgNR 26. GP, 9 f) führen dazu auszugsweise wie folgt aus:

"Zu § 23a GehG, zu dem den § 25a betreffenden Eintrag des Inhaltsverzeichnisses und zu § 25a VBG:

Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken über die Rechtsnatur der bislang als Auslobung gestalteten rechtlichen Ansprüche bei Dienst- und Arbeitsunfällen erfolgt die Eingliederung der Kernbestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes - WHG, BGBl. Nr. 177/1992, in das GehG. Unter einem erfolgt die Einarbeitung der Bestimmung des § 83c GehG.

Die Hilfeleistungen des Bundes sind von Amts wegen für alle Bundesbediensteten (Beamtinnen und Beamte sowie Vertragsbedienstete) gleichermaßen zu erbringen, weil in den vergangenen Jahren neben anderen Dienst- und Arbeitsunfällen vermehrt tätliche Übergriffe auf Bedienstete festzustellen sind, die nicht ausschließlich einer gefahrengeneigten Tätigkeit nachgehen und derartigen Angriffen schutzlos ausgesetzt sind. Dies zeigt nicht zuletzt die ansteigende Zahl an Übergriffen etwa auf Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher oder die tragische Ermordung einer Rechtspflegerin durch eine Partei. § 23a GehG enthält die Voraussetzungen, die für die Erbringung der besonderen Hilfeleistung durch den Bund vorliegen müssen.

[...]

Zu § 23b GehG:

Als besondere Hilfeleistungen für Bundesbedienstete ist die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund vorgesehen. Mit der Neuregelung übernimmt der Bund vorläufig einerseits Ansprüche, die im Zuge eines Straf- oder Zivilrechtsverfahrens nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche zuerkannt worden sind. Um weitere Streitigkeiten und mögliche finanzielle Nachteile hintanzuhalten, wird klargestellt, dass nur solche Entscheidungen Bindungswirkung entfalten, in denen der Bestand der geltend gemachten Ansprüche geprüft wurde. Darüber hinaus wird auch die Zahlung von Heilungskosten sowie jenes Einkommens, das der oder dem Bundesbediensteten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, wenn über die Zuerkennung solcher Ansprüche eine gerichtliche Entscheidung unzulässig ist oder nicht erfolgen kann, weil etwa der Täter unbekannt oder flüchtig ist, vom Bund bevorschusst. Damit wird auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, G 339/2015, vom 15.10.2016 Rechnung getragen. Gleichzeitig erfolgt neben einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Regelung auf alle Bundesbediensteten eine Implementierung des bisherigen § 83c.

[...]"

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Bund auf der Grundlage der §§ 23a und 23b GehG 1956 als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (die vorläufige Übernahme von Ansprüchen) zu leisten hat, obwohl der Dienstunfall ohne Fremdeinwirkung passierte.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn sie ausführt, dass die Änderung der gesetzlichen Grundlagen mit der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, keinesfalls zur Auslegung führen könnte, dass nunmehr alle Unfälle, die sich während der Dienstzeit ereignen, die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG 1956 erfüllten. Vielmehr geht aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den oben wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Dienstrechts-Novelle 2018 klar hervor, dass es für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach diesen Bestimmungen (weiterhin) einer Fremdeinwirkung bedarf (RV 196 BlgNR 26. GP, 9 f).

Voraussetzung für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG 1956 ist daher, dass der Schaden dem Beamten durch eine andere Person zugefügt worden ist. Eigenverschulden des Beamten bzw. ein Schaden ohne Zutun einer anderen Person schließen folglich von vornherein einen Anspruch auf besondere Hilfeleistung nach diesen Gesetzesbestimmungen aus.

Die Beschwerdeführerin erlitt in Ausübung unmittelbarer dienstlicher Pflichten einen Dienstunfall, jedoch liegt unstrittig keine Fremdeinwirkung vor.

Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer besonderen Hilfeleistung nach den §§ 23a und 23b GehG 1956 nicht erfüllt.

Soweit die Beschwerdeführerin der Sache nach eine Gleichheitswidrigkeit behauptet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum auf dem Gebiet des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts zu verweisen (vgl. VfSlg. 16.176/2001 mwH und 17.452/2005). Vor diesem Hintergrund haben sich Bedenken, dass die hier maßgebliche Rechtslage dieser (weitmaschigen) Forderung nicht entspricht, nicht ergeben.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3.1.3. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 MRK fallen, insoweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben (vgl. VwGH 13.09.2017, Ro 2016/12/0024 mwN).

Demnach kann eine Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK nur dann entfallen, wenn die Ausnahmen für nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen oder hochtechnische Fragen Platz greifen (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0067).

Da sich im vorliegenden Fall der unstrittige Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.2. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsprechung zur mit der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, erfolgten gesetzlichen Neugestaltung der besonderen Hilfeleistung gemäß § 23a ff GehG 1956.

Schlagworte

Dienstunfall Exekutivdienst Fremdeinwirkung Hilfeleistung Revision zulässig Vorschuss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W244.2221587.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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